Protocol of the Session on July 6, 2006

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Radermacher?

Herr Kollege Strobl, würden Sie zugestehen, dass Herr Kollege Spitzner vielleicht

zuerst den Unterschied zwischen Gesamt- und Ganztagsschule lernen sollte?

(Beifall bei der SPD)

Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Herr Kollege Strobl, wollen Sie auch noch eine Zwischenfrage des Kollegen Spitzner zulassen?

Ja, bitte.

Frau Kollegin, ich kann Sie beruhigen: Ich kenne den Unterschied.

Herr Kollege, ich frage Sie nochmals: Stimmen Sie mir zu, dass seinerzeit, als in diesem Hause über die Einführung der so genannten Gesamtschule diskutiert wurde, der damalige aus Niederbayern stammende Vorsitzende des kulturpolitischen Ausschusses, Toni Hochleitner, in den Beratungen des Hohen Hauses selbst zugegeben hat, dass dies eine historische Entscheidung des Landtages wäre, bei der man auch in Kauf nehmen müsste, dass bis zu zwei Drittel der Hauptschulen aufgelöst würden, weil es dann auf der Ebene eines Landkreises nur noch drei oder vier Gesamtschulen gäbe?

(Karin Radermacher (SPD): Das hat er nie gesagt!)

Herr Kollege Spitzner, genau das, was Sie uns oder früheren Abgeordneten vorwerfen, machen jetzt Sie.

(Beifall bei der SPD)

Sie sorgen nämlich dafür, dass es in ganzen Teilen von Landkreisen keine Hauptschulen mehr geben wird. Das ist die Situation.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle miteinander wissen auch, dass sich mit der Schließung von Schulen erhebliche pädagogische Probleme abzeichnen. Darum muss es uns ein gemeinsames Anliegen sein, auch bei abnehmenden Schülerzahlen nach Möglichkeit Volksschulen zu erhalten. Wir sind der Meinung, dass der Schulweg für Grundschülerinnen und Grundschüler nicht länger – Sie sehen, dass wir bereit sind, dazuzulernen; das gestehe ich ein; ich wäre aber dankbar, wenn auch Sie dazulernen würden, meine Damen und Herren von der Regierungspartei – als 30 Minuten sein sollte, für Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen nicht länger als 45 Minuten. In der Praxis sieht es aber ganz anders aus. Ich habe schon das Beispiel Schönsee genannt.

(Otto Zeitler (CSU): Welche Unterlagen haben Sie? Schönsee ist doch etwas anderes!)

Ich habe vorhin das Beispiel Schönsee genannt. Es gibt aber auch eine Petition; meines Wissens haben sich auch der Pfarrer und viele andere dafür ausgesprochen.

Herr Kollege Zeitler, es mag sein, dass es einen Beschluss des Elternbeirats gibt. Sie als zuständiger Abgeordneter sollten sich aber einmal Gedanken machen, was für diese Region für diesen Grenzlandkreis, für diese Grenzgemeinde gut ist. Wenn alles so umgesetzt würde, würde es im Grenzstreifen zur tschechischen Republik keine Hauptschule mehr geben. Da wäre es schon fast besser, die Kinder würden nach Tschechien in die Schule gehen. Dort hätten sie es nicht so weit wie in Bayern auf Grund Ihrer Politik. Als zuständiger Abgeordneter sollten Sie sich mehr um die Probleme in Ihrem Stimmkreis kümmern.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind der Meinung, dass in der Schule und nicht im Schulbus auf das Leben vorbereitet werden soll.

(Otto Zeitler (CSU) meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Jetzt mag ich nicht mehr. Ich habe drei Zwischenfragen zugelassen. Bitte schön, Herr Kollege Zeitler, ich bin großzügig.

Herr Kollege Strobl, Sie gestatten die Zwischenfrage des Kollegen Zeitler?

(Reinhold Strobl (SPD): Ja)

Herr Kollege Strobl, Sie haben gerade festgestellt, dass Schönsee von Oberviechtach 26 Kilometer entfernt sei. Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass es maximal acht Kilometer sind?

