Protocol of the Session on March 30, 2006

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das Petitionsrecht räumt allen Bewohnerinnen und Bewohnern Bayerns das Recht ein, sich mit Eingaben und Beschwerden an den Landtag zu wenden, wenn sie sich durch öffentliche Stellen ungerecht behandelt fühlen. So steht es in etwa in unserer Bayerischen Verfassung. Wie wir im Landtag mit den Petitionen umgehen, bestimmt die Geschäftsordnung, so nüchtern könnte man es sehen. Wie wir im Bayerischen Landtag, im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden, mit den Anliegen, die an uns herangetragen werden, umgehen, bestimmen wir Abgeordnete. Nehmen wir die Bitten der Petenten ernst? Machen wir uns eingehend Gedanken, ob und wie wir den Anliegen Rechnung tragen wollen oder können? Betrachten wir das Ganze nicht nur als einen zu vollziehenden Verwaltungsakt oder als eine lästige Pfl ichtübung, damit der Bayerischen Verfassung Genüge getan wird? Das liegt an uns allen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Besondere Verantwortung kommt dabei neben den einzelnen Abgeordneten des Ausschusses für Eingaben und Beschwerden dem Ausschussvorsitzenden zu. Als langjähriges Mitglied dieses Ausschusses kann ich sagen, dass es schon einen Unterschied macht, ob der Vorsitzende der Regierungsfraktion oder einer Oppositionsfraktion angehört. Herr Kollege Werner, das sehe ich anders als Sie. Niemand wird gerne kritisiert. Wenn derjenige, der kritisiert wird und derjenige, der dem Ausschuss vorsitzt, derselben Partei angehört, halte ich das nach der bisherigen Erfahrung grundsätzlich für problematisch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meines Erachtens wird hier zuviel hinter den Kulissen geregelt. Das sieht man auch daran, dass die Zahl der positiv erledigten Fälle zugenommen hat, die Zahl der Fälle, die der Staatsregierung zur Berücksichtigung überwiesen wurden, jedoch zurückgegangen ist. Nicht nur der Vorsitzende, auch die anderen Abgeordneten der Regierungsfraktion müssen immer wieder in sich gehen und sich fragen, ob sie den Petitionsausschuss als unabhängiges Organ des Parlaments, das die Regierung kontrolliert, oder als verlängerten Arm der Staatsregierung begreifen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

„Da kann man nichts machen.“ Das ist meistens der Ausspruch der CSU. Das sollte nicht immer das schlagende Argument sein. Oft kann man, wenn man will, sehr wohl etwas machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Fraktion der GRÜNEN hat der Petitionsausschuss einen sehr hohen Stellenwert; denn hier ist der parlamentarische Ort, wo Bürgernähe nicht nur propagiert wird, sondern auch praktiziert werden kann. Der Ausschuss kann in direktem Kontakt mit den Menschen vor Ort gegen Missstände und Ungerechtigkeiten angehen, durch Anhörung der Betroffenen, durch Ortstermine oder dadurch, dass alle Beteiligten an einen Tisch gebracht werden.

Zudem stellen Eingaben für uns eine Art Seismograf dar. An den eingehenden Petitionen können wir erkennen, wie sich die von uns beschlossenen Gesetze auswirken, und zwar ganz unten. Gesetze haben manchmal Folgen, die von uns als dem Gesetzgeber nicht bedacht werden und wurden. Sie führen zu Härten, die nicht gewollt sind. Der Ausschuss hätte die Möglichkeit, ungerechte und ungerechtfertigte Folgen von Verwaltungsakten und politischen Entscheidungen zu korrigieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Frage lautet: Schöpft er dabei seinen Spielraum aus? Ich muss sagen: Bei weitem nicht, zumindest nicht immer. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Petent nicht gleich Petent ist. Wenn ich an die kürzlich im Ausschuss behandelte Eingabe eines CSU-Abgeordneten für einen einschlägig vorbestraften und in 80 Fällen wiederholt straffällig gewordenen Bauunternehmer aus Nieder

bayern denke oder an die – um es milde auszudrücken – sehr großzügige Auslegung der baurechtlichen Bestimmungen durch einen Landrat aus der Oberpfalz, der ebenfalls der bayerischen Regierungspartei angehört, scheint in manchen Fällen doch mehr möglich zu sein als in anderen.

