Ein an der Zahl der Petitionen ablesbares Fiasko ist die Einführung des G 8. Auch in diesem Fall erlebten wir den Bruch eines hoch und heilig abgegebenen Wahlversprechens aus dem Wahlkampf 2003. Vor der Wahl hieß es noch „Machen wir nicht!“, und nach der Wahl konnte es Ihnen gar nicht schnell genug gehen. Zahlreiche Eltern, Lehrer und Schüler reichten daraufhin Petitionen ein. Zu miserabel vorbereitet war das Projekt. Es fehlte an Räumen, es fehlte an Lehrern, es fehlte an Schulbüchern, und es fehlte an vielem mehr. Woran es nicht fehlte, war der Stress für Schüler, Lehrer und Eltern.
Es geht in der Regel doch nicht um Parteipolitik, sondern um Bürgeranliegen. Wenn man Bürgeranliegen berücksichtigen will, muss man vielleicht auch mal alle Fünfe gerade sein lassen. Das schadet dem Ansehen des Hohen Hauses mit Sicherheit nicht.
Kontroverse Diskussionen waren in unserem Ausschuss rar gesät. Sie haben sich aber in andere Ausschüsse verlagert. Auslöser war dafür die Politik der Staatsregierung in den vergangenen fünf Jahren. Immer häufiger demonstrieren die Bürger, dass sie mit den getroffenen Entscheidungen nicht einverstanden sind. Das fordert Petitionen geradezu heraus.
Die Bürger versuchen, eine aus ihrer Sicht verfehlte Politik mit Hilfe von Petitionen zu korrigieren. Manchmal gelingt dies sogar.
Die Schwerpunkte der Petitionen, die zu gegen die Interessen der Bürger gerichteten Entscheidungen von Staatsregierung und Landtagsmehrheit eingereicht wurden, lagen ganz deutlich in den Bereichen des Bildungsausschusses, des sozialpolitischen Ausschusses und des Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes. Sie sind vorhin schon angesprochen worden. Meine Bewertung sieht allerdings etwas anders aus.
Der ehemalige Ministerpräsident Edmund Stoiber – ich habe den Eindruck, viele von Ihnen sind froh, dass er nicht mehr da ist – war bekanntlich mit der Losung angetreten: Sparen, reformieren, investieren. Aber herausgekommen ist: Ausbeuten, zementieren, anzapfen. Was das Ausbeuten betrifft, so ist für die Beschäftigten des Freistaats, insbesondere für die Beamten, die Arbeitszeitverlängerung herausgekommen.
Das Anzapfen gilt für die vom Bund für die Kleinkinderbetreuung zur Verfügung gestellten Mittel zum Beispiel für Ausbaumaßnahmen an Gymnasien, weil man das eigene Geld des Freistaates dafür nicht verwenden wollte.
Die Einführung der 42-Stunden-Woche für Beamte hat eine wahre Flut an Petitionen ausgelöst, meine Damen und Herren. Mehr als 2000 Beamte wandten sich in ihrer Not an den Landtag. Ihnen war vor der Landtagswahl 2003 versprochen worden, dass die Arbeitszeit eben nicht verlängert würde. Zwei Monate später war das Makulatur und die 42-Stunden-Woche eingeführt. 5000 Arbeitsplätze hat das gekostet mit zum Teil gravierenden Folgen zum Beispiel bei der Polizei, zum Beispiel bei der Steuerfahndung, um nur zwei Bereiche zu nennen. Letzteres kostet übrigens 1 Milliarde Euro an entgangenen Steuereinnahmen pro Jahr, meine Damen und Herren.
Es ist eine paradoxe Situation: Da sitzen sich in einem Büro an ihren Schreibtischen ein Angestellter und ein Beamter gegenüber und verrichten die gleiche Arbeit, nur
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Für uns GRÜNE hat das Petitionsrecht seit Jahrzehnten einen sehr hohen Stellenwert. Im Petitionsausschuss, aber auch in anderen Fachausschüssen besteht die Chance, dass Bürgernähe nicht nur propagiert, sondern auch praktiziert wird. Das Petitionsrecht ist wirklich ein Seismograf dessen, was draußen im Lande vor sich geht. Wie es hier ankommt, sehen wir an den Petitionen.