Was ich sagte, hat schon seine Bewandtnis. Die Kinder fahren mit dem Bus zu den einzelnen Ortsteilen. Dadurch bekommen die Kinder, die als erste in den Bus einsteigen, 26 Kilometer zusammen. Ich kann Ihnen die Petition zeigen, in der dies im Einzelnen aufgeführt ist. Wenn der Bus durch die Gemeinde und danach zu den verschiedenen Ortsteilen fährt, kommen 26 Kilometer zusammen. Gehen Sie nach Schönsee und erkundigen Sie sich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir sind der Meinung, dass die Kinder in der Schule und nicht im Schulbus auf das Leben vorbereitet werden sollen. Schule gelingt am Besten, wo die Kinder in vertrauter Umgebung möglichst viel Zeit miteinander verbringen. Werteerziehung gelingt am ehesten in kleineren Klassen statt in großen unüberschaubaren Schulen. Die Schule ist für uns eine Gemeinschaftsaufgabe, von der die Gemeinden nicht abgekoppelt werden dürfen. Für uns ist es daher sehr wichtig, dass die Gemeinden mit

einbezogen werden. Schule ist für uns weit mehr als bloßer Unterricht. Auf all diese Themen wird im Landesentwicklungsprogramm nicht eingegangen. Dieses Programm hat nichts mit Entwicklung, sondern nur mit Abwicklung zu tun. Sie verwenden bzw. verschwenden viele schöne Worte. Worte können aber sehr viel und gleichzeitig nichts aussagen. Ich nenne als Beispiel nur das Wort „Reform“. Früher haben die Bürgerinnen und Bürger damit etwas Positives verbunden, heute hebt nur noch jeder abweisend die Hand und sagt: Nicht schon wieder eine Reform.

In der Bildungspolitik ist es ebenso. Sie sprechen von „Konzentration“ und meinen damit die Schließung von Schulen. Sprechen Sie in Zukunft bitte nicht mehr nur von einer Stärkung der ländlichen Regionen, sondern stärken Sie diese tatsächlich. Zu einer Stärkung der ländlichen Regionen gehört, dass in den Gemeinden Schulen vorhanden sind. Der vorliegende Entwurf des Landesentwicklungsprogramms wird den Erfordernissen unseres Landes in dieser Hinsicht nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Hallitzky.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Jetzt kommt ein Bibelzitat!)

Herr Kollege Prof. Dr. Waschler! Ich würde gerne auch in diesem Zusammenhang mit einem Bibelzitat dienen, aber ich fürchte, dass es zu dieser Politik keine Zitate mehr gibt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! LEP – Diese Buchstaben stehen in Bayern künftig nicht mehr für das Wort Landesentwicklungsprogramm, sondern für das Wort Landesentwertungspolitik. Das zeigt sich in besonders drastischer Form in der Art, wie Sie mit Hilfe des LEP die Zerstörung eines der wertvollsten ökologischen Schätze Bayerns, des niederbayerischen Donautals, vorbereiten. Im alten LEP aus dem Jahre 2003 hieß es zum Donauausbau, dieser solle bedarfsgerecht und naturschonend erfolgen. Mindestabladetiefen wurden in diesem Zusammenhang nicht genannt. Zwischen Grundsatz und Ziel wurde nicht unterschieden.

Im Entwurf aus dem Jahre 2005 wurde der Ausbau der Donau als Grundsatz eingeführt. Im neuen Landesentwicklungsprogramm, wie es heute zur Abstimmung vorliegt, wollen Sie aus dem Grundsatz ein Ziel machen. Damit würden landesplanerische Abwägungen mit anderen Grundsätzen und Zielen wegfallen. Damit wollen Sie die Regional- und Flächennutzungspläne Ihrem Ziel unterordnen.

Was die Begriffe „verkehrsgerecht“ und „naturschonend“ für Sie bedeuten, ist unschwer dem Begründungstext des LEP zu entnehmen. Zwar fi nden Sie beim Ziel „Donauausbau“ noch das Wort „naturschonend“ als Platzhalter – natürlich hinter dem Wort „verkehrsgerecht“ gerankt. In der Begründung fi nden wir jedoch zwei Seiten mit maximalen Ausbauforderungen zu dem, was Sie „ver

kehrsgerechten Ausbau“ nennen. Allerdings fi ndet sich hier keine einzige Zeile darüber, was Sie unter einer wertvollen Naturlandschaft oder unter dem Begriff „naturschonend“ verstehen. Das Wort „naturschonend“ verkommt bei Ihnen – wenn man den Gesamtzusammenhang liest – zur reinen Worthülse. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, für uns ist das keine Worthülse.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb sind wir auch nicht bereit, die niederbayerische Donau – diese unvergleichbar wertvolle Naturlandschaft - für Ihre betonpolitischen Ziele zu opfern.

