Protocol of the Session on December 12, 2007

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich möchte ein Zitat anführen von dem Lyriker Matthias Claudius, der vor über zweihundert Jahren Folgendes sehr schön formuliert hat. Ich bin von diesem Satz so sehr begeistert, dass ich ihn am liebsten als Motto über das Gesetz stellen würde. Matthias Claudius hat nämlich gesagt: „Die Freiheit besteht darin, dass man alles tun kann, was einem anderen nicht schadet.“

(Beifall bei der CSU und bei der SPD)

Genau aus diesem Grund ist der momentane Zustand nicht hinnehmbar. Wir wollen deshalb staatlicherseits handeln. Eigentlich müsste man in einer Gesellschaft wie der unseren meinen, dass es selbstverständlich wäre, durch diszipliniertes, rücksichtsvolles Verhalten der Raucher gegenüber den Nichtrauchern alles zu regeln. Es wäre fast eine Frage des Anstands. Die Praxis aber hat gezeigt, alle Versuche, den Nichtraucherschutz auf freiwilliger Basis umzusetzen, haben nicht gefruchtet. Deshalb muss jetzt leider der Staat eingreifen und gesetzliche Regelungen schaffen. Damit erfüllt der Staat eigentlich nur seine ureigensten Aufgaben, was dadurch erkennbar ist, dass in Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes steht: Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit. In diesem Sinne müssen wir jetzt handeln. Ich freue mich, dass in den Ausschüssen eine fraktionsübergreifende, effektive, gesetzliche Regelung zum Nichtraucherschutz auf den Weg gebracht wurde. An dieser Stelle danke ich wirklich allen, die zu dieser fraktionsübergreifenden Einigung beigetragen haben, vor allem den Rauchern.

Ich sehe das auch als Bestätigung für das konsequente Handeln der Staatsregierung. Wir haben den Nichtraucherschutz heuer zum Thema gemacht und erreichen können, dass im Bund, fast in allen Bundesländern, vergleichbare, ziemlich einheitliche gesetzliche Regelungen zum Nichtraucherschutz erlassen worden sind.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Da nehmen Sie den Mund aber etwas voll!)

Ich darf auch erwähnen, dass wir uns auf dem Weg dorthin ziemlich viel Zeit lassen wollten und mussten. Es war uns wichtig, mit allen Betroffenen ausführlich zu reden. Das ist geschehen. Wir waren uns sicher, dass es nur so zu einer wirklichen Akzeptanz kommen kann. Diese Vorgehensweise hat sich als richtig erwiesen. Den Damen und Herren von der Opposition, die gesagt haben, alles habe zu lange gedauert, möchte ich sagen: Wir haben den Zeitplan eingehalten. Wir haben gesagt, wir machen das Gesetz zum 01.01.2008. Wir sind auf dem Weg dahin und haben nicht gesäumt.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, sehen wir es doch einmal so: Bei dieser Regelung gibt es sehr viel mehr Gewinner als Verlierer. Es gibt eine ganze Reihe von Rauchern, die schon jetzt mit dieser Regelung kein Problem haben, die bereits jetzt aus Einsicht und Überzeugung Rücksicht nehmen. Ich bitte all diejenigen, die für die Regelung kein Verständnis haben, trotzdem mitzumachen. Es geht nicht um Bevormundung, sondern darum, die Menschen vor gesundheitlichen Schädigungen zu bewahren. Das Gesetz heißt immerhin auch „Gesundheitsschutzgesetz“. Das Gesetz betrifft nicht nur die Regelungen in Gaststätten, sondern – wie Kollege Dr. Zimmermann das bereits ausführlich dargestellt hat – sämtliche öffentliche Gebäude und Bildungseinrichtungen, vor allem aber auch Freizeiteinrichtungen und Sportstätten. Dafür ist es sogar ganz besonders wichtig. Es gilt allerdings auch in Gaststätten.

