Protocol of the Session on July 15, 2010

(Beifall bei der SPD)

Auch über die Schlüsse aus dem, was ich Ihnen hier sage, sollten Sie bitte nachdenken.

(Albert Füracker (CSU): Ablenkungsmanöver!)

Ich begrüße, dass Sie die Anregung zu einem Bericht gegeben haben. Ich möchte diesen Bericht möglichst umfangreich, möglichst zeitnah, bitte schriftlich - das muss auch in der Sommerpause möglich sein - und möglichst konkret mit Darstellung der Konsequenzen für unser landespolitisches Handeln und auch für Ihr landespolitisches Handeln, Herr Staatsminister, für die entsprechende Krankenhaushygieneverordnung. Wir werden diesem Antrag zustimmen.

Herr Kollege Dr. Bertermann hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

Liebe Frau Sonnenholzner, Sie haben Berlin und die Bundesebene angesprochen. Vielleicht irre ich mich, aber im Jahre 2004 ist der Gesundheitsminister nicht von uns gestellt worden. Das war die Zeit, in der Ulla Schmidt den Ton angegeben hat.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin, zur Erwiderung bitte.

Ist diese bedeutende Frage alles, was Sie von mir wissen wollen? An der Stelle können wir durchaus einen Konsens erzielen. Ich habe jedoch nicht über die Vergangenheit, sondern über die Zukunft geredet. Herr Kollege Bertermann, Fakt ist, dass Ihr Gesundheitsminister gemeinsam mit Ihnen und der Union beschlossen hat, die Ausgaben für die Krankenhäuser einzufrieren. Aufgrund der festgestellten Mängel in München und an anderer Stelle müssen die nötigen Konsequenzen gezogen werden, indem die Häuser in die finanzielle Lage versetzt werden, das zu tun, wozu sie eigentlich verpflichtet sind.

(Beifall bei der SPD)

Bevor wir in der Rednerliste fortfahren, gebe ich Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Bause, Mütze, Gote und Fraktion der GRÜNEN, "Sofortmaßnahmen für eine menschenwürdige Unterbringung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung Baierbrunner Straße 16 in München", Drucksache 16/5469, bekannt. Mit Ja haben 65 Abgeordnete gestimmt. Mit Nein haben 87 Abgeordnete gestimmt. Es gab keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Wir fahren in der Rednerliste fort. Für die Freien Wähler darf ich Herrn Prof. Dr. Michael Piazolo das Wort erteilen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie es Ihnen beim Lesen der Zeitungsartikel in den letzten Tagen ergangen ist. Ich fand es zum Grausen. Ich habe mich ganz bewusst als NichtMediziner gemeldet, damit nicht nur die Sicht der Mediziner dargestellt wird. Ich habe versucht, mich in die Patienten hineinzuversetzen. Wie geht es Schwerkranken, die kurz vor einer Operation stehen und diese Artikel lesen? Dabei geht unheimlich viel Vertrauen verloren. Ich sage Ihnen ganz offen: Gestern habe ich eine Besuchergruppe betreut, der hauptsächlich Senioren angehörten. Dies war eines der Hauptthemen. Bei der Münchner Besuchergruppe konnte ich Entsetzen feststellen. Die Leuten haben sich gedacht: Was passiert, wenn ich in das Krankenhaus komme? Was passiert mit mir?

Für die erfahrenen Mediziner ist dies zwar nicht normal, sie schätzen die Zustände jedoch anders ein als

ein Patient, der sich im Krankenhaus den Ärzten ausgeliefert fühlt. Sie befinden sich in einer ganz bestimmten Situation und sind aus dem normalen Leben herausgerissen worden. Jede Operation stellt zunächst eine Körperverletzung dar, in die der Patient einwilligt. Dafür benötigt der Patient Grundvertrauen. Dieses ist zutiefst erschüttert.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Jedem Mediziner ist bewusst, dass eine Operation kein Handwerk ist. Die Broschüren der Krankenhäuser machen immer wieder deutlich, wie wichtig ethische Grundsätze sind. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir im Stadtrat München und den entsprechenden Gremien versuchen, alles Erdenkliche zu tun, um diesen unglaublichen Imageverlust auf Jahre hinaus nach Möglichkeit auszugleichen. Wir sollten darüber hinaus untersuchen, ob das, was wir erfahren haben, alles ist. Vielleicht - das sage ich ganz offen - ist dies alles nur die Spitze eines Eisberges.

In den letzten Tagen habe ich mit einer Bediensteten eines Münchner Krankenhauses gesprochen, die gesagt hat, dass die Belüftungsanlagen viel seltener als vorgeschrieben ausgewechselt würden. Dabei geht es um multiresistente Keime. Bei einer Operation ist es entscheidend, dass keine Keime in die Wunde gelangen. Wir müssen ebenfalls darüber nachdenken - das haben die Vorredner schon getan -, inwieweit die Politik und die Verantwortlichen richtig oder falsch gehandelt haben. Der enorme Kostendruck und das damit einhergehende Outsourcing nehmen zu. Das Denken nach wirtschaftlichen Grundsätzen hält immer größeren Einzug in die Krankenhäuser. Wir müssen beurteilen, ob dies der richtige Weg ist, dem wir folgen wollen.

