Protocol of the Session on April 6, 2017

(Hans Herold (CSU): Das hat er gar nicht gesagt! – Dr. Florian Herrmann (CSU): Zuhören! Unerträglich! – Weitere Zurufe von der CSU)

Wissen Sie, Frau Kollegin, ich bin dafür, dass wir zu einer sachlichen Diskussion zurückkehren.

(Gisela Sengl (GRÜNE): Das war eine sachliche Interpretation! – Hans Herold (CSU): Unsinn war das! – Weitere Zurufe von der CSU)

Nein, wenn Sie das als sachlich ansehen, dann haben Sie ein anderes Verständnis von Sachlichkeit. Die Staatsanwaltschaften prüfen in jedem Einzelfall, ob eine Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt vorliegt. Ein unerlaubter Aufenthalt ist dann gegeben, wenn Ausreisepflicht besteht und keine Duldung vorliegt.

(Gisela Sengl (GRÜNE): Also ist Kirchenasyl illegal?)

Insoweit ist eine Beihilfe dann gegeben, wenn ein solcher Aufenthalt unterstützt wird. Das prüfen die Staatsanwaltschaften. Sie prüfen natürlich in jedem Einzelfall die jeweilige Schuld oder den Grad der Schuld und auch die Frage eines Verbotsirrtums. All das gehört zur Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft, in die ich mich als Justizminister grundsätzlich nicht einmische.

(Beifall bei der CSU – Hans Herold (CSU): Bravo!)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen, und wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst, nachdem die SPD-Fraktion und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu ihren Anträgen namentliche Abstimmung beantragt haben, über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER auf Drucksache 17/16338 abstimmen. Wer diesem Dringlichkeitsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen. – CSU. Stimmenthaltungen? – SPD und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Wir kommen nun zu den beiden namentlichen Abstimmungen. Ich lasse zunächst über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/16337 abstimmen. Die Urnen stehen bereit. Ich bitte, die Stimmkarten abzugeben. Die Abstimmung ist eröffnet. Fünf Minuten, bitte.

(Namentliche Abstimmung von 15.04 bis 15.09 Uhr)

Kolleginnen und Kollegen, die Zeit ist um. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte, die Stimmkarten draußen auszuzählen. Wir geben dann das Ergebnis bekannt.

Ich darf gleich mit der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/16315 fortfahren. Ich eröffne die Abstimmung. Drei Minuten, bitte.

(Namentliche Abstimmung von 15.09 bis 15.12 Uhr)

Die Zeit ist um. Ich schließe die Abstimmung und bitte, die Stimmkarten draußen auszuzählen. Ich

werde das Ergebnis, sobald es feststeht, bekannt geben.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Karl Freller, Erwin Huber u. a. und Fraktion (CSU) AdBlue Betrug durch osteuropäische LKW verhindern - Für fairen Wettbewerb im Speditionsgewerbe (Drs. 17/16316)

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner Herrn Kollegen Rotter für die CSU-Fraktion das Wort. Ich bitte um große Aufmerksamkeit für Herrn Kollegen Rotter. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ZDF hat bereits im Januar darüber berichtet, dass ihm exklusive Messdaten und Unterlagen vorlägen, die einen Lkw-Abgasskandal belegten, der den Pkw-Skandal weit in den Schatten stellen soll. Experten halten den Umweltschaden für doppelt so groß wie bei den Abgasmanipulationen von VW in den USA. Dabei geht es um AdBlue, einen Zusatzstoff, den moderne Dieselmotoren zur Abgasreinigung in die Auspuffanlage einspritzen.

Bei den aktuellen Lkw-Modellen ist es möglich, die Euro-5- oder gar die Euro-6-Norm zu erreichen. Ich war zunächst überrascht, was alles machbar ist. Das ist "eine absolut saubere Technologie, die Lkw besser dastehen lässt als viele moderne Diesel-Pkw", so Prof. Dr. Koch vom Karlsruher Institut für Technologie. Doch dieser Zusatzstoff AdBlue, Harnstoff, kostet Geld. Das wollen kriminelle Speditionen und Fahrer offenbar sparen.

