Protocol of the Session on November 29, 2011

Entschuldigen Sie, Herr Kollege. Auch die Fraktion der FREIEN WÄHLER hat für Ihren Antrag auf Drucksache 16/8721 namentliche Abstimmung beantragt.

Ich fasse mich kurz, weil bezüglich der Sachlage Kollegin Stierstorfer das Wesentliche gesagt hat. Um keinen "Eiertanz" vorzuführen, weise ich auf drei wesentliche Punkte hin:

Erstens. Dänemark hat bei der EU eine Initiative eingebracht; es wird zum Verbot der vier Phthalate kommen.

Zweitens. Zur Aussage der GRÜNEN betreffend die Informationspolitik der Bayerischen Staatsregierung bezogen auf die Weichmacher: Wir haben gesagt, es gibt Verbraucherinformationssysteme. Es gibt Informationsportale und den Newsletter. Der mündige Verbraucher kann sich im Internet informieren. Wir setzen auf den mündigen Verbraucher.

Drittens. Zur Aussage der GRÜNEN die Industrie betreffend. Die Industrie wird bis zum Jahre 2015 alle Weichmacher vom Markt nehmen. Es gibt jetzt schon freiwillige Vereinbarungen, mit denen sich die Industrie beschränkt hat. Wir wissen von vielen Produkten, die vom Markt genommen wurden, weil sie Brustkrebs, Hodenkrebs, Asthma oder Allergien verursachen. So viel zu den drei klaren Punkten und dem nicht vorhandenen "Eiertanz".

Wir dürfen die Verbraucherschutzpolitik nicht für Parteipolitik benutzen. Die Koalition ist für den vorsorgenden Verbraucherschutz, der mit Augenmaß und validen Daten durchgesetzt wird. Jede ideologisch geprägte Argumentation ist fehl am Platz.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Dittmar. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Aus Gründen der Zeitökonomie versuche ich mich kurz zu fassen und mich auf ein paar Fakten zu beschränken.

Erstens. Die Studie des BUND liegt seit 2010 vor und weist signifikant höhere Phthalat-Belastungen des untersuchten Staubes in den Kindertagesstätten im Vergleich zum gewöhnlichen Hausstaub auf. Die Erklärung hierfür ist eigentlich recht einsichtig, denn die Kitas sind gewöhnlich mit mehr Produkten aus WeichPVC ausgestattet. Sie haben es aufgezählt: abwaschbare Tischdecken, Turnmatten, Gymnastikbälle.

Der zweite Fakt ist, dass wir seit 2009 den Kinderumweltsurvey haben. In dieser deutschlandweit angelegten Studie wurden knapp 1.800 Kinder repräsentativ bezüglich der Umweltbelastung untersucht. Zusammengefasst ergaben diese Daten eine zum Teil bedenkliche Belastung der Kinder mit Diethylhexylphthalat, Benzylbutylphthalat, Dibutylphthalat und die Diisodecylphthalat. Ich will auf Details wie die deutliche Überschreitung des Human-Biomonitoring-Wertes oder der täglich tolerablen Aufnahmemenge und die Nichtberücksichtigung von Kombinationswirkungen nicht eingehen. Das Entscheidende ist, dass die Berechnungen des Bundesumweltamtes dazu kommen, dass angenommen wird, dass bis zu 80 % der Kinder eine zu hohe Belastung aufweisen. Die Phthalate, um

die es in der Diskussion geht, sind folgende - ich versuche, das auszusprechen, denn für mich als Fränkin ist das eine wirkliche Herausforderung -: DEHP, DBP, BBP und DIBP.

(Beifall bei der SPD)

Das ist für eine Fränkin wirklich eine Leistung.

Ich denke, das ist gut gelungen.

Diese Phthalate werden als reproduktionstoxisch eingestuft, und Kollege Dr. Vetter hat diese Farce eigentlich schon aufgezeigt, wonach eine chemische Verbindung unter 0,5 % das Totenkopfsymbol bekommen muss und die Giftig-Kennzeichnung. Aber selbst in Konsumgütern wie Turnmatten, in denen bis zu 50 % DEHP enthalten sein können, gibt es keine Kennzeichnung. Das ist eine Farce und das zeigt, dass wir noch Meilen vom vorsorgenden Verbraucherschutz, Herr Kollege Dr. Bertermann, entfernt sind.

(Beifall bei der SPD)

Im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit wurde von der Staatsregierung auf die EU-Chemikalienverordnung REACH verwiesen und die Verantwortung auf die EU abgewälzt.

Kolleginnen und Kollegen, ich muss Ihnen sagen, ich werde mich nicht damit zufriedengeben, dass ab 2015 eventuell drei besonders gefährlich Phthalate einer generellen Zulassungspflicht unterworfen werden sollen. Das ist zu wenig. Wir fordern ein generelles Verbot, eine Politik der Null-Toleranz.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin wirklich froh, dass sich Dänemark aufgemacht hat und eine Gesetzesinitiative für ein europaweites Verbot auf den Weg gebracht hat. Ich nehme mit Freude zur Kenntnis, dass die CSU die Initiative unterstützen will, bedauere aber, dass nicht Deutschland auf die Idee gekommen ist, diese Initiative zu starten, oder dass die Bayerische Staatsregierung eine Bundesratsinitiative gestartet hätte.