Darüber hinaus stellt sich die Frage - ich will es nicht zu scharf gestalten -, inwieweit die Besetzung des Personals in den Krankenhäusern nach Parteieninteressen erfolgt. Ich will dabei niemanden ausnehmen und auf niemanden mit dem Finger zeigen, weil es in einem Fall die einen und in einem anderen Fall die anderen betrifft. Insofern handelt es sich um eine Grundsatzfrage, die wir uns im Landtag stellen müssen: Inwieweit dürfen über die Krankenhäuser hinaus den politischen Vertretern der Parteien, den Parteifreunden und den Parteigenossen Ämter zugesprochen werden, wissend, dass nicht immer der Sachverstand, der notwendig wäre, vorhanden ist?

(Beifall bei den Freien Wählern)

Das ist für uns ganz entscheidend. Auf diesem Gebiet darf es keine Klientelpolitik geben. Je länger man sich in bestimmten Regierungspositionen befindet, desto eher besteht die Gefahr eines solchen Verhaltens.

Das gilt es zu untersuchen. Insofern stimmen wir dem Antrag zu. Uns geht es darum, nicht nur den Einzelfall aufzuklären und die Münchner Kliniken genauer zu betrachten, sondern eine bayernweite Aufklärung zu betreiben. Zwar besteht kein Grundmisstrauen, da der Standard der Kliniken in Bayern sehr gut ist, jedoch sollten wir trotzdem genauer hinschauen. Deshalb begrüßen wir den Bericht und stimmen zu.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Jetzt hat sich Frau Kollegin Schopper von der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Bericht über die hygienischen Zustände in den bayerischen Krankenhäusern, wie er mit dem Antrag gefordert wird, ist sicherlich sinnvoll. Von unserer Seite muss jedoch betont werden - da wird niemand außen vor bleiben -, dass die Mängel und Defizite in Bogenhausen und in Neuperlach, wie wir sie täglich der Presse entnehmen konnten, sehr spät ans Licht kamen. In der Abteilung im Klinikum Bogenhausen, die auch das Klinikum Neuperlach beliefert, ist das Operationsbesteck nicht richtig sterilisiert worden. Dort wurde tatsächlich Schindluder getrieben. Das wird von allen Seiten massiv kritisiert. Das ist gut. Der Verantwortliche aus dem Management ist dafür umgehend entlassen worden. Grün hat dort Grün entlassen, da Sie ja immer von irgendwelchen Geschichten reden. Das ist umgehend vollzogen worden. Ich habe kein Verständnis dafür, dass der Aufsichtsrat von Mai bis Juli nicht darüber informiert worden ist. Im Gegenteil, der Aufsichtsrat ist sogar beschwichtigt worden. Das soweit vorweg.

Die Aufarbeitung der Ereignisse, die Durchführung von Suspendierungen und die Einleitung von Maßnahmen, welche die Klinik wieder ins richtige Fahrwasser bringen sollen, sind die Aufgaben des Münchener Stadtrates und des entsprechenden Aufsichtsrates. Zur Plenarsitzung in der nächsten Woche werden die Stadträtinnen und Stadträte von allen Seiten gefordert sein.

Die Defizite, die in München aufgetreten sind, stellen keinen Einzelfall dar.

(Zuruf)

- Sie können sich zu einer Zwischenbemerkung melden. Eine Zwischenfrage geht jetzt von meiner Zeit weg. Herr Kollege Dr. Bertermann hat bereits darauf hingewiesen, dass 20.000 Menschen in der Bundesrepublik jährlich versterben, weil es einen Schlendrian

in der Hygiene der Krankenhäuser gibt. In Deutschland kommt dies nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern oder in Schleswig-Holstein vor. Im Gegenteil, im Krankenhaus an der Straße gegenüber haben wir im letzten November und auch schon davor im Sterilbereich entsprechende Vorkommnisse verzeichnen können. Betroffen war das Herzzentrum.

Deshalb habe ich einen Bericht über die hygienischen Zustände in den bayerischen Kliniken gefordert. Außerdem haben wir eine Mündliche Anfrage hierzu gestellt. Herr Dr. Zimmermann, vielleicht habe ich einen anderen Bericht als Sie gelesen. Die heroischen Erkenntnisse, die Sie aus diesem Bericht gewonnen haben, konnte ich meiner Vorlage nicht entnehmen. Das Fazit des schriftlichen Berichts, den Sie erwähnt haben, lautete: Bayern ist vorne. Das ist nicht überraschend. Das steht als ceterum censeo überall vorne. Es heißt immer, in Bayern werde alles richtig gemacht. Für mich waren das zum Teil nur Allgemeinplätze.

Insoweit möchte ich den Kollegen Bertermann durchaus unterstützen, als dort nichts an wirklich konkreten Mängeln aufgelistet wurde. Meine Fragen dazu sind nicht beantwortet worden. Wir werden mit der Bemerkung abgespeist, dass keine Krankenhäuser komplett geschlossen wurden. Das ist nun keine Erkenntnis, die uns wahnsinnig überrascht hat, denn wenn, dann werden keine Krankenhäuser, sondern nur Stationen geschlossen, oder die Bettenzahl wird reduziert. Das ist doch klar.