(Alexander König (CSU): Das ist Quatsch! Sie wissen auch, dass das Quatsch ist!)

Da wird berücksichtigt oder positiv erledigt, dass einem nur so die Augen überquellen. Bei ausländerrechtlichen Petitionen haben wir als GRÜNE immer wieder unsere großen Probleme in diesem Ausschuss. Hier tendiert der Anteil der Petitionen, die im Sinne der Petenten entschieden werden, weiterhin gegen Null. Die CSU-Mehrheit entschied in diesen Fällen in der Regel nach dem Motto: Nur keinen Präzedenzfall schaffen. Im Zweifel Augen und Ohren zu und die Hand heben für die Abschiebung ins chinesische Arbeitslager.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Zweifel ab nach Äthiopien, auch wenn der jungen Frau dort die Beschneidung droht. Die Folgen, die unsere Entscheidungen für die Betroffenen haben, müssen wir uns immer wieder vor Augen führen. Humanitäre Gründe müssen stärker gewichtet werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vor einer Woche erreichte uns ein Schreiben des Katholischen Büros Bayern. Die katholischen Bischöfe Bayerns haben sich für eine Härtefallkommission ausgesprochen und sich erneut – sie schreiben „erneut“ – an das Innenministerium mit einer Sachstandsfrage gewandt. Man ließ uns wissen, dass man sogar dem Ministerium angeboten habe, bei der Erarbeitung der Grundlagen für die Arbeit einer Härtefallkommission behilfl ich zu sein. Meine Damen und Herren, nehmen Sie doch bitte schön diese Hilfe an.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Kirchen haben sich auch untereinander über dieses Thema ausgetauscht. Ich möchte Sie an dieser Stelle nochmals herzlichst bitten, bei diesem Thema tätig zu werden. Das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat hier seine Hausaufgaben gemacht. Wir haben Ihnen vor eineinhalb Jahren unseren Gesetzentwurf vorgelegt. Sie haben nichts getan. Wir haben permanent von Ihnen verlangt, sich mit diesem Gesetzentwurf und mit der Bildung einer Härtefallkommission auseinander zu setzen.

Sie wollten nicht, Sie haben es bis heute nicht getan.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun, nachdem wir alle Vorarbeiten erledigt haben, alle Kontakte mit Kirchen, Verbänden, Initiativen und Menschenrechtsorganisationen stehen und wir von allen die Zustimmung haben – ich kann es Ihnen geben, wir halten es in unseren Händen –, fordern wir Sie noch einmal auf: Werden Sie tätig, bewegen Sie sich, tun Sie etwas und

machen Sie sich nicht unglaubwürdig. Der Name Ihrer Partei ist CSU und das heißt christlich sozial.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nutzen wir in der zweiten Hälfte dieser Legislaturperiode unseren ohnehin nicht großen Spielraum besser aus, als wir das bisher getan haben. Die Menschen, die sich an den Landtag wenden, haben Hoffnungen. Nicht jedes Anliegen ist berechtigt, aber lassen wir den Petitionsausschuss mehr sein als ein Organ, das lediglich feststellt, dass die Staatsregierung und die Verwaltung alles richtig machen. Zum ritualisierten Beweihräuchern der Herrschenden ist der Petitionsausschuss der falsche Ort.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das hatten die Väter und Mütter der Verfassung sicher nicht im Sinn gehabt, als sie seinerzeit das Petitionsrecht begründeten.

Zum Gesetzentwurf der CSU zur Änderung des Bayerischen Petitionsgesetzes möchte ich noch Folgendes sagen: Wir von den GRÜNEN haben zu diesem Punkt noch einen Klärungsbedarf hinsichtlich einer technisch sauberen Formulierung Ihres Gesetzentwurfs. Ich schlage vor, wir sollten uns darüber im Ausschuss unterhalten, da der Knackpunkt darin besteht, dass die elektronische Form ein Rechtsbegriff ist. Dieser Rechtsbegriff bedeutet immer, dass eine qualifi zierte elektronische Signatur dabei sein muss. Genau das wollen wir – wir sind alle miteinander darin d´accord – abschaffen. Deshalb müssen wir das sauber formulieren. Daher sagen wir: Wir haben im Grunde jetzt die Verpfl ichtung, uns darüber in nächster Zeit zu unterhalten. Wir wollen eine bürgerfreundliche Regelung schaffen und wollen uns im Ausschuss über dieses Thema unterhalten.

