Protocol of the Session on April 18, 2018

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, immer mehr Menschen sehen, dass die Herausforderungen, die vor uns liegen, angepackt werden müssen, weil sie die Auswirkungen selber spüren. Sie wissen, dass man nicht einfach so weitermachen kann, und sie wollen auch nicht, dass man ihnen sozusagen eine scheinheilige Inszenierung und Überschriften anbietet. Sie wollen konkrete Antworten.

Die Menschen in Bayern wissen, dass man nicht tonnenweise Ackergifte auf unsere Felder sprühen kann, ohne dass die Böden und das Wasser kaputtgehen. Fahren Sie einmal mit offenen Augen durch die Fluren unseres Landes, und Sie werden feststellen, dass von der einst vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt immer weniger vorhanden ist. Auch diejenigen, die nicht zu Fuß unterwegs sind – wie Sie, Herr Ministerpräsident Söder –, werden spätestens, wenn sie die Windschutzscheibe ihres Autos waschen, feststellen, dass wir immer weniger Insekten haben.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der CSU: Das stimmt ja nicht!)

Meine sehr geehrten Kollegen von der CSU – leider sind nur relativ wenige anwesend –, ich möchte Sie einmal fragen: Wissen Sie noch, was Sie am 1. April 2008 beschlossen haben? – Ich hoffe, das war kein Aprilscherz. – Es war die Bayerische Biodiversitätsstrategie. Das hat gut geklungen, mehr nicht. Dabei ging es auch schon um das Thema Artensterben. Sie meinten gerade, es sei kaum etwas schlechter geworden. Der aktuelle Umweltminister – er ist leider im Moment nicht anwesend – Marcel Huber war damals Staatssekretär. Sie haben vor zehn Jahren in Ihrer Biodiversitätsstrategie beschlossen, dass sich bis zum Jahre 2020 für mehr als 50 % der Arten auf der Roten Liste die Gefährdungsstufe um wenigstens eine Stufe verbessern soll. Was ist eingetreten? – Genau das Gegenteil. Da haben Sie komplett versagt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Liste der Arten, die vom Aussterben bedroht sind, wird länger und nicht kürzer, und zwar in einem nie da gewesenen Tempo. Wir müssen auch feststellen, dass immer mehr Allerweltsvogelarten wie das Rebhuhn oder der Kiebitz mittlerweile auf der Roten Liste als "stark gefährdet" eingestuft sind. Der Feldhase und seit Neuestem auch der Igel sind vom Aussterben bedroht. Der massive Schwund von Schmetterlingen, Bienen und anderen Insekten bedroht unsere Landwirtschaft – ohne Insekten keine Bestäubung und ohne Bestäubung keine Erträge. Ich muss feststellen: Beim Schutz unserer vielfältigen bayerischen Tier- und Pflanzenwelt haben Sie in den letzten zehn Jahren krachend versagt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihre heutige Regierungserklärung zeigt klar und aktuell wieder: Sie haben nicht den Mut, nicht den Willen und nicht die Entschlossenheit, gegenzusteuern, um das Artensterben in Bayern endlich zu stoppen. Ihre abwartende Politik in Bayern ist dafür verantwortlich. Sie brauchen nicht nach Berlin zu schimpfen, Sie brauchen nicht nach Brüssel zu schauen. Sie in Bayern sind dafür verantwortlich, dass bei uns immer mehr Tier- und Pflanzenarten aussterben. Das ist Ihre falsche Politik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was haben wir heute gehört? Sie haben sich hier hingestellt und eine Art besseres Landesamt für Artenschutz angekündigt. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Wir wollen das Artensterben in Bayern nicht dokumentieren, sondern wir wollen es stoppen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir GRÜNE wollen hier die Notbremse ziehen, und wir müssen die Notbremse bei einer völlig verkehrten und falsch gesteuerten CSU-Landwirtschaftspolitik ziehen. Auf der einen Seite hat diese Landwirtschaftspolitik unsere Landwirte in eine Turbolandwirtschaft nach dem Motto "Wachsen oder weichen" getrieben. Auf der anderen Seite hat diese Landwirtschaftspolitik dazu geführt, dass unser ökologisches Gleichgewicht immer weiter aus den Fugen geraten ist. Diese Art der Landwirtschaftspolitik nützt niemandem. Die Landwirte sind damit nicht zufrieden und die Verbraucher auch nicht. Unsere Natur geht darunter kaputt, und unser Wasser wird immer schlechter. Nur eine Handvoll großer Agrarmonopolisten verdienen daran. Das muss sich ändern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In der Fachwelt ist absolut unstrittig, dass diese CSUTurbolandwirtschaft mit noch mehr Nitrat auf den

