Protocol of the Session on February 1, 2006

Lassen Sie mich ein Letztes sagen, auch an die Bauern gerichtet, wenn es um die Frage geht: Positionieren wir uns freiwillig klar gegen gentechnisch veränderte Pfl anzen? Wir haben mit dem Umweltausschuss eine gemeinsame Fahrt zu Eierproduzenten gemacht und haben uns die Produktion angesehen. Einen Bioproduzenten haben wir gefragt, an wen er liefert. Der Hersteller und Lieferant der Eier sagte uns, er liefere an McDonald´s. Wir fragten ihn weiter, welche Qualitätsstandards es gebe. Er sagte uns: McDonald´s verlangt von uns, dass wir nur Eier von Hühnern liefern, die Futter bekommen haben, das nicht von gentechnisch veränderten Pfl anzen stammt. Meine sehr verehrten Damen und Herren und liebe Bauernvertreter, es darf doch nicht sein, dass Sie heute zum Demonstrieren zu Aldi gehen, während Aldi in Wirklichkeit bessere Maßstäbe anlegt, als Sie bereit sind, an sich selbst anzusetzen.

Herr Kollege, würden Sie bitte auf die Uhr schauen.

In diesem Fall schaue ich auf die Uhr und komme zum Ende. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe Ihnen schon etwas mehr Zeit eingeräumt, Herr Kollege Müller.

Um das Wort hat Herr Staats minister Miller gebeten. Bitte schön, Herr Staats minister.

Staats minister Josef Miller (Landwirtschaftsministe- rium): Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Thematik, über die wir diskutieren, wird in erster Linie in Europa geregelt. Die Europäische Kommission hat in ihrer Richtlinie 2001/18/EG festgelegt, dass in allen Mitgliedstaaten die Landwirtschaft mit und ohne Einsatz von Gentechnik nebeneinander möglich sein soll.

(Zuruf der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

- Die Schweiz ist bekanntlich nicht in der Europäischen Union. Frau Paulig, das sollten Sie schon wissen.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Das habe doch gerade gesagt!)

Aufgrund des gültigen EU-Rechts wird nicht mehr über das ob, sondern über das wie des Anbaus gentechnisch veränderter Pfl anzen geredet.

Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass nicht nur auf dem amerikanischen Kontinent, sondern auch in europäischen Staaten, zum Beispiel in Spanien, in Frankreich, in Portugal oder in Tschechien, gentechnisch veränderte Pfl anzen angebaut werden.

(Ruth Paulig (GRÜNE): In fünf Staaten!)

Die weltweite Anbaufl äche beträgt 90 Millionen. Im letzten Jahr lag die Steigerung bei 9 Millionen - das entspricht einer Zuwachsrate von über 10 %. Die Haltung der Staatsregierung zur grünen Gentechnik orientiert sich mit höchster Priorität an der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt. Die Anliegen und Sorgen der Verbraucher nehmen wir sehr ernst. Auch deshalb halte ich einen Versuchsanbau auf staatlichen Flächen weiterhin für erforderlich.

Nach meinem Eindruck wird derzeit eine öffentliche Diskussion geführt, die vielfach auch von gezielter Panikmache und wenig sachlicher Aufklärung geprägt ist. Die Bayerische Staatsregierung möchte mit ihrem Versuchsanbau zu dieser Aufklärung beitragen.

Frau Paulig, wenn dem so ist, was Sie hier erklären, dann müssen Sie zu folgendem Sachverhalt Stellung nehmen.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Gerne!)

Es war Frau Bundesministerin Künast von den GRÜNEN, die jetzt Fraktionsvorsitzende ist, die mit der Zulassung gentechnisch veränderter Maissorten den Anbau in der Praxis ermöglicht hat, nicht das Land Bayern. Es war auch Bundesministerin Künast, die gerne den Eindruck erwecken wollte, als sei sie gegen Gentechnik. Als es um die Zulassung ging, hat sie sich in Brüssel meist der Stimme enthalten; sie hat nicht dagegen gestimmt.

