Protocol of the Session on July 4, 2007

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das kann man in Bayern nicht leugnen! – Zuruf von der CSU: Woher kommen diese Zahlen?)

Wo ich die Zahlen herhabe? Die Zahlen habe ich von Ihrem Ministerium.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das sind die Zahlen des Sozialministers! – Weitere Zurufe)

Mit dem Angebot von 7 % und davon die Hälfte der Plätze in München ist Bayern europaweit Schlusslicht und meilenweit entfernt von echter Wahlfreiheit.

(Beifall bei der SPD)

Und da sprechen Sie, Frau Stierstorfer, davon, wir bräuchten uns nicht zu verstecken. In die letzte Ecke müssten Sie sich verkriechen!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage Sie, auch wenn vielleicht viele von Ihnen selbst nicht mehr betroffen sind, aber Sie haben vielleicht Enkel oder Kinder, vielleicht eine berufstätige Tochter mit kleinem Kind – auch das soll ja manchmal zum Gesinnungswandel beitragen –: Ist es Wahlfreiheit, wenn nur 7 % der Eltern einen Platz in einer Kinderkrippe fi nden, obwohl Bedarfserhebungen ergeben haben, dass zwischen 20 und 30 % der Eltern mit Kindern unter drei Jahren sich einen wünschen? Ist das Wahlfreiheit?

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Nein!)

Sind die Lebensentwürfe wirklich gleichwertig, wenn eine Familie zunächst keinen Betreuungsplatz fi ndet, und

dann, wenn sie einen hat, oft nicht zahlen kann; auch das ist ein wichtiger Aspekt. Oft reicht ein Nettogehalt nicht aus, um die Betreuung und den Lebensunterhalt zu fi nanzieren.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Genau!)

Der dem Kabinett zunächst vorgelegte Gesetzentwurf hatte zumindest einen Betreuungszuschuss vorgesehen. Aber dieser innovative Absatz ist leider gestrichen worden.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Verloren gegangen!)

Das ist schade. Es wäre immerhin für sechs Monate eine Möglichkeit für die Eltern gewesen, über diesen Betreuungszuschuss die Kinderkrippe mitzufi nanzieren. Es ist wirklich schade, dass dieser innovative Gedanke im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens untergegangen ist.

Ich frage Sie noch einmal: Ist es den Familien in Bayern wirklich freigestellt, ihren Lebensentwurf zu gestalten,

(Zuruf von der CSU: Ja!)

wenn vielerorts auf dem Land überhaupt keine Angebote für Kinder unter drei Jahren zu fi nden sind?

Ich erinnere Sie an Ihr Gesetz, das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz – BayKiBiG. Wegen der Gastkinderregelung können viele Eltern ihre Kinder nicht in die benachbarte Kommune bringen. Auch das müssen Sie berücksichtigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, Sie wollen die Familien unterstützen. Frau Stierstorfer hat es eben gesagt: Sie wollen ein klares Signal für Eltern und Kinder geben. Auch wir wollen die Familien unterstützen. Aber der jetzt vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes bringt den Familien eben keine nachhaltige verlässliche Hilfe.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Gerade mal sechs Monate erhält eine Familie 150 Euro für das erste Kind. Es sind 150 Euro für das erste und teuerste Kind, für den Autositz, das Bettchen, den Kinderwagen, die Klamotten, die Windeln und vieles mehr. Das ist geradezu lächerlich. Ich habe nachgerechnet, wie ernst Sie es mit der Familienförderung meinen. Eine Familie mit drei Kindern erhält nach dem neuen Gesetz 6900 Euro und damit 2928 Euro weniger Landeserziehungsgeld als bisher.

Hören Sie gut zu: 2938 Euro weniger! So wollen Sie die Familien unterstützen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Respekt! – Beifall bei der SPD)

Und jetzt spricht Frau Stierstorfer davon, dass Sie, meine Damen und Herren von der CSU, gerade Familien mit mehr Kindern unterstützen wollen. Frau Stierstorfer, auch wenn Sie sich jetzt unterhalten: Dies ist geradezu lächerlich und eine infame Lüge.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Mit diesem Gesetz unterstützen Sie Mehrkinderfamilien nicht.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU)

Jetzt soll es 150 Euro für sechs Monate geben. Aber was soll danach passieren? Wie sollen die Familien dann leben, und vor allem: Wovon sollen sie leben? Soll die Mutter oder der Vater dann arbeiten? Entspricht es dem Weltbild der CSU, dass die Frauen dann arbeiten? Und wo bleibt dann das Kind? Sie erinnern sich – ich habe es vorhin schon ausgeführt –: Es gibt kaum Kinderbetreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren. Diese Plätze in Bayern sind nach wie vor Mangelware.

