Protocol of the Session on December 12, 2007

Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 15/8865, die Änderungsanträge auf Drucksachen 15/9282 und 15/9458 sowie die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik auf Drucksache 15/9514 zugrunde.

Der federführende Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik empfiehlt bei der Zweitberatung des Gesetzentwurfs Zustimmung mit der Maßgabe von Änderungen. Der Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen stimmt bei seiner Endberatung dieser Beschlussempfehlung zu, allerdings mit der Maßgabe weiterer Änderungen. Im Einzelnen verweise ich auf die Drucksache 15/9514.

Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CSU-Fraktion, die SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Niemand. Stimmenthaltungen? – Auch niemand. Dann ist es einstimmig so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. – Widerspruch erhebt sich nicht.

Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen zustimmen will, den bitte ich sich vom Platz zu erheben. – Gegenstimmen? – Niemand. Stimmenthaltungen? – Auch niemand. Damit ist das Gesetz einstimmig so angenommen. Es hat den Titel: „Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze“.

Mit der Annahme des Gesetzentwurfs in der soeben beschlossenen Fassung haben die Änderungsanträge auf den Drucksachen 15/9282 und 9458 ihre Erledigung gefunden. Das Hohe Haus nimmt davon Kenntnis.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung die Tagesordnungspunkte 20 und 21 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes (Drs. 15/9147) – Zweite Lesung –

Änderungsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drs. 15/9201)

Eingabe betreffend die Übernahme der Kosten für die sogenannten „übrigen Lernmittel“ an Grundschulen Az.: (BI.0900.15)

Zum Änderungsantrag auf Drucksache 15/9201 wurde von den GRÜNEN eine namentliche Abstimmung beantragt. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von 20 Minuten je Fraktion vereinbart. Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege Eisenreich.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln zum wiederholten Male das Thema Büchergeld. Zu diesem Thema ist schon so viel gesagt worden, sodass ich die 20 Minuten nicht ausschöpfen muss.

(Widerspruch des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Herr Pfaffmann schöpft sie schon aus. Wir freuen uns darauf.

Vorweg verweise ich auf die ausführlichen Stellungnahmen zu diesem Thema im Ausschuss und hier im Plenum. In dem heute uns vorliegenden Gesetzentwurf der Staatsregierung soll geregelt werden, dass zur Erhebung des Büchergeldes keine Pflicht besteht, sondern dass die Erhebung ins Ermessen der Kommunen gestellt wird. Zur Einführung des Büchergeldes sage ich nichts. Ich verweise dazu auf meine vorangegangenen Ausführungen.

Zunächst einmal eine Feststellung: Das Büchergeld soll im nächsten Schuljahr abgeschafft werden. Das ist eine gute Nachricht. Vielleicht können wir uns zumindest darauf verständigen. Diese Abschaffung ist möglich geworden, weil Bayern eine solide Haushalts- und Finanzpolitik betrieben und sich deshalb finanzielle Spielräume erarbeitet hat. Aufgrund der soliden Finanzpolitik müssen wir diese Spielräume nicht wie andere Länder zum Stopfen von Löchern verwenden, sondern haben jetzt die Möglichkeit, Maßnahmen wie die Abschaffung des Büchergeldes zu finanzieren. Ich verweise zum wiederholten Male darauf, dass Bayern das einzige Land ist, das die Beteiligung der Eltern wieder abschafft. Deswegen müssen wir uns diese Maßnahme nicht ständig zerreden lassen. Das ist ein Erfolg, und auf diesen Erfolg können wir auch stolz sein. Die solide Haushaltspolitik zahlt sich für die Bürgerinnen und Bürger aus.

Jetzt geht es um die Abschaffung selbst. Für das nächste Schuljahr brauchen wir eine Neuregelung. Zuständig für den Sachaufwand sind die Kommunen. Unser Ziel ist es, zu einer gemeinsamen Finanzierung der Lernmittel durch Freistaat und Kommunen zurückzukehren. Vor einigen Wochen ist schon ein Gesetzentwurf von der SPD eingebracht worden, der zwar abgelehnt worden ist. Den Vorschlag, die Kosten wieder in ein Drittel und in zwei Drittel aufzuteilen, unterstützen wir aber auch.

Damit wir aber wissen, auf welcher Basis die zwei Drittel oder das eine Drittel berechnet werden müssen, muss erst einmal in Erfüllung der Revisionsklausel des Gesetzes der Bücherbedarf festgestellt werden. Dann haben wir auch eine vernünftige Grundlage, um die Finanzierung der Bücher dauerhaft für die Zukunft zu regeln. Das ist für das nächste Schuljahr gedacht.

