Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir uns gerade sehr ausführlich über die Bundespolitik unterhalten haben, ist es jetzt angebracht, wieder nach Bayern zurückzukehren, und zwar ganz konkret zu den bayerischen Schulen. Seit einigen Wochen geistern vor allem im ländlichen Raum viele Schlagzeilen durch die Zeitungen, in denen von Kombiklassen – sie werden auch jahrgangsübergreifende
Unser Dringlichkeitsantrag bietet zwei Chancen. Zum einen: Als wir vor einer Woche begonnen haben, über die Petitionen zu reden war es mir wichtig, eine Entscheidungsgrundlage zu formulieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich habe gestern zum ersten Mal ausführlichere Unterlagen über Ihre Pläne erhalten. Dort steht: Insgesamt fi ndet keine Einsparung statt. Mit diesem Dringlichkeitsantrag geben wir Ihnen Gelegenheit, darzulegen, warum keine Einsparung stattfi ndet. Auf diese Zahlen freue ich mich ganz besonders.
Aus den Erfahrungen in der Vergangenheit haben sehr viele Eltern eines zum Kultusministerium verloren, und das ist Vertrauen. – Herr Präsident, mir ist es hier zu laut. Könnten Sie bitte schön einmal klingeln?
Ich möchte Ihnen ins Gedächtnis rufen, dass erst vor einigen Wochen eine oberbayerische Elterninitiative 42 000 Unterschriften abgegeben hat; diese Initiative nennt sich „Mehr Lehrer für Bayern“. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass wir sehr viele Petitionen haben, in denen beklagt wird, dass Mobile Reserven fehlen. Ich erinnere auch an die Aufl ösung von Teilhauptschulen. Für die Menschen, für die Eltern vor Ort, ist es schwierig, Ihnen zu glauben, dass es sich hier um kein Sparmodell handeln soll.
In meinem Landkreis, dem Landkreis Main-Spessart in Unterfranken, gibt es bereits Kombiklassen. Einige dieser Klassen sollen noch eingeführt werden. Sie loben jahrgangskombinierte Klassen, trotzdem machen Sie eine zu. Einerseits sagen Sie: Das ist toll und pädagogisch wertvoll. Andererseits machen Sie eine Klasse zu. Der Schulrat hat in der Zeitung erklärt, jahrgangsübergreifende Klassen seien nicht gut; deshalb sei es in Ordnung, wenn eine Schule geschlossen werde. Wie sollen Ihnen die Eltern da glauben, dass das ein gutes Modell ist? –
Ich habe in unserem Dringlichkeitsantrag ein Rahmenkonzept gefordert, weil ich mich an einen Bericht erinnert habe, in dem jahrgangskombinierte Klassen hoch gelobt wurden und den ich sehr schön fand. Daher wollte ich vom Kultusministerium eine Modellbeschreibung dieser Modellversuche. Vom Kultusministerium wurde mir gesagt, es gebe keine solche Beschreibung. Das fi nde ich etwas seltsam und unprofessionell. Vielleicht wollen Sie uns diese Beschreibung nicht geben, weil wir dann ganz genau vergleichen könnten, ob das, was Sie vorhaben, mit den Bedingungen im Modellversuch übereinstimmt.
Inzwischen – seit gestern – sind einige Unterlagen rübergewachsen. Dafür bedanke ich mich. Herr Staatssekretär, ich hoffe, dass die Beschreibung der Modellversuche noch nachgeliefert wird.
Damit sind wir beim Thema: Es hapert vor allen Dingen an der Kommunikation. Das haben wir gestern festgestellt.
Wenn Sie diese Unterlagen den Abgeordneten oder den Eltern schon früher zur Verfügung gestellt hätten, dann müsste Herr Staatsminister Schneider nicht durch ganz Bayern reisen und aufgebrachte Eltern beruhigen. Einem Minister sollte so etwas durch eine verbesserte Kommunikation erspart werden, wenn dies möglich ist.
Ich wünsche mir mehr Transparenz, damit unsere Eltern wissen, was auf sie zukommt; denn jahrgangskombinierte Klassen sind – wenn sie gut gemacht sind – ein gutes Modell, hinter dem auch die GRÜNEN stehen.
Herr Staatssekretär, ich komme jetzt zu einigen Fragen und wäre Ihnen verbunden, wenn Sie mir zuhören würden, weil ich auf diese Fragen gerne ein Antwort hätte.
