Ich sage das nur als Grundsatz, an dem man dieses Gesetz wird messen müssen. – Meinungsäußerungen, so missliebig sie auch sind, die nach Artikel 5 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht unterbunden werden dürfen, weil nicht nur die Gedanken frei sind, können auch nicht Anlass für versammlungsbeschränkende Maßnahmen nach Artikel 8 Absatz 2 des Grundgesetzes sein. Deshalb Folgendes: Für die sogenannten schwarzen Blöcke braucht man kein neues Versammlungsgesetz. Das Grundgesetz und die bayerische Verfassung beinhalten jeweils ein Friedlichkeitsgebot. Gewalttätiges Verhalten, ob bei, vor, nach oder neben Versammlungen, steht nicht unter dem Schutz der Verfassung.
Die Rechtsprechung hierzu ist jedenfalls seit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Sitzblockaden eindeutig. Dazu bedarf es keines bayerischen Versammlungsgesetzes. Es gibt das Strafrecht und das allgemeine Polizeirecht, und es gibt einen Paragraphen zum Landfriedensbruch.
Das Ziel, durch versammlungsrechtliche Regelungen das Auftreten rechtsextremistischer Gruppierungen in der Öffentlichkeit leichter beschränken und verbieten zu können, ist uns Sozialdemokraten außerordentlich sympathisch. Wir unterstützen dieses Ziel ausdrücklich.
Ich habe viel Verständnis für die Ausführungen von Charlotte Knobloch von vor wenigen Tagen. Sie hat uns darum gebeten, gemeinsam ein Gesetz zu beschließen, mit dem es möglich ist, das widerliche Auftreten von Rechtsextremisten einzuschränken oder zu verbieten. Dafür habe ich viel Sympathie.
Unser Land hat nämlich eine stärkere Verpflichtung als andere Länder, das Aufkommen von Rechtsextremismus in all seinen Erscheinungsformen zu verhindern.
habe die Verschärfung des Straftatbestands der Volksverhetzung im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft nach § 130 Absatz 4 StGB im Jahr 2005 die Handlungsmöglichkeiten von Versammlungsbehörden verbessert, die verfassungsrechtlichen Regelungsspielräume aber nicht ausgeschöpft. Insbesondere das Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Friedens sei zu wenig konturiert. Daneben gehe es, so die Staatsregierung, auch darum, auf das aggressive Auftreten so genannter schwarzer Blöcke besser reagieren zu können, und im Übrigen auch darum, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu kodifizieren.
Hierzu folgende Anmerkungen: Erstens. Die Praxis ist, nach dem, was uns gesagt worden ist und was auch ich aus eigener Kenntnis weiß, mit dem zugegebenermaßen unvollkommenen Versammlungsgesetz von 1953 bisher zurechtgekommen. Eine zwingende Notwendigkeit, die bisherige Rechtsprechung in Gesetzesform zu gießen und damit zu zementieren, gibt es nicht, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die Rechtsprechung wieder ändert. Dann müsste auch das Gesetz wieder geändert werden, wenn man dieser Logik folgt. Zweitens. Es geht nicht um ein Versammlungsgesetz ausschließlich gegen Rechtsextremisten und/oder gegen Linksextremisten. Es geht hier um ein Versammlungsgesetz für und gegen alle.
Den Regelungen des neuen Gesetzes unterliegen auch die Demonstrationen der Gewerkschaften, der Umweltschutzverbände, der G 8-Gegner, der Tierschützer, des Bauernverbands, der Milchbauern und sogar der Raucherlobby. Es soll wohl für alle gelten.
Grundsätzlich möchte ich noch einmal – ich glaube schon zum zweiten Mal – sagen, dass wir Sozialdemokraten für ein Gesinnungsversammlungsrecht nicht zur Verfügung stehen.
Wesenstypisch für Versammlungen, ob in geschlossenen Räumen oder unter freiem Himmel, ist, dass dort Meinungen geäußert werden und der Versuch der Beeinflussung von Meinungsbildung unternommen wird. Das ist nachgerade konstitutiv für unsere Demokratie, speziell für die bayerische. Es gibt kein Monopol des Parlaments, es gibt kein Monopol der Parteien, es gibt kein Monopol der großen Verbände und keines der Herausgeber von Zeitungen, es gibt kein Monopol der Leitartikler und Talkmaster auf Willensbildung. Im Gegenteil: All die Genannten wirken jeweils nur – der eine mehr, der andere weniger – an der Meinungsbildung mit, wobei das Bemühen bestimmter Medien mit ganz großen Lettern um manipulative Beeinflussung der Willensbildung jeden Tag und in diversen Talkshows 24 Stunden lang festzustellen und zu bedauern ist und dieses Bemühen weit größeren Umfang hat als der Versuch, durch eine kleine Versammlung draußen auf der Straße irgendjemanden manipulieren zu wollen.