Ich möchte mich auch bei den Mitarbeitern des Landtagsamtes, vor allen Dingen bei Herrn Miller und Herrn Klotz bedanken, die sich für einen reibungslosen Ablauf zur Verfügung gestellt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Ich möchte die Aussprache mit der Anmerkung schließen, dass ich auch vonseiten des Präsidiums und damit auch in Ihrem Namen dem für Petitionen zuständigen Referat, an der Spitze Herrn Ministerialrat Miller und Herrn Regierungsdirektor Klotz, für seine Arbeit sehr danke.

(Beifall)

Geben Sie mein Lob bitte an Ihr Referat weiter. Ich bin der Meinung, dass es der Wichtigkeit Ihres Referats nicht angemessen ist, wenn Sie oben auf der Besuchertribüne sitzen. Das nächste Mal sollten Sie im Plenum bei den Referenten sitzen. – Das ist das Erste.

Das Zweite: Ich möchte allen Kolleginnen und Kollegen im Petitionsausschuss recht herzlich danken. Ich weiß, dass es oft eine Frage des Sozialprestiges ist, ob man im Petitionsausschuss ist oder nicht. Ich kann nur sagen: Die Aufgabe, die Sie dort wahrnehmen, ist ungeheuer wichtig. Es ist die einzige Möglichkeit für den einzelnen Bürger oder die einzelne Bürgerin, mit dem Parlament in Verbindung zu treten. Sie sind sozusagen für den Bürger und die Bürgerin das Tor zum Parlament. Die Arbeit, die Sie dort leisten, wird manchmal unterschätzt. Ich sage Ihnen aber: Sie tun dort mehr für das Ansehen des Parlaments als das bei mancher Debatte der Fall ist, die wir hier führen. In diesem Sinne möchte ich Ihnen für Ihre Arbeit recht herzlich danken.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 und 4 auf:

Antrag der Staatsregierung Entlastung der Staatsregierung aufgrund der Haushaltsrechnung des Freistaates Bayern für das Haushaltsjahr 2003 (Drs. 15/1938)

Antrag des Bayerischen Obersten Rechnungshofes auf Entlastung aufgrund des Beitrags zur Haushaltsrechnung 2003 für den Einzelplan 11 (Drs. 15/2327)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von fünfzehn Minuten pro Fraktion vereinbart. Als Erster hat sich Herr Kollege Kiesel zu Wort gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben den Antrag der Staatsregierung „Entlastung der Staatsregierung aufgrund der Haushaltsrechnung des Freistaates Bayern für das Haushaltsjahr 2003“ sowie die Entlastung des Obersten Rechnungshofs für das Haushaltsjahr 2003 für den Einzelplan 11 zu behandeln. Der Bericht des Rechnungshofs von 2005 für das Haushaltsjahr 2003 wurde im federführenden Haushaltsausschuss in fünf Sitzungen intensiv beraten. Dabei wurden die meisten Punkte, die der Oberste Rechnungshof aufgeworfen hatte, vom Haushaltsausschuss aufgegriffen und der Staatsregierung umfangreiche Berichtspfl ichten aufgegeben.

Ich möchte mich eingangs auch bei den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen für die umfassende Diskussion im Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen herzlich bedanken. Ich möchte mich auch beim Obersten Rechnungshof, beim Präsidium und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, für das umfangreiche Material, das wir erhalten haben und das für uns Grundlage ist, die Arbeit der Staatsregierung zur kontrollieren, zu beobachten und auf Missstände einzugehen bzw. Verbesserungsvorschläge zu machen, ganz herzlich bedanken. Recht herzlichen Dank dem Präsidium und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Bedanken möchte ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Finanzministeriums und der Staatsverwaltung für ihre Arbeit, denn ohne motivierte Mitarbeiterinnen und Mitar

beiter haben wir keine Chance, eine Verwaltung aufrecht zu erhalten, die den Vergleich zwischen Kosten und Nutzen zieht. Ich glaube – ich möchte darauf eingehen –, das ist ein Punkt, den wir künftig mehr beachten müssen, denn eine Verwaltung soll schlank sein und insofern soll auch die Dokumentation schlank sein, aber das Ganze muss nachvollziehbar, händelbar und vor allen Dingen bezahlbar bleiben.