Wo ist Ihr Konzept für Familien? Was soll nach den sechs Monaten passieren? Was sollen Alleinerziehende tun? – Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Zahl der Alleinerziehenden auch hier in Bayern in den letzten Jahren zugenommen hat. Was also sollen diese Frauen und vielleicht auch Männer nach den sechs Monaten tun, in denen sie 150 Euro bekommen? Sollen die Kinder zwischen Nachbarn und Freunden hin- und hergeschoben werden? Sollen Alleinerziehende, auch wenn sie eine Ausbildung haben, von der Sozialhilfe leben? – Das sind doch die Alternativen, in die Sie diese Familien hineindrängen.

(Beifall des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))

Ihre Bundesfamilienministerin hat es erkannt: „Kinder brauchen nicht mehr Geld, sondern sie brauchen gute Betreuung“, sagt sie. Das ist richtig. Neue Studien zeigen, dass Kinder in Kinderkrippen oft psychisch gesünder sind als Kinder, die zu Hause bei der Familie leben. Gerade Kinder aus ungünstigen sozialen Brennpunktfamilien sind nämlich in der Kinderkrippe weit weniger ungünstigen Verhältnissen ausgesetzt als zu Hause. Diese Kinder können dort gefördert werden und haben von Beginn an gleiche Chancen für ihr weiteres Leben. In Bayern verschließt man hiervor die Augen. Man repariert lieber als Prävention zu leisten.

Frau Stierstorfer, Sie haben vorhin gesagt, Sie hätten die Mittel für Kinderbetreuung ausgeweitet. Das mag wohl sein. Aber wir hatten in Bayern einen so schlechten Stand in der Versorgung mit Kinderkrippen, dass auch die Ausweitung dieser Mittel noch nicht reicht, wenn wir wirklich etwas für Familien erreichen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Wir sagen deshalb: Anstatt Familien mit so geringen Mitteln auszustatten, die ihnen nicht langfristig weiterhelfen,

sollte dieses Geld lieber in gute Kinderbetreuung gesteckt werden, damit endlich ausreichend Plätze zur Verfügung stehen, damit Plätze in einer vernünftigen Qualität zur Verfügung stehen, damit Plätze zur Verfügung stehen, die sich Eltern auch leisten können und die Elternbeiträge nicht weiter steigen, wie Sie es mit dem BayKiBiG zugelassen haben.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Ich habe in den letzten Monaten viele Einrichtungen besucht und immer wieder festgestellt, dass die Qualität teilweise verheerend ist. Ich habe neulich CSU-Kollegen auf der Treppe sagen hören: „Wenn eine Qualitätsoffensive im Kinderkrippenbereich jetzt nicht gelingt, dann stehen wir schlecht da.“ Ich hoffe, dass das nicht nur eine Einzelmeinung war, sondern auch andere Handlungsbedarf erkennen.

Ich möchte noch kurz auf das weitere Ziel des Gesetzentwurfs, nämlich auf den Aspekt der Gesundheitsprävention eingehen. Ich halte diesen Aspekt für besonders verlogen. Hier soll demonstriert werden: Wir tun was. Aber was tun Sie denn?

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Einen guten Eindruck machen!)

Richtig, Frau Kollegin.

Die Eltern, die Landeselterngeld beantragen, müssen künftig die U-6- und U-7-Untersuchung machen lassen. Toll. Aber was ist davor und was ist danach? Und was ist mit den Kindern, für die kein Landeserziehungsgeld beantragt wird? Alle diese Kinder fallen durchs Netz.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Genau!)

Am Schlimmsten fi nde ich an dieser Lösung, dass diejenigen, die Defi zite haben, die nicht zu den Untersuchungen gehen, keine Förderung erhalten sollen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Zweimal bestraft! – Glocke der Präsidentin)

Anstatt diesen Eltern zu helfen, sie zu unterstützen und zu begleiten, werden ihnen fi nanzielle Mittel gestrichen. Das ist äußerst effektiv und hilft mit Sicherheit den Kindern!

So sieht Ihre nachhaltige Familienunterstützung in Bayern aus. Wer Familien wirklich helfen will, muss diese begleiten. Hebammenprojekte, Ehrenamtsprojekte und vieles andere könnte wirkliche Hilfe gewähren.

Die SPD hat hierzu einen Antrag gestellt: Hilfe statt Strafe. Dies wäre der richtige Weg gewesen. Leider haben Sie sich diesem Antrag verweigert. Eine vertane Chance. Schade. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Wir werden weiterhin versuchen, Sie von unseren Konzepten

zu überzeugen. Diesem Gesetzentwurf werden wir nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Ackermann.