Protocol of the Session on July 19, 2007

Das ist Informationspolitik à la Bayern.

Ich sage es noch einmal: Vier meldepfl ichtige Ereignisse in Grafenrheinfeld im April 2007 wurden erst Anfang Mai in einer Sammelpressemitteilung bekannt gegeben. Nach der Störfallmeldeverordnung wäre hier ein Zeitrahmen von fünf Tagen vorgeschrieben.

Zur periodischen Sicherheitsüberprüfung: Diese ist im Atomgesetz in § 19 a Absatz 1 geregelt. Die Termine sind in Anlage 4 aufgeführt. Frau Merkel hat selbst gesagt, dass eine periodische Sicherheitsüberprüfung innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen sein sollte. Im Kraftwerk Isar 1 wäre diese Überprüfung bis zum Ende des Jahres 2004 durchzuführen gewesen. Bis heute – ungeachtet der vorliegenden Aktenordner – wurde nichts veröffentlicht. Hier gibt es erhebliche Defi zite. Wenn Sie ein bisschen Mut, Kraft und Verantwortungsbewusstsein für die Bevölkerung in Bayern aufbringen, dann fordern Sie heute die Vorlage dieser periodischen Sicherheitsüberprüfung für das Kraftwerk Isar 1.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist das Mindeste, wozu Sie sich durchringen sollten. Das ist nach dem Atomgesetz so vorgeschrieben. In Bayern wird jedoch weiter verzögert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Meißner, wollen Sie darauf antworten?

(Christian Meißner (CSU): Nein, wirklich nicht!)

Ich darf in Erinnerung rufen, dass für Zwischeninterventionen nur zwei Minuten zur Verfügung stehen. Achten Sie bitte auf die Zeit. Ich wollte Sie jedoch nicht unterbrechen. Jetzt darf ich Herrn Kollegen Dr. Magerl das Wort erteilen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Das war ein Fehler meinerseits. Frau Kollegin Biedefeld, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Das Märchen der Atomlobby und das Märchen der CSU von angeblich zu 100 % sicheren deutschen Atommeilern hat ein jähes Ende gefunden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Hen- ning Kaul (CSU): Wo steht das? Würden Sie mir die Fundstelle zukommen lassen, Frau Kollegin?)

Das ist so. Sie müssen nur den Menschen draußen zuhören. Es wird sicherlich Umfragen geben, wie die Bevöl

kerung jetzt zur Atomkraft und zu Ihrer Atompolitik steht. Die Atomkraft ist und bleibt eine Risikotechnologie. Das durften wir in den letzten Tagen einmal mehr eindrucksvoll erfahren. Herr Kollege Kaul, Sie haben sicherlich mitbekommen, was in den letzten Tagen abgelaufen und durch die Medien gegangen ist und wie die Menschen darauf reagieren.

Die Verantwortlichen von Vattenfall haben vertuscht, verzögert und die Wahrheit nur scheibchenweise an die Öffentlichkeit gelassen. Nur aufgrund des Drucks der Öffentlichkeit kamen immer mehr Informationen ans Licht. Ansonsten wurde jedoch vertuscht und verzögert. So schafft man kein Vertrauen bei den Menschen. Das ist keine Informationspolitik, und das ist schon gar keine Vertrauensarbeit für die Atomenergie oder für die Atompolitik.

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Meißner?

Später. Herr Kollege Meißner, Sie können auch eine Zwischenintervention machen.

Die Atomlobby hat sich selbst einen Bärendienst erwiesen. Die Atomlobby ist jetzt selbst den Beweis dafür angetreten, dass es nicht stimmt, dass wir absolut sichere Atomkraftwerke hätten. Was sich jetzt bei den Reaktoren Krümmel und Brunsbüttel abspielt, wirft ein verheerendes Licht auf die deutsche und die bayerische Atomkraft.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Unzuverlässigkeit und mangelnde Transparenz stehen im krassen Widerspruch zu der notwendigen hohen Sensibilität, die der Umgang mit dieser Hochrisikotechnologie Atomkraft zwingend erfordert. Ich wiederhole es noch einmal: Das Märchen von angeblich sicheren deutschen Atommeilern hat ein jähes Ende gefunden. Die Reaktorbetreiber haben sich selbst disqualifi ziert.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Immer wieder wurde und wird betont, die deutschen Atommeiler – speziell die bayerischen – seien die sichersten auf der Welt überhaupt. Störfälle – so etwas gäbe es nur in Osteuropa, Schweden oder sonst wo auf der Welt, aber nicht in Deutschland und schon gar nicht in Bayern. Wir haben erst kürzlich – zum Tschernobyl-Tag – von der CSU-Staatsregierung und von der CSU-Fraktion gehört, dass es gerade in Bayern die sichersten Atomkraftwerke gäbe. Das haben Sie laut herausposaunt. Ich sage es an dieser Stelle zum wiederholten Male: Werte Kolleginnen und Kollegen, täuschen Sie die Menschen nicht länger, täuschen Sie keine Sicherheit vor, die es nicht gibt und die Sie nicht gewährleisten können!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Gefahr ist immer da; denn egal wie gut AKWs gebaut sind, bei der Nukleartechnologie kann es nie eine hundertprozentige Sicherheit geben.

