Protocol of the Session on December 11, 2007

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Bayerische Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung tritt mit Ablauf des 31. Juli nächsten Jahres außer Kraft. Es war auf fünf Jahre begrenzt. Eine Verlängerung, die wir für dringend notwendig halten, bedarf einer entsprechenden Novellierung des Gesetzes.

Ich möchte anfangs einen kurzen Rückblick in die Geschichte des Gesetzes geben. Die SPD-Fraktion hat im Jahre 2002 einen Gesetzentwurf im Bayerischen Landtag eingebracht, der nicht das Wohlwollen der Mehrheit gefunden hat. Die Staatsregierung hat dann ein Jahr später nachgezogen. Nun liegt ein einstimmiger Beschluss des Hohen Hauses vor. Aber das Gesetz ist, wie gesagt, auf fünf Jahre befristet.

Diese Frist wird im nächsten Jahr ablaufen und wir müssen – hier herrscht hoffentlich Einigkeit in diesem Hohen Hause – das Gesetz verlängern und unbefristet stellen.

(Beifall bei der SPD)

Es betrifft nämlich eine Daueraufgabe. Trotz des allgemeinen Gleichstellungsgesetzes des Bundes und des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes müssen wir wegen der Föderalismusreform, die den Ländern deutlich mehr Kompetenzen gegeben hat, die jetzt zum Tragen kommen, darauf achten, dass das Gesetz weitergeführt wird.

Trotz des Gleichstellungsgesetzes gibt es immer noch Barrieren und Diskriminierung. Es gibt sichtbare und unsichtbare Barrieren, vor allen Dingen in den Köpfen vieler.

Es stellt sich die Frage nach der bisherigen Umsetzung des Gesetzes, das wir als SPD-Fraktion deutlich weiter gefasst haben wollten. Ich meine, im Rahmen der Beratung wird auch eine Anhörung nötig sein. Da hoffe ich auf die Zustimmung des gesamten Hohen Hauses, dass eine Anhörung durchgeführt wird.

Bei diesem Gesetz ist zu fragen: Was hat sich bewährt? Was muss verbessert werden? Welche Erkenntnisse haben wir in den vergangenen fünf Jahren gewonnen? Wie sehen die Betroffenen und die Verbände die Umsetzung des Gesetzes? Was hat es also gebracht?

Unser Vorschlag war damals, dem Landtag zweimal je Legislaturperiode über die Umsetzung berichten zu lassen. Er ist damals leider von der Mehrheitsfraktion abgelehnt worden. Aber jetzt stellt sich heraus, dass sich die Verwirklichung des Vorschlags durchaus bewährt hätte.

Wir sahen damals einen Verbesserungsbedarf und sehen ihn nach wie vor. Es hat Jahre gedauert, bis zum Beispiel die Rechtsverordnungen, die die Gebärdensprache und die Gebärdendolmetscher betreffen, bezüglich des barrierefreien Ausbaus von Internet und Intranet erlassen wurden und bis die kommunalen Behindertenbeauftragten in allen Kommunen bestellt worden sind.

Die Frage ist auch: Was ist im Bereich des barrierefreien Bauens, des barrierefreien Lebens und Wohnens im Bereich der Bauordnung, des Denkmalschutzes und des ÖPNV passiert? Was ist da aufgrund des Gesetzes verbessert worden? Was muss noch verbessert werden? Das betrifft zum Beispiel auch den Bereich des Studien

gangs Architektur. Wir wissen ja um die Freiheit der Lehre und der Entscheidung der Hochschulen, wie der Studiengang auszugestalten ist.

Zu unserem Leidwesen fehlen in dem Gesetz die Bereiche Bildung und Integration in den Kindertagesstätten und Schulen. Man muss fragen: Ist eine Änderung bzw. eine Aufnahme in das Gleichstellungsgesetz und in das BayKiBiG sowie in das EUG notwendig? Was ist bezüglich des Zugangs zur Hochschule in der Zwischenzeit passiert? Hat sich das Verbandsklagerecht bewährt? Ist es in Anspruch genommen worden? Hat sich das Konstrukt „Kommunikationshilfe“ bewährt? Hat sich die Konstruktion bewährt, dass die Behindertenbeauftragte der Staatsregierung eben bei der Staatsregierung angesiedelt ist, oder wäre es nicht besser gewesen, die Behindertenbeauftragte wie den Datenschutzbeauftragten beim Landtag anzusiedeln, wie wir es gewollt haben?

Wir sollten die Betroffenen während der Gesetzesberatung im Rahmen einer Anhörung zu Wort kommen lassen. Dies haben wir bewusst noch nicht beantragt. Denn ich hoffe, dass das gesamte Hohe Haus so beschließt. Das wäre ein deutliches Signal. – Herr Unterländer, Sie schütteln noch nicht Ihren Kopf. Damit sehe ich, dass wir zu einer Einigung kommen werden. Diese Einigung halte ich für notwendig.