Nichtsdestotrotz war auch im letzten November schon die Frage wichtig, wie weit wir in Bayern mit einer Krankenhaushygieneverordnung kommen. Ich schätze, insoweit sind wir halbwegs auf dem Weg. Darin war nämlich die sehr konkrete Ansage enthalten, dass diese jetzt erarbeitet wird. Wir müssen nach wie vor auch entsprechend Druck machen; denn man muss der Ehrlichkeit halber sagen - das ist zum Teil schon angeklungen -: Hygienemängel entstehen vor allem aufgrund des Zeitdrucks, aufgrund der Arbeitsverdichtung in den Kliniken und aufgrund des Spardrucks. Das sind die eigentlichen Ursachen dafür, dass wir in vielen Bereichen so massive Hygienemängel haben. Man sieht natürlich, dass hierin ein kleines Sparpotenzial liegen könnte. Aber die Hygiene zum Sparschwein zu erklären, rächt sich spätestens jetzt in Neuperlach, es rächt sich aber auch in allen anderen Kliniken, und es rächt sich vor allen Dingen insoweit, als Patientinnen und Patienten diese Hygienemängel unter Umständen nicht überleben und an den Keimen sterben.

Der Schutz der Patientinnen und Patienten hat oberste Priorität, aber diesen Schutz zu gewährleisten, ist

unter den Arbeitsbedingungen, wie wir sie gegenwärtig in den Krankenhäusern haben, fast nicht mehr möglich. Zeit ist Geld. Dieses Sprichwort kennen wir. Aber Geld ist keines da. Da helfen auch die baulichen Maßnahmen und das zusätzliche Geld, das jetzt in Bayern in zusätzliche Investitionen fließt, nicht, auch wenn wir dies durchaus begrüßen. Es besteht einfach ein immenser Kostendruck bei den DRGs, also bei dem, was in den Fallpauschalen abgerechnet werden kann. Das Personal befindet sich am Rande der Leistungsfähigkeit.

In dem Bericht werden wir einerseits zur Kenntnis nehmen müssen, was wir unter den gegebenen Maßnahmen ändern können, andererseits auch zur Kenntnis nehmen müssen, was wir tun müssen, um tatsächliche Änderungen innerhalb der Hygiene zustande zu bringen. Nur wenn wir auch das in Angriff nehmen, macht der Bericht Sinn.

Wir werden dem Dringlichkeitsantrag natürlich zustimmen, und wir sind auch froh über ihn. Der mündliche Bericht steht aufgrund der Beschlusslage ohnehin noch aus. Von daher hoffe ich, dass wir danach konkretere Erkenntnisse haben und nicht nur in Neuperlach, sondern auch in den anderen bayerischen Kliniken tatsächliche Verbesserungen zu verzeichnen haben werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Schopper, Herr Dr. Bertermann hätte eine Zwischenfrage gehabt. Ich habe Sie gar nicht gefragt, weil Sie vorhin schon gesagt hatten, dass Sie keine Zwischenfragen zulassen. Jetzt folgt zunächst eine Zwischenbemerkung von Herrn Dr. Bernhard, und währenddessen kann sich Herr Dr. Bertermann noch entscheiden, ob er auch eine Zwischenfrage stellen will.

Herr Dr. Bernhard, bitte sehr.

Wir haben jetzt immer über das Vertrauen der Patienten in die Krankenhäuser diskutiert. Ich denke, wir müssen in diesem Zusammenhang auch die Frage nach dem Vertrauen in die agierenden Politiker der Landeshauptstadt München stellen.

(Beifall bei der CSU)

Da ist ein Oberbürgermeister, der nachweislich - es ist nachzuweisen, weil ein Briefverkehr existiert - wochenlang Bescheid gewusst hat und auch schon früher darauf hingewiesen worden ist, dass es, wie Kollege Zimmermann ebenfalls gerade dargestellt hat, ein schwerwiegender Mangel ist, keine Ärzte integriert

zu haben. Warum hat man das nicht gemacht? Weil man dort einen rot-grünen Filz installiert hat.

(Beifall bei der CSU - Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN)

Natürlich ist es so. - Hinzu kommt, dass es einen Aufsichtsratsvorsitzenden und grünen Bürgermeister gibt, der die Öffentlichkeit belügt und genau das, was Sie damals gemacht haben, vertuschen will. Meine Frage an Sie lautet, ob man denn nicht, nachdem es in der Politik üblich ist und es der Sauberkeit dient, in einer solchen Krise, die ja schwerwiegend ist - das sagen Sie selber -, zurücktreten muss, wenn man die Öffentlichkeit bewusst belogen hat.

(Beifall bei der CSU - Zurufe von der SPD)

Frau Schopper, bitte.

Es war in der Tat ein schwerer Fehler von Bürgermeister Monatzeder, dass er gesagt hat, es hätten keine schriftlichen Bewerbungen von Ärzten vorgelegen.

(Zurufe von der CSU: Das war gelogen!)