Deshalb meine ich, dass die Familie Recht hat. Es kann doch nicht sein, dass der Staat eine Familie von Gebühren befreit, weil sie soziale Probleme hat, auf der anderen Seite aber die Schule entscheidet, dass diese Familie 65 Euro für Klassenfahrten, Arbeitshefte und Sonstiges bezahlen muss. Das geht nicht. Deswegen hat die Familie Recht, und deswegen werden wir diese Petition auch zur Berücksichtigung vorschlagen, wie wir das auch im Ausschuss gemacht haben.
Ich möchte im Hinblick darauf, dass wir die Petition schon im Bildungsausschuss besprochen haben, lieber Herr Pachner, doch noch einmal die, wie ich finde, unglaubliche Diskussion im Ausschuss hier im Plenum darstellen. Lieber Herr Pachner, Sie haben bei der Behandlung der Petition nachweislich des Protokolls für die CSU-Fraktion gesagt, wenn die Petenten – es geht um die Familie, über wir gerade gesprochen haben – weniger Briefe geschrieben hätten, hätten sie den Betrag von 65 Euro allein durch eingesparte Portokosten aufgebracht.
Wissen Sie, was das ist? – Das ist zynisch im Umgang mit Familien, die sich die Beschulung ihrer Kinder nicht mehr leisten können. So gehen Sie mit den Familien um, die wirkliche Probleme haben. Sie sagen ihnen: Schreibt weniger Briefe, dann könnt ihr das bezahlen. Ich will gar nicht darauf eingehen, dass die Bürgerinnen und Bürger das Recht haben, Eingaben an diesen Landtag zu richten. Davon will ich gar nicht sprechen. Ich will Ihnen aber sagen: Dieses Beispiel zeigt eindeutig, wie Sie mit Familien umgehen wollen, die soziale Probleme haben. Lieber Herr Pachner, das ist eine Politik der Kälte, nichts anderes. Das ist einfach ärgerlich.
Ich komme zum Büchergeld zurück und möchte Ihnen ein paar Daten sagen, die immer wieder vergessen werden. Sie haben durch Ihr Büchergeld und dessen verwaltungstechnische Umsetzung in den letzten Jahren tausende von Unterrichtsstunden vernichtet. Das geschah vor dem Hintergrund des bestehenden Unterrichtsausfalls und des Lehrermangels. Der Münchner Lehrerinnen- und Lehrerverband hat es Ihnen vorgerechnet: Schulleiter, Verwaltungsangestellte und Lehrer müssen 22 Minuten aufwenden, um das Büchergeld abzuwickeln. 150 000 Schülerinnen und Schüler gibt es in München. Das bedeutet, sie haben in München 55 000 Unterrichtsstunden aufgewendet, um das Büchergeld zu erheben.
Ich meine, dass es besser gewesen wäre, wenn wir diese Unterrichtsstunden für die individuelle Förderung der Kinder verwandt hätten statt zur verwaltungstechnischen Umsetzung Ihres genialen Gesetzes.
Wenn wir diese 55 000 Unterrichtsstunden in Geld umrechnen, kommen wir zu einem interessanten Ergebnis: Wenn wir von 30 Euro für jede Stunde ausgehen, kommen wir auf eine Zahl von 1,65 Millionen Euro, die es allein in München gekostet hat, Ihr Büchergeld einzuziehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, vor so viel Verrücktheit kann man nur den Kopf schütteln. Sie müssen das aber nicht bezahlen; das mussten ja die Kommunen bezahlen. Soviel zu der kommunalfreundlichen Politik der CSU in diesem Hause.
Lieber Herr Kollege Eisenreich, diese Zahlen sind keine sozialistischen Kampfparolen. Diese Zahlen stammen von Verbänden. Der Bayerische Städtetag hat die bayernweiten Kosten für die Erhebung des Büchergelds auf 8,2 Millionen Euro beziffert. Das waren nicht wir von der SPD, sondern das war der Bayerische Städtetag.
Ich weiß schon: Wenn Ihnen was nicht passt, ist das Blödsinn. Diese Verfahrensweise kennen wir bereits.
Ich möchte zu Ihrer Erinnerung auch sagen, dass allein in Regensburg 4000 Befreiungsanträge für das Büchergeld abgewickelt werden mussten: 4000 Befreiungsanträge für 20 Euro im Schuljahr! Ich halte das für absurd. Sie sollten einmal Ihren europäischen Entbürokratisierungsmeister hier in Bayern einsetzen. Das wäre vielleicht besser.
Der Bayerische Philologenverband – das wurde auch nicht in der sozialistischen Kampfzentrale am Münchner Oberanger erfunden – hat Ihnen vorgerechnet, dass bayernweit 60 000 Unterrichtsstunden aufgrund der Tatsache ausgefallen sind, dass die Lehrer das Büchergeld abwickeln mussten.
Ich weiß nicht, was es da zu lachen gibt. Sie sollten das einmal mit Herrn Max Schmidt besprechen. Den sollten Sie auslachen, nicht mich. Herr Max Schmidt vom Bayerischen Philologenverband hat das erklärt. Ich zitiere ihn nur. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich werde ihm sagen, dass Sie ihn hier im Plenum ausgelacht haben, als ich ihn zitiert habe.