Wir haben bisher keine Änderungsanträge gestellt, sondern mit dem Gesetzentwurf nur eine Verlängerung vorgesehen. Denn es ist notwendig, aufgrund einer Anhörung zu Änderungsanträgen zu kommen. Bei uns wird dies sicherlich der Fall sein. Es muss zu Änderungen und vor allem Verbesserungen des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes kommen. Artikel 118 a der Bayerischen Verfassung mit dem eindeutigen Benachteiligungsverbot und das Gleichstellungsgesetz sind noch nicht erfüllt und so umgesetzt, dass man sagen könnte: In diesen fünf Jahren wurde alles erreicht.

Die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, wie sie in Artikel 1 des Gleichstellungsgesetzes mit Blick auf die Integration von Menschen mit Behinderung beschrieben ist, ist eine Daueraufgabe. Der müssen wir uns stellen. Wir haben mit dem Gesetzentwurf das Gesetz unbefristet über den 31. Juli 2008 hinaus fortzuführen. Wir haben es jetzt in den Geschäftsgang des Landtags eingebracht, damit hier nichts versäumt wird und wir bis zum Juli kommenden Jahres Zeit haben, die Dinge ausführlich zu diskutieren. Alle Betroffenen sollten wir ausführlich zu Wort kommen lassen, damit wir mit der Integration und der gesamtgesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung sowie dem Austausch zwischen Menschen mit und ohne Behinderung ein Stück weiterkommen.

Ich hoffe, dass wir im Rahmen der Beratung dieses Gesetzes deutliche Verbesserungen beschließen werden.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Unterländer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich vorab drei grundsätzliche Bemerkungen machen, die für die Erste Lesung zur Weiterentwicklung des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes für Menschen mit Behinderung von entscheidender Bedeutung sind.

Erstens. Ich gehe davon aus, dass sich Frau Staatsministerin Stewens in der gleichen Richtung äußern wird. Es wird auch nach dem 31. Dezember 2008 ein gutes und auf der Basis des bisherigen Gesetzes existierendes Bayerisches Gleichstellungsgesetz geben. Die Gleichstellung für Menschen mit Behinderung wird in unserem Freistaat Bayern auf dieser gesetzlichen Grundlage weiterhin betrieben werden.

Zweitens. Wir müssen parallel zu dem, was die Staatsregierung sicherlich bereits eingeleitet hat, auch seitens des Parlaments den Dialogprozess mit den Behindertenorganisationen fortführen und mit denen, die in diesem Bereich tätig sind, über Weiterentwicklungen und Feinjustierungen in diesem Gesetz beraten.

Drittens. Es ist notwendig, rechtzeitig zu einer Gesetzesberatung zu kommen, damit das Gesetz noch vor Ende der Legislaturperiode verabschiedet werden kann. Es sollte nicht in die nächste Legislaturperiode hineinreichen.

Das Bayerische Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderung ist ein Erfolgsmodell, dessen Entstehung – auch darüber sind wir uns einig – etwas mühsam war. Es hat sich aber bewährt. Immerhin handelt es sich nur um einen gesetzlichen Rahmen, um eine rechtliche Basis dafür, was die Gesellschaft selber umsetzen muss.

Es geht hier um die Schaffung von Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderung. Das setzt ein Umdenken in den Köpfen der Menschen voraus. Ich stelle mir vor, dass wir immer noch die Situation haben, dass beklagt wird, dass gesunde Menschen ihren Urlaub gemeinsam mit geistig Behinderten in einem Hotel verbringen. Es werden auch ähnliche Situationen beklagt. Das zeigt, dass wir das notwendige Umdenken in den Köpfen leider noch nicht erreicht haben. Dieses Gesetz kann dazu aber einen Beitrag leisten, wenn es um das Verhältnis zwischen Staat und öffentlicher Verwaltung geht.

Frau Kollegin Steiger, ich sehe Ihren Gesetzentwurf eigentlich nur als einen Anstoß. Sie sagen, Ihnen gehe es um die Verlängerung des Gesetzes, wie es jetzt ist. Auf der anderen Seite sagen Sie jedoch, Sie wollten inhaltliche Verbesserungen vornehmen. Beides passt nicht zusammen. Wir werden uns im Ausschuss und in anderen Gremien noch ausführlich damit beschäftigen.

Lassen Sie mich einige Bereiche nennen, von denen ich glaube, dass es einen Weiterentwicklungsbedarf gibt. Ich führe zunächst den barrierefreien Zugang zu den Medien an. Wir haben dafür in den Gesetzentwurf ausdrücklich einen Artikel aufgenommen. Er betrifft gehörlose, schwer

hörige, blinde und schwerst sehbehinderte Menschen. Ich stelle hier fest, dass gerade die privaten Medien, aber leider teilweise auch die öffentlich-rechtlichen Medien noch einen großen Nachholbedarf haben.

