Wir wollen mit der Anpassung des PAG aufgrund der jetzigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht noch einmal zwei Jahre warten. Deswegen haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Diskussionsgrundlage sein soll. Wir sind niemandem böse, wenn er sagt: Das kann man besser formulieren, das kann man noch schöner formulieren. Er soll ein Anschub sein, die Diskussion zu beginnen.
In diesem Sinne hoffe ich auf eine umfassende Diskussion in den Ausschüssen und erwarte ich auch, dass die Staatsregierung, wenn sie denn der Mehrheitsfraktion nicht empfehlen will, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen, selbst einen Gesetzentwurf vorlegt, den wir uns dann auch ganz genau anschauen werden. – Vielen Dank.
Wir kommen zur Aussprache. Mir liegen die Wortmeldungen der Abgeordneten Peterke, Stahl, Schindler und des Staatssekretärs Schmid vor.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Datenschutz ist wichtig, natürlich auch für uns. Das ist mehrfach bewiesen. Aber nach wie vor gilt die Erkenntnis: Der Datenschutz darf nicht so weit gehen, dass er zum Täterschutz wird.
Unter dieser Maßgabe ist die Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts politisch zu bewerten. Dies ist eine sehr bedeutsame Entscheidung, ganz einfach deswegen, weil sie ein wichtiges, bewährtes und probates Mittel des Polizei – und der Sicherheitsbehörden insbesondere zur Terrorbekämpfung nunmehr auf eine andere Ebene gehoben hat. Ich persönlich bin – ich verhehle das nicht –außerordentlich enttäuscht, fast bestürzt über diese Entscheidung, weiß ich doch aus eigener Erfahrung, wovon ich rede.
Warum bin ich bestürzt? Ganz einfach deswegen, weil ich den Eindruck habe, dass die Bedrohungslage, die durch den internationalen Terrorismus, durch die organisierte Kriminalität, insbesondere durch den extremistischen islamischen Hintergrund nach wie vor in hohem Maße gegeben ist, bereits vergessen wurde.
Ist der 11. September schon vergessen? Ist vergessen, dass die Todesfl ieger von New York aus Deutschland kamen? Was ist heute, morgen oder übermorgen zu erwarten? Ist Madrid schon vergessen? Sind London, Djerba und Istanbul schon vergessen? Tödliche Anschlagsserien haben offensichtlich eine ganz kurze Halbwertzeit.
Aber wir müssen politische Antworten auf die Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts fi nden. Dazu sind wir aufgefordert, etwas zu bewerten.
Als seriöse und vernünftige Antwort darauf fi nde ich es richtig, dass nunmehr eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt worden ist, die es sich zur Aufgabe gestellt hat, unter Einschluss der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts neue politische Vorlagen zur erarbeiten Wenn wir die ersten Entwürfe haben und wenn das Ergebnis der Arbeit der Bund-Länder-Kommission vorliegt, werden wir auch darüber diskutieren und Entscheidungen treffen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Rasterfahndung muss in ihrem Kern erhalten bleiben. Das ist eine wichtige Forderung der CSU-Fraktion. Sie muss auch weiterhin Vorfelderkennungen terroristischer Ansatzbewegungen möglich machen, und sie muss auch weiterhin eine große Präventivwirkung haben. Ich denke, dass es unter anderem auch der Rasterfahndung zuzuschreiben ist, dass wir – Gott sei es gedankt – heute noch nicht von Anschlagsserien überzogen werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe aufgrund dessen, was meine Vorredner gesagt haben, den Eindruck, dass man wenig Ahnung davon hat, was Vorfeldterrorbekämpfung bedeutet, welche Sisyphusarbeit erforderlich ist, um überhaupt Ansätze zu gewinnen.
Terrorismus im Vorfeld – das sind keine Bombenserien, sondern bezieht sich auf die Vorbereitung und ist außerordentlich konspirative Arbeit, die sich nur im Untergrund bewegt, nicht sichtbar wird und einen hohen Einsatz an Geldmitteln verlangt. Wenn etwas sichtbar wird, ist es bereits zu spät.
Vor diesem Hintergrund komme ich zur Bewertung der Gesetzentwürfe, insbesondere zur Bewertung des Gesetzentwurfs der Grünen. Die Grünen nehmen die geplante Änderung des Polizeiaufgabengesetzes gerne zum Anlass, um das bei uns eingeführte Kennzeichenscanning zu Fall zu bringen. Wir werden allerdings in keinem Falle darauf verzichten. Die Maßnahmen zum Fahndungsabgleich der Kfz-Kennzeichen sind wesentlich niederschwelliger und deswegen nicht von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bedroht.
Im SPD-Gesetzentwurf ist zu lesen, dass die Verdachtsschwelle auf konkrete Tatsachen hochgehoben werden muss. Das ist ein grundlegend falscher Ansatz, denn die Verdachts- und die Eingriffsschwelle müssen, um wirksam zu sein, niedrig, ab besten sehr niedrig angesetzt werden. Ich habe das in diesem Hohen Hause zu anderen Themenbereichen mehrfach vorgetragen.
Eine Forderung im Gesetzentwurf der SPD schlägt dem Fass den Boden aus. Im Falle der Rasterfahndung hat demnach eine unverzügliche Benachrichtigung von Betroffenen zu erfolgen. Dann können wir das Ganze gleich einstellen, denn dann, lieber Kollege Schindler, sind alle Anschlussmaßnahmen im Ansatz zunichte gemacht und völlig unwirksam.