(Zuruf der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Sie hätte mit ihrer Gegenstimme erreichen können, dass die EU nicht in eigener Zuständigkeit hätte entscheiden können. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist eine Doppelzüngigkeit in der Diskussion, wie man sie selten fi ndet.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Zuruf der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Es war doch die rot-grüne Bundesregierung, die 2004 ein Gentechnikgesetz durchgedrückt hat, das nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, schnellstens geändert werden muss. Ohne diese Änderung zur Anpassung des geltenden EU-Rechts drohen Deutschland bereits ab 19. Februar Strafzahlungen in Höhe von rund 800 000 Euro pro Tag. Frau Paulig, nehmen Sie zur Kenntnis: Es war die alte Bundesregierung, der die GRÜNEN angehört haben, die den Erprobungsanbau in Bayern fi nanziell gefördert hat. Frau Bundesministerin Bulmahn hat 13 000 Euro aus dem Haushalt ihres Ministeriums dazu beigesteuert.

(Zuruf der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Das ist die Wahrheit. Was Sie hier machen, ist Doppelzüngigkeit hoch drei.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Es war Bundesministerin Künast, die noch im letzten Jahr angekündigt hat, dass sie mit Bundeseinrichtungen genau jene Koexistenzversuche, die wir machen, durchführen will. Mehr braucht man dazu nicht zu sagen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesländer haben gar keine Möglichkeit, den Einsatz von gentechnisch veränderten Pfl anzen zu verhindern. Auf der Grundlage des geltenden Rechts und der Zulassung von Sorten durch Bundesbehörden ist dieser Anbau legalisiert.

(Zuruf der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Jeder Landwirt kann das machen. Das ist in Ihrer Regierungszeit beschlossen worden, heute wollen Sie das aber verhindern. Sie nehmen doch die Leute nicht ernst. Sie hoffen auf das Kurzzeitgedächtnis der Menschen. Ob bayerische Landwirte gentechnisch veränderte Pfl anzen anbauen, unterliegt deshalb gar nicht der Entscheidung der Staatsregierung. Derzeit tun sie das aufgrund der öffentlichen Diskussion, der rechtlichen Unsicherheiten sowie der nicht zwingenden pfl anzenbaulichen Gründe nur in einem äußerst geringen Umfang.

Auf staatlichen Flächen haben wir in den letzten Jahren unter Versuchsbedingungen veränderten Mais angebaut, um selbst gesicherte Erkenntnisse über notwendige Grenzabstände und über die langfristigen Auswirkungen auf das Bodenleben sowie auf die Tiergesundheit zu erhalten. Ich habe über die Ergebnisse zur Koexistenz im zuständigen Ausschuss am 23. Februar letzten Jahres berichtet.

Nach den Leitlinien der Europäischen Kommission zur Koexistenz sind die Mitgliedstaaten aufgerufen, einen Erprobungsanbau durchzuführen. Die Erprobung dient der Möglichkeit der Überprüfung des Nebeneinanders von gentechnisch veränderten Pfl anzen und herkömmlichen Pfl anzen. Dabei soll keine Form der Landwirtschaft, ob nun GVO-Anbau, herkömmlicher Anbau oder ökologischer Anbau, diskriminiert werden. Der Erprobungsanbau auf staatlichen Flächen diente somit auch den Ökobetrieben. Wenn die Ökobetriebe keine gesicherten Erkenntnisse haben und die anderen Betriebe anbauen können,

(Ruth Paulig (GRÜNE): Das ist ja, die Wahrheit auf den Kopf zu stellen!)

befürchten sie, ihre Produkte nicht mehr vermarkten zu können. Auch deshalb hat der Bayerische Landtag auf Grundlage eines Dringlichkeitsantrages der SPD-Fraktion die Staatsregierung aufgefordert, mit dem auf staatlichen Versuchsfeldern im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung ausgebrachten und geernteten Bt-Mais Fütterungsversuche vorzunehmen. Herr Müller, wenn wir diesen Antrag ernst nehmen und die Versuche durchführen, dann können Sie Bayern vonseiten des Staates aus schon deshalb nicht mehr als gentechnikfreie Zone ausrufen. Sie können das ohnehin nicht, weil dies das EURecht nicht zulässt. Sie haben Österreich angesprochen. Die Österreicher versuchen das. Gegen diese Praxis hat sich der Europäische Gerichtshof Ende letzten Jahres ausgesprochen.