Gleichzeitig ist damals auch § 130 des Strafgesetzbuchs dahin geändert worden, dass mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden kann, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
Bekanntermaßen hat das Bundesverwaltungsgericht erst vor ein paar Wochen das Verbot einer Kundgebung mit dem Thema „Gedenken an Rudolf Heß“ im Jahr 2005 durch das Landratsamt Wunsiedel, das in erster Linie darauf gestützt war, dass bei Durchführung der Versammlung mit Verstößen gegen § 130 Abs. 4 des Strafgesetzbuchs zu rechnen sei, für rechtmäßig erklärt und keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Vorschrift geäußert. Und das ist gut so.
Diejenigen, die sagen, wir brauchen neben § 15 Abs. 2 des Versammlungsgesetzes und neben § 130 Abs. 4 des Strafgesetzbuchs, die nach langer Diskussion und mit Bedacht von der rot-grünen Regierung durchgesetzt worden sind, jetzt eine darüber hinausgehende Vorschrift, wie sie in dem Gesetzentwurf der Staatsregierung steht, die zum Teil den Text des Strafgesetzbuchs in das Landesversammlungsrecht übernehmen möchte, sagen nicht die Wahrheit und verkennen – ich verweise auf Heckmann und andere –, dass es hier auch um Kompetenzfragen geht.
Meine Damen und Herren, ich stelle mich nicht hierher, um zu sagen, wir müssten vor dem Rechtsextremismus kapitulieren. Im Gegenteil, ich bin froh und dankbar, dass es die Bestimmungen des § 15 Abs. 2 des Bundesversammlungsgesetzes und des § 130 Abs. 4 des Strafgesetzbuchs und jetzt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig gibt. Ich sage dazu aber auch, dass nach meiner Überzeugung das versammlungs- und strafrechtliche Instrumentarium zur Beschränkung und zum Verbot rechtsextremistischer Demonstrationen bereits vorhanden ist.
Und Gott sei Dank gibt es auch ein großes bürgerschaftliches Engagement wie in Gräfenberg und anderenorts, um so etwas zu verhindern!
Was fehlt, sind weitergehende Maßnahmen, zum Beispiel die Einschränkung der staatlichen Finanzierung rechtsextremistischer Parteien und ein neuer ernsthafter Versuch, die NPD und andere Organisationen zu verbieten. Da hat sich die Staatsregierung – es ist schon mehrfach gesagt worden – bisher nicht mit Ruhm bekleckert, auch nicht die SPD, wie ich gern zugebe. Es war eine Blamage für alle, die den Antrag gestellt haben.
Jetzt geht es darum, welche Lehren man daraus zu ziehen hat. Streckt man jetzt die Waffen? Sagt man, man müsse
Rechtsextremismus hat in Deutschland nach Auschwitz eine andere Qualität als in jedem anderen Land der Welt. Die noch für viele Generationen bestehende Belastung des Deutschlandbildes in der Welt lässt es zu und fordert es geradezu, die durch demokratische Grundrechte geschützten Aktivitäten, die die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft relativieren, zu unterbinden. Dazu muss man der sozialdemokratischen Fraktion in diesem Hause nichts sagen,
Weil das so ist, will ich Sie an Folgendes erinnern. Millionen Menschen und der halben Welt wären Unheil, Mord und Verbrechen möglicherweise erspart geblieben, wenn 1933 nicht nur die Sozialdemokraten im Reichstag und im Bayerischen Landtag gegen die Machtübertragung und die Gleichschaltung des Freistaates und seine Abschaffung gestimmt hätten, sondern auch die Abgeordneten der damaligen sogenannten bürgerlichen Parteien.
Über die Bedeutung des Kampfes gegen den Rechtsextremismus muss man uns weiß Gott nicht belehren, auch nicht ein bayerischer Innenminister, weder der jetzige noch der frühere.
