Nun zum Thema Bildungspaket, das Herr Kollege Lederer angesprochen hat. Die CSU hat festgestellt: Auweh, wenn wir ein G 9 einführen, müssen wir natürlich mehr Geld für das Gymnasium ausgeben. Dann werden auch die anderen Schulen auf der Matte stehen. Deshalb ist das Bildungspaket geschnürt worden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier handelt es sich nicht um ein Paket, sondern um ein Paketchen oder, wie wir im Allgäu sagen, um ein "Paketle". Das ist ein sehr kleines Paket. Wenn wir uns ansehen, was momentan in diesem Paket drin ist, merken wir: Es reicht nicht einmal für ein Überraschungspaket als Weihnachtsgeschenk. In diesem Paket sind zwar tatsächlich 2.000 Stellen genannt worden, aber im aktuellen Nachtragshaushalt sind nur 500 Stellen eingestellt. Das bedeutet, die anderen Stellen sind ein Versprechen für die Zukunft, ein ungesicherter Scheck für die Zukunft. Die Bildungsfinanzierung, die wir bräuchten, fehlt also. Außerdem werden die Mittel dieses Pakets auf die anderen Schularten so verteilt, dass sie nicht helfen werden.
Das Thema Ganztagsschule hat sich mit dem G 9 nicht erledigt. Ich glaube, die FW-Fraktion hat diese Illusion. Das Argument lautet: Bei dem G 8 waren die Schülerinnen und Schüler den ganzen Tag in der Schule; wenn wir das G 9 einführen, haben wir wieder eine Halbtagsschule. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein modernes Gymnasium wird nicht zur Halbtagsschule zurückkehren können. In Zukunft wird das Gymnasium eine ganztägige Schule sein müssen. Da werden wir Arbeitskreise und Möglichkeiten zum vertieften Lernen anbieten müssen. Das Gymnasium muss eine gute Ganztagsschule sein. Wir brauchen auch am Gymnasium gute Ganztagsangebote. Diese Angebote sehe ich bislang noch nicht, weder bei der pädagogischen Ausrichtung noch bei der Finanzierung oder der Unterstützung der Kommunen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist ein guter Tag für die Entwicklung in die Richtung eines neunjährigen Gymnasiums. Dieser Gesetzentwurf ist aber nur ein Zwischenschritt zur weiteren Reform unseres Schulwesens. Mit unseren Anträgen haben wir deut
lich gemacht, in welche Richtung diese Reform gehen muss. Sie dürfen sicher sein, dass wir diese Reformdiskussion weiterhin führen werden.
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Güll von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfs wird in der Tat die grundsätzliche Debatte darüber abgeschlossen, wie viel Zeit wir den Schülerinnen und Schülern bis zum Abitur geben wollen. Alle Fraktionen haben jahrelang, jede auf ihre Weise, mit parlamentarischen Initiativen auf dieses Ziel hingearbeitet. Wir wissen, dass Erfolge immer viele Väter und Mütter haben. Wir waren hartnäckig, weil wir über die Jahre erkannt haben, dass das G 8 im Interesse der Schülerinnen und Schüler, der Eltern und der Lehrkräfte so, wie es ist, nicht bleiben kann.
Wir werden heute – wie ich vermute, einstimmig – die grundsätzliche Rückkehr zum G 9 beschließen. Das begrüßen wir. Wir haben das immer angestrebt und deshalb zwei Gesetzentwürfe dazu eingebracht. Dass wir heute diesen Beschluss fassen, ist erst einmal gut so.
Das bedeutet aber nicht, dass wir in Bezug auf den Inhalt des Gymnasiums den Weg, den wir heute gehen, für richtig halten. Der Rohbau des neunjährigen Gymnasiums steht, die Innenarchitektur fehlt aber noch. Wir haben da und dort Eckpunkte formuliert. Herr Kollege Lederer hat sie dargestellt. Eines ist aber schon etwas seltsam: Herr Kollege Lederer hat uns zunächst einmal das Bildungspaket erklärt, obwohl wir heute die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium beschließen wollen. Das hat seinen Grund. Herr Kollege Lederer hat uns immer mit kleinen und genauen Recherchen nachgewiesen, dass wir uns gewandelt haben.
