Der Verband der Bezirke hat als Ziel vorgegeben, dass alle Leistungsvereinbarungen durch die Bezirke übernommen werden, also das, was in den Kommunen im ambulanten Bereich positiv geregelt worden ist. Es muss eine Dialogkultur zwischen den Leistungsanbietern und den Kostenträgern zustande kommen, wie wir sie zum Teil im Bereich der Psychiatrie aufgebaut haben.
Wir brauchen hierzu neue Strukturen; das ist unbedingt Voraussetzung. Wir brauchen ein Klima der Offenheit und des Dialogs. Die Leistungserbringer sind keine Gegner der Kostenträger, sondern müssen als Partner gesehen werden. Es ist unser Ziel, solche Themen im Zusammenhang mit dieser Verlagerung der Eingliederungshilfe sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich zu erörtern, aber auch Fragen wie etwa die Übernahme der Kosten für das Mittagessen im teilstationären Bereich, die durch die Bezirke nicht zufriedenstellend gelöst worden sind, auf diese Weise mittelfristig zu lösen. Auch das ist Bestandteil dieser Forderung. Wir wollen diese Ziele und Entwicklungen vonseiten der Landespolitik aktiv begleiten.
Ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Gesetzes soll insbesondere über die Umsetzung dieser Ziele, aber vor allen Dingen auch über den gesamten Änderungsprozess im Rahmen einer Anhörung mit allen Beteiligten dem Landtag berichtet und darüber beraten werden. Wir werden ein Auge darauf werfen, dass die Umsetzung so erfolgt, wie die Politik das will.
Dabei ist es nicht hilfreich, dass es zunächst so ausgesehen hat, als ob zwei Bezirke einen problemlosen Übergang nicht wahrnehmen, indem sie selbst sofort von heute auf morgen die Zuständigkeit übernehmen. Das führt bei den Betroffenen zu Verunsicherungen und zu erheblichen Verwaltungsaufwendungen, die nicht gewünscht sind. Auch wir appellieren, ebenso wie zum Beispiel der Verband der Bezirke, an die Bezirke, etwa an Oberfranken, sich hier der allgemeinen Entwicklung positiv anzuschließen.
Es ist notwendig, politisch darauf zu achten, dass das, was wir wollen, nämlich Effizienz und Leistungsgewährung aus einem Guss, nicht zu Leistungseinschränkungen zulasten der Betroffenen, sondern zu einer zeit- und bedarfsgemäßen Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe, zu einer Politik für und mit Menschen mit Behinderung führt. Dazu soll dieser Gesetzentwurf dienen. Ich bin zuversichtlich, dass es dazu auch kommen wird, wenn
wir auf allen Ebenen gemeinsam partnerschaftlich daran arbeiten. Ich bitte um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diesen Gesetzentwurf zur Änderung des AGSG im sozialpolitischen Ausschuss ausführlichst beraten. Die Änderungen im Bereich des SG II und des Ausführungsgesetzes für das Freiwillige Soziale Jahr sind unproblematisch, sodass es sich eigentlich erübrigt, noch einmal darauf einzugehen. Problematisch ist aber der Bereich der Zusammenführung der Eingliederungshilfe im SGB XII. Wir hatten damals vorgeschlagen: Ziehen Sie diesen Gesetzentwurf zurück, bis es eine gesamte, sinnvolle Lösung gibt, nämlich nicht nur die ambulante und stationäre Eingliederungshilfe, sondern auch die ambulante und stationäre Hilfe der Pflege zusammenzuführen. Dazu sage ich später noch etwas. Bisher war es so, dass die ambulante Eingliederungshilfe bei den Kommunen – sprich: bei den Landkreisen und den kreisfreien Städten –, die stationäre Eingliederungshilfe bei den Bezirken angesiedelt war. Das hat zwischen ambulanter und stationärer Eingliederungshilfe zu Drehtüreffekten geführt.
Um Kosten zu sparen, wurde auch verhindert, neue Wohn-, Lebens- und Betreuungsformen zu entwickeln, die dringend notwendig sind; denn Menschen mit Behinderung sind derart vielfältig, dass man Konzepte erarbeiten muss, die auf die Menschen zielgenau ausgerichtet sind. Wir halten die Zusammenführung bei den Bezirken für richtig – das sage ich auch –, wobei wir ganz genau beobachten und in absehbarer Zeit überprüfen werden, wie die Bezirke im Sinne der betroffenen Menschen handeln und wie sie das AGSG umsetzen. Die Zusammenführung darf keinesfalls die Aufforderung zu einer Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner sein oder zu Leistungskürzungen führen.
Darin sind wir uns einig, das ist überhaupt keine Frage. Ich will hier noch einmal deutlich machen und den Bezirken im wahrsten Sinne des Wortes ins Stammbuch schreiben, dass wir dieses ganz genau beobachten werden.
