Protocol of the Session on July 6, 2017

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine unserer Aufgaben ist, uns mit dem Modell-Wirrwarr und mit der Modell-Konkurrenz zu beschäftigen. Dies führt nämlich bei der Umsetzung vor Ort zu großen Problemen. Manche Kommunen wollen ihren Hort schleifen, weil die gebundene Ganztagsschule oder die offene Ganztagsgrundschule kommt. Das kann nicht sein. Die Eltern brauchen diesen Hort. Manche Kommunen wissen nicht, wie sie diese beiden Systeme zusammenbringen sollen. Liebe Kollegin, die Pilotphase gibt uns darüber noch keine Erkenntnisse. Es gibt noch keine Vorstellung davon, wie beispielsweise ein Zusammenbringen von Hort und Ganztag finanziert werden soll und welche Zuschüsse es geben wird. Die Kommunen brauchen aber jetzt Entscheidungen, müssen wissen, wie sie beim Ausbau von Ganztagsangeboten im Grundschulbereich weitergehen sollen. Die Staatsregierung gibt den Kommunen keine Antwort. Es wäre gut, alle Kompetenzen zum Thema Ganztag, vom Hort bis zur gebundenen Ganztagsschule, in einem Ministerium, im Kultusministerium, zusammenzufassen. Vielleicht kämen wir etwas schneller voran, wenn wir uns dieser Aufgabe widmen würden. Das würde ich vorschlagen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei Betrachtung der Situation in Bayern müssen wir feststellen, dass die Ganztagsgarantie von Seehofer nicht umgesetzt wird, weil sie einerseits sehr vage war und höchst interpretationsfähig ist. Andererseits macht die Staatsregierung nicht die entscheidenden Schritte, um zu mehr Ganztagsangeboten zu kommen. Vor Ort gibt es viele Probleme, an denen die Sache hakt. Leider war dies nur eine Debatte zum Bundestagswahlkampf. Wir sind aber für die Landespolitik in Bayern zuständig. Wir, die GRÜNEN, werden uns auch zukünftig für gute Anträge einsetzen, mit denen das Thema Ganztag in Bayern vorangebracht werden kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die Staatsregierung hat nun der Staatsminister Dr. Spaenle das Wort. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Ich möchte in aller Kürze fünf Bemerkungen vortragen.

Erstens. Kolleginnen und Kollegen der SPD, willkommen auf dem Trittbrett!

(Widerspruch bei der SPD)

Zweitens. Bei Betrachtung einer SPD-orientierten Bildungspolitik muss festgestellt werden, dass die Garantie für Krippenplätze beispielsweise in der Landeshauptstadt München nicht umgesetzt wird. Erst seit der Mitwirkung der Christlich-Sozialen Union in der Stadtregierung kommen wir in diesem Bereich wesentlich voran.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Florian Herrmann (CSU))

Was bringt dieser Weg, wenn er so eingeschlagen wird?

Drittens. Die gerade vom Kollegen Gehring gegeißelte Vielfalt ist unsere Antwort auf die Vielfalt der Lebenswirklichkeiten in diesem Land. Wir setzen die vom Ministerpräsidenten zu Beginn der Legislaturperiode abgegebene Ganztagsgarantie in diesem Land flächendeckend und bedarfsorientiert mit allen Elementen des Ganztags bzw. der Ganztagsbetreuung um. Jeder Antrag auf eine ganztagsschulische Einrichtung oder auf ein entsprechendes Angebot, das die pädagogischen Voraussetzungen erfüllt, wird genehmigt und umgesetzt. Wir setzen ganz bewusst auf die Vielfalt wie den Hort, die Mittagsbetreuung oder

die verlängerte Mittagsbetreuung. Hier kann man nur sagen: Vielfalt statt Einfalt.

Viertens. Ein altbayerischer Philosoph hat einmal gesagt: Eine Strategie hat man, aber über die redet man nicht. Wenn sich die Union auf Bundesebene hier mit einem Rechtsanspruch festlegt, dann würde ich als Landesminister abwarten. Hier sind wir bei dem Punkt, den Herr Gehring anmahnt. Ich würde dann für eine Mehrheit werben. Das hat der Kollege Waschler gerade getan. Mit dieser Mehrheit würde ich in Koalitionsgespräche gehen und vielleicht auch daran mitwirken, wie die auf Bundesebene angekündigte Festlegung aussehen soll, welche gesetzlichen Regelungen getroffen werden können und welche Finanzierungsmöglichkeiten mit welchen Modellen geschaffen werden können. Danach würde ich als verantwortlicher Landespolitiker darauf hinwirken, dass die Angebotsvielfalt beachtet wird. Das steht im Übrigen auch im Programm. An dieser Überlegung erkennen Sie die bayerische Handschrift. Die Dinge sollen anschließend in Berlin so geregelt werden, dass diese mit der auf Landesebene geltenden Verantwortung zusammenpassen. Ein Mehr ist immer besser als ein Weniger. Darüber sind wir uns ohnehin einig.

