Unsere Kernfrage muss doch sein, liebe Kolleginnen und Kollegen: Was nützt den Betroffenen? Wovon haben sie wirklich etwas? – Einen konkreten Nutzen haben sie, wenn wir ableiten können, welche Angebote besonders erfolgreich sind, welche nicht funktionieren und wo wir gegebenenfalls noch nachbessern müssen.
Der Verband Bildung und Erziehung hat gemeinsam mit einzelnen Landesverbänden, so zum Beispiel mit dem BLLV, zu der Thematik eine repräsentative Umfrage durchführen lassen. Die Ergebnisse – da gebe ich Ihnen recht – sind erschreckend. Zum Beispiel attestieren rund 20 % der Befragten körperliche Gewalt gegen Lehrkräfte an ihrer Schule. Das ist also auch kein aufgebauschtes Thema; das ist leider traurige Realität.
Die Betroffenen brauchen Unterstützung. Deswegen haben wir auch im Freistaat ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Unterstützung können Lehrkräfte bei den unmittelbaren Vorgesetzen, bei den Kollegen, bei den Schulpsychologinnen und Schulpsychologen, bei Beratungs- und Verbindungslehrern finden. Selbstverständlich stehen auch die staatlichen Schulberatungsstellen zur Verfügung. In besonders schweren Fällen kann natürlich auch das Kriseninterventionsteam eingeschaltet werden. Bei Cyber-Mobbing empfiehlt sich die Einschaltung eines medienpädagogischen Beraters.
Gleichzeitig muss natürlich der Täter zur Rechenschaft gezogen werden und die Konsequenzen seines Handelns spüren. Die betroffene Lehrkraft muss entscheiden können, an wen sie sich wendet und wem sie sich anvertrauen möchte – wir müssen auch verstehen, dass es durchaus Fälle geben kann, in denen der Einzelne keinen Rückschluss auf seine Person
haben möchte –, ohne dass andere davon Kenntnis haben. Eine erzwungene Meldung sollte vermieden werden, da dies Auswirkungen auf die persönliche Aufarbeitung eines eventuell traumatischen Erlebnisses haben kann. Es gilt also, dieses heikle und diffizile Thema keinesfalls zu tabuisieren, sondern vielmehr die persönliche Situation des Einzelnen zu respektieren.
Daneben setzen wir in Bayern auf eine Vielzahl von Präventionsangeboten. Wir haben auch Fortbildungen zu Krisen- und Gewaltprävention, zu Mobbing und zur effektiven Konfliktprävention. Es gibt Schulverbindungsbeamte und Jugendkontaktbeamte bei der Polizei und natürlich, nicht zu vergessen, Jugendsozialarbeiter an Schulen.
Es gibt eine Vielzahl an konkreten präventiven Maßnahmen an Schulen. Ich nenne nur die "Klasse2000", "Prävention im Team", "zammgrauft" und viele mehr. Jeder einzelne Fall von Gewalt an Lehrkräften – da gebe ich Ihnen recht, Herr Kollege – ist einer zu viel. Wir brauchen hier ein differenziertes Bild, um die richtigen Schlüsse ziehen zu können. Das erhoffen wir uns zum Nutzen der Betroffenen von unserem Berichtsantrag, dem Sie zugestimmt haben. Wir sind uns alle einig, dass die Schule ein Ort sein muss, wo man sich wohlfühlt. Hier hat Gewalt keinen Platz. Lassen Sie uns gemeinsam dafür eintreten. Das Thema muss im Fokus bleiben. Ihr Antrag ist aus den genannten Gründen abzulehnen.
Einen kleinen Moment bitte, Frau Trautner. Kollege Gehring hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön.
