Protocol of the Session on July 17, 2002

Grundsätzlich sind neben der Bundestagswahl andere Wahlen nicht zulässig. Nach Artikel 10 Absatz 2 des

Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes kann davon aber eine Ausnahme gemacht werden, wenn eine Beeinflussung nicht für möglich gehalten wird. Allerdings müssen wir es ernst nehmen, dass von den verschiedenen Parteien Beeinflussungen in unterschiedlicher Form für möglich gehalten werden. Leute der CSU sagen – so steht es in den Zeitungen –, die Wiederholung der Stadtrats- und Kreistagswahl könnte auf die Bundestagswahl negative Auswirkungen haben. Aus Kreisen der SPD wird behauptet, es könnte negative Auswirkungen für die Kommunalwahlen geben. Jedenfalls schließe ich daraus, dass eine gegenseitige Beeinflussung auf mehrfache Weise für möglich gehalten wird. Ich habe deswegen den Herrn Regierungspräsidenten gebeten, bei Eintritt der Bestandskraft der Ungültigerklärung die Beteiligten an einen Tisch zu bringen, um in der Frage des Wahltermins Übereinstimmung zu erzielen.

Ich sage Ihnen auch, warum ich meine Auffassung für richtig halte. Entscheidend muss doch sein, dass wir ein möglichst korrektes Verfahren durchführen, damit der Streit über das Verfahren nicht fortgesetzt wird. Die Demokratie lebt davon, dass Wahlen Legitimation verschaffen, nicht aber davon, dass der Streit weiter getrieben wird. Deshalb habe ich den Regierungspräsidenten darum gebeten, bei Eintritt der Bestandskraft zu versuchen, ein übereinstimmendes Ergebnis zu erzielen. Sollte das nicht gelingen, wird der Innenminister entscheiden, und dann wird auf jeden Fall mit Vernunft und Richtigkeit entschieden.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe den Dringlichkeitsantrag der SPD gelesen und hätte jetzt von Ihnen, Herr Maget, eigentlich erwartet, dass Sie ausdrücklich bravo rufen.

(Maget (SPD): Wir haben Sie heute schon so viel gelobt wie noch nie, das muss doch für Sie schon fast peinlich sein!)

Da muss ich etwas falsch gemacht haben. Ich gebe zu, dass mich das Lob, welches ich in diesem Dringlichkeitsantrag gelesen habe, sehr zum Nachdenken veranlasst hat, ob ich nicht etwas falsch gemacht habe.

(Maget (SPD): Sie sollten in sich gehen!)

Trotzdem will ich mich für dieses Lob bedanken. Ich will aber eine Bemerkung machen, ohne die Debatte übermäßig zu verschärfen. Bei einer der letzten Debatten in diesem Hause haben Sie, Herr Kollege Gantzer, ohne jeden vernünftigen Anlass die Rechtsaufsichtsbehörde und mein Haus in den Zusammenhang mit organisierter Kriminalität gebracht. Das war peinlich und unanständig im höchsten Maße.

(Beifall bei der CSU)

Wie schnelllebig die Politik ist, zeigt die Tatsache, dass mir bei der letzten Behandlung dieses Themas Vorwürfe gemacht wurden, weil ich mich bemüht habe, ganz korrekt und glasklar das Wahlrecht ohne Ansehen von Personen und ohne Ansehen von Parteien zu vollziehen,

(Mehrlich (SPD): Das ist doch eine Selbstverständlichkeit!)

während ich jetzt dafür Lob erfahre. So schnell geht es im Leben. Gerade bei einem Innenminister gibt es immer wieder Höhen und Tiefen. Dass es in diesem Fall im Moment besonders viele Höhen gibt, ist ja nur positiv.

Jetzt möchte ich nur noch eine Bemerkung machen. Zu meiner Überraschung lese ich, dass der Kollege Glück und ich die Frage der Rechtsmitteleinlegung unterschiedlich beurteilen würden. Mir ist das unverständlich. Ich habe mich in mehreren Rundfunkinterviews mit örtlichen Sendern dahin gehend geäußert, dass es nicht Aufgabe des Innenministers ist, sich zu der Frage zu äußern, ob jemand von Rechtsmitteln Gebrauch macht oder nicht. Ich hätte mich auch nicht dazu geäußert, wenn eine andere Entscheidung ergangen wäre und Herr Piller oder ein anderer diese angefochten hätte. Im Rechtsstaat gibt es die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen. Auch wenn man sich manchmal über Urteile ärgern muss – gestern gab es einen derartigen Fall und heute schon wieder, aber der Ärger hält sich in Grenzen –,

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das mehrt sich!)

muss man die Urteile doch respektieren. Selbstverständlich war es das gute Recht des jungen Türken, dass er die Gerichte bemüht hat. Keiner wird auf die Idee kommen, den Landtag aufzufordern, an ihn zu appellieren, dass er keine Rechtsmittel einlegt. Deswegen habe ich mich auch hier selbstverständlich nicht zur Frage zu äußern, ob ein Betroffener Rechtsmittel einlegt oder nicht. Der Rechtsstaat ermöglicht ihm das Einlegen von Rechtsmitteln. Es ist nicht die Aufgabe der Rechtsaufsichtsbehörden sich zur Frage zu äußern, ob man jemandem Rechtsmittel empfiehlt oder nicht. Das muss der Betreffende selbst entscheiden.