Zur Frage nach der zeitlichen Umsetzung sei gesagt: Mit einem "sofort und unverzüglich" haben wir schon einmal guten Erfolg erzielt. Aber das ist mit der heißen Nadel genäht.

Fünftens. Wir können so etwas nicht über die Köpfe der wichtigsten Partner, nämlich der Kommunen, hinweg auf den Weg bringen. Wir müssen zunächst mit den Kommunen in den Dialog treten. Ich denke, es ist gut, wenn Sie den Weg, den die Union in Berlin eingeleitet hat, mitgehen. Vielleicht sieht man sich in Berlin in anderer Funktion wieder.

(Beifall bei der CSU)

Herr Staatsminister, verbleiben Sie bitte am Mikrofon. Der Herr Kollege Güll hat eine Zwischenbemerkung angekündigt. – Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Staatsminister, ich habe eine kurze Nachfrage. Sie sagen, dass die bayerische Handschrift erkennbar sei. Waren Sie also dabei? Haben Sie den Rechtsanspruch also mitformuliert? Sagen Sie uns doch bitte, was in Ihren Augen ein Rechtsanspruch ist und wofür dieser gelten soll. Wir brauchen diesen offensichtlich nicht, da die Vielfalt gegeben ist. Was ist in Ihren Augen ein Rechtsanspruch, und für was brauchen wir diesen?

(Beifall der Abgeordneten Isabell Zacharias (SPD))

Es ist immer so: Wo Gutes geschieht, ist die CSU involviert.

(Isabell Zacharias (SPD): Oh, jetzt kommen mir gleich die Tränen!)

Das ist doch logisch.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Stellen Sie halt eine gescheite Frage!)

Wie man intellektuell in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.

(Markus Rinderspacher (SPD): Beantworten Sie doch die Frage! – Widerspruch bei der SPD)

Sie werden doch Ihrem Kollegen Güll einen hohen intellektuellen Anspruch zugestehen. Davon gehe ich aus. Wenn der Bund und die Union im Bund an diesem Punkt ein Engagement auf den Weg bringen wollen und dafür das Instrument des Rechtsanspruchs wählen bzw. wählen sollten – ich war nicht dabei –, dann ist das eine programmliche Ankündigung, die der Sicherstellung einer Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland dient. Es ist ausdrücklich von Betreuung die Rede, und es ist kein konkretes Modell genannt. Man zielt auf die Angebotsvielfalt ab. Aus meiner Sicht ist es seriös, dies dem Wähler vorzulegen und, falls es dafür eine Mehrheit gibt, die entsprechenden Regelungen auf Bundesebene zu schaffen. Danach stellt sich die Frage, wie und mit welchen finanziellen Mitteln ein solch neues Engagement des Bundes hinterlegt werden kann. Es muss kompatibel gemacht werden, damit die Länder diesen Weg in ihrer eigenen Verantwortung beschreiten und ihre Anstrengungen und ihre Arbeit einbringen können. Das ist seriöses Handeln und Vorgehen. Insofern ist die klare Ankündigung, sich zusätzlich und neu zu engagieren, entsprechend auszugestalten. Dies ist möglicherweise auch mit der Änderung gesetzlicher Grundlagen verbunden.

Nachdem der Wähler gesprochen hat, muss dies seriöserweise ausgestaltet werden. Falls eine bundesgesetzliche Regelung getroffen wird, werden wir in Bayern darauf hinwirken, dass diese so ausgestaltet und "ausprofiliert" wird, dass die Angebotsvielfalt in Bayern in der Praxis umgesetzt wird und in einem derartigen zusätzlichen Engagement des Bundes auch ihren Platz hat.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen nun zur Abstimmung. Die Anträge werden hierzu wieder getrennt.

Ich lasse zuerst über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/17542 abstimmen. Wer dem Dringlichkeitsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Ich lasse nun über den Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER auf Drucksache 17/17581 abstimmen. Wer diesem Dringlichkeitsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist auch dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Ich rufe nun zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Eva Gottstein u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Rettungsgasse darf keine Sackgasse für die Rettung sein! Mit Prävention und Fahrverbot die Wege öffnen! (Drs. 17/17543)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Jürgen Mistol u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Tempo bei der Rettungsgasse freie Fahrt für Einsatzkräfte (Drs. 17/17544)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Stefan Schuster, Dr. Paul Wengert u. a. und Fraktion (SPD) Rettungsgassen retten Leben! (Drs. 17/17582)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Josef Zellmeier, Karl Freller u. a. und Fraktion (CSU) Konsequente Ahndung bei Nichtbilden einer Rettungsgasse (Drs. 17/17583)

Ich darf jetzt die gemeinsame Aussprache eröffnen. Als erster Rednerin erteile ich für die Fraktion der

FREIEN WÄHLER Frau Kollegin Gottstein das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei diesen Dringlichkeitsanträgen ist es angemessen, im Vorfeld kurz an den Auslöser zu erinnern und der Opfer des Busunglücks vom Beginn dieser Woche zu gedenken, den Angehörigen unsere Anteilnahme auszusprechen und natürlich auch der Polizei und den vielen Rettungskräften zu danken. Ich danke persönlich auch unserer Präsidentin Barbara Stamm, die am Montag, dem Tag des Unglücks, im Rahmen der Oberbayern-Reise des Präsidiums dieses Gedenken bei dem Besuch der Gedenkstätte in Bad Aibling sofort eingebaut und auch am Ehrenamtsabend in Kolbermoor der Opfer gedacht hat.

