Des Weiteren, Frau Bause, wollte ich Ihnen sagen: Sie haben vorhin so leise-unterschwellig gesagt, dem Ministerpräsidenten fehle so ein bisschen die Sachkunde. Bei den 43 %, die angeblich keine Kinder haben, fehlt Ihnen anscheinend ein Stück weit die Sachkunde. Denn Sie gelten ab dem Zeitpunkt als kinderlos, in dem ihre Kinder nicht mehr auf der Steuerkarte stehen. Da kann jemand vier Kinder großgezogen haben. Wenn die Kinder groß sind, gilt er als kinderlos. Also ist die Statistik, die Sie verwenden, schlicht und einfach falsch. Auch das ist nicht sachdienlich.
Kommen wir zur Sachdienlichkeit. Lieber Herr Dürr, Ihre Zwischenrufe sind auch den Ältestenrat wert, um auf Ihre Kollegin zu antworten.
Wenn Frau Bause sagt, dass es ein Gesetz gibt, mit dem Männer sich das Kloputzen, Abspülen und Bügeln drücken können, frage ich mich, ob das in den Bayerischen Landtag gehört.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag, Drucksache 15/5709, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – Die Fraktionen der CSU und der SPD. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die anderen Dringlichkeitsanträge, die noch zur Tagesordnung vorliegen, werden jetzt nicht mehr behandelt. Sie werden in die entsprechenden Ausschüsse verwiesen. Es sind die Drucksachen 15/5710, 5711, 5712, 5713, 5714 und 15/ 5719.
Ich komme zurück zu Punkt 4 der Tagesordnung. Offen sind noch die Listennummern 1 und 18, zu denen vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Einzelberatung beantragt wurde. Zunächst rufe ich die Listennummer 1 auf:
Schreiben des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 18. April betreffend Richtervorlage zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Artikels 1 Absatz 1 Nummer 5 des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes.
Es wurden fünf Minuten pro Fraktion für die Aussprache vereinbart. Ich darf als Erster Frau Kollegin Ackermann das Wort erteilen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Landeserziehungsgeld wird aus unserer Sicht ohnehin nicht richtig angewandt. Wir haben bei den Haushaltsberatungen immer wieder gefordert, die Mittel in den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen umzuschichten. Denn da gibt es einen Riesenmangel. Es nutzt den jungen Familien nichts, eine zeitlang Geld zu bekommen, wenn sie dann nicht wissen, wohin mit den Kindern, weil es keine Einrichtungen gibt. Das ist aber nicht das Thema.
Diese Einführungen waren zu Beginn notwendig, um Ihnen klarzumachen, dass dieses Landeserziehungsgeld in mehrfacher Hinsicht umstritten ist. Jetzt steht es darüber hinaus auch noch im Verdacht, nicht verfassungskonform zu sein.
Anspruch auf Landeserziehungsgeld hat, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäische Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum besitzt oder wer aufgrund völkerrechtlicher oder gemeinschaftsrechtlicher Abkommen mit Drittstaaten den EU EWR-Bürgern insoweit gleichgestellt ist.
Der Umkehrschluss lautet, dass diejenigen Menschen, die nicht diesen Staaten angehören, keinen Anspruch auf Landeserziehungsgeld haben. Und da gibt es auch einen ganz konkreten Fall, der dieser Klage zugrunde liegt. Es handelt sich um eine polnische Staatsangehörige, die den Antrag gestellt hatte, als Polen noch nicht zur EU gehörte. Dieser Antrag wurde damals mit der Begründung abgewiesen, die Frau erfülle nicht die notwendigen staatsangehörigkeitsrechtlichen Voraussetzungen. Diese Ablehnung war für das Gericht Anlass zu der Feststellung, dass damit die Gewährung des Landeserziehungsgeldes ausschließlich von der Staatsangehörigkeit abhängig gemacht wird. Das Gericht sah darin – übrigens nicht nur das Gericht, sondern auch wir – einen glatten Verstoß gegen Artikel 118 der Bayerischen Verfassung, der den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz regelt, ebenso wie gegen Artikel 124 der Bayerischen Verfassung, der den Schutz von Ehe und Familie regelt.
Und da sind wir wieder bei dem Thema, das Ihnen so wichtig ist. Aber Ehe und Familie gibt es eben nicht nur bei Deutschen, sie gibt es tatsächlich auch bei Menschen, die
Es bestand keine Möglichkeit, diesen Leistungsausschluss zu überwinden. Damit wurden diese Ausländer schlechter gestellt als Deutsche oder Ausländer mit einer gesetzlich privilegierten Staatsangehörigkeit. Diese Unterscheidung ist wegen fehlender sachlicher Differenzierungsgrundlage nicht verfassungsgemäß.
Dem Hauptziel des Erziehungsgeldes, Eltern die eigene Betreuung ihrer Kinder durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen, dient die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit nicht.
Eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit steht auch im Widerspruch zu den weitern Zielen des Erziehungsgeldes. Diese Ziele, Erleichterung einer Entscheidung für das Kind – das wollen Sie doch immer –
und gegen Abtreibung, Anerkennung der Erziehungsleistung, sind bei Ausländern aus nicht privilegierten Ländern nicht weniger zu erfüllen als bei Deutschen oder privilegierten Ausländern.
Wir haben mit diesem Laneserziehungsgeldgesetz also ein Gesetz, das nicht verfassungskonform ist. Das ist zumindest unsere Meinung und das ist auch die Meinung des Bayerischen Sozialgerichtes.
Wir wissen auch, dass Integration von beiden Seiten zu leisten ist. Wenn die Integrationsleistung des Landeserziehungsgeldgesetzes darin besteht, dass es ausländische Familien und Kinder benachteiligt, dann ist die Integration hier komplett fehlgeschlagen. Der bayerische Staat trägt in diesem Fall nichts zur Integration bei, sondern im Gegenteil behindert er sie nur.
Wir lehnen deshalb den Beschlussvorschlag des Ausschusses ab und schließen uns der Vorlage des Sozialgerichtes an.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Tatsächlich handelt es sich um einen Vorlagebeschluss des Sozialgerichtes München. Das ist
nicht das Bayerische Sozialgericht, sondern es ist ein Sozialgericht am Standort München. Der Richter von Schenkendorf war der Meinung, dass er aus der Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht am 6. Juli 2004 in vier Verfahren eine verfassungsrechtliche Problematik gesehen hat bei der Gewährung von Kindergeld und bei der Gewährung von Bundeserziehungsgeld, folgern kann, dass auch Artikel 1 Absatz 1 Nummer 5 des Landeserziehungsgeldgesetzes insoweit verfassungswidrig sein könnte, als er die Gewährung von Landeserziehungsgeld als kumulative Voraussetzung davon abhängig macht, dass bestimmte Staatsangehörigkeiten vorliegen.
Und in der Tat ist sie nicht nur aus der Sicht eines Sozialpolitikers zu sehen, sondern sie verlangt auch juristische Grundkenntnisse, Herr Kollege Wahnschaffe.
(Joachim Wahnschaffe (SPD): Nett, dass Sie mir das so sagen! – Dr. Thomas Beyer (SPD): Das ist wohl der heutige Stil im Hohen Hause!)
Ich sage Ihnen immer gern etwas; Sie lernen schließlich auch gern dazu, wie ich weiß. Der Hintergrund ist, dass das Bundeserziehungsgeld und das Bundeskindergeld Pfl ichtleistungen des Staates der Bundesrepublik Deutschland sind, die einer verfassungsgerichtlichen Klärung unterzogen waren und bei denen ganz klar feststeht, dass sie geleistet werden müssen. Dagegen ist das Landeserziehungsgeld eine freiwillige Leistung des Freistaates Bayern, die nicht im Sinne eines Rechtsanspruchs durchgesetzt werden kann.
Aus diesem Grunde ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2004 nicht unmittelbar übertragbar, weil sich die Frage stellt, ob im Hinblick auf eine freiwillige Leistung der Landesgesetzgeber einen weiteren Ermessensspielraum bei der Defi nition der Voraussetzungen hat, als der Bundesgesetzgeber ihn hatte.
Im Übrigen war die Regelung in Artikel 1 Absatz 1 Nummer 5 Landeserziehungsgeldgesetz bereits des Öfteren Gegenstand gerichtlicher Überprüfung und ist bis einschließlich 2003 in allen Gerichtsverfahren bestätigt worden. Insofern ist es sicherlich gar nicht schlecht, wenn sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof noch einmal mit seiner eigenen Rechtsprechung – zum Beispiel veröffentlicht in XXII Seite 57 ff, speziell Seite 61 – noch einmal damit auseinandersetzen kann, ob er im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2004 bei seiner bisherigen Meinung bleibt. Insofern kann das dann endgültig geklärt werden.
Zu Ihrem ersten Wortbeitrag möchte ich aber schon noch sagen, dass es nicht darum geht, was man politisch hätte entscheiden können. Es geht vielmehr um eine Verfassungsstreitigkeit und darum, ob Artikel 1 Absatz 1
Nummer 5 verfassungsgemäß ist. Dass man hätte anders entscheiden können, liegt in der Natur der Sache.
Darum ist das Gesetz so, wie es ist. Aber darum geht es heute auch nicht. Und deswegen empfehle ich, dem Beschlussvorschlag des Ausschusses zu folgen.
Wir werden mit Interesse abwarten, ob das Verfassungsgericht dann Ihre Meinung teilt, die sie beim Herrn von Schenkendorf abgeschrieben haben, oder unsere Meinung, die wir an dem orientieren, was das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung dazu gesagt hat. Das ist eine anspruchsvolle juristische Frage, und für die, die sich damit beschäftigen, ist es auch eine spannende Frage.