Protocol of the Session on November 27, 2007

Die vorgesehene Besoldungserhöhung ist etwas Positives. Ich hoffe, dass die Beamtinnen und Beamten über diesem relativ schnellen und unerwarteten Handeln nicht vergessen, wie Sie in den letzten Jahren mit ihnen umgegangen sind. Ich behaupte immer, das Beamtentum ist eine moderne Form der Leibeigenschaft; sie können sich nicht gegen das wehren, was die Politik für sie beschließt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sehe, dass die Staatsregierung bemüht ist, die Leistung der Beamtinnen und Beamten zu würdigen.

(Christa Naaß (SPD): Zuhören!)

Der braucht nicht zuzuhören, ihn interessiert doch nicht, was ich sage.

(Heiterkeit bei der CSU)

Ob die Beamtinnen und Beamten so schnell vergessen, werden wir in der Zukunft sehen. Ich sehe jetzt, dass die Staatsregierung sehr darum bemüht ist, die Leistungen der Beamtinnen und Beamten zu würdigen und ins rechte Licht zu stellen, man könnte auch sagen: sich bei ihnen einzuschleimen. Ob das etwas nutzen wird, ist eine andere Frage.

Herr Kollege Pachner, ich weiß nicht, wie Sie zum Thema Hauptschullehrer und – lehrerinnen kommen. Ich halte es für absolut notwendig, dass wir bei der Besoldung etwas machen. Sie werden allerdings mittelfristig ein Problem nicht lösen können: Sie haben schlicht und ergreifend keine Hauptschullehrer mehr. In diesem Schuljahr wurden alle 320 Hauptschullehrer, die ihr Zweites Staatsexamen mit einer Note besser als 3,5 abgelegt haben, angestellt, ebenso 260 Grundschullehrer. Da haben wir die Mobilen Reserven noch gar nicht dabei. Unter dem Strich wird es so sein, dass in diesem Jahr mehr Grundschullehrer als Hauptschullehrer eingestellt wurden. Bis Sie diese Scharte auswetzen – das müssen Sie wohl zugeben, Herr Pachner –, bis die Besoldungsanpassung bei den Hauptschullehrern, wenn die überhaupt kommt, so durchschlägt, dass Sie mehr Lehramtsstudenten für das Lehramt an Hauptschulen gewinnen, werden wohl noch einige Jahre ins Land gehen.

Ich persönlich bin der Meinung, dass wir das gar nicht brauchen, weil wir die Hauptschule abschaffen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Aussprache ist damit geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Dann ist es so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 b auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes und des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Drs. 15/9366) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung begründet. Das Wort hat Frau Staatsministerin Stewens.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Einen effektiven Kinderschutz sicherzustellen, hat für die Bayerische Staatsregierung schon immer oberste Priorität, und es besteht bereits ein beachtliches Gesamtkonzept mit vielfältigen präventiven Maßnahmen, die ich gestern auch auf der Landeskinderschutzkonferenz vorgestellt habe. Allerdings muss jede weitere Verbesserungsmöglichkeit genutzt werden. Deshalb ist es eine Daueraufgabe, in Zusammenarbeit mit der Praxis vor Ort den Kinderschutz kontinuierlich weiterzuentwickeln; denn es ist uns allen ein besonderes Anliegen, ein gesundes Aufwachsen und einen bestmöglichen Schutz der Kinder und Jugendlichen zu ermöglichen.

Es gibt zurzeit zwei aktuelle Handlungsfelder – es gibt noch mehr –, aber zwei daraus möchte ich beispielhaft nennen: Das ist zum einen die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Wir wissen, dass es hier eine auffällige Zunahme von gesundheitlichen Problemen gibt. Ich denke nur an Adipositas, Übergewicht, Depressionsanfälligkeiten usw. Das hat auch der 110. Ärztetag in diesem Jahr festgestellt.

Der zweite Bereich, den ich hier noch nennen möchte, ist der Kinderschutz. In der letzten Zeit wurden immer wieder tragische Fälle von Kindesmisshandlungen und Vernachlässigungen mit Todesfolge bekannt. Allen Fällen war gemeinsam, dass es Schwierigkeiten und Schwächen bei der Kooperation der beteiligten Hilfesysteme und unklare Verfahrensabsprachen gab. Die entwicklungspsychologische Forschung zeigt, dass gerade die erste Lebensphase besonders entscheidend und wichtig für die weitere Entwicklung eines Menschen ist.