Bei der Behandlung von Petitionen sind wir im direkten Kontakt mit den Menschen vor Ort, die sich ungerecht behandelt fühlen oder gegen Missstände und Ungerechtigkeiten angehen und diese Möglichkeit nutzen, sich zur Wehr zu setzen. Wir haben die Möglichkeit, durch Anhörung der Betroffenen, durch Ortstermine oder dadurch, dass man alle Beteiligten, Petenten und Verwaltung, an einen Tisch bringt, für einvernehmliche Lösungen zu sorgen. Das machen wir sehr oft. Ich bin als Berichterstatterin bzw. Mitberichterstatterin meistens der Oberpfalz regional zugeordnet. Dort haben wir sehr viele Ortstermine, und oft genug kommt es dabei zu Berücksichtigungsbeschlüssen, einfach weil man miteinander reden kann. Das gelingt zwar nicht immer, aber bei mehr gutem Willen seitens der Mehrheitsfraktion, also dieser Seite des Hauses, könnten wir das eine oder andere sicherlich noch besser machen.
In der Regel wenden sich die Menschen an den Landtag, weil sie direkt und unmittelbar betroffen sind. Die Folgen, die unsere Entscheidungen für diese Menschen haben, müssen wir uns immer ganz persönlich vor Augen halten.
Besonderes Augenmerk gilt dabei den ausländerrechtlichen Petitionen. Hierbei geht es oft um Schicksale, mit denen keiner von uns tauschen möchte. Manchmal geht es auch um Leib und Leben. Wenn Abschiebungen in Krisengebiete, in Länder mit kriegerischen Auseinandersetzungen bevorstehen, wenn das chinesische Arbeitslager droht, wie wir es auch schon einmal hatten, oder wenn einer Frau in Afrika die genitale Verstümmelung droht, dann geht es für die Betroffenen ums Eingemachte.
Der Petitionsausschuss sollte eben nicht das Gremium sein, in dem die CSU ihre asyl- und ausländerpolitische Härte um jeden Preis demonstriert.
Ich will Ihnen nur ein Beispiel nennen, was für Folgen das hatte. Ich kenne Sportvereine, die in den letzten zwei, drei Jahren Hunderte von Mitgliedern im Alter zwischen 10 und 20 Jahren verloren. Diese Kinder und Jugendlichen haben einfach keine Zeit mehr, sich im Verein sportlich zu betätigen. Fragt man nach den Gründen, hört man immer nur einen Buchstaben und eine Zahl: G 8.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bemerkenswert ist auch die Flut an Petitionen im sozialpolitischen Ausschuss bezogen auf das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz. Für dieses Gesetz haben Sie sich im Gegensatz zum G 8 sehr viel mehr Zeit genommen; sehr viel Besseres als bei den Schnellschüssen ist aber auch nicht herausgekommen.
Es ist schon erstaunlich, dass drei Jahre nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes immer noch erheblicher Widerstand von den Betroffenen geleistet wird,
von den Trägern der Kindergärten, den Eltern, dem Personal, das dort beschäftigt ist. Die Petitionen belegen, dass das BayKiBiG einen falschen Ansatz hat, überbürokratisch ist, dass die Betroffenen mit ihren Anliegen allein gelassen werden und dass vor allem Bildung von Anfang an nicht als Ware begriffen werden darf, sondern mehr Qualität erforderlich ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, am Schluss möchte auch ich mich ganz herzlich bedanken, einmal bei unserem Vorsitzenden und bei den anderen Mitgliedern des Ausschusses, vor allen Dingen auch bei der Landtagsverwaltung und bei den Ausschussbetreuern, die uns auf hervorragende Weise zuarbeiten. Ich bedanke mich auch bei den Vertretern der Staatsregierung, die unsere Ausschussarbeit begleiten. Ihnen möchte ich aber zu mehr Gelassenheit raten, wenn wir eine Berücksichtigung beantragen. Davon geht die Welt nicht unter.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist darauf hingewiesen worden, dass die Arbeit im Petitionsausschuss Spaß macht. Ich kann das nach zehn Jahren in diesem Ausschuss nur bestätigen und würde jedem neu in den Landtag gewählten Abgeordneten empfehlen, doch von sich aus ganz bewusst in den Petitionsausschuss zu gehen. Bei unserer Fraktion wird aber ein Platz nicht frei. Das ist meiner. Ich möchte nämlich, wenn ich wieder in den Landtag gewählt werde, unbedingt diese so schöne Arbeit für die Bürger fortführen.