Ihre einseitig falsche Zielfestlegung im Landesentwicklungsprogramm wird dadurch zur Farce, dass sie auch nach wiederholten Nachhilfestunden nicht zu begreifen scheinen, dass für die Donau als Bundeswasserstraße der Bund als Bauherr verantwortlich ist. Der Bundestag hat sich darauf festgelegt, eine Verbesserung der Schifffahrt nur im fl ussbaulichen Ausmaß zu genehmigen. Das ist die offi zielle Beschlusslage.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das juckt Sie offensichtlich nicht. Sie schreiben Standards in die Begründung, die Sie nur mit einer Kanalisierung bzw. mit Staustufen erreichen oder erzwingen können. Diese Standards hätte die kleine CSU aus Bayern gerne, sie werden jedoch vom Bauherrn Bund strikt abgelehnt. Angesichts dieser politischen Konstellation gehört ein solches Ziel mit seiner einseitigen Begründung raus aus dem Landesentwicklungsprogramm.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In Ihrem neuen Landesentwertungsprogramm verkommt diese neue Formulierung zur Donau aber auch, weil Sie offensichtlich die Vorgaben des EU-Rechtes nicht kennen. Über 9 000 Hektar der Flussauenlandschaft an der niederbayerischen Donau und am Gebiet der Isarmündung sind als europäische Schutzgebietsfl ächen ausgewiesen. Die FFH-Richtlinie der EU schreibt vor, dass ein derart umfangreicher Eingriff nur dann in Betracht kommt, wenn nachweislich keine Alternativen dazu existieren. Diesen Nachweis können Sie nicht mit ein paar Zeilen im LEP liefern.

Die beiden faktischen Vogelschutzgebiete im Donautal und an der unteren Isar genießen einen absoluten europarechtlichen Schutz vor jeglichem Eingriff. Mit 23 Vogelarten aus dem so genannten Anhang 1 – der die Rote-Liste-Arten enthält –der Vogelschutzrichtlinie besitzt das Donautal zwischen Straubing und Vilshofen den höchsten Wert in ganz Bayern und ist damit auch nach internationalen Kriterien als „Important-bird-area“ gemeldet. Zudem handelt es sich bei der niederbayerischen Donau aufgrund ihres Fließgewässercharakters um ein Gewässer, das auch im Winter eisfrei bleibt und ein bedeutendes Rast– und Überwinterungsgebiet für Vögel darstellt. Gemäß der Ramsar-Kriterien ist dieses Gebiet, dem Sie mit Ihrer Zielformulierung im Landesentwicklungsprogramm zu Leibe rücken – eindeutig als Schutzgebiet auszuweisen. Der EuGH hat entschieden,

dass derartige Schutzgebiete vollständig und endgültig auszuweisen sind. Da können Sie mit Ihren Landesentwertungsplänen winken und Männchenmachen wie Sie wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU.

In der Wasserrahmenrichtlinie wird bis zum Jahr 2015 gefordert, den guten Zustand für alle Gewässer sicher zu stellen und die Verschlechterung des Gewässerzustands zu verhindern. Das gilt nach den Informationen des Bundesumweltamtes ausdrücklich auch für die internationalen Wasserstraßen. Wir alle wissen, dass sich oberhalb der freifl ießenden Donau, wo Sie bereits Staustufen gebaut haben, entgegen Ihrer wohlfeilen Vor-BaubeginnVersprechungen, nach dem Staustufenbau die Wasserqualität drastisch verschlechtert hat. Auch die Europäische Wasserrahmenrichtlinie steht Ihrem LEP-Text diametral entgegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das europäische Recht ist jedenfalls – soweit es die Donau betrifft – nicht auf der Seite der naturzerstörenden LEPisten auf der rechten Seite des Plenums, sondern auf der Seite der Naturbewahrer. Warum will die Staatsregierung der freifl ießenden Donau mit Hilfe des LEP überhaupt an den Kragen?