Uns geht es jetzt um das eine laufende Schuljahr, also um die Übergangsphase. Für uns war klar, dass für dieses Jahr nach wie vor die Pflicht zur Erhebung des Büchergeldes gilt. Das ist von den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände nicht unterstützt worden. Diese haben gewünscht, dass die Pflicht zur Erhebung abgeschafft wird und dass es ins Ermessen der jeweiligen Kommune gestellt wird, ob das Büchergeld erhoben wird, weil die Lage vor Ort unterschiedlich ist. Eine Ermessensregelung anstelle einer verpflichtenden Regelung lässt flexible Lösungen zu. Genau diesem Wunsch trägt jetzt der Gesetzentwurf Rechnung. Die Kommunen können vor Ort entscheiden. Für das eine Jahr zahlt der Freistaat Bayern weiterhin seine vier Euro wie bisher. Wir haben damit ein klares Ergebnis, es besteht auch Rechtssicherheit und die Kommunen haben die Möglichkeit für flexible Lösungen.

Jetzt kommen wir noch zu der Eingabe. Die Petenten sind aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse vom Büchergeld befreit. Das ist übrigens ein Beleg dafür, dass die Regelung zum Büchergeld sozial abgefedert war.

Wie überall gibt es an der Schule aber weitere Kosten, zum Beispiel für Arbeitshefte. Die Rechtslage ist klar: Diese Kosten sind von den Eltern zu tragen. Herr Pfaffmann, da stimme ich Ihnen zu: Auch ich sehe politischen Handlungsbedarf; daran besteht überhaupt kein Zweifel.

(Simone Tolle (GRÜNE): Dann ist „Material“ das Beste!)

Hier besteht politischer Handlungsbedarf. Jetzt stellt sich aber die Folgefrage: Handlungsbedarf bei wem? Sie sagen, dies sei ein Punkt, den wir im Rahmen der Lernmittelfreiheit zu regeln hätten. Wenn man das weiterdenkt, muss man sagen: Lernmittel und Bücher sind Sachaufwand; damit sind grundsätzlich die Kommunen zuständig. Das würde bedeuten, dass wir die Kommunen zusätzlich belasten würden; wenn es auch hier eine gemeinsame Finanzierung gäbe, dann würden die Kommunen zumindest mitbelastet.

Die nächste Frage, die sich anschließt, lautet: Ist es richtig, dieses Thema im Rahmen der Lernmittelfreiheit

anzugehen? – Nein, das ist es nicht. Systematisch richtig ist es, das im Rahmen von ALG I und ALG II auf Bundesebene zu regeln, z. B. im Rahmen des Familienzuschlags. Dieser wird zurzeit überarbeitet; er soll und muss auch angepasst werden. Deswegen macht es keinen Sinn, jetzt eine systematisch falsche Zwischenlösung zu machen. Daher lautet der Vorschlag: § 80 Nummer 4 unserer Geschäftsordnung anzuwenden.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Pfaffmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Eisenreich, Sie haben recht: Seit zwei Jahren debattieren wir nun in diesem Hause über das Büchergeld. Ich sage Ihnen: Das hätten wir uns alles sparen können, wenn Sie mit diesem Blödsinn gar nicht erst angefangen hätten.

(Beifall bei der SPD)

Wir hätten uns die Debatten und die Auseinandersetzungen sparen können; denn das Büchergeld ist, bleibt und war eine völlig überflüssige Maßnahme, ein Angriff auf die Lernmittelfreiheit. Das hätten wir alles nicht gebraucht. Es wäre dann hier auch nicht so oft zum Gegenstand von Plenardebatten geworden.

Zwei Vorbemerkungen zu Ihrer Wortmeldung. Sie haben gesagt – das ist ja nun wie Weihnachten –, dass Sie unseren Gesetzentwurf ebenfalls unterstützen, zu der Finanzierung aus Sachmitteln zurückzukehren. Das haben Sie eben gesagt. Ich frage mich aber: Warum haben Sie denn dann unserem Gesetzentwurf nicht zugestimmt?

(Beifall bei der SPD)

Das ist doch komisch. Sie können sich doch nicht hier hinstellen und sagen: Sie haben schon recht, aber wir lehnen das trotzdem ab. Das riecht nach ideologischer Politik, nach nichts anderem. Das ist weder sachgerecht noch den Kommunen noch den Eltern dienlich, lieber Herr Eisenreich.

(Beifall bei der SPD)

Ich stelle eine zweite Frage. Sie sagen, das Büchergeld soll nächstes Jahr abgeschafft werden. Wir freuen uns schon auch. Ich stelle aber die Frage: Warum denn erst nächstes Jahr? Wenn Sie der Meinung sind, so wie das ja auch immer wieder vom Herrn Minister verkündet wird, dass Sie jetzt die Familien entlasten wollen, warum dann erst nächstes Jahr? Machen Sie es doch gleich. Das ist doch die bessere Lösung. Das verstehe ich nicht. Das ist doch keine vernünftige Politik. Wenn man eine Meinung hat, dann sollte man sie umsetzen und das nicht in Etappen immer wieder auf die lange Bank schieben. Das zu Ihrer Wortmeldung.