Hier erwarten wir sowohl von den öffentlichen als auch von den privaten Sendern, dass sie endlich einen Weg einschlagen, damit dieser gesetzliche Anspruch auch in die Realität umgesetzt wird.

Der zweite Punkt ist der problemlose und unbehinderte Zugang zu den elektronischen Medien in der Verwaltung. Hier hat es die Umsetzung dieser Richtlinie gegeben, aber ich sehe noch einen gewissen Handlungsbedarf.

Schließlich ist zu prüfen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ob das im Bundesrecht vorgesehene Instrument der Zielvereinbarung – das wird von den Behindertenverbänden immer wieder angesprochen – auch im bayerischen Recht stärkeren Niederschlag finden muss.

(Christa Steiger (SPD): Aha!)

Diskutieren müssen wir über alles. Zu welchem Ergebnis wir dann kommen, wird insgesamt zu sehen sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Frau Kollegin Steiger, Sie haben das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz und das BayEUG angesprochen, also Kindergartenkinder und Schulkinder. Ich bin der Meinung, wir haben den Anspruch der Integration in Regeleinrichtungen genauso wie den der besonderen Förderung in Fördereinrichtungen gesetzlich gut geregelt. Wir müssen nur sehen, dass es von denjenigen, die das umzusetzen haben, auch immer richtig gemacht wird.

(Christa Steiger (SPD): Ja, eben!)

Das gilt für das BayKiBiG wie für das BayEUG.

(Beifall der Abgeordneten Barbara Stamm (CSU))

Die Bayerische Staatsregierung wird vor dem genannten Hintergrund sicher den Verlängerungsprozess einleiten. Wir sind für diese Diskussion offen und gehen davon aus, dass es nahtlos mit einem guten Bayerischen Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderung weitergehen wird. Das ist unser gemeinsamer Auftrag. Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Ackermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Bayerische Behindertengleichstellungsgesetz, das im Juli 2003 verabschiedet wurde, war ein wichtiger Schritt zur Integration von Menschen mit Behinderung. Gleichwohl hat es lange Zeit zu wenig gegriffen, weil die ausführenden Verordnungen sehr lange auf sich warten ließen und somit dieses Gesetz noch

lange Zeit ein relativ zahnloser Tiger war. Frau Steiger und Herr Unterländer – ich sehe ihn jetzt nicht,

(Renate Dodell (CSU): Hinter Ihnen!)

er steht stets hinter mir –, wir waren immer auf dem Internationalen Tag des behinderten Menschen und haben jahrelang versichert, wie wichtig es uns ist, dass endlich die ausführenden Verordnungen kommen, damit für die behinderten Menschen endlich effektiv etwas umgesetzt werden kann.

Die Frist für dieses Gesetz läuft eigentlich im nächsten Jahr aus, und deswegen ist es natürlich wichtig, es nicht nur unbefristet zu verlängern, sondern vor allen Dingen auch zu novellieren. Es hat sich im Laufe der Zeit gezeigt, dass es tatsächlich noch Verbesserungsbedarf gibt, und es ist wichtig, dass dieser Verbesserungsbedarf erkannt und in eine Neufassung des Gesetzes eingearbeitet wird.

Ich spreche als Beispiel nur an, dass das Benachteiligungsverbot im Gesetz neu aufgerollt werden muss. Bis jetzt ist es so, dass die Benachteiligungen immer nur festgestellt werden, aber damit allein verändert sich noch nichts. Wenn zum Beispiel festgestellt wird, dass in einem Haus kein Aufzug ist, ist damit noch nicht verbunden, dass ein Aufzug eingebaut werden muss. Das muss natürlich geändert werden. Auch bei der Barrierefreiheit muss sich etwas ändern. Bei öffentlichen Aufträgen muss die Barrierefreiheit verbindlich festgeschrieben werden. Auch das ist momentan noch nicht der Fall.

Es geht auch darum, das Wunsch- und Wahlrecht bei der Integration von Menschen mit Behinderungen noch stärker zu verankern. Auch die Fixierung der Rechte von psychisch Kranken, von psychisch behinderten Menschen gehört ins Gesetz, ebenso wie die Rechte und Pflichten der Behindertenbeauftragten gesetzlich festgelegt werden müssen. Wir haben in dieser Legislaturperiode den Antrag gestellt, die bayerische Behindertenbeauftragte nicht mehr nur ehrenamtlich zu beschäftigen, sondern hauptamtlich anzustellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sind nach wie vor der Meinung, wenn sie hauptamtlich beschäftigt und dem Landtag angegliedert würde, wäre das der richtige Weg. Wenn man sich vorstellt, dass eine Frau für alle behinderten Menschen in ganz Bayern zuständig ist und das ehrenamtlich macht, ist doch logisch, dass sie überfordert ist, dass sie viele Dinge nicht wahrnehmen kann. Das ist sehr, sehr schade, denn sie macht ihre Arbeit wirklich sehr gut.

(Beifall bei den GRÜNEN)