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatsminister Dr. Huber, hier hätte man dem Motto "Bayern ist vorn" wirklich Leben einhauchen und die Ministerin Aigner zum Jagen tragen können.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition, ich kann Ihre zögerliche Haltung des Abwartens und Be

richtens nicht nachvollziehen, die Sie heute noch einmal untermauern, indem Sie den Antrag der FREIEN WÄHLER ablehnen werden und auf Ihrem nicht weiterführenden, nichtssagenden Antrag auf Berichterstattung beharren. Staatsminister Sackmann hat Sie mit seiner Pressemitteilung auf der linken Spur überholt.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Mitte 2012 soll die Staatsregierung berichten, wie sie mit den Untersuchungsergebnissen der BUND-Untersuchung aus dem Sommer 2010 umgehen will. In der Diskussion haben Sie erläutert, dass Sie eine weitere Studie des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit - LGL - abwarten, weil Ihnen Informationen zur Analytik und zur Probenaufbereitung fehlen. Die Vertreterin des Umweltministeriums, nicht des Sozialministeriums, hat in der Ausschusssitzung dreimal explizit auf die Nachfragen des Kollegen Dr. Zimmermann und der Kollegin Sonnenholzner wiederholt, dass es keine ausreichende Korrelation zwischen Phthalatgehalten im Staub und einer internen Belastung des Menschen gebe.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Bertermann?

Am Ende bitte, ich weiß nicht, ob meine Zeit ausreicht.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Die Bundesregierung antwortet auf eine Schriftliche Anfrage, dass sich im Kinderumweltsurvey des Bundesumweltamtes für kurzkettige Phthalate eine signifikante Korrelation ergab und dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass kausale Beziehungen vorliegen. Was ist denn nun gültig? - Die Aussage des Bundes oder des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit?

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

- Das scheint hier nicht von Interesse zu sein. Herr Kollege Schmid, Sie werden diese halbe Stunde noch aushalten.

(Georg Schmid (CSU): Ich höre Ihnen gern zu!)

- Das ist schön.

Es gibt noch Forschungsbedarf. Das darf uns aber nicht als Vorwand dafür dienen, alles auf die lange Bank zu schieben. Wir können doch nicht angesichts deutlicher Hinweise auf eine Phthalat-Belastung, der

unsere Kinder in den Kitas ausgesetzt sind, warten, bis das letzte wissenschaftliche Fragezeichen beantwortet ist. Da sind die Kollegen in den Bundesländern weiter. Herr Kollege Dr. Bertermann, Sie kennen die Position Ihres Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, der einen dringlichen Handlungsbedarf sieht. Auch das Land Berlin hat sich bereits für ein nationales Verbotsverfahren ausgesprochen. Ich denke, dies stünde auch dem Freistaat Bayern gut an.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Uns stünde es gut an, unverzüglich Schutzmaßnahmen auf nationaler Ebene einzuleiten und gesundheitsgefährdende Weichmacher in allen Produkten zu verbieten, die im Umfeld unserer Kinder verwendet werden. Dies sollte unser gemeinsames Ziel sein. Dies wäre ein weiterer dringend notwendiger Schritt, die Gesundheit von Kindern präventiv und nachhaltig zu schützen. Wir alle wissen, wie langsam die europäischen Gesetzesmühlen mahlen und wie sich manches in unverbindlichen Initiativen verliert. Ich möchte die Fachkollegen nur an das Herumgeeiere beim Verbot von Bisphenol A erinnern. Diesem Stoff wurde einmal eine Unbedenklichkeit attestiert, bis es letztlich zum Verbotsverfahren kam. Auch hier sind wir national tätig geworden. Dies stünde uns bei diesem Problem auch gut an.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Bitte, Herr Kollege Dr. Bertermann.

Liebe Frau Dittmar, ich wollte noch einmal sagen, dass wir nicht an der Abgabe des Berichts bis Mitte 2012 hängen. Wir haben im Ausschuss gesagt: Wenn es aktuelle Ergebnisse gibt, die ein rascheres Handeln erfordern, wird die Koalition rasch handeln. Das kann in den ersten drei oder vier Monaten sein. Wir sind eine Koalition, die flexibel handelt und bei der der Verbraucherschutz in der Mitte steht.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Dr. Bertermann, die Erkenntnisse liegen aber doch vor. Dänemark hat die Gesetzesinitiative aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse eingeleitet. Der Staatssekretär im Sozialministerium, Herr Sackmann, hat anerkannt, dass es eine Datengrundlage gibt. Ich sehe keinen Grund mehr, warum Sie den Antrag der FREIEN WÄHLER ablehnen könnten.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. -

(Erwin Huber (CSU): Abstimmen!)

- Herr Kollege Huber, das mache ich dann, wenn im Raum entsprechende Ruhe herrscht.

(Erwin Huber (CSU): Wir können auch so abstimmen!)

- Das glaube ich auch.