Diesen Nachweis hätte er auch beim Herrn Staatsminister führen können; denn da ist der Wandel noch viel größer.
Da ich schon neun Jahre im Bildungsausschuss sitze, darf ich sagen: Der Wandel auf der rechten Seite ist enorm. Grundsätzlich ist dieser Wandel zu begrüßen. Ich kenne die Debatten, die im Bildungsausschuss bis zum Ende des Jahres 2013 geführt wurden, sehr genau. Dort wurde immer ein Lobgesang auf das G 8 vorgetragen. In den Jahren 2013, 2014 und 2015 haben Sie immer noch am G 8 festgehalten, obwohl wir schon längst eine differenzierte Debatte geführt haben. Hier sitzt ein Minister, der uns noch vor zwölf Monaten erklärt hat, dass es überholt sei, vom G 8 oder vom G 9 zu sprechen. Unsere Forderung, sich auf eine grundlegende Laufzeit zu verständigen, hat dieser Minister immer abgelehnt. Natürlich ist es ein Unterschied, ob wir ein Gymnasium von acht oder von neun Jahren her denken. Jetzt ist dieser Minister auch zu dieser Erkenntnis gekommen.
Vor zwei Wochen hat der Herr Staatsminister dem geschätzten Philologenverband sinngemäß erklärt: Sie können sich gar nicht vorstellen, wie lange ich darauf gewartet habe, heute das G 9 wieder zu verkünden. – Ich war dabei. Nach dieser Aussage hätte man den Eindruck gewinnen können, dass er ein innerer Verfechter dieser neun Jahre ist.
Er hat gewollt, aber nicht gedurft. Der Herr Ministerpräsident hat ihn auf den richtigen Kurs gebracht. Wie auch immer, es ist müßig, darüber nachzudenken.
Jetzt wird das Pferd von hinten aufgezäumt und gesagt, das Bildungspaket stünde im Vordergrund. Ein kleiner aber wesentlicher Teil dieses Bildungspakets ist das G 9. Man kann hier viel lernen, wie Geschichtsklitterung betrieben werden kann oder wie man seinen Wandel kaschiert. Es hätte gereicht, wenn sich der Staatsminister hingestellt und gesagt hätte: Das G 8 war der falsche Weg; wir steuern um. – Das wäre sehr mutig, aber im Interesse der Kinder, der Eltern und der Lehrkräfte richtig gewesen. Das ist nicht passiert. Jetzt werden wir das G 9 auf vielen Umwegen verspätet bekommen. Herr Kollege Lederer, wir müssen jetzt Gas geben und Zeit aufholen, damit wir das Gymnasium wieder auf die richtige Spur bringen. Heute werden wir über die neun Jahre beschließen. Den Erfolg des G 9 wird aber dessen Inhalt ausmachen.
Herr Kollege Lederer, wir haben heute sehr viele Überschriften gehört. Wer ist denn dagegen, dass wir Qualität brauchen? – Wir alle sind dafür. Wer ist dage
gen, dass wir mehr Zeit brauchen? – Dafür haben wir gekämpft. Wer ist dagegen, dass wir mehr Individualisierung brauchen? – Niemand. Wir sind alle dafür. Das sind sehr gute Überschriften. Sobald jedoch die Rede auf die sieben Anträge kommt, die Herr Kollege Gehring dankenswerterweise positiv kommentiert hat, zum Beispiel auf den Antrag, mit dem die Schaffung von Möglichkeiten zu selbstgesteuertem Lernen gefordert wird, sagen Sie im gleichen Atemzug: Das ist eigentlich nicht zielführend, das brauchen wir am Gymnasium nicht. – Kollege Lederer, wenn Sie jetzt einmal zehn Jahre zurückschauen und sich ein bisschen mit Hirnforschung oder mit Neurobiologie beschäftigen, dann wissen Sie, dass selbstgesteuertes Lernen das einzige Mittel ist, um nachhaltiges Lernen zu generieren,
denn dann befasst man sich selbstständig mit den Lerninhalten. Es müsste für Sie also nahezu eine Selbstverständlichkeit sein, dieses selbstgesteuerte Lernen am Gymnasium zu etablieren. Nun müssen wir als SPD-Fraktion das zu einem Antrag machen, damit es bei der Neuausgestaltung des Gymnasiums diskutiert wird; denn es ist eben nicht selbstverständlich. Von Ihnen haben wir dazu nichts gehört.