In dieser ersten Lebensphase haben zum Beispiel Ärzte und Hebammen und auch der öffentliche Gesundheitsdienst üblicherweise Kontakt mit den Eltern. Je früher Klarheit über eine Kindeswohlgefährdung geschaffen werden kann, desto größer ist die Chance, mit präventiven niederschwelligen Angeboten und zum Teil mit professionellen Hilfeangeboten Schlimmeres zu verhindern.

Genau hier setzt der Gesetzentwurf an. Ziel ist eine Verbesserung der gesundheitlichen Vorsorge sowie des Kinderschutzes. Der Gesetzentwurf besteht aus vier zentralen Bestandteilen: Das ist zum einen die Verpflichtung der Eltern, die Teilnahme ihrer Kinder an Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen sicherzustellen. Das wird an einzelnen Bausteinen festgemacht, zum Beispiel wird der Bezug von Landeserziehungsgeld an den Teilnahmenachweis gekoppelt. Auch bei der Kindergarteneinschreibung soll der Nachweis der Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen vorgelegt werden.

Ferner können bei der nunmehr verpflichtenden Schuleingangsuntersuchung wichtige Hinweise auf gesundheitliche Risiken bei Kindern gewonnen werden. In diesem Zusammenhang sind die Eltern auch zur Vorlage des Teilnahmenachweises der U 9 verpflichtet.

Als dritten wichtigen Punkt haben wir die Mitteilungspflicht für Ärzte und Hebammen. Bei krisenhaften Zuspit

zungen besteht hoher Handlungsdruck. Deshalb muss zur Sicherstellung des Kindeswohls auch ohne Einverständnis der Eltern konsequent gehandelt werden. Wenn Ärzte oder Hebammen gewichtige Anhaltspunkte für Misshandlungen, Vernachlässigungen oder sexuellen Missbrauch feststellen, muss eine Mitteilungspflicht von Ärzten und Hebammen gegenüber den Jugendämtern vorgesehen werden. Eine Strafbarkeit wegen Verstoßes gegen die Schweigepflicht ist in solchen Fällen ausgeschlossen.

Der vierte wichtige Punkt ist die Vernetzung des Gesundheitswesens mit der Kinder- und Jugendhilfe.

Wir brauchen eine stärkere Vernetzung und Kooperation von Gesundheits- und Jugendämtern. Interdisziplinäre Kooperation bedeutet, bei den Eltern für die Inanspruchnahme von Unterstützungsmöglichkeiten anderer Institutionen und Einrichtungen zu werben, Hemmschwellen abzubauen und rechtzeitig dann in die professionelle Hilfe hinein Brücken zu schlagen. Auch das ist gestern bei der Landeskinderschutzkonferenz sehr deutlich zur Sprache gekommen.

Wir haben wichtige Weichenstellungen in diesem Gesetzentwurf vorgenommen. Ich bitte Sie daher um Unterstützung des Gesetzesvorhabens und um wohlwollende Beratung in den Ausschüssen.

(Beifall bei der CSU)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung: Frau Kollegin Sonnenholzner.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stellen eine große Übereinstimmung in dem verfolgten Ziel des Schutzes von Kindern und Jugendlichen fest. Leider diskutieren wir ein erneutes Mal dieses Thema vor dem Hintergrund eines dramatischen Todesfalles in diesem Bereich. Von daher muss es unser aller Ziel sein – da haben Sie uns ganz auf Ihrer Seite, Frau Staatsministerin –, soweit es irgendwie geht, die Kinder vor Vernachlässigung und Misshandlung in diesem Lande zu schützen.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich ist es in diesem Zusammenhang sinnvoll, ein Gesamtkonzept zu erarbeiten, das auch die von Ihnen angesprochenen Fragen der Gesundheit insgesamt einbezieht. Sie haben das Thema Adipositas bei Kindern angesprochen, Frau Staatsministerin. Aber das ist kein neues Problem. Sie haben doch die Mittel für die Ernährungsberatung annähernd auf Null heruntergefahren,

(Beifall bei der SPD)

und Sie haben in vielen Bereichen genau das Gegenteil dessen getan, was Sie jetzt hier fordern.