Im Internet verkaufen Anbieter Geräte, die dem Lkw vorgaukeln, mit AdBlue zu fahren, obwohl dies nicht der Fall ist. Tatsächlich wird die Anlage schlicht lahmgelegt, und sogar die Bordelektronik wird ausgetrickst, sodass bei oberflächlichen Kontrollen nichts Auffälliges zu sehen ist. Ein sogenannter Emulator, ein im Nachhinein eingebautes schwarzes Kästchen, das im Internet frei erhältlich ist, gaukelt dem Bordcomputer vor, dass AdBlue in die Abgasanlage eingespritzt wird. Tatsächlich ist der AdBlue-Tank aber leer; der Motor verbrennt ausschließlich Diesel. Aus dem Auspuff qualmt das bis zu Fünffache an Stickoxiden. Dieser Anteil wäre geringer, wenn dieser Emulator nicht eingebaut wäre, wenn also tatsächlich der Zusatzstoff AdBlue mitverbrannt würde.

Die Verkehrspolizeiinspektion Nürnberg hat eine Routinekontrolle durchgeführt. Bei einem dabei gestoppten Lkw-Fahrer wurde festgestellt, dass er für diesen Emulator 90 Euro inklusive Einbau bezahlt hat. Der

Fahrer hat der Polizei sogar die Rechnung vorgelegt. Die Verkehrspolizeiinspektion Nürnberg hat bei dieser Routinekontrolle noch fünf weitere solcher Fahrzeuge festgestellt und diese Fälle an die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth weitergemeldet. Diese wird gegen die Fahrer wegen des Verdachts des Computerbetrugs und des Verdachts der Luftverunreinigung ermitteln. Weitere Ordnungswidrigkeiten oder Straftatbestände stehen im Raum.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, laut den Recherchen des ZDF sind circa 20 % der osteuropäischen Lkw mit sogenannten AdBlue-Emulatoren ausgestattet, die die Bordelektronik manipulieren und so die Harnstoffeinspritzung umgehen. Manipulierte Lkw sparen im Schnitt circa 2.000 Euro pro Jahr an AdBlue- und Mautkosten. Die Lkw-Maut orientiert sich bekanntlich daran, wie sauber ein Fahrzeug ist. Diese Leute sparen sich Mautkosten, weil sie in einer günstigeren Lkw-Mautklasse fahren. Durch diesen Betrug verschaffen sich osteuropäische Speditionen klare Wettbewerbsvorteile gegenüber heimischen Speditionen, die ohnehin über erschwerte Wettbewerbsbedingungen klagen, weil Ausländer den Fahrern nicht einmal den Mindestlohn, geschweige denn den bei uns gültigen Tariflohn bezahlen.

Das zuständige Bundesamt für Güterverkehr kontrolliert derartige Manipulationen derzeit nicht gezielt. Durch diesen Betrug entsteht dem Fiskus ein enormer finanzieller Schaden, der sich auf bis zu 110 Millionen Euro beläuft. Die zusätzlichen Stickoxid-Belastungen werden auf 14.000 Tonnen pro Jahr geschätzt. Hinzu kommt die enorme Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil unserer heimischen Speditionen.

Daher unser Dringlichkeitsantrag, mit dem die Staatsregierung aufgefordert wird, sich auf der Bundesebene gegen den Betrug durch sogenannte AdBlue-Emulatoren in Lkw und für einen fairen Wettbewerb im Speditionsgewerbe einzusetzen. Dazu sind ein klarer Rechtsrahmen, eine Erhöhung der Kontrolldichte durch das Bundesamt für Güterverkehr und eine entsprechende technische Ausstattung seiner Kontrollteams erforderlich. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Jetzt spricht Herr Kollege Adelt für die SPDFraktion. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Dringlichkeitsantrag der CSU könnte man mit dem Titel "Von Deutschland lernen" überschreiben; denn man hat aus dem VW-Abgasskandal nichts gelernt.