Herr Staatssekretär, Sie sagen, Sie würden die Lehrer nicht einsparen, sondern die Lehrer, die Sie „gewonnen haben“, einsetzen, um ganz große Klassen wieder klein zu machen. Jetzt müssen Sie mir folgende Fragen beantworten:
Wenn Sie mir durch Zahlen zweifelsfrei belegen können, dass die Zahl der Lehrer und Lehrerinnen nicht geringer wird, werden wir diese Sache einmal beobachten. Sie müssen allerdings auch noch einrechnen, dass wir etwa 2000 Schülerinnen und Schüler mehr haben, als mir Herr Hahn gestern sagte.
Wir haben bereits beim BayKiBiG ausführlich darüber diskutiert; deshalb möchte ich mich heute nicht hineinstressen. Wichtig ist mir: Auf den Anfang kommt es an. Hier ist vor allem die Grundschule gefragt. Da wir die Kinder immer früher in die Schule schicken, indem wir den Stichtag jedes Jahr um einen Monat vorverlegen, müssen wir sehr sorgfältig darauf achten, dass unsere Kinder gute Bedingungen an den Schulen vorfi nden.
Die GRÜNEN begrüßen heterogene Lerngruppen; um nichts anderes handelt es sich bei jahrgangskombinierten Klassen. Deswegen freut es mich, dass Sie sich dafür aussprechen, weil Sie damit zum ersten Mal zugestehen, dass Vielfalt beim Lernen nützlich ist.
Jahrgangsgemischte Klassen stellen eine moderne Pädagogik dar. Starke Kinder können dabei eine Jahrgangsstufe überspringen, während sich schwache Kinder aufgrund besserer sozialer Verhältnisse wohler fühlen. Das haben die Modellversuche gezeigt. Kinder unterschiedli
chen Alters lernen voneinander. Sie regen sich wechselseitig an und können ihre Selbstständigkeit in Gruppen- oder Einzelarbeit erwerben und erproben. Die Kinder erfahren Kooperation statt Konkurrenz und achten und tolerieren sich bei aller Unterschiedlichkeit.
Jahrgangskombinierte Klassen haben noch sehr viel mehr Vorteile. Sie bieten die Chance, pädagogische Vorbilder zu schaffen, die auf alle anderen Schularten übertragen werden können. Jahrgangskombinationen sind bereits erprobt, weil sie sehr oft eingeführt werden, um Schulen zu erhalten.
Wir formulieren aber Bedingungen: Wir begrüßen jahrgangskombinierte Klassen, um die Schule vor Ort zu erhalten. Schließungen von jahrgangskombinierten Klassen – wie bei mir zu Hause – bei denen die Schülerzahlen ausreichen, begrüßen wir nicht.
Der nächste Fall sind Kombiklassen neben so genannten jahrgangsreinen Klassen. Wir haben hierzu folgende Anforderungen: Erstens. Die Eltern sind einzubeziehen. Gestern war das nicht immer der Fall. Zweitens. Lehrer haben Gelegenheit, sich zeitlich und durch Fortbildungen ausreichend vorzubereiten. Allerdings erhalten die Lehrer erst im Oktober eine Fortbildung in Dillingen – ich halte das für zu spät. Drittens. Wir wollen maximal 20 Kinder in den Kombiklassen, und die anderen Klassen, die von einer Umstrukturierung betroffen sind, sollen nicht größer als 25 sein. Sie sollten eine gute Ausstattung gewährleisten. Letzter Punkt: Man muss auch über das nächste Schuljahr hinaus denken. Ich möchte auch eine Prognose für die Folgejahre einbezogen haben. Es kann nicht sein, dass man nächstes Jahr schaut, wie es weitergeht, da dann die eine Hälfte der Jahrgangskombination übrig bleibt.
Wir haben in unserem Antrag ein Budget von 1,5 gefordert. Diese Zahl will ich auch gerne begründen. Das Budget ist erst seit dem letzten Jahr eingeführt. Vom Kultusministerium gibt es eine Statistik, die die wöchentlich erteilten Unterrichtsstunden pro Schüler ausweist. Der Wert liegt bei 1,42 für das Jahr 2003. Ich meine, diesen Zustand sollten wir wieder herstellen. Mit 1,5, also einer Erhöhung um 0,08, wird dem Umstand der früheren Einschulung Rechnung getragen.