(Alexander König (CSU): Freuen Sie sich doch endlich einmal, dass die Kinder neue Bücher bekommen haben!)
Völlig ignoriert wurde der Datenschutz. Das ist völlig in Vergessenheit geraten. Der Datenschutzbeauftragte hat Ihnen im Zusammenhang mit der Einführung des Büchergelds ins Stammbuch geschrieben, dass die Erhebung des Büchergelds datenschutzrechtlich höchst bedenklich sei. Das hat Sie aber nicht interessiert. Aus datenschutzrechtlichen Gründen wäre die Einführung des Büchergelds gar nicht möglich gewesen. Das sagt der Datenschutzbeauftragte, nicht die SPD-Opposition. Auch darüber können Sie sich freuen. Wir wissen ja, dass Ihnen Argumente, die Ihnen der Datenschutzbeauftragte sagt, häufig völlig egal sind.
Zu dem Gesetzentwurf möchte ich Ihnen noch Folgendes sagen: Uns liegt ein Gesetzentwurf vor, der den finanzpolitischen Schwarzen Peter von den Eltern auf die Kommunen überträgt. Warum machen Sie das? – Sie übertragen den Kommunen den Schwarzen Peter, weil Sie genau wissen, dass die Kommunen gar nicht anders handeln können, als das Büchergeld nicht einzuziehen. Das weiß jeder Bürgermeister und jeder Gemeinderat, der hier sitzt.
Zusammenfassend möchte ich Ihnen sagen: Das Gesetz war überflüssig wie ein Kropf. Wir hätten uns viele Stunden Zeit und viel Arbeit erspart, wenn Sie die Finger davon gelassen hätten. Wir sind ebenfalls froh, wenn das Büchergeld im nächsten Jahr wieder abgeschafft
wird. Lieber Herr Kollege Eisenreich, wenn das schon neu geregelt wird, bin ich der Meinung, dass wir zu einer echten Lernmittelfreiheit kommen sollten. Sie sollten sich überlegen, ob nicht alle Kosten, die von der Schule verpflichtend eingefordert werden, in die Lernmittelfreiheit einbezogen werden sollten. Das hielte ich für eine vernünftige Regelung, gerade vor dem Hintergrund der Chancengleichheit, die es in Bayern nicht gibt.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von der CSU, eines bedaure ich in der Tat, nämlich dass Sie es nicht geschafft haben, das Büchergeld heute abzuschaffen. Das Büchergeld besteht weiter. Ich halte es nach wie vor für ein falsches bildungs- und familienpolitisches Signal. Das Büchergeld ist und bleibt ein Fehler.
Fehler haben die bayerische Bildungspolitik in den letzten Jahren wie ein roter Faden durchzogen. Ich erinnere an den hausgemachten Lehrermangel am Gymnasium und an der Realschule. Ich erinnere an das G 8, wo Sie jetzt die Lehrpläne doch entschlacken wollen. Sehr geehrte Damen und Herren von der CSU, Sie brauchen immer ziemlich lange, bis Sie ganz einfache Sachverhalte erstens begreifen und zweitens endlich erschöpfend und gut lösen.
Sie haben zwei Jahre gebraucht, um sich zu entscheiden, dass Sie dieses unsoziale „Bürokratiemonster“ abschaffen wollen. Wir befinden uns nämlich immer noch im Abschaffungsprozess. Ich bin sehr gespannt, was dabei herauskommen wird. Herr Kollege Eisenreich, Sie haben die bayerischen Eltern jahrelang zum Auffrischen des Bücherbestandes missbraucht. Es war mitnichten die Bayerische Staatsregierung, die sich finanzielle Spielräume erarbeitet hat. Es war die Bayerische Staatsregierung, die den bayerischen Eltern das Geld zum Auffrischen der bayerischen Bücherbestände aus den Taschen gezogen hat.
Sie haben hier zwei Jahre lang das Büchergeld verteidigt, obwohl – wie Herr Kollege Wägemann in einer Zeitung gesagt hat – der ganze AK „Bildung“ der CSU in den letzten beiden Jahren schon immer gegen das Büchergeld gewesen ist. Nach zwei Jahren durften Sie endlich einmal sagen, was hinter Ihren verschlossenen Türen los war. Ich muss Ihnen allerdings entgegenhalten: Dann haben Sie zwei Jahre lang in diesem Parlament gegen Ihre Überzeugung geredet.
In der Zukunft muss ich Ihre Glaubwürdigkeit an diesem Rednerpult in Frage stellen, weil ich nicht weiß, was der AK „Bildung“ der CSU eigentlich denkt.
Herr Kollege Wägemann, Ihre Äußerung demonstriert auch den Stellenwert, den Ihr Arbeitskreis und das Thema Bildung in der CSU genießen. Wenn Sie nämlich tatsächlich schon immer dagegen gewesen sind, konnten Sie sich in Ihrer Fraktion nicht durchsetzen.