Ich weiß, weshalb ich das so deutlich sage; denn ich komme aus Oberfranken, und ich habe es satt – das sage ich auch –, dass ich jedes Mal, wenn ich zum Thema „Politik für Menschen mit Behinderung“ durch den ganzen Freistaat Bayern reise und sage, ich komme aus Oberfranken, höre, ach ja, der Bezirk Oberfranken. Das kann es nicht sein.
Wenn das AGSG so umgesetzt wird, wie wir es uns vorstellen, können Bezirke und Wohlfahrtsverbände mit den und für die Betroffenen optimale Hilfen konzipieren, und zwar ohne Zuständigkeitsrangeleien. In der Frage, wie man das handhaben könnte, wären natürlich die Sozialhilfeausschüsse ein wichtiger Faktor; das ist einer unserer Kritikpunkte.
Aber leider Gottes haben Sie von der Staatsregierung und von der Mehrheitsfraktion die Sozialhilfeausschüsse der Beliebigkeit anheimgestellt.
Und damit praktisch abgeschafft. Die Entbürokratisierung, die Zusammenlegung der Verwaltung, also auch eine Straffung der verwaltungstechnischen Dinge, ist ein Bereich. Bei der Abrechnung und bei den Entgeltverhandlungen ist mit sieben Bezirken leichter zu verhandeln als mit 96 örtlichen Sozialhilfeträgern. Aber wir müssen das Augenmerk darauf richten, welche Auswirkungen das auf die betroffenen Menschen hat. Die berechtigten Ängste bei Änderungen der Zuständigkeiten im ambulanten Bereich sind auch dadurch deutlich geworden, dass es zum AGSG Petitionen gab, und das müssen wir als Gesetzgeber ernst nehmen. Die Bezirke sind künftig dafür verantwortlich, diese Bedenken zu zerstreuen. Wir werden, wie gesagt, die Umsetzung genau beobachten.
Herr Unterländer, der Entschließungsantrag, auf den Sie verwiesen haben, zeigt, dass auch Sie der Auffassung sind, im Vorfeld der Gesetzesänderung ist vonseiten der Staatsregierung nicht alles Notwendige getan worden, um hier die Bedenken zu zerstreuen.
Die Zusage der Bezirke, die bestehenden Verträge und Vereinbarungen eins zu eins zu übernehmen, steht. Aber es stellt sich auch die Frage, was dann passiert, wenn diese Vereinbarungen abgelaufen sind und wenn neu verhandelt werden muss. Das müssen wir begleiten. Um die Bedenken der Betroffenen zu zerstreuen, wäre es besser gewesen, die Staatsregierung hätte hier vorgearbeitet – sprich: im Vorfeld klare Maßgaben getroffen – und mit den Bezirken klare Vereinbarungen getroffen.
(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD) – Zuruf des Abgeordneten Joachim Unterländer (CSU))
Selbstverständlich wäre das gegangen; denn die Behinderungen sind so vielfältig und unterschiedlich wie die Menschen. Deshalb müssen auch die Konzepte dafür unterschiedlich und vielfältig sein.
Wir haben einen massiven Kritikpunkt, nämlich dass die Zusammenführung der Eingliederungshilfe nur der erste Schritt ist. Sinnvoll und konsequent wäre es gewesen, die Hilfe zur Pflege mit der Eingliederungshilfe, mit der Zusammenführung der ambulanten und stationären Bereiche auf den Weg zu bringen.
Das haben Sie sich nicht getraut. Das haben Sie nicht gemacht. Das haben Sie unter Umständen nicht gewollt, um im kommenden Jahr Ärger zu vermeiden.
Ich sage Ihnen aber, warum wir das für sinnvoll halten: Es gibt zunehmend Menschen, die sowohl Eingliederungshilfe als auch Hilfe zur Pflege erhalten. Damit gibt es ein neues Problemfeld, wenn zum Beispiel die Eingliederungshilfe zusammengeführt wird und die Hilfe zur Pflege bei einem anderen Sozialhilfeträger liegt, wenn also die Hilfen nicht in einer Hand liegen. Es gab bei der Beratung im sozialpolitischen Ausschuss vonseiten der Staatsregierung die Aussage, dass bei Menschen mit Behinderung, die Eingliederungshilfe bekommen, auch die Hilfe zur Pflege zu den Bezirken komme.
Auch bei der Hilfe zur Pflege macht es Sinn, die Trennung von ambulant und stationär aufzuheben; denn das entspricht nicht mehr den Erfordernissen der älter werdenden Gesellschaft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, trotz unserer berechtigten Kritik stimmen wir zu, weil die Zusammenführung grundsätzlich richtig ist. Aber die Bezirke werden mit unserer kritischen Begleitung rechnen müssen. Wir werden genau hinschauen, und, Herr Unterländer, wir werden nicht nur ein Auge darauf werfen, das ist zu wenig. Mit beiden Augen sieht man besser.