(Vom Redner nicht auto- risiert) Frau Kollegin, dieses Thema muss man tatsächlich sehr ernst nehmen. Wenn man mit Lehrkräften redet, erfährt man, dass sie sich durch das Ignorieren des Antrags und auch durch die Politik des Kultusministeriums, die Zahl nicht zu erheben, in ihrer Situation nicht ernst genommen fühlen. Sie fühlen sich in ihrer Problematik nicht ernst genommen. Das ist der erste Vorwurf, den ich Ihnen mache, wenn Sie unseren Antrag ablehnen.
Natürlich ist es notwendig, mit Daten sensibel umzugehen. Die Erhebung soll anonym sein, und ich denke, so wird es in allen Ministerien gemacht. Entsprechend müsste es auch vom Kultusministerium gemacht werden. Mein Eindruck ist, dass Sie das Pferd von hinten aufzäumen. Sie sagen, welche Unterstüt
zungsangebote es gibt. Daraus wollen Sie schließen, was vor Ort los ist und wo die Probleme sind. Das ist so ähnlich, wie wenn Sie sagen würden: Aus der Zahl der Kinderärzte berechnen wir, wie viele Kinder da sind und wie viele Kinder krank sind; wenn es keinen Kinderarzt gibt, sind offensichtlich auch keine Kinder krank. – So gehen Sie vor. Aber wir müssen es genau andersherum machen. Wir müssen schauen, wie die Situation ist, wo die Nöte sind, wo die Bedürfnisse sind, und dann können Unterstützungsmaßnahmen getroffen werden. Diesen Weg soll unser Antrag gehen.
Ihr Antrag ist okay, weil es darin um Unterstützung und Prävention geht. Aber mein Eindruck ist, dass bei Ihnen nach wie vor das Klima herrscht: Wenn sich eine Lehrkraft anonym meldet – vielleicht kommt es auch heraus – und sagt, dass sie Schwierigkeiten mit Eltern oder mit Schülern hat und angegriffen worden ist, wird ihr ein Stück weit selber die Schuld zugewiesen. Deswegen wollen Sie nichts machen, und das zeigt, dass Lehrkräfte nicht ernst genommen werden.
Sehr geehrter Kollege Gehring, ich glaube, den Vorwurf, dass wir das Problem ignorieren, kann man uns nicht machen.
Man muss auch ganz ehrlich sagen, dass wir einen Antrag gestellt haben. Wenn wir nicht tätig geworden wären und das Thema auf sich hätten beruhen lassen, hätten Sie uns Ihren Vorwurf zu Recht gemacht. Aber genau das war nicht der Fall. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass das Pferd nicht von hinten aufgezäumt werden soll, sondern dass ein Antrag gestellt wird, aufgrund dessen wir Konsequenzen und einen weiteren Handlungsbedarf erkennen können. Das heißt, wir helfen und erfassen nicht nur Zahlen. Das ist der große Unterschied zwischen unseren Anträgen.
Sie müssen jedes Wort genau lesen, das im Antrag steht. Dort steht auch, dass wir wollen, dass nicht nur über die Unterstützungsmaßnahmen und die Präventionsangebote, die es gibt, sondern auch über deren Inanspruchnahme berichtet wird. Daraus lassen sich sehr wohl Rückschlüsse ziehen.
Danke schön, Frau Kollegin Trautner. – Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Petersen, SPD. Bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Trautner, um einen grundsätzlichen Handlungsbedarf zu erkennen, bedarf es keines weiteren Antrags; denn dieser grundsätzliche Handlungsbedarf ergibt sich aus den Ergebnissen der Forsa-Studie. Wir sind uns alle einig – das habe ich auch bei den Vorrednern herausgehört –, dass es nicht zur Stellenbeschreibung von Lehrkräften gehört, beschimpft, beleidigt, gemobbt oder gar körperlich angegriffen zu werden. Aber Lehrerinnen und Lehrer erleben Gewalt so oft, dass sie schon fast Alltag für sie ist. Das ist keine übertriebene Schwarzmalerei, sondern das Ergebnis einer Studie, die eben schon genannt wurde und die im Auftrag des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes und des bundesweiten Verbands Bildung und Erziehung bei Forsa in Auftrag gegeben wurde.