Die Diskussion, die wir derzeit verfolgen dürfen, geht in die Richtung, als ginge es allein um Gastwirtschaften. Die Gastwirtschaften haben allerdings ein besonderes Problem damit. Wenn das Rauchen in den einen Gaststätten erlaubt wäre und in den anderen nicht, dann würde das zu einer massiven Wettbewerbsverzerrung führen. Ich bin froh darüber, dass wir eine Regelung gefunden haben – im Übrigen auch auf Bitten der Gastwirtschaften –, bei der diese Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. Das Wohl des Gastes, wohlgemerkt nicht nur bezogen auf Essen und Trinken, sondern auch auf das gesundheitliche körperliche Wohl, liegt vielen Gastwirten bereits jetzt am Herzen. Ich habe allerdings auch Verständnis für diejenigen, die befürchten, dass sie durch das Nichtraucherschutzgesetz zu Umsatzeinbußen kommen. Ich kann nur sagen, die Erfahrungen in anderen Ländern beweisen genau das Gegenteil. Viele Staaten haben bereits Erfahrungen mit Rauchverbot: Irland, Kanada, Italien und Neuseeland. Der Umsatz ist mittelfristig stabil geblieben, langfristig ist er sogar gestiegen, denn durch die Rauchfreiheit kann man ganz neue Gästegruppen anlocken. In verrauchten Gaststätten und Restaurants haben sich manche nämlich nicht wohlgefühlt. Jetzt ist es vielleicht möglich, ungetrübt von Tabakrauch und Giftstoffen, die vielfältigen Geschmacksnuancen unserer tollen bayerischen Küche und der edlen Getränke, die es bei uns gibt, noch besser genießen zu können. Ganz abgesehen von dem Teilaspekt, dass man bisher, selbst wenn man nur auf ein Bier in eine Kneipe geht, die Kleidung danach eine Woche lang auslüften muss.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Genau!)

Eine hervorragende Gastronomie, wie wir sie in Bayern haben, hat Besseres verdient, als durch Raucherqualm beeinträchtigt zu werden.

(Beifall bei der CSU)

Noch ein kleiner Nebensatz zu den Betreibern von Volksfesten, sei es das Gäubodenfest, die Berg-Kirchweih oder natürlich auch die Wiesn. Ich prophezeie Ihnen, für jeden Raucher, der das Zelt hinten verärgert verlässt, drücken vorne zwei Nichtraucher hinein, die ganz begeistert das Zelt betreten. Diese werden sehr viel mehr konsumieren, weil sie die Hände zum Essen und zum Trinken freihaben.

(Henning Kaul (CSU): Sehr gut, Herr Staatssekretär!)

Ich garantiere Ihnen, diese Gäste sind genauso lustig, wie die anderen vorher waren.

Ich bin auch der festen Überzeugung, dass wir Familien mit Kindern mit diesem Gesetz wieder eher die Möglichkeit geben, in ein Bistro, in eine Wirtschaft oder eine Kneipe zu gehen, weil das nämlich mit Kindern wieder möglich sein wird.

Ich wende mich jetzt ganz gezielt mit einem Appell an die Gastwirte: Setzen wir hier in Bayern mit einer neuen gesundheitsbewussten Wirtshauskultur ein Zeichen für die bayerische Gemütlichkeit, die wir doch alle erhalten wollen.

(Beifall der Abgeordneten Barbara Stamm (CSU))

Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Die bayerische Gemütlichkeit ist ein wichtiger Punkt. Dazu brauchen wir das gesundheitsgefährdende und schlichtweg störende Qualmen sicher nicht. Die berühmte „Liberalitas Bavarica“ ist mit Sicherheit nicht gefährdet, wenn man Rücksicht nimmt,

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Das habe ich auch schon gesagt!)

wenn man die Gesundheit seiner Mitmenschen nicht durch Rauchen gefährdet. Ganz im Gegenteil. Man kann lustig sein, fröhlich sein, gemütlich sein, man kann Karten spielen, man kann ratschen und singen, man kann es sich nach bayerischer Lebensart im Wirthaus gut gehen lassen, und: Man kann seine Zigarette draußen vor der Tür rauchen.

(Beifall bei der CSU)

So verstehe ich Liberalität. Das ist für mich bayerisches Lebensgefühl: Leben und leben lassen.

(Beifall bei der CSU)

Der größte Teil der Bevölkerung sieht das übrigens auch so. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass auch bald die Skeptiker erkennen werden, um was es geht. In vier Wochen redet keiner mehr davon, die neue Regelung wird sich bald als Gewohnheit überall festgesetzt haben.

Noch ein Wort zum Vollzug. Er wurde in den Redebeiträgen der Opposition mehrfach angesprochen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Das Gesundheitsschutzgesetz wird von den Kreisverwaltungsbehörden mit Sicherheit mit Vernunft vollzogen.

Darf ich einen Moment unterbrechen? – Es scheint, viele hier im Saal praktizieren bereits, anstatt zu rauchen, sich intensiv zu unterhalten.

(Allgemeine Heiterkeit)

Das ist im Plenarsaal aber keine Alternative. Das kann künftig in Gaststätten oder bei anderen Gelegenheiten praktiziert werden. Ich bitte deshalb um Ruhe.