EDV-Systeme wurden entwickelt, mit denen die AdBlue-Einspritzung ausgeschaltet werden kann. Die manipulierten Werte bei VW und die jetzt bekannten Manipulationen haben eines gemeinsam: Sie schaden der Umwelt ungemein und müssen deshalb umgehend verhindert werden.

Herr Kollege Rotter hat die Sendung "Frontal 21" erwähnt. Damals, am 17. Januar, hat das Verkehrsministerium nichts von diesen Manipulationen gewusst. Der angesprochene Sachbearbeiter hatte davon keine Ahnung. Ich finde es gut, dass die CSU jetzt ihren eigenen Minister auffordert, endlich etwas zu tun. Die Unterstützung der SPD haben Sie.

(Beifall bei der SPD)

Damals wurde deutlich, dass das Entdeckungsrisiko beinahe bei Null liegt; denn der Emulator kann einfach angesteckt oder wieder abgezogen werden. Das ist kein Problem. Ich gebe Ihnen recht: Das Personal des BAG ist derzeit zu solchen Kontrollen nicht in der Lage. In der Bundesrepublik Deutschland sind gerade einmal 1.700 Beamtinnen und Beamte unterwegs. Diese Beamten haben nicht die Möglichkeit, auf die EDV zuzugreifen, es sei denn, sie durchsuchen die Fahrerkabine. Außerdem fehlt ihnen dafür die Ausstattung, die sie dringend bräuchten.

Noch ein Hinweis zu Osteuropa: Ich finde, es ist nicht fair, auf Osteuropa einzuschlagen, einfach deswegen, weil meistens Tochterfirmen deutscher Speditionen mit polnischen Kennzeichen unterwegs sind.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Aha! – Herbert Woerlein (SPD): Ein dickes Ei!)

Sehr viele! Außerdem kommen die Lkw ohnehin aus Westeuropa: Mercedes, Scania, MAN, DAF und auch Volvo. Ich bin überrascht ob des günstigen Preises, den Herr Rotter herausgefunden hat. Mir liegt ein Angebot für einen Volvo über 129 Euro vor. Es ist also absolut ein gutes Geschäft.

Die Verkehrskontrollen müssen allerdings mit in Betracht gezogen werden. Landespolizeipräsident Schmidbauer hat permanente Kontrollstellen für den Lkw-Verkehr gefordert. Das ständige Auf- und Abbauen der Kontrolleinrichtungen erfordert viel Zeit und Kraft. Stationäre Kontrollstationen dagegen hätten sehr viele Vorteile: Eine Waage, eine permanente Grube und die entsprechende EDV-Ausrüstung zum Aufdecken von Manipulationen in der Fahrzeugbordelektronik wären vorhanden. Außerdem wäre es für das Personal von Polizei und BAG wesentlich besser, wenn es in überdachten Räumen arbeiten und Toiletten, Umkleiden und andere soziale Einrichtungen nutzen könnte. Landespolizeipräsident Schmidbauer hat

Fahrenzhausen an der A 9 angesprochen; dadurch würde Manching erheblich entlastet. Viele kennen die Belastung dort, wenn der Verkehr kontrolliert und die Geschwindigkeit heruntergeregelt wird. Diskutiert wurde auch darüber, dass eine Rastanlage im Moos bei Bad Feilnbach verwendet werden könnte. Herr Schmidbauer hat darüber hinaus angeregt, an der A 9 bei Ahornberg in meiner Heimat eine Anlage zu bauen. – Ich glaube, die beiden Dinge, nämlich die Verhinderung von Manipulationen mit AdBlue und der Bau stationärer Kontrollstellen, gehören unbedingt zusammen.

Was den Dringlichkeitsantrag betrifft, kann ich die uneingeschränkte Zustimmung der SPD zusichern. Der Antrag ist in Ordnung. Lob! – Der passt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD – Herbert Woerlein (SPD): Ausgezeichnet!)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Jetzt spricht Herr Kollege Glauber für die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, wertes Präsidium, Kolleginnen und Kollegen! Vorweg: Die Fraktion der FREIEN WÄHLER wird dem Dringlichkeitsantrag der CSU zustimmen. Wir hätten es aber besser gefunden, wenn sich der Dringlichkeitsantrag nicht auf Osteuropa, sondern auf den Betrug im Speditionsgewerbe im Allgemeinen bezöge.