Es gibt eine spezielle Auswertung dieser Studie für Bayern, woher ein Viertel der Befragten gekommen ist, und diese Studie zeigt ein bedenkliches Ausmaß von Gewalt gegen Lehrerinnen und Lehrer. Rückblickend auf die letzten fünf Jahre wussten 55 % der Lehrer von psychischer Gewalt, 14 % von physischen Angriffen und 34 % von Cyber-Mobbing an ihrer Schule, wobei die letzte Zahl, also die auf Cyber-Mobbing bezogene Zahl, in Bayern um 5 % höher liegt als im Bundesdurchschnitt – also keineswegs heile Welt an Bayerns Schulen.
Zunehmend mit Gewalt konfrontiert zu werden – darauf hat der Kollege Ganserer eben schon hingewiesen – ist kein lehrerspezifisches Problem. Studien und Statistiken zeigen deutlich, dass Gewalt in unserer Gesellschaft insgesamt zugenommen hat und dass davon Polizeibeamte, Rettungskräfte der Feuerwehr und Sanitäter genauso wie Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung und Justiz betroffen sind. Doch während in zahlreichen bayerischen Ministerien die Zahlen erhoben und Statistiken geführt werden, glänzt ausgerechnet das Kultusministerium mit Unwissenheit.
Wir von der SPD-Fraktion unterstützen daher den Antrag, Gewalt gegen Lehrerinnen und Lehrer systematisch zu erfassen. Nur wenn wir wissen, wie viele Lehrkräfte in welchen Schularten Opfer von welchen
Formen von Gewalt werden und von wem diese ausgeübt wird, können wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Auf Ihre Bedenken bezüglich des Datenschutzes hin, Frau Kollegin Trautner, hat Kollege Gehring schon darauf hingewiesen, dass es um anonyme Erhebungen geht. Natürlich wird der Datenschutz gewährleistet. Es genügt keineswegs, wie Sie es getan haben und worauf auch Ihr Antrag zielt, dass man auf schon bestehende Unterstützungs- und Präventionsangebote verweist. Diese genügen offensichtlich nicht, denn sonst wäre das Gewaltpotenzial gegen Lehrer an unseren Schulen nicht so hoch.
Das Thema "Gewalt an Schulen" ist zwar im Kultusministerium bekannt, aber man kümmert sich dort vor allem darum, Gewalttätigkeiten unter Schülern einzudämmen. Da gibt es einige ganz gute und erfolgreiche Projekte. Die Gewalt gegen Lehrer wird jedoch weitgehend tabuisiert.
Auch das hat sich nicht die Opposition hier im Bayerischen Landtag ausgedacht, sondern 61 % der Lehrer im Unterschied zu 57 % bundesweit haben genau diesen Eindruck, dass Gewalt ihnen gegenüber tabuisiert wird. Das ist ein deutliches Indiz dafür, dass das Kultusministerium seiner Fürsorgepflicht gegenüber den Lehrerinnen und Lehrern nicht wirklich nachkommt.
Wenn es zum Lackmustest kommt, ist das Lob für Beamtinnen und Beamte, das heute Nachmittag schon der Kollege Nussel ausführlich dargelegt hat, genauso viel wert wie die Sonntagsreden über das Ehrenamt. Wenn es zum Treffen kommt, hat es leider keine Konsequenzen.
Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie dem Antrag der GRÜNEN zu, damit wir endlich ein verlässliches Bild von der Situation bekommen. Nur dann können wir nämlich die notwendigen Maßnahmen ergreifen, zum Beispiel, was ein Ergebnis der Studie ist und was auch der BLLV fordert, die Zusammenarbeit mit multiprofessionellen Teams an Schulen. Auch darin sind wir uns zum Glück einig: Die Schule muss ein gewaltfreier Ort sein.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zu den traurigen Zahlen komme, werfen wir vielleicht einen Blick darauf, wie Schule in der Medienwelt ausschaut. Da kann man natürlich die Feuerzangenbowle anschauen. Heinz Rühmann. "Pfeiffer mit drei F." Das kennt wahrscheinlich kaum einer mehr. Sie sind alle zu jung.