Auf die Petition komme ich noch zu sprechen. Ich möchte trotzdem noch einen kleinen Rückblick, lieber Herr Eisenreich, auf dieses Thema machen. Ich habe es schon angedeutet: Es geht nicht nur darum, dass Sie ein Gesetz gemacht haben, das Eltern verpflichtet, 20 oder 40 Euro zu zahlen. Darum geht es nicht alleine. Es geht darum, dass Sie mit diesem Gesetz vor drei Jahren einen Angriff auf die Lernmittelfreiheit gestartet haben. Das ist das Entscheidende. Deswegen ist es auch gut, dass man darüber immer wieder spricht. Es geht nicht nur um 20 oder 40 Euro. Sie wollten in Bayern die Lernmittelfreiheit abschaffen. Das ist Ihnen Gott sei Dank nicht gelungen.

Ich verstehe das nicht. Die bayerische Schulpolitik benachteiligt heute schon die Kinder aus schlechter gestellten Familien. Das wissen Sie doch ganz genau. Die Pisa-Studie hat das wieder ergeben. Das wird auch so bleiben. Es geht einfach um die Bildungsgerechtigkeit. Ich finde, dass es unerträglich ist – liebe Frau Stamm, Sie haben das vorher im Rahmen der Sozialgesetzgebung angesprochen –, dass Kinder in diesem Lande ein Armutsrisiko sind.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Sie haben mit diesem Gesetz noch mehr Gebühren – dazu gehören übrigens genauso die Studiengebühren – geschaffen und weiter dazu beigetragen, dass Kinder ein Armutsrisiko sind. Sie haben nämlich die Schulkosten für Familien erhöht. Das finde ich einfach nicht in Ordnung.

Wir brauchen keine Gebühren, die die Familien, vor allen Dingen diejenigen, die von Haus aus schlechter gestellt sind, noch mehr belasten und ihnen noch mehr Schwierigkeiten bereitet, wenn sie ihre Kinder in die Schule schicken. Wir brauchen keine Gebühren, sondern wir brauchen eine Strategie, lieber Herr Eisenreich, mit der die Chancengleichheit in diesem Lande wiederhergestellt wird, vor allen Dingen die Chancengleichheit in Bildungsfragen. Das Büchergeld und die Studiengebühren gehören sicherlich nicht dazu. Chancengleichheit wäre ein gutes politisches Ziel. Von diesem Ziel haben Sie sich aber verabschiedet. Ein Beispiel war die Einführung des Büchergeldes.

Es geht nämlich nicht nur – das möchte ich auch noch dazu sagen – um die 20 oder 40 Euro. Es geht um die Gesamtkosten, also darum, was Eltern und Familien heute schon zahlen müssen, wenn sie ihre Kinder in die Schule schicken. Das Büchergeld ist in der Tat nur ein kleiner Beitrag – Herr Schneider hat gesagt: ein maßvoller Beitrag. Um diesen maßvollen Beitrag geht es nicht, sondern es geht um die Gesamtsumme. Jeder Euro, der oben draufgelegt wird, belastet die Familien. Die Gesamtsumme sieht nämlich wie folgt aus – das wissen Sie doch ganz genau –: Allein die Kosten für Fahrgeld, Büchergeld, Kopiergeld, Hefte, Stifte, Lektüre, die Schulveranstaltungen, Wandertage, Klassenfahrten und Mittagessen belasten die Familien mit über 1000 Euro pro Schuljahr. Wenn die Familie zwei Kinder hat, sind es 2000 Euro. Das ist doch das Problem.

(Zuruf von der CSU)

Das ist das Problem, das wir haben. Das ist es, was den Familien immer mehr Schwierigkeiten bereitet, ihre Kinder anständig zu beschulen. Zu diesem Betrag kommt noch der Bedarf für Nachhilfe, für den Sie auch verantwortlich sind. Es geht also nicht allein um die Höhe von 20 oder 40 Euro.

(Beifall bei der SPD)

Das darf ich hier auch einmal sagen. Heute braucht jedes vierte Kind in der Grundschule im Hinblick auf das Übertrittszeugnis Nachhilfe; im G 8 geht zum Beispiel ohne Nachhilfe gar nichts mehr. Dafür sind Sie verantwortlich, niemand sonst.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Das ist doch weltfremd!)

Das ist das Problem, das wir haben. Es geht nicht um die 40 oder 20 Euro, sondern um die Gesamtsumme, die dazu beiträgt, dass es in Bayern keine Chancengleichheit gibt, dass Bildung vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Diese Situation haben Sie mit der Einführung des Büchergeldes und der Studiengebühren verschärft,

(Zuruf von der CSU: Das glaubt Ihnen niemand, Herr Pfaffmann!)

auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen.

Nun komme ich zur Petition; Herr Eisenreich, Sie haben sie angesprochen. Da besteht politischer Handlungsbedarf – das haben Sie auch zugegeben. Ich halte es für völlig absurd, dass eine Familie, die aus sozialen Gründen von 20 Euro Büchergeld befreit ist, auf der anderen Seite verpflichtet wird, 65 Euro zu bezahlen. Das ist absurd.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))