(Zuruf von der Opposition: Die dürfen das jetzt nicht mehr im Wirtshaus, deshalb machen sie es hier!)

Wir werden den Kreisverwaltungsbehörden Vollzugshinweise an die Hand geben, damit das Gesetz konsistent befolgt werden kann. Im Vorfeld wurde sehr viel darüber geredet, welche Schlupflöcher es geben kann. Ich sage Ihnen ganz klar, den Versuch, den Nichtraucherschutz aufzuheben über die Behauptung, in der Gaststätte sei eine geschlossene Gesellschaft, werden wir konsequent verhindern. Die Voraussetzungen für eine geschlossene Gesellschaft, aber auch für einen Club, werden wir so fassen, dass alle Versuche, das Rauchverbot mit fadenscheinigen Tricks auszuhebeln, verhindert werden.

Aber, Herr Ministerpräsident Dr. Beckstein hat in den letzten Tagen mehrfach darauf hingewiesen: Wir werden die Gewohnheiten der Menschen, die sie über Jahrzehnte gepflegt haben, nicht brachial, sondern mit Augenmaß verändern.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ich kündige nicht an, dass wir das Gesetz nicht vollziehen wollen, im Gegenteil. Die Kreisverwaltungsbehörden werden aber mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit an die Sache herangehen. Wir werden das Land am Anfang nicht mit Bußgeldbescheiden überziehen.

Am besten wäre es, wenn wir das Gesetz gar nicht bräuchten. Wir kämen ohne Bußgeldbescheide aus, wenn alle vernünftig reagieren und das Rauchverbot aus eigener Überzeugung und aus Toleranz einhalten würden.

Die Vorbildfunktion gegenüber unseren Kindern und Jugendlichen ist hoch anzusetzen. Das gilt für die Schulen genauso wie für Krankenhäuser, Kultur- und Freizeiteinrichtungen und Sportstätten, weil dort die Vorbildfunktion ganz besonders wichtig ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, packen wir diese wichtige Aufgabe, den Schutz vor Passivrauchen in öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen, gemeinsam an, einerseits mutig und entschlossen, andererseits aber auch mit Augenmaß und Toleranz, um zum Wohle von Millionen von Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land und vor allem auch zum Wohle der Kinder und der nachkommenden Generationen den Übergang so sanft wie möglich zu gestalten.

(Beifall bei der CSU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

(Unruhe)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen wir haben jetzt einen langen Abstimmungsprozess vor uns. Ich beginne erst damit, wenn es ruhiger wird. – Ich bitte Sie, konzentriert bei der Sache zu bleiben, weil es sehr viele Abstimmungen sind.

Ich lasse zunächst über den Tagesordnungspunkt 7 abstimmen. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf der SPD-Fraktion auf Drucksache 15/7201 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik empfiehlt auf Drucksache 15/9506 die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der SPD. Gegenstimmen? – Die Fraktion der CSU und einzelne Mitglieder des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Eine Stimme aus den Reihen der SPD und mehrere Stimmen aus den Reihen des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Damit ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich lasse über den Tagesordnungspunkt 8 abstimmen. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 15/7202 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik empfiehlt auf Drucksache 15/9507 wiederum Ablehnung. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist überwiegend die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Die Fraktion der CSU und zwei Stimmen aus den Reihen der SPD. Stimmenthaltungen? – Vier Kolleginnen aus den Reihen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und die SPD-Fraktion. Damit ist dieser Gesetzentwurf ebenfalls abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 9. Dieser Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 15/8603, die Änderungsanträge auf den Drucksachen 15/9183, 9191, 9208 und 9477 sowie die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik auf der berichtigten Drucksache 15/9513 zugrunde. Vorweg lasse ich über die von den Ausschüssen zur Ablehnung vorgeschlagenen Änderungsanträge von Abgeordneten der SPD auf den Drucksachen 15/9191 und 9477 abstimmen.

Wer entgegen dem Votum des federführenden Ausschusses für Sozial, Gesundheits- und Familienpolitik dem Änderungsantrag auf der Drucksache 15/9191 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die SPD-Fraktion. Gegenstimmen? – Die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Wer entgegen dem Votum des endberatenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen dem Änderungsantrag auf Drucksache 15/9477 zustimmen will, den bitte ich ebenfalls um ein Handzeichen. – Die SPD-Fraktion und überwiegend die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Drei Stimmenthaltungen aus den Reihen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Der Änderungsantrag ist damit ebenfalls abgelehnt.