Kollege Rotter hat den Sachverhalt beschrieben. Es ist definitiv so: Wer AdBlue nicht tankt, verschafft sich über einen Jahreszyklus finanzielle Vorteile in Höhe von 2.500 Euro. Dabei ist der finanzielle Vorteil noch nicht betrachtet, den die Ersparnis bei der Lkw-Maut für das Unternehmen bedeutet. Von daher kann ich klare Zustimmung signalisieren.

Schade finde ich allerdings – und das ist auch die Meinung unserer Fraktion –, dass Sie nicht gleich einen Handlungsrahmen in Ihrem Dringlichkeitsantrag formulieren. Sie wollen eine Initiative und regieren in Berlin. Von daher wäre es mein Wunsch und der Wunsch der FREIEN WÄHLER gewesen, dass klare Handlungsempfehlungen für einen Gesetzesvorschlag ausgesprochen würden.

Leider erleben wir im Vollzug bei den rumänischen und polnischen Polizeikollegen ein komplett anderes Vorgehen: Dort wird ein Lkw sofort stillgelegt. Es ist beschrieben worden, dass das Fahrzeug entweder nur noch im Schleichmodus oder gar nicht mehr fährt, sobald der Systemwertgeber ausgebaut ist. Richtig wäre es, wenn unsere Polizei genauso vorgehen könnte; man könnte die Fahrzeuge sofort, an Ort und

Stelle stilllegen. Dann würde es auch für die Spediteure deutlich härter; Betrug würde deutlich unrentabler. Insofern hätte ich mir gewünscht, dass der Dringlichkeitsantrag schon einen Handlungsrahmen vorgibt; denn es geht um einen erheblichen finanziellen Aspekt. Leider haben wir davon nichts gehört. Sie hätten schließlich jederzeit die Möglichkeit, ihn in Berlin umzusetzen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ein zweiter Aspekt geht mit dem Ausschalten der Abgasreinigungsanlage beim Lkw mit dem Zusatz AdBlue einher, nämlich die Diskussion über die von uns nicht gewollte Pkw-Maut. Mit der Einführung der PkwMaut müssen wir uns auch mit der Automobilindustrie befassen. Beim Lkw ist es jederzeit möglich, den Systemwertgeber auszubauen und das Fahrzeug wieder nach der Euro-Norm 5 oder 6 fahren zu lassen. Ich sage Ihnen voraus: Das wird im Pkw-Bereich deutlich schwieriger werden. Es wird zwar funktionieren, aber das Ziel der Pkw-Hersteller wird nicht erreicht werden. Heute haben die Pkw AdBlue-Tanks für neun bis zwölf Liter. Man müsste, wie der Abgas-Skandal aufzeigt, alle 5.000 bis 7.000 Kilometer AdBlue nachtanken, wenn die Abgasreinigungsanlage voll funktioniert. Wer aber einmal AdBlue an den Händen hatte, weiß, wie unangenehm dieses Nachtanken ist. Insofern wird der jetzigen Diskussion – richtigerweise, das muss uns allen klar sein – eine Diskussion über den Umgang mit AdBlue im Pkw-Bereich folgen; denn darin ist sich, glaube ich, dieses Haus einig: Wir wollen nicht, dass im Fahrbetrieb weiterhin giftige Stickoxide in großen Mengen ausgestoßen werden. Die Fraktion der FREIEN WÄHLER will demgegenüber, dass das Stickoxid gefiltert wird, dass die Anlagen funktionieren, sodass letztlich N2 und H2O herauskommen, wenn das System richtig arbeitet und nicht mehr betrogen wird.

Deshalb glaube ich auch, dass das nur der erste Schritt ist. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie den Mut haben, auch den Pkw-Bereich anzusprechen; denn hier liegt für uns alle ein Problem. Ich glaube, das Haus ist sich dieser Verantwortung bewusst. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Thomas Kreuzer (CSU): Selber nichts vorlegen, aber uns sagen, wir hätten zu wenig gemacht!)