Ich freue mich mit Ihnen auf eine sicherlich interessante Debatte in den Ausschüssen. – Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CSU – Franz Schindler SPD: Was Sie kritisieren, steht in Nordrhein-Westfalen im Gesetz!)
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Herr Peterke, Sie haben unser Grundgesetz aufgegeben, wir nicht. Wir halten uns daran.
Ich möchte noch einmal das wiederholen, was ich bereits in der letzten Plenarsitzung gesagt habe, als es um die Zweite Lesung des Schleierfahndungsgesetzes ging. Sie haben in sechs Urteilen in Folge für Ihre Sicherheitspolitik
Ihre persönliche Betroffenheit lasse ich Ihnen gerne. Aber wir sind in der Politik. Da hat persönliche Betroffenheit nur am Rande etwas zu suchen. Grundsätzlich haben Sie nach Recht und Gesetz zu handeln.
Sie bringen immer gerne das Totschlagargument des Täterschutzes. Ich sage: – auch das war schon mehrfach in den Ausführungen von Verfassungsgerichten zu hören: Wir müssen die Balance halten zwischen den notwendigen Polizeimaßnahmen und dem, was wir unseren Bürgerinnen und Bürgern und den Freiheitsrechten schulden.
Diese Balance zu fi nden, ist nicht immer einfach, aber ich bin überzeugt davon, dass sie mit unserem Gesetzentwurf gewahrt bleibt.
Sie tun so, als stünden uns überhaupt keine Instrumente mehr zur Verfügung. Sie tun so, als würde die Rasterfahndung komplett abgeschafft. Das ist aber nicht so. Vielmehr gibt es lediglich kleinere Beschränkungen. Ich halte die Beschränkungen nicht für so massiv.
Sie müssen einfach zusehen, dass Sie die richtigen Instrumente zur richtigen Zeit gegen den richtigen Adressaten und Adressatinnen einsetzen. Genau das vermisse ich. Ich sehe hier nur, dass man im Vorfeld, wenn es noch keine Straftat gibt, gerne zu Instrumenten greift, die einen sehr großen unbescholtenen Personenkreis betreffen. Das muss man hier festhalten.
Mein Kollege Schindler hat sehr deutlich ausgeführt, dass Instrumente nur dann sinnvoll sind, wenn sie auch zum Erfolg führen. So wie Sie sie bisher eingesetzt haben, sind sie leider sehr erfolglos geblieben. Das rechtfertigt den Einsatz solcher Instrumente in diesem Umfang eben nicht mehr.
Im Übrigen haben Sie nur teilweise Recht, Herr Schindler, denn auch in Bayern hat es Beschwerden über die Rasterfahndung gegeben. Aber sie gingen nicht bis zum Verfassungsgericht – das ist eben der Punkt –, weil sich viele Bürgerinnen und Bürger bereits sehr eingeschüchtert fühlen.
Aber an uns wenden sich diese Menschen. Ich sage Ihnen: Alle, die sich bisher beschwert haben, hatten nichts aber auch gar nichts auf dem Kerbholz. Für diese Leute setze ich mich sehr wohl ein, und das ist auch unser Job auf dieser Seite des Plenarsaales. Wenn Sie das nicht tun, ist das Ihre Sache.
Jedenfalls hat es Beschwerden gegeben. Bei uns im Ausschuss wurde auch eine Petition einer Person aus Fürth behandelt. Man kann auch sehr lange Ausführungen dazu machen, warum gerade diese Person wieder in die Rasterfahndung geraten ist. Ich erspare mir das; ich habe auch nicht mehr die Zeit dafür. Wir werden in den Ausschüssen und bei der Zweiten Lesung noch sehr viel Gelegenheit haben, unsere sehr unterschiedlichen Positionen hierzu vorzutragen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Peterke, ich bedauere, dass Sie in die alte Schlachtordnung zurückfallen
und jenen, die sich jetzt bemühen, eine Regelung vorzulegen, die den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genügt, unterstellen, dass sie die Rasterfahndung eigentlich abschaffen wollen. Ich lege ausdrücklich Wert darauf: Rasterfahndung ist ein Instrument, das unter ganz anderen politischen Konstellationen eingeführt worden ist, als wir sie jetzt haben und zuzeiten Helmut Kohls hatten. Sie ist ein moderates, probates Mittel dann, wenn sie so eingesetzt wird, wie es das Bundesverfassungsgericht sagt.
Eine weitere Bemerkung. Weder der Gesetzentwurf der GRÜNEN noch der Gesetzentwurf der SPD will die Rasterfahndung aus dem Bayerischen PAG streichen – im Gegenteil: Wir wollen, dass Artikel 44 im Bayerischen PAG bleibt. Wir wollen diesen Artikel 44 so verbessern, wie es uns das Bundesverfassungsgericht aufgibt – nicht aus Jux und Tollerei, sondern, wie ich meine, aus wohl erwogenen Überlegungen. Ich bitte Sie nochmals, dies zur Kenntnis zu nehmen und nicht so zu tun, als seien auf dieser Seite des Hauses Leute, die die Polizei daran hindern möchten, ihre Arbeit zu tun – im Gegenteil: Wir wollen, dass die Polizei dieses Mittel weiterhin hat und dass sie es so anwendet, wie dies in einem Rechtsstaat zulässig ist.