Ich wollte nur wissen, wie alt Sie sind. Es ist natürlich gut so, dass Schule oder Lehrer auf dem Katheder so nicht mehr existieren. Man kann natürlich heute auch in den Film "Fack ju Göhte" gehen. Teil eins erschien 2013, Teil zwei 2015, Teil drei 2017. In diesen Filmen ist nicht so viel falsch. Da wird Schule relativ gut widergespiegelt. Dies gilt nicht für den Lehrer. Elyas M’Barek wehrt sich entsprechend. Das kann der Lehrer in unserem Schulsystem nicht. Das soll er auch nicht. Aber wir sehen hier schon, dass Schule hart ist.
Um jetzt wieder zum Ernst des Themas zu kommen: Es stimmt, wir haben inzwischen alle Formen aggressiven und gewalttätigen Verhaltens an Schulen, von der Sachbeschädigung über die verbale Attacke,
über Telefonterror und über Bespucken hin zur richtig starken körperlichen Gewalt. Wir haben das im Übrigen an jeder Schulart. Davon sind keine Schulart und auch keine Altersgruppe ausgenommen. Der Freistaat ist in der Verantwortung, dass nicht nur Schülerinnen und Schüler in der Schule einen sicheren Lernort haben, sondern auch die Lehrkräfte einen sicheren Arbeitsplatz. Dafür – das muss ich jetzt schon sagen – versucht dieser Antrag der GRÜNEN eine verlässliche zahlenmäßige Grundlage zu finden. Dem verweigern Sie sich aus Gründen, die man nicht nachvollziehen kann.
Natürlich ist es notwendig, dass wir im Schulleben respektvoll miteinander umgehen und wir die entsprechenden Präventionsmaßnahmen haben; aber Sie weigern sich, den Sachstand sachlich zur Kenntnis zu nehmen. Das muss man einfach sagen. Frau Kollegin Trautner, es ist einfach lächerlich, dass Sie sagen, wir haben doch die Maßnahmen, und wir haben jetzt einen Bericht darüber, welche Präventions- und Hilfe
maßnahmen wir haben, und daraus ziehen wir Rückschlüsse. – Das kommt mir genauso vor, wie wenn ein Mediziner sagen würde: Wir stellen jetzt fest, wie viele Pflaster und wie viel Verbandsmaterial wir brauchen, aber wir weigern uns, eine Statistik aufzustellen, wie viele Brandwunden, wie viele Schürfwunden und wie viele Schnittwunden wir haben. Darum geht es doch in diesem Antrag. Es geht in diesem Antrag darum zu erfassen, welche Art von Gewalt an Schulen erlebt wird. Da weigern Sie sich. Es gibt dazu null Material. Man kann natürlich in Richtung des Kultusministeriums sagen, dass dies kein Einzelfall ist. Ich glaube, das ist das Ministerium, das am wenigsten von Zahlen hält, wahrscheinlich, weil es sonst auch bei den Lehrern mehr rechnen müsste, damit die Stellen stimmen. Aber es ist wirklich so: Sie weigern sich, zahlenmäßig zu erfassen, was in Ihrem Haus los ist. Es kommt einem so vor, als ob Sie vielleicht gar nicht wissen wollen, was in Ihrem Haus los ist.
Wenn ich dann höre, dass die erheblichen Vorfälle dem Schulleiter und dem Ministerium oder dem Ministerialbeauftragten gemeldet werden müssen, dann kann ich dem Kollegen Gehring nur recht geben. Ich war Schulleiterin. Ein Lehrer wird sich das hundertmal überlegen, weil ich als Chef derjenige bin, der ihn beurteilt. Ich will doch keine Weicheier an meiner Schule. Das wird er doch aushalten, dass er da mal ein bisschen Gewalt erfährt.