Insgesamt gibt es viele, viele Fälle, die die hohe Hürde der Vorprüfung durch die Härtefallkommission nicht nehmen können. Weil Sie von der CSU mal wieder die Latte zu hoch gelegt haben, bekommen nur die, die ohnehin, zu 80 bis 90 %, eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten hätten, von der HFK einen positiven Bescheid.
Also: Die Eingangsvoraussetzungen, um als Ausländerinnen und Ausländer mit dem Fall in die Härtefallkommission zu kommen, sind viel zu hoch. Daran müssen wir arbeiten. Gerade wir als Ausschuss für Eingaben und Beschwerden, die wir uns immer mit Eingaben gerade ausländerrechtlicher Natur auseinandersetzen, hätten da eine gute Basis, uns einzumischen. Es ist nicht in Ordnung, dass so wenig derartige Fälle in die Härtefallkommission kommen.
Wir haben zu viele Härtefälle, die auf der Tagesordnung stehen. Da wird bei der Vorprüfung einfach entschieden, dass das nicht auf die Tagesordnung der Härtefallkommission kommt. Wo setzt sich die Härtefallkommission nämlich für die sozial schwachen, für die armen Menschen ein, für Behinderte, Ausländerinnen und Ausländer ein? Das tut sie nicht.
Dieser Missstand der Ausgestaltung der Härtefallkommission wird von uns im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden immer wieder vorgebracht, wenn es um den Bericht dieser Kommission geht. Wir fordern diesen Bericht jedes Jahr ein, und wir möchten auch darüber sprechen, dass zu wenige Ausländerinnen und Ausländer Gehör finden und überhaupt über diese Vorprüfung hinauskommen. Das werden wir immer wieder beantragen.
Leider hat die CSU-Mehrheit im Ausschuss diese Chance, zu einem humanitären Umgang mit den Flüchtlingen beizutragen, nicht genutzt.
Da hätte man die Kriterien eben anders setzen müssen. Die CSU hat diese Chance an sich vorbeiziehen lassen, und das ist auch ganz klar so gewollt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Anzahl der Eingaben und Beschwerden, die auch in dieser Legislaturperiode wieder im fünfstelligen Bereich liegt, zeigt meiner Überzeugung nach auch, wie viel Hoffnung, aber auch wie viel Vertrauen die Bürgerinnen und Bürger uns Abgeordneten entgegenbringen – noch, möchte ich hinzufügen; denn die Anzahl der Eingaben nimmt seit der 12. Wahlperiode kontinuierlich ab. In der 14. Wahlperiode waren es noch 14466 Eingaben und Beschwerden, in der 15. werden es bis zu deren Ende wohl 1000 weniger sein.
Leider ist es oft so. Dabei geht es in der Regel um Menschen, die nach langjährigem Aufenthalt längst in unsere Gesellschaft integriert sind, um Familien, deren Kinder hier geboren sind, die vielfach für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen oder sich in ihrer neuen bayerischen Heimat vor Ort für das Gemeinwohl engagieren.
Viele Bürgermeister und auch viele von der CSU kommende Abgeordnete dieses Hohen Hauses haben sich oft für Menschen eingesetzt, denen die Abschiebung drohte. Diese Menschen, denen das Petitionsrecht in den vergangenen Jahren nicht helfen konnte, haben nun aber mit der Härtefallkommission seit September 2006 bessere Chancen, zu einem dauerhaften Aufenthaltsrecht zu kommen.
Diese Kommission braucht aber Luft zum Atmen und Raum zum Handeln. Es sind dort bisher nur sehr wenige, nämlich 22 Fälle mit Stand von Frühjahr 2006, entschieden worden. Für die Betroffenen ging es jedoch regelmäßig positiv aus, und das ist ja auch schon gut.
Der Ausschuss für Eingaben und Beschwerden hätte für die Härtefallkommission mehr Spielraum erkämpfen können, als es diese Kommission noch nicht gab.
Bayern führte nämlich diese Härtefallkommission als letztes Bundesland ein. Da hätte der Ausschuss für Eingaben und Beschwerden, der sich immer vornehmlich mit Flüchtlingsproblemen beschäftigt hat, unbedingt darauf hinwirken müssen, dass es nicht zu den überzogenen Kriterien für die Härtefallkommission gekommen wäre.