Das Budget ist aus meiner Sicht nochmals zu überdenken. Ich habe gestern schon gesagt: Den Durchschnitt in Bayern gibt es nicht. Das Budget fesselt die Schulämter, gaukelt ihnen aber gleichzeitig Spielraum vor, den sie eigentlich nicht haben. Das Budget benachteiligt das fl ache Land. Es wird auch gesagt, dass das Kultusministerium schon eine Liste der besonders betroffenen Landkreise habe. Vielleicht können Sie diesen dadurch entgegenkommen, dass ihnen doch der eine oder andere Lehrer mehr zugewiesen wird.
Ausblick auf dieses Modell: Wenn es unter qualitativ hochwertigen Bedingungen eingeführt wird – für solche haben wir in unserem Antrag gesorgt –, dann müssen Sie es evaluieren. Sie sollten es auch auf andere Schularten
übertragen. Zum Beispiel wäre eine Jahrgangskombination gut, um Hauptschulen oder Teilhauptschulen vor Ort zu erhalten.
Ich meine auch: Wir brauchen einen Modellversuch, der über eine reine 1-2-Jahrgangskombination hinausgeht, nämlich 1 mit 4, um die Grundschulen vor Ort zu erhalten, derweil die Schülerzahlen rasant zurückgehen. Ein Beispiel: 1970 hatten wir 723 000 Schüler, 2003 513 000. Wir müssten uns jetzt gemeinsam überlegen, wie wir die demografi sche Entwicklung in den Griff bekommen.
Am wichtigsten ist aber Pädagogik. Für gute Pädagogik brauchen wir gute Rahmenbedingungen. Unser Antrag gibt der Sorge Ausdruck, dass die Rahmenbedingungen nicht eingehalten werden; er gibt aber auch Ihnen die Chance, uns öffentlich davon zu überzeugen, dass Sie diese Rahmenbedingungen einhalten werden. Wir haben sie formuliert, und wir bitten Sie um Zustimmung.
Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Pachner. – Zur Orientierung: Die GRÜNEN haben eine Restredezeit von einer Minute.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Weil beide Anträge zusammengefasst sind – der Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN und der Dringlichkeitsantrag der SPD – möchte ich vorab einiges bemerken.
Auch wir haben das Ziel, die Grundschule vor Ort zu erhalten. Das ist erklärtes Ziel – das haben wir auch immer gesagt. Ich nenne das Motto, das ich bereits im Bildungsausschuss ein paar Mal gesagt habe: kurze Beine, kurze Wege. Dies soll weiter gelten. Dazu sind aber Maßnahmen erforderlich. Bei sinkenden Schülerzahlen auf dem fl achen Land – nicht in den Ballungszentren, sondern auf dem fl achen Land – sind Maßnahmen notwendig, um die Grundschulen zu erhalten.
Zum Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion „Junge Lehrerinnen und Lehrer einstellen“. Auch das tun wir, meine sehr verehrten Damen und Herren. Vielleicht kennen Sie die neuen Zahlen noch nicht. Bayern stellt heuer knapp 4300 Lehrer ein.
Hören Sie zu; ich bin noch nicht fertig. Lassen Sie mich ausreden! Wir stellen 4300 Lehrer ein – 75 % aller Lehramtsanwärter erhalten also ein Stellenangebot. Die Klassenstärke liegt bei knapp 24 Schülern.
Zur Grundschule. Für die Grundschule liegen 1679 Bewerbungen vor. Von diesen Bewerbern werden 1218 in den Schuldienst übernommen.
Die diesjährige Beschäftigungsquote liegt damit bei 73 % – im Vorjahr lag sie bei 58 %. Sie sehen also, dass wir auch hier etwas tun. Ich darf Ihnen auch die Hauptschule nennen. Es gibt 486 Bewerber. Alle 486 werden voll eingestellt.
Zur Budgetierung, Frau Tolle. Bei etwa gleich bleibenden Schülerzahlen – im Schuljahr 2004/2005 waren es rund 510 000, im neuen Schuljahr 2005/2006 werden es 512 000 sein; die Differenz beträgt also ungefähr 2000 Schüler – bleibt auch die Budgetierung in etwa gleich. Ich möchte an der Budgetierung auch nicht rütteln. Wir können zwar Lehrer einstellen – wenn aber auf dem fl achen Land die Schülerzahlen zurückgehen, haben wir zwar Lehrer, aber keine Schüler. Das ist nicht Sinn und Zweck der Übung.
Ich komme jetzt zu den jahrgangskombinierten Klassen. Ich bin mit dem, was Sie im Vorspann Ihres Dringlichkeitsantrages schreiben, völlig einverstanden, dass sie nämlich unter lernpsychologischen, sozialen und pädagogischen Gesichtspunkten zu begrüßen sind. Das ist richtig; das sagen auch wir.