(Engelbert Kupka (CSU): Aber bei den Kohlekraftwerken haben wir sie!)

Das wird von vielen Wissenschaftlern immer wieder erklärt. Kürzlich hat der Quantenphysiker und Schriftsteller Ralf Bönt in der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt: „Die Gefahr ist immer da; denn egal wie gut AKWs gebaut sind, bei der Nukleartechnik kann es nie Sicherheit geben.“

(Henning Kaul (CSU): Das ist das Problem der Technik-Nutzung allgemein, Frau Kollegin!)

Herr Kollege Kaul, im Gegensatz zu Ihnen verfügt dieser Quantenphysiker über einen hohen Fachverstand und Sachverstand.

(Henning Kaul (CSU): Frau Kollegin, wenn es danach ginge, dürften Sie nicht ans Mikrofon gehen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Atomkraft lässt sich nicht zu 100 % beherrschen. Deshalb ist es umso wichtiger, den Atomausstieg so rasch wie möglich zu vollziehen und einen vernünftigen Energiemix mit einem verstärkten Anteil erneuerbarer Energien zu forcieren. Hier liegt die Zukunft, nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch. Hier liegt die Zukunft, was die Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze betrifft. Hier liegt die Zukunft für Bayern.

(Beifall bei der SPD)

Für das Land Bayern muss endlich das Begleitprogramm für den Atomausstieg erstellt werden. Wir haben einen eigenen Antrag eingebracht, der auf Zielvorgaben für die Klimareduzierung abzielt und mit dem der Ausbau erneuerbarer Energien gefordert wird. Dieser Antrag mit dem Titel „Energie Bayern 2020“ wurde noch nicht behandelt. Es werden weitere parlamentarische Initiativen der SPD folgen. Wir werden nicht nachlassen, von Ihnen ein Gesamtkonzept für den Ausstieg aus der Atomenergie und damit einen Einstieg in die Zukunft und die damit verbundene Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen sowie für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger zu fordern.

(Beifall bei der SPD)

Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und in Bayern haben ein Recht darauf, zu erfahren, welchen Risiken sie ausgesetzt sind. Deshalb müssen meldepfl ichtige Ereignisse für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Herr Kollege Meißner, der Begriff „zeitnah“ reicht hier nicht aus. Hier gibt es klare gesetzliche Vorgaben, an die sich die CSU-Staatsregierung nicht hält. Meldepfl ichtige Ereignisse müssen der Öffentlichkeit mit klaren Zeitvorgaben zugänglich gemacht werden. Das ist Ihr Auftrag. Das ist der Auftrag der CSU-Staatsregierung. Diesem Auftrag werden Sie nicht gerecht. Diese Hausaufgaben haben

Sie nicht gemacht. Die Staatsregierung kann jetzt zeigen, ob sie näher am Menschen oder näher an der Atomlobby ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sorgen Sie endlich dafür, dass Eon, Vattenfall und RWE die interessierte bayerische Öffentlichkeit über meldepfl ichtige Ereignisse informieren. Sie sind dazu gesetzlich verpfl ichtet.

Frau Kollegin, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Meißner?

Ich habe gesagt, Herr Kollege Meißner kann eine Zwischenintervention machen.

Herr Kollege Meißner, Frau Kollegin Biedefeld empfi ehlt Ihnen, eine Zwischenbemerkung zu machen und keine Zwischenfrage zu stellen. Das müssen Sie selbst beurteilen.

Wir wollen diese Information auf der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz.

Da gehören diese Informationen auch hin, und zwar entsprechend den gesetzlichen zeitlichen Vorgaben, nämlich aktuell.

Bei Vattenfall wurden jetzt Köpfe ausgetauscht. Es ist okay, dass die Menschen, die an der Spitze stehen und für diesen Bereich zuständig sind und Verantwortung tragen, gehen müssen. Das ist richtig. Kolleginnen und Kollegen, deshalb werden aber die Kernkraftwerke nicht sicherer. Allein Köpfe auszutauschen reicht nicht aus.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es um Informationspolitik und darum geht, den Bürgerinnen und Bürgern ausreichende und aktuelle Informationen zu geben, und wenn Personen gehen müssen, dann hätten schon viele im bayerischen Umweltministerium gehen müssen, weil die Information nie aktuell erfolgt ist.

(Beifall bei der SPD)

Das Bayerische Umweltministerium wäre schon halb leer, wenn diejenigen, die Verantwortung tragen, auch zur Rechenschaft gezogen würden.

Daher gehe ich mit der Auffassung unseres Umweltministers Sigmar Gabriel konform – ich nenne das Stichwort Restlaufzeiten –, der die älteren und unsicheren Atomreaktoren rascher vom Netz nehmen und dafür die jüngeren Anlagen länger laufen lassen will. Es kann und darf nicht sein, dass wieder ausschließlich der wirtschaftliche Aspekt der Abschreibung gesehen wird.

Wenn ein Kernkraftwerk abgeschrieben ist, ist es eine reine Gelddruckmaschine;

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)