Ich komme zum Haftungsfonds. Seehofer möchte einen Haftungsfonds, der einen Ausgleich und Ersatz zahlen soll, wenn ein Ökobauer gentechnisch veränderte Organismen in seinen Beständen hat.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Dieser Haftungsfonds soll so lange von der Wirtschaft gespeist werden, bis eine Versicherungslösung gefunden ist.

Ich möchte noch einmal betonen, dass der Staat nach geltendem Recht keine gentechnikfreien Zonen schaffen kann. Das können nur die Bürger selbst.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Herr Miller, das weiß doch jeder!)

Lassen Sie mich abschließend sagen, dass wir die Chancen, die sich aus der Nutzung der grünen Gentechnik ergeben, nicht von vornherein ausschließen möchten. Es ist hoch interessant, wie Sie reagieren, wenn es um das Insulin geht. Das wollen Sie nicht hören. Dagegen waren Sie auch schon einmal. Heute haben Sie keine Gründe mehr, den Leuten das gentechnisch gewonnene Insulin zu verwehren, weil es kein anderes mehr gibt. Sie kommen häufi g zu spät. Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, um die notwendige Sicherheit und die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher zu gewährleisten. Die Verbraucher können entscheiden, ob sie gentechnisch veränderte Produkte kaufen oder nicht. Der Landwirt kann entscheiden, was er anbauen möchte, entweder gentechnisch veränderte Pfl anzen oder Ökoprodukte.

(Widerspruch bei den GRÜNEN)

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Situation, in der wir uns heute befi nden, von Ihrer Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, der ehemaligen Bundesministerin Künast, geschaffen wurde.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte um etwas mehr Ruhe bitten. Zwischenrufe sind im Parlament sehr willkommen. Frau Kollegin Paulig, Sie sollten sich jedoch überlegen, ob permanente Zwischenrufe zielführend sind. Der Redner muss auch noch zu hören sein.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Sonnenholzner.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Huber, Sie haben vorhin einen Vergleich mit der roten Gentechnik gebracht. Dieser Vergleich ist unzulässig, weil die Hauptgefahr bei den Freisetzungsversuchen und der grünen Gentechnik darin besteht, dass eine Kontamination durch Pollenfl ug nicht ausgeschlossen werden kann. Das ist bei In-vitroVersuchen in der roten Gentechnik völlig anders. Deshalb ist dieser Vergleich an dieser Stelle nicht hilfreich.

Der Minister hat schon darauf hingewiesen, dass derzeit im Bundestag unter massivem Zeitdruck mit CSU-Minister Seehofer der Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes beraten wird, um zu vermeiden, dass ab dem 19. Februar auf die Bundesrepublik Strafzahlungen in riesiger Höhe zukommen; denn die EU-Freisetzungsrichtlinie ist immer noch nicht komplett umgesetzt. Herr Staats minister Miller, dazu kann ich nur sagen: Dieses Gesetz hätte bereits in der vergangenen Legislaturperiode abgestimmt werden können, wenn Sie das nicht im Bundesrat verhindert hätten.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Genau!)

In diesem Fall hätten wir bereits eine Haftungsregelung nach dem Verursacherprinzip. Das muss hier noch einmal klar gesagt werden.

(Beifall der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Wir haben schon gehört, dass der Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelproduktion ein sehr sensibles Thema ist. Tatsache ist: Der überwiegende Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher in Bayern lehnt diese Technik vehement ab. Wir müssen uns nicht darüber streiten, ob es 79 oder 85 % der Bevölkerung sind. Gestern haben wir von Herrn Staats minister Dr. Schnappauf gehört, dass Verbraucherschutz über allem anderen stünde. Ich frage mich, ob dieser Satz auch für die Gentechnik gilt oder ob das nur eine leere Worthülse war.