Die CSU muss uns schon gar nicht belehren, die besser daran täte, in den eigenen Reihen auf den entschlossenen Kampf gegen Geschichtsfälschung und rechtsextremistisches Gedankengut hinzuwirken. Ich erinnere an Regensburg und daran, wie lange dort die Presse und die Öffentlichkeit immer wieder den Finger in die Wunde legen musste, bis es endlich zu einem lächerlichen Parteiordnungsverfahren mit ungewissem Ausgang gekommen ist. Ich erinnere daran, wie es in Regensburg war, als die NPD Sommerfeste veranstaltete und der CSUOberbürgermeister meinte, dagegen könne man doch nicht auf die Straße gehen, man würde die Leute doch nur aufwerten. Erst als der Bischof gesagt hat, dass man das nicht mehr dulden könne, sind auch die Granden der CSU auf die Straße gegangen und haben zusammen mit uns und vielen anderen Bürgerinnen und Bürgern gegen die Rechtsextremisten demonstriert. Sie brauchen uns da also überhaupt nichts zu erzählen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Bereits zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung ist durch die Einfügung des § 15 Abs. 2 des Versammlungsgesetzes versucht worden, das gesetzliche Instrumentarium zu schaffen, um gegen rechtsextremistische Versammlungen, die an das Gepräge historischer Aufmär
Im Zusammenhang mit diversen Gesetzesänderungen im Bereich des Polizeirechts und der Strafprozessordnung haben Sie durch die Schaffung von Befugnissen zur Überwachung der Telekommunikation, zur Überwachung von Wohnräumen, zum Eindringen in fremde Wohnungen und zur heimlichen Durchsuchung sogar von Computerfestplatten es fast schon geschafft, dass jedermann zunächst einmal unter Generalverdacht steht, als potenziell verdächtig gilt und seine Unschuld zu beweisen hat.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, der nach Ihrer Philosophie einen Teil des Polizeirechts darstellt, wollen Sie nun erreichen, dass die Menschen in diesem Land möglichst nicht mehr auf die Straßen gehen, weil sie Angst haben müssen, dass ihre personenbezogenen Daten in viel größerem Umfang als bisher erhoben und dass Bildaufzeichnungen und Tonaufnahmen von ihnen gemacht werden. Insoweit war es falsch, was der Kollege Obermeier zur bisherigen Rechtslage behauptet hat. Man könnte polemisch zuspitzen – ich meine es nicht ernst, sage es doch –, dass diejenigen, die Sie Zuhause nicht mehr überwachen können, weil sie zu einer Demonstration gegangen sind, eben dort überwacht werden, damit Ihnen ja keiner auskommt.
Genau dann, wenn es um den Ausdruck der Freiheit, der Unabhängigkeit und des Selbstbewusstseins mündiger Bürger geht, wenn es, wie das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat, darum geht, ein Stück ursprünglicher und ungebändigten unmittelbarer Demokratie auszuleben, schaffen Sie nicht nur Abschreckungsinstrumente und -mechanismen, sondern auch noch eine Bürokratie, die sich sehen lassen kann.
Wer jemals in Schwandorf eine Veranstaltung mit fünf Rentnern zur Herstellung einer Bodenzeitung angemeldet hat, für die man öffentlichen Straßengrund braucht, wer, gesetzestreu, wie er ist, zum Landratsamt Schwandorf gegangen ist – –
Nein, nicht wegen des Straßen- und Wegerechts, sondern weil er mit der Bodenzeitung Einfluss auf die Willensbildung nehmen will. Das war eine Versammlung. – Der Bescheid für diese fünf Leute bestand aus zehn Seiten und endete damit, dass der Versammlungsleiter, einer von den Fünfen, diese Auflagen vorzulesen habe, damit es auch jeder hört, und notfalls müsse er ein Megafon dabei haben, damit keiner sagen kann, er habe es nicht hören können.
So sind wir halt in Deutschland. So ist es bisher schon. Diesen Hang zur Gründlichkeit perfektionieren Sie jetzt dort, wo es angemessen wäre, Freiräume zu schaffen und dafür zu sorgen, dass sich die Menschen in die Demokratie einmischen. Dort schaffen Sie Bürokratie. Dort hätte Edmund Stoiber eine Aufgabe vor sich. Da könnte er sich beweisen, besser vielleicht als in Brüssel.
die Beobachtungen wie bisher fortsetzen, wohl wissend, dass aufgrund der Rechtsprechung ein Verbot dann nicht in Frage kommt? Oder geht man einen anderen Weg? Darüber ist zu streiten. Ich würde mir Initiativen wünschen. Es geht nicht darum, einfach abzuwiegeln, wie es der Herr Innenminister vor wenigen Wochen gemacht hat.
Was das bürgerschaftliche Engagement gegen Rechtsextremisten betrifft, so muss man auch auf Art. 8 Ihres Gesetzentwurfs hinweisen. Da geht es um das sogenannte Störungsverbot. Diese Vorschrift trifft gerade diejenigen, die gegen rechtsextremistische Aufzüge ankämpfen. Sie trifft die Bürgerinnen und Bürger in Gräfenberg und den Pfarrer. Wir hatten da doch Ermittlungsverfahren. Es ist doch nicht so, dass es da ausschließlich Zurückhaltung gäbe. Wir hatten Ermittlungsverfahren gegen den Pastor, der die Glocke läutete, als ein bekannter Neonazi das Wort ergriff. Das ist doch nicht aus der Welt.
Der bürgerschaftliche Protest wird jetzt noch schwerer als in der Vergangenheit. Schauen Sie sich die Vorschrift des Art. 8 des Entwurfstextes genau an.
Bei aller Sympathie für das vorgegebene Ziel, Rechtsextremisten leichter in Schranken weisen zu können, ist entscheidend, dass das Gesetz nicht nur gegen Rechtsextremisten, sondern gegen alle gemacht wird.