Böden, mit noch mehr Ackergiften auf den Feldern und mit noch mehr Antibiotika in der Massentierhaltung kein Modell für die Zukunft ist. Es ist Zeit, dass sich etwas ändert. Für uns GRÜNE stehen unsere Lebensgrundlagen nicht zum Verkauf.

Gemeinsam mit den Landwirten wollen wir die Segel in Richtung giftfreier Landwirtschaft für Bayern setzen. Als Zwischenziel wollen wir die Ackergifte in Bayern bis zum Jahre 2030 um 50 % halbieren. Den Einsatz von Glyphosat und der bienentötenden Neonics wollen wir umgehend beenden. Vor allem wollen wir aber die Förderinstrumente so umstellen, dass wir unsere Landwirte Schritt für Schritt auf diesem Weg hin zu einer giftfreien Landwirtschaft im Interesse der Landwirte, von intakten Böden, sauberem Wasser und für den Erhalt unserer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt mitnehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kurz gesagt: Um zu erhalten, was uns erhält, brauchen wir eine andere Landwirtschaftspolitik, die mit der Natur und nicht gegen sie arbeitet.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, die CSU-Politik der letzten Jahre gefährdet nicht nur die vielfältigen Tier- und Pflanzenarten in Bayern. So rücksichtslos, wie Sie mit der Tier- und Pflanzenwelt umgehen, genauso rücksichtslos behandeln Sie Grund und Boden in diesem Land, unsere ererbte Kulturlandschaft. Herr Ministerpräsident Söder, denken Sie zurück. Sie waren, bevor Sie Ministerpräsident wurden, Heimatminister. Sie haben eine Regierungserklärung gehalten und zum Thema Flächenverbrauch gesagt: "Angst um zu viel Flächenverbrauch habe ich übrigens nicht." Das ist ein Zitat aus Ihrer Regierungserklärung.

Sind Sie schon einmal – schauen Sie bitte einmal nicht aufs Handy! – mit offenen Augen durch Bayern gefahren? Sie sehen dann die Auswirkungen Ihrer verfehlten Politik. Eine Logistikhalle nach der anderen wird in die Landschaft gerammt. Auf immer mehr Flächen wachsen Straßen und Discounter anstatt Bäumen und Getreide. Das Gravierende daran ist, dass unter dieser Betonflut, die über unser Land schwappt, nicht nur die Natur leidet, sondern auch die Ortskerne, die immer weiter ausbluten. In den Ortskernen ist kein Bäcker und kein Metzger mehr vorhanden; dort schlägt aber das Herz einer starken Dorfgemeinschaft. Sie bluten weiter aus. Dafür ist Ihre Politik, die Entwicklung auf der grünen Wiese, verantwortlich, und genau das feuern Sie noch weiter an.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eigentlich sollte Bayern in fünf Jahren barrierefrei sein. Ich weiß nicht, ob sich die Kollegen der CSU noch daran erinnern; auch das war einmal ein Versprechen einer Regierungserklärung, die hier von Ihrem Ministerpräsidenten gehalten worden ist. Wenn man sich aber die Wahrheit ansieht und mit offenen Augen in Bayern unterwegs ist, wird man feststellen, dass die verfehlte Landesplanung der CSU-Regierung neue Barrieren in Bayern schafft und keine beseitigt. Das wird auch immer wieder von verzweifelten älteren Menschen angesprochen, die kein Auto haben und zu Fuß nicht mehr so mobil sind; denn meistens läuft es folgendermaßen ab: Zuerst kommt die extra breite Umgehungsstraße, kurz danach siedelt sich der Discounter an der Umgehungsstraße an und kurz darauf schließt der Laden oder der Bäcker im Ort. Für alle, die nicht Auto fahren können oder wollen, geht dann eine fußläufige Einkaufsmöglichkeit verloren.

Wir wollen diese lebensqualitätraubende Politik beenden. Wir wollen die Ortschaften stärken, statt Parkplatzwüsten vor den Ortseinfahrten. Das ist Ziel grüner Politik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, Sie haben sicher einen engen Zeitplan. Ich würde Ihnen aber einmal eine Reise nach Unterfranken zur Hofheimer Allianz ans Herz legen. Ich denke, dort können Sie einiges lernen, was Bürgermeister und motivierte Gemeinderäte in unserem Land alles auf die Beine stellen können.

Die Hofheimer Allianz in Unterfranken geht seit zehn Jahren einen beeindruckenden Weg. Dort nimmt man den Grundsatz "Innenentwicklung vor Außenentwicklung" wirklich ernst. Die Bürgermeister, die Gemeinderäte und Gemeinderätinnen haben gemeinsam beschlossen, den Innenort zu stärken und nicht den Außenbereich. Mit dem Mut, diesen Weg zu gehen, sind sie verdammt erfolgreich. Übrigens sind dort, ganz anders als wir das sonst in Bayern kennen, dass nämlich die Läden im Ortskern schließen und an die Umgehungsstraße abwandern, zwei Supermärkte vom Ortsrand wieder in den Ort zurückgezogen. Das haben die Gemeinden dort geschafft. Entgegen allen Prognosen ist es ihnen gelungen, die demografische Entwicklung umzudrehen; denn sie haben gezielt darauf gesetzt, den Innenort zu stärken und nicht den Außenbereich. Dort ziehen Menschen hin, nicht weg. Ich habe selbst mit dem Bürgermeister Gespräche vor Ort geführt. Dabei wurde deutlich: Dieser Weg ist nicht leicht, ist auch kein Spaziergang. In der Politik geht es aber doch nicht darum zu tun, was einfach ist. Es geht nicht um die schnelle Überschrift, es geht nicht um Gefälligkeiten oder um Wahlgeschenke. Es geht doch darum, das zu tun, was für die Menschen

richtig und gut ist in unserem Land. – Das macht grüne Politik aus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was Sie mit Ihrer Politik machen, Herr Ministerpräsident, ist etwas anderes. Heute haben Sie wieder neue Förderprogramme angekündigt. Sie wollen mit Förderprogrammen, also mit Geld der Allgemeinheit, gegen eine Entwicklung ansubventionieren, die Sie im Außenbereich selbst geschaffen haben. Sie müssen die Entwicklung im Außenbereich doch endlich begrenzen, um die Ortskerne zu stärken. Das wäre eine Politik, die den Titel "Das Beste für Bayern" wirklich verdient hätte.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Wir GRÜNEN haben uns vor einigen Monaten mit einer Reihe von Partnern auf den Weg gemacht, um die Betonflut in Bayern endlich einzudämmen, damit Bayern Heimat bleibt. Sie können sich sicher sein, wir werden das schaffen, mit Ihnen oder gegen Sie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bayern ist einfach zu schön, um es Ihrer Landesplanung zu überlassen.

(Lachen des Abgeordneten Thomas Kreuzer (CSU))

Ich bin überzeugt, die Menschen in Bayern werden Sie zwingen, Ihre Politik der Planierraupe zu beenden. Das werden Sie tun, genauso wie am Riedberger Horn. Die von Ihnen persönlich vorangetriebene Skilifttrasse, Herr Ministerpräsident Söder, sollte in die alte Schutzzone C. Unsere Argumente, unsere Liebe zu den Bergen war aber deutlich stärker als Ihre Bereitschaft, unsere Heimat für den schnellen Euro zu verscherbeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Den Plan für die neue Skilifttrasse haben Sie aber nicht auf Eis gelegt, weil Sie plötzlich Ihre Liebe zur Natur oder zu den Bergen erkannt hätten. Das haben Sie nur gemacht, damit Ihr Verzicht auf den dritten Nationalpark nicht ganz so brutal rüberkommt, wie er ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dem wird aber nicht so sein. Sie haben heute hier im Bayerischen Landtag die große Keule gegen den Naturschutz in Bayern geschwungen. Dabei haben Sie zwei Drittel der Menschen in Bayern getroffen, die sich einen dritten Nationalpark wünschen. Das ist das Ergebnis der aktuellen Umfragen. Vor über einem hal

ben Jahrhundert, also vor über 50 Jahren, wurde in Bayern der erste deutsche Nationalpark gegründet, und zwar im Bayerischen Wald. Vor 40 Jahren wurde der Nationalpark Berchtesgadener Land ins Leben gerufen. Die beiden Nationalparks sind Juwelen des Naturschutzes in Bayern. Sie sind Juwelen des Artenschutzes und des sanften Tourismus.

Sie haben auch etwas zum Artenschutz gesagt. Schauen wir uns doch einmal die Nationalparks an, die wir haben. Das macht nämlich deutlich, wie wichtig ein dritter Nationalpark in Bayern ist. Der Bayerische Wald ist Heimat für 40.000 heimische Arten. Ein großer Teil dieser Arten kommt nur noch dort vor. Im Nationalpark Berchtesgadener Land konnte man kürzlich 600 Nachtfalterarten nachweisen. 160 von ihnen stehen bereits auf der Roten Liste. Das zeigt doch: Unsere Nationalparks sind Hotspots der Artenvielfalt in unserem Land. Die Ausweisung eines lange ersehnten dritten Nationalparks wäre doch genau die richtige Antwort auf die Frage nach dem Artenschutz in Bayern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist verantwortungslos, dass Sie diesen dritten Nationalpark heute einfach in die Tonne getreten haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei Ihrer einstündigen Regierungserklärung, bei Ihrer Politik geht es Ihnen nicht darum, unsere Lebensgrundlagen zu schützen. Das hat man deutlich gehört. Da war kein Wort zur Energiewende zu hören. Es ist schon eine maßlose Übertreibung, hier, an diesem Platz, oder im Bayerischen Landtag bei dieser Staatsregierung von Energiewende zu sprechen. Energiewende – klingelt da etwas bei Ihnen? War da nicht einmal etwas?

(Lachen bei den GRÜNEN)

Sie waren damals doch der zuständige Minister. Sie standen hier an diesem Rednerpult und haben davon gesprochen, Bayern würde Vorreiter bei der Energiewende, beim Ausbau der Windkraft. Von alledem ist nichts mehr vorhanden. Sie brauchen gar nicht so wegschauen, das ist Fakt. Das ist so.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Traurige an der Sache ist aber, und das ist wirklich traurig, dass wir vor sieben Jahren gemeinsam beschlossen haben, endlich aus der Atomkraft auszusteigen. In vier Jahren wird das letzte bayerische Atomkraftwerk endlich abgeschaltet. Wir hatten also elf Jahre Zeit. Elf Jahre standen zur Verfügung, um den Umbau unserer Energieversorgung zu gestalten,

und zwar weg von der dreckigen gefährlichen Energienutzung hin zu einem Energiesystem der Zukunft, zu einem System, das als Rückgrat auf Wind und Sonne beruht und mit Biomasse als flexibler Unterstützung arbeitet. Elf Jahre hatten wir dafür Zeit. Was haben Sie von der CSU-Regierung aber gemacht? – Sie haben vor der Aufgabe einfach kapituliert. Sie haben sie nicht angepackt, Sie haben sich weggeduckt. Sie bremsen sogar den Ausbau der erneuerbaren Energien in Bayern. Das ist verantwortungslos.