Wir werden beide Augen darauf werfen müssen, und das ganz genau. Ich kündige jetzt schon an, dass wir in der neuen Legislaturperiode einen Antrag auf eine Anhörung mit allen Beteiligten, vor allen Dingen den Organisationen der Behindertenverbände, stellen werden. Es ist notwendig, den Bezirken schon im Vorfeld deutlich zu machen, dass wir das weiter begleiten; Denn sonst macht die Zusammenführung keinen Sinn.
Wie gesagt, wir stimmen dem Gesetzentwurf zur Zusammenführung der Eingliederungshilfe zu mit unseren kritischen Anmerkungen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Endlich, so kann man sagen, ist es gelungen, die Eingliederungshilfe für den ambulanten und stationären Bereich in einer Hand zusammenzuführen. Es hat in der Vergangenheit immer wieder zu Verschiebebahnhöfen und Verwerfungen geführt, dass des ambulante Bereich bei den Kommunen und der stationäre Bereich bei den Bezirken angesiedelt war. Ich kenne selbst den Fall eines kleinen Mädchens, das geistig behindert ist und das, weil es sehr betreuungsaufwendig war, aus der Pflegefamilie genommen werden und ins Heim kommen sollte, weil der Kreis der Meinung war, das Kind kostet zu viel. Dass das der Erziehung eines Kindes nicht zuträglich und der Kontinuität der Erziehung abträglich ist, ist ganz klar. Dieser Entwicklung ist jetzt Gott sei Dank durch diese Gesetzesvorlage Einhalt geboten.
Im Mittelpunkt unserer Überlegungen muss stets stehen: Wie werden die Menschen, um die es geht, richtig und effektiv betreut? Dafür kann die Finanzierung und die Verschiebung kein Gesichtspunkt sein, sondern da geht es wirklich nur darum, die richtige Unterbringung, die richtige Wohnform, die richtige Therapie für diese Menschen zu finden und anzubieten.
Es ist leider noch nicht gelungen, auch bei der Hilfe zur Pflege zu einer gesetzlichen Zusammenführung zu kommen. Das ist, wie die Kollegin Steiger bereits ausgeführt hat, sehr bedauerlich. Es ist auch bedauerlich, dass wir diese AGSG immer und immer wieder auf den Tisch bekommen, weil es nicht einmal verändert werden kann und dann bleiben darf, sondern weil es immer wieder neue Gesichtspunkte für Veränderungen gibt und dadurch immer wieder neue Beratungen notwendig sind.
Leider ist die Freude nicht ganz ungetrübt. Wir haben im Vorfeld zu diesen Gesetzesberatungen auch Stimmen gehört, insbesondere von behinderten Menschen aus München – aber ich weiß, es gibt solche Menschen auch in anderen Großstädten –, die die Sorge haben, dass die bereits bestehenden guten Strukturen der Beratung von den Bezirken nicht in der bewährten Form fortgeführt werden und dass letztendlich ihre Anlaufstellen, die ihnen vertraut sind, die für sie Hilfe und Sicherheit bieten, wegrationalisiert werden, von den Bezirken anders geordnet werden. Das möchten sie nicht.
Ich denke, wir sollten dringend an die Bezirke appellieren, dass sie diese Strukturen, die gewachsen sind und die sich bewährt haben, weiterhin erhalten im Interesse der Menschen, die sie nutzen und die dadurch auch in ihrem Leben richtig begleitet werden.
Aber damit nicht genug. Solche Strukturen sind zwar in den Städten sehr gut, aber auf dem Land sind sie weitgehend nicht vorhanden. Hier kommt eine doppelte Aufgabe auf die Bezirke zu. Sie müssen auf der einen Seite gute Strukturen bewahren, auf der anderen Seite dort, wo die Strukturen fehlen, welche aufbauen. Das sollte sich, ganz genau von uns beobachtet, vor unseren Augen abspielen. Wir sollten immer wieder hinschauen, wie sich die Entwicklung vollzieht. Deshalb halte ich die Idee, nach einer gewissen Zeit eine Anhörung darüber stattfinden zu lassen, sehr gut.
Es ist auf diesem Gebiet mit dieser rein gesetzlichen Zusammenführung natürlich noch lange nicht alles erreicht. Wir müssen ein noch wesentlich vielfältigeres Angebot an Wohnmöglichkeiten für behinderte Menschen finden. Das muss weiter aufgefächert sein, den Bedürfnissen mehr angepasst werden. Es muss auch endlich wieder erreicht werden, dass behinderte Menschen in Werkstätten ihr Mittagessen nicht mehr selbst bezahlen müssen. Um diesen einstimmigen Beschluss unseres Sozialausschusses scheinen sich die Bezirke überhaupt nicht zu scheren. Ich habe nachgefragt: In Mittelfranken jedenfalls wird er nicht umgesetzt.