Dieses Busunglück ist Auslöser der aufgerufenen Anträge aller Fraktionen. Es geht um die Rettungsgasse, die aber natürlich keine Gasse im Sinne unserer Sprache sein darf, sondern fast eine Straße sein muss. Bei dem jüngsten Busunglück sind die größeren Rettungsfahrzeuge, die man hier gebraucht hat, die Löschfahrzeuge, nicht durchgekommen.

Unsere Straßenverkehrsordnung ist eindeutig; sie sieht vor, dass bei Blaulicht und Einsatzhorn, wenn Eile geboten ist, alle übrigen Verkehrsteilnehmer eine Rettungsgasse oder eine freie Bahn zu bilden haben. Das Wort "Gasse" wird nicht verwendet. Auch bei Staus ist das vorgeschrieben. Das ist nicht allen bekannt, deswegen unser Antrag.

Er besteht aus vier Forderungen. Auf Bundesebene ist schon einiges erreicht worden: Am 12. Mai wurde die Basis verabschiedet, damit man hier mehr tun kann. Unsere erste Forderung: Wir wünschen, dass die Bußgelder erheblich angehoben werden und Fahrverbote und Punkte in Flensburg erteilt werden können. Wir reden momentan von 20 bis 100 Euro Bußgeld. Wir fordern dazu auf, uns dem Beispiel Österreichs anzuschließen. Bei Nichtbilden der Rettungsgasse werden in Österreich 726 Euro fällig. Ein unerlaubtes Befahren der Rettungsgasse und das Behindern eines Einsatzfahrzeugs werden mit bis zu 2.180 Euro Bußgeld bestraft. In Österreich gibt es dazu eine Umfrage. Ich wage zu behaupten, dass Tirol zumindest von Bayern nicht so weit weg ist. Über 93 % der Österreicher halten diese Maßnahmen für notwendig. Es gilt eben auch bei uns: Ein Gesetz ohne Sanktionen funktioniert nicht; das wissen wir aus allen Lebensbereichen. Wir brauchen entsprechend hohe Bußgelder, Fahrverbote und Anrechnungen im Punktekatalog; sonst kann das nicht besser werden.

Als Nächstes fordern wir mehr Aufklärung und Sensibilisierung von Anfang an. Das heißt, dieses Thema muss schon in den Fahrschulen einen wesentlich größeren Raum bekommen. Die Fahranfänger müssen noch wesentlich mehr für diese Problematik sensibilisiert werden, auch schon in den Schulen und im Kindergarten. Ich meine, dieses Thema muss in den Köpfen sein.

Damit es in die Köpfe geht, kann man natürlich auch Aufklärungskampagnen in ganz anderer Form als bisher fahren; deswegen unsere dritte Forderung: mehr Information auf dem üblichen Marketingweg, den wir heute haben. Gefühlt haben wir in Bayern momentan ein Spruchband an einer Brücke so ungefähr alle 50 km. Sie fahren sicherlich auch durch unser Nachbarland Österreich. Dort haben Sie zehn, zwanzig Mal so viele Spruchbänder. Eigentlich gibt es dort keine Brücke mehr, an der man das Piktogramm nicht sofort sieht, bei dem jeder kapiert, wo die Rettungsgasse angesiedelt ist. Das brauchen wir, wenn es eben nicht anders in die Köpfe der Menschen gelangt.

Unsere vierte Forderung lautet, dass man sofort die Einbindung von Verkehrsbeeinflussungsanlagen realisiert. Wir haben den Versuch auf der A 8. Wir glauben, dass eher Kostengründe dazu geführt haben, dass man das nicht einsetzt. Wir haben unsere Autobahnen inzwischen überall gut mit Verkehrsbeeinflussungsanlagen ausgerüstet. Sie wissen, das sind die Schilder, aus denen manchmal fotografiert wird. Die Umrüstung würde 11,2 Millionen Euro kosten. Das wäre eine sehr wichtige und sinnvolle Investition.

Als Letztes bitten wir, mit den Sichtschutzwänden noch weiter zu gehen. Wir FREIE WÄHLER haben uns bereits 2015 für ein Pilotprojekt zu mobilen Schutzwänden stark gemacht. Bis heute sind sie nicht umgesetzt. Wir bedauern das, obwohl es zunächst geheißen hat, dass im Bundesrat entsprechende Verordnungen besprochen werden. Heute können wir lesen, dass das alles zurückgestellt ist. Die geplanten höheren Geldbußen für Autofahrer, die fahrlässig keine Rettungsgasse bilden, verzögern sich. Es kommt erst in der nächsten Sitzung am 22. September zur Beratung. Wir finden das schade. Wir sehen hier ganz klar Handlungsbedarf und bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.