Ja natürlich. Jetzt führen Sie eigentlich einen Fehler fort, den Sie schon längst eingestanden haben: Sie gehen jetzt davon ab, die Eltern zu missbrauchen und sie das finanzieren zu lassen, was eigentlich Ihre Aufgabe ist. Jetzt müssen die Kommunen für die Fehler bezahlen, die die Staatsregierung gemacht hat. Es hat nämlich jemanden in der CSU gegeben, der nicht dichtgehalten hat. Sonst hätten Sie Ihre Pläne vielleicht erst viel später verkündet. Aber einer hat nicht dichtgehalten, die Nachricht flutschte heraus. Ich glaube, es war Mitte September. Da blieb Ihnen nichts anderes übrig. Sie haben gemerkt – so gescheit sind Sie ja immerhin –, dass Sie so nicht weitermachen können. Sie mussten also eine Lösung finden. Die Lösung ist: Die Kommunen dürfen jetzt selbst entscheiden, denn sie haben einen Ermessensspielraum. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, jeder von Ihnen, der behauptet, dass die Kommunen einen Ermessensspielraum haben, kann genauso gut an das Christkind glauben. Richten Sie dem Christkind doch bitte schön einen schönen Gruß von mir aus. Die Kommunen haben keinen Ermessensspielraum. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als das Büchergeld auszusetzen.
In den Märchen gibt es ja ab und zu, Herr Kollege Kupka, gute Feen. Eine solche gute Fee ist unser Änderungsantrag. Er sagt: Der Gesetzentwurf der CSU ist vorläufig in Ordnung. Die Kommunen sollen das Büchergeld aussetzen dürfen, aber sie sollen auch eine faire finanzielle Aufgabenteilung mit dem Freistaat Bayern vornehmen. Deshalb sollen sie so viel bekommen, wie sie vor der Einführung des Büchergeldes auch in der Tasche hatten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich bitten, die Gespräche einzustellen. Es ist wirklich im Augenblick eine richtige Gesprächswelle, die auf die Rednerin zurollt.
muss ich meine Stimme so – – Also, ich danke Ihnen sehr für die Rücksichtnahme, auch dem Kollegen Eck, der sich gerade wieder umdreht.
Unser Änderungsvorschlag ist eine akzeptable Lösung, eine, die den Kommunen für das nächste Jahr so viel Geld gibt, dass sie ihre Aufgabe ordentlich erfüllen können.
Ich habe Ihnen das letzte Mal schon vorgelesen, wie die Defizite in einigen Kommunen aussehen. Ich darf noch eines nachtragen: Wir hatten am Montag in meinem Landkreis Kreistagssitzung. Wir haben zwar 58 000 Euro übrig, dieser Betrag wird aber auf zehn Schulen verteilt, Herr Minister Schneider. Sie müssen mir schon erklären, wie wir davon im nächsten Jahr einen ordentlichen Bücherbestand anschaffen sollen. Sie bekommen auch noch eine Petition von uns, die im Übrigen einstimmig verabschiedet wurde, also auch mit den Stimmen unserer CSU-Kolleginnen und Kollegen. Wir möchten Handlungsfreiheit, und wir möchten das, was uns zusteht; vier Euro pro Schüler reichen nicht aus. Deshalb ist unser Vorschlag ein guter Vorschlag.
Ich will darüber eine namentliche Abstimmung, weil das nächste Schuljahr vor der Landtagswahl beginnt. Dann müssen Sie alle sich ganz persönlich vor den Eltern verantworten, wenn nicht genug Geld da ist, um Bücher anschaffen zu können, obwohl eine Lösung auf dem Tisch des Hauses lag, die so viel kostet, wie Sie über Nacht für den Transrapid aus dem Hut gezaubert haben.
Jetzt komme ich zu der Petition. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir zuhören würden, weil es bei dieser Petition um Armut geht. Ich mache mir die Mühe und schildere Ihnen nochmals die Situation der Familie. Die Familie hat 450 Euro zum Leben. Sie besteht aus Vater, Mutter, einem Kind und einem weiteren Kind mit Downsyndrom. Mit 500 Euro monatlich zahlen sie ihr Haus ab. Die Eltern haben ihre Armut offen ausgesprochen. Sie haben auch so Antworten bekommen wie, man lebe doch hier im Speckgürtel, es könne nicht sein, dass eine Familie kein Geld hat. Die Eltern wurden nicht darauf hingewiesen, dass man sich vom Büchergeld befreien lassen kann. Hier geht es um die sogenannten übrigen Lernmittel, wie Arbeitshefte, Zeichenpapier, Schreibhefte, Klassenlektüre, Theaterbesuch und einen Schulausflug. Gemessen am Einkommen der Eltern machen diese – ich glaube, es waren 50 Euro – 11 % des Einkommens aus. Die Frage ist hier, was zumutbar ist. Das ist für mich das erste Problem: die Zumutbarkeit. Das Kultusministerium schreibt, es gebe keine Zumutbarkeitsgrenze: Man kann davon ausgehen, dass zumutbare Verhältnisse vorliegen, weil ja die übrigen Lernmittel in Zusammenarbeit mit dem Elternbeirat beschafft wurden. – Der Elternbeirat hat die Beschaffung nicht beanstandet.