Ich als Innenminister habe das Interesse, dass möglichst schnell korrekte Verhältnisse hergestellt werden. Deswegen habe ich auch immer wieder versucht, die Fristen für die Wahl möglichst kurz zu halten. Ich halte es aber nicht für fair, Unterschiede in die Äußerungen von Herrn Fraktionsvorsitzenden Glück und von mir hinein zu interpretieren.

Eine abschließende Bemerkung, meine Damen und Herren Kollegen. Natürlich müssen wir über den Einzelfall hinaus die Briefwahl überprüfen. Wir bekommen viele Schreiben mit der Aufforderung, dass wir die Briefwahl überprüfen sollten. Natürlich werden wir eine ganze Menge von schlechten Erfahrungen, die wir in Dachau gemacht haben, zur Grundlage der Überprüfung des Kommunalwahlrechts für die nächste Kommunalwahl machen. Von den Regierungen haben wir Erfahrungsberichte angefordert. Selbstverständlich werden wir die Erfahrungen in Dachau bezüglich der Briefwahl in besonderer Weise in die Überlegungen einbeziehen. Darüber werden wir miteinander diskutieren. Diese Frage wird dann sicher auch dem Landtag zur Entscheidung vorgelegt werden.

Ich will Ihnen aber versichern, dass die Rechtsaufsichtsbehörden und insbesondere auch ich selbst nicht irgendwelche parteipolitischen Interessen in den Vordergrund stellen oder überhaupt in Erwägung ziehen. Es geht uns ausschließlich darum, dass eine Wahl korrekt durchgeführt werden kann; denn wir sollten uns alle darüber im Klaren sein, dass in der Demokratie die entscheidende Frage die Legitimation ist. Deswegen bitte ich bei den GRÜNEN um Verständnis dafür, dass eine neuerliche Überprüfung der Frage des Sofortvollzugs nicht notwendig ist, weil die Auffassungen von allen Beteiligten in mehreren Vermerken in der Weise dargelegt worden sind, wie ich es hier dargestellt habe.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Maget hat sich zu Wort gemeldet. Die SPD verfügt noch über eine Redezeit von vier Minuten.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stimmen mit einer winzigen Ausnahme in der rechtlichen Bewertung des Vorgangs überein. Die einzige Ausnahme ist – das bezieht sich auf die Frage des Sofortvollzuges – die Bewertung, die Sie aus Ihrem Vermerk verlesen haben. In der Kommunalverfassung wird das Kommunalparlament höher bewertet und höher gestellt als der Oberbürgermeister, und deswegen ist die unterschiedliche Behandlung in der Frage des Sofortvollzugs jetzt zugunsten des Oberbürgermeisters aus unserer Sicht zumindest fragwürdig. Das sage ich deshalb, um zu erläutern, warum wir dem Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN zustimmen.

Insgesamt sage ich noch einmal ganz klar: Niemand stellt in Zweifel, dass der Dachauer Oberbürgermeister das Recht hat, Rechtsmittel einzulegen. Deshalb zielt unser Antrag auf die politische Seite dieser Geschichte. Das sollte uns als Demokraten und Mitglieder demokratischer Parteien schon interessieren.

(Beifall der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

Das meinte Herr Kollege Prof. Dr. Gantzer, als er von organisierter Kriminalität gesprochen hat. In Dachau hat eine organisierte Wahlfälschung von Mitgliedern der CSU, nicht von der CSU, stattgefunden, und zwar zugunsten von Politikern der CSU und möglicherweise auch zugunsten des Oberbürgermeisters. Sonst wären die Behörden nicht zu der Entscheidung gekommen, auch eine Wiederholung der Stichwahl vorzusehen. Das ist der Punkt, um den es uns geht. Der Oberbürgermeister von Dachau ist mit dem Makel der Wahlfälschung behaftet. Ein solcher Oberbürgermeister kann nicht im Amt bleiben, wenn er nicht der Demokratie schaden will.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was kann der Demokratie Schlimmeres passieren, als dass die Grundlage der Demokratie, nämlich die Wahl, gefälscht wird? Deshalb wundert uns die Haltung, die

teilweise von Ihnen eingenommen wird. Wir vermissen das klare Wort des CSU-Vorsitzenden gegenüber einem seiner kommunalen Mandatsträger. Er müsste sagen: Tritt zurück, du bist mit diesem Makel behaftet und schadest uns als Partei und der Demokratie insgesamt.

Ich habe auch Sie, Herr Kollege Glück, nicht verstanden, weil Sie mit Ihren Äußerungen zumindest den Eindruck erwecken, als würden Sie dem Oberbürgermeister den Rücken stärken, im Amt zu bleiben. Dass er Rechtsmittel einlegen kann, ist eine pure Selbstverständlichkeit. Ich hätte mir aber gewünscht, ihm zu sagen: Tritt zurück, mach den Weg frei für demokratische Wahlen. Dieses Wort soll heute von diesem Haus in Richtung Dachau gesprochen werden. Ich kann nur die Erwartung äußern, dass Sie sich einem solchen klaren Wort von Demokraten nicht entziehen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung hat Herr Kollege