Wir haben bereits im vergangenen Jahr gefordert, ein Gesamtkonzept für ein Frühwarnsystem zu erstellen; denn

das grundlegende Problem sind nicht fehlende gesetzliche Grundlagen, sondern es ist die fehlende Kommunikation und Vernetzung der verschiedenen Akteure.

(Beifall bei der SPD)

Sie fordern jetzt eine verpflichtende Schuleingangsuntersuchung. Wir freuen uns, Frau Stewens, dass Sie jetzt auch bei dieser Forderung angekommen sind. Das haben wir bereits im Zusammenhang mit der Beratung unserer Anträge zu diesem Thema gefordert. Es ist erfreulich, dass Sie jetzt im Jahre 2007 ebenfalls zu dieser Erkenntnis kommen.

(Beifall bei der SPD)

Sinnvoll ist das im Übrigen nicht nur vor dem Hintergrund von Misshandlungen und Vernachlässigung von Kindern; denn eine Schuleingangsuntersuchung ergibt nur einen punktuellen Eindruck.

(Simone Tolle (GRÜNE): Zu spät!)

Vielmehr liegt es insgesamt in der staatlichen Verantwortung, diesen Bereich mit dem staatlichen Gesundheitssystem abzudecken. Dazu bräuchten Sie allerdings keine Änderung des Gesetzes, aber wenn Sie sich damit selbst verpflichten wollen, soll uns das recht sein. Das bedeutet aber, dass der öffentliche Gesundheitsdienst auch in die Lage versetzt werden muss, nach diesen Vorstellungen zu handeln.

(Beifall bei der SPD)

Die verpflichtenden Untersuchungen U 1 bis U 9 – ich sage das zum wiederholten Mal – gaukeln eine Pseudosicherheit vor. Die Abstände der Untersuchungen sind unzureichend. Bei Säuglingen reichen zum Verhungern drei bis vier Tage. Das wurde uns gestern auf der Konferenz bestätigt. Rund 50 % der Todesfälle in diesem Bereich passieren eben genau im ersten Lebensjahr.

Und was passiert denn mit den Eltern, die trotz gekürzten Erziehungsgeldes, trotz gekürzter Leistungen nicht zum Kinderarzt gehen?

(Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Deren Kinder erfassen Sie mit Ihrem Gesetzentwurf erst dann, wenn sie eingeschult werden und sich der Schuleingangsuntersuchung unterziehen müssen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Viel zu spät!)

Auch das kann so nicht gewollt sein. Ich kann mich nur wiederholen: Sie müssen uns nicht glauben, und Sie müssen auch Ulla Schmidt nicht glauben, da sie nicht Ihrer Partei angehört. Aber glauben Sie doch wenigstens Frau von der Leyen und den Kinder- und Jugendärzten,

die genau dieses Problem immer wieder zum Thema machen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben zu Recht die Bedeutung von Prävention und niederschwelligen Angeboten in der ersten Phase nach der Geburt angesprochen. Das aber ist genau das, was Sie flächendeckend einzuführen nicht bereit sind; denn das Gesetz setzt ja nur auf diese Untersuchungen.

Sie haben in dieses Gesetz die Meldepflicht für die beteiligten Berufsgruppen hineingeschrieben. Auch dessen bedürfte es eigentlich nicht, weil auch dieses bereits geregelt ist. Bereits jetzt muss bei verlässlichen Anhaltspunkten eine Meldung erfolgen, wenn eine drohende Gefahr für Leben oder Gesundheit – in erster Linie geht es um die Gesundheit, und dann geht es um das Leben – nicht anders abgewehrt werden kann. Also brauchen Sie keine Meldepflicht hineinzuschreiben. Wichtig sind eine bessere Qualifizierung und eine größere Sensibilisierung der betroffenen Berufsgruppen und, über diese Berufsgruppen hinaus, der Bevölkerung insgesamt für diese Probleme.