Der Oberste Rechnungshof stellt fest: Die in der Haushaltsrechnung 2003 aufgeführten Beträge stimmen mit den in den Büchern nachgewiesenen Beträgen überein. Bei den geprüften Einnahmen und Ausgaben sind keine Beträge festgestellt worden, die nicht belegt waren. Unbeschadet der im Übrigen dargestellten Prüfungsergebnisse kann festgestellt werden, dass die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Freistaates Bayern insgesamt geordnet war.

Ich glaube, das ist das Zertifi kat, auf dessen Grundlage man sagen kann: Grundsätzlich ist alles okay. Man muss aber auch berücksichtigen, dass in den letzten Jahren bzw. zurückliegenden Jahren – wir sprechen vom Jahr 2003 und vom Prüfungsbericht des Rechnungshofs 2005 – das Haushalten aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen der damaligen Bundesregierung und der damit verbundenen Steuereinbrüche nicht einfach war. In diesen Jahren haben rund zehn Milliarden an Steuereinnahmen gefehlt. Wir hatten im Jahre 2003 einen Finanzierungssaldo von 2,7 Milliarden zu verkraften. Deswegen war es meines Erachtens sehr richtig und wichtig, dass die Staatsregierung und auch die CSU-Fraktion bereits vor Jahren beschlossen haben, ab dem Jahre 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, denn nur mit Sparen, Reformieren und Investieren haben wir die Chance, einen Handlungsspielraum zu erhalten und den Bürgerinnen und Bürgern in Bayern einen Rahmen vorzugeben.

(Susann Biedefeld (SPD): Bayern kaputt sparen!)

Der Oberste Rechnungshof stellt auch fest, dass das Land Bayern im Vergleich zu den anderen Bundesländern gute Zahlen vorweist. Die Investitionsquote lag im Jahre 2003 noch bei 14,7 %, die Zinsausgabenquote lag bei 3 % und die eingeleiteten Maßnahmen zur Verwaltungsreform und zum Bürokratieabbau waren meines Erachtens wichtig, sonst hätten wir den Zustand nicht halten können.

Noch ganz kurz ein paar Zahlen: Die Steuereinnahmen lagen im Jahre 2003 um 269,3 Millionen Euro unter dem Vorjahresaufkommen und um 1,2348 Milliarden unter der Haushaltsplanung. Die bereinigten Ausgaben des Jahres 2003 stiegen gegenüber dem Vorjahr um 1 %. Dies entspricht der Empfehlung des Finanzplanungsrates. Ohne die Schäden des Augusthochwassers 2002, insbesondere die Zahlungen in den Fonds Aufbauhilfe in Höhe von 435,7 Millionen, wären die Ausgaben um 0,3 % zurückgegangen. Ich wollte dies erwähnen, weil das Jahr 2003 sowie das Pfi ngsthochwasser 2002 schon einige Zeit zurückliegen und feststellen, dass die Folgen daraus natürlich fi nanziert werden mussten.

Der Oberste Rechnungshof ist nicht nur ein Kontrollorgan, sondern er liefert auch wertvolle Informationen, die dringend notwendig sind, um den Staatsaufbau kostengünstig zu gestalten. Er zeigt Handlungsbedarf und Verbesserungsmöglichkeiten auf. Der Oberste Rechnungshof legt zu Recht die Finger in so manche Wunde. Der Bericht macht aber auch deutlich, dass auf vielen Gebieten Handlungsbedarf besteht. Die Wirtschaftlichkeit und der Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnik sind zu verbessern. Veränderungen in der Organisation und in den Verwaltungsabläufen bieten enorme Einsparpotentiale. Das sind Feststellungen, die man ernst nehmen muss, die die Staatsregierung aber auch ernst nimmt und an denen sie arbeitet. Die Aufgaben müssen bezahlbar bleiben, und das bedeutet natürlich, dass man hinterfragen muss, ob alle Aufgaben, die vielleicht 1990, 1970 oder auch 1995 gerechtfertigt waren, auch heute noch gerechtfertigt sind.