Dazu gehört auch, Herr Kollege Lederer, darüber nachzudenken, wo die Schülerinnen und Schüler selbstgesteuert lernen können. Wo kann dies stattfinden? Geschieht es in der Gruppe oder im Klassenverband oder, wie wir vorgeschlagen haben und was wissenschaftlich erwiesen ist, in Zeitschienen? Da hätte man als Schülerin oder Schüler Zeit, sich mit bestimmten Inhalten im eigenen Tempo zu befassen. Das sind die Zeitschienen, die wir einziehen wollen. Wir haben 90 Minuten dafür vorgeschlagen. Das machen andere, meist private Schulen schon längst auf diese Weise. Ich meine, so etwas muss man auch am Gymnasium etablieren. Es ist doch nicht so, dass die Kinder nur dasitzen und Däumchen drehen. Deshalb ist es vollkommener Quatsch, wenn Sie sagen, damit würde nur Zeit vertrödelt.
Nein, die Kinder machen Deutsch, Mathe oder Englisch oder was auch immer. Das kann man doch auf eine andere Art verrechnen.
Es ist also sehr notwendig, diesen Antrag hier zu stellen, damit Sie sich mit dem Thema Individualisierung wirklich einmal beschäftigen.
Interessant ist für mich, dass Sie zu den sieben Anträgen, die wir gestellt haben, meinen, sie seien in den einzelnen Punkten nicht so verkehrt. Ich denke an die Stärkung der MINT-Fächer oder auch an die Geografie. Dem haben Sie im Ausschuss sogar zugestimmt und festgestellt, dass dagegen kaum etwas zu sagen sei. Aber das Gesamtpaket geht für Sie offensichtlich nicht. Sie halten noch immer an der Aufrechnung der Fächer wie vor 50 Jahren fest.
Wir haben deshalb auch das Thema Kontingentstundentafel in die Debatte eingeworfen. Wenn man wirklich individualisiert und die Heterogenität ernst nimmt, wie wir sie am Gymnasium schon haben, muss man sich auch überlegen, ob jeder Schüler und jede Schülerin dieselbe Anzahl an Stunden braucht, um sich auf das Abitur vorzubereiten. Nicht jeder braucht drei oder vier Stunden Deutsch, sondern er braucht so viele Möglichkeiten, dass er das, was er nachhaltig lernen muss oder soll, umsetzen kann.
Es ist längst überfällig, mehr Flexibilität in die Stundentafel zu bringen, wie es in den anderen Bundesländern längst geschieht. Sie, meine Damen und Herren von der CSU, halten an alten Zöpfen fest und verkaufen uns das als unmöglich, dass wir das so nicht umsetzen könnten.
Ich fasse zusammen: Hier sind Dinge möglich, die inhaltlich wie auch methodisch gemacht werden könnten. Diese Debatte ist nicht geführt worden und wird auch nicht geführt, und man hat sie auch im Dialogverfahren nicht mit den Leuten geführt, die diese Ideen umsetzen wollen. Das ist schade. Es ist eine vertane Chance. Das ist nämlich etwas, von dem ich sage, dass es das Gymnasium zukunftsfest gemacht hätte.
Natürlich haben Sie ein paar Dinge übernommen. Wir haben schon längst vorgeschlagen, dass das Proseminar in die 11. Klasse kommt. Außerdem haben wir schon die Debatte über die Leistungskurse geführt, und ich danke den FREIEN WÄHLERN dafür, dass sie das auch aufgenommen haben.
Natürlich brauchen wir auch in der Oberstufe Vertiefungen in irgendeiner Form der Leistungskurse, und es ist bedauerlich, dass es in der jetzigen Debatte noch hintangestellt ist. Ich kenne die Argumentation mit der KMK. Trotzdem hätte man sich eigene Vorstellungen machen können.
Was mir in der Debatte noch wichtig erscheint und was wir zeitnah in die Debatte eingeführt haben, ist
die Berufsvorbereitung und die Berufsorientierung. Das Gymnasium in Bayern ist heute eigentlich die Hauptschule. Zumindest von den Zahlen her ist es die Hauptschule. Wir denken immer noch, dass alle, die das Gymnasium besuchen, zielstrebig auf das Abitur zugehen und studieren. Das ist längst nicht mehr der Fall. Diesen Gedanken haben Sie aufgegriffen. Wir müssen, wie bei den anderen Schularten auch, rechtzeitig mit der Berufsvorbereitung beginnen, um die jungen Menschen rechtzeitig auf die Berufswelt vorzubereiten. Da reicht es nicht, wenn man 0,5 Stunden in die Stundentafel schreibt und irgendwo einen kleinen Exkurs macht.
Es reicht auch nicht, das nur in der 11. Klasse anzubieten. Was tun Sie denn? – Sie sagen, die 11. Klasse sei ganz zentral wichtig, und gleichzeitig schlagen Sie vor, dass die Schüler diese 11. Klasse auslassen sollen. Wie passt das zusammen? Ich mache eine neue Jahrgangsstufe, fülle sie mit Inhalten wie digitale Bildung, politische Bildung, Berufsvorbereitung, und gleichzeitig empfehlen Sie, zumindest den leistungsstarken Schülern, diese Klasse auszulassen.
Deswegen zielt unser Antrag darauf ab, die Berufsvorbereitung über die Jahre in der Mittelstufe und der Oberstufe zu etablieren: Digitalisierung nicht nur in der 11. Klasse, politische Bildung nicht nur durch eine Sozialkundestunde mehr in der 11. Klasse, sondern beides über alle Jahrgangsstufen hinweg. Da muss man sich vielleicht ein bisschen überlegen, wie das geschehen soll. Aber das ist eine Grundvoraussetzung für ein neues zukunftsweisendes Gymnasium.
Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas sagen, was ich für sehr wichtig halte: Das G 8 war eine ganztägige Schulform, aber kein Ganztagsgymnasium. Die Kinder sind um 17.00 Uhr nach Hause gekommen und mussten am Abend lernen und hatten keine Zeit mehr für Eigeninteressen.
Jetzt haben wir einen Rollback zur Halbtagsschule. Deshalb ist es jetzt notwendig – dazu gab es auch einen Antrag von uns –, darüber nachzudenken, wie pädagogisch gute Konzepte erstellt werden können, um den Ganztag am Gymnasium zu etablieren, der der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerecht wird und vor allem die Förderung ermöglicht, damit wir Bildungsgerechtigkeit herstellen können. Auch diesen Antrag haben Sie abgelehnt.
Summa summarum: Es gibt viel zu tun in der inhaltlichen Arbeit. Ich würde mich freuen, wenn Sie in die Debatte, die wir jetzt führen müssen, auch die Opposition einbeziehen und über den Tellerrand hinausschauen würden. Es ist grundsätzlich gut, dass wir
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Prof. Dr. Waschler von der CSU das Wort. Bitte sehr.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dank an die Opposition für die Steilvorlagen. Herr Kollege Piazolo hat gesagt, die CSU habe bei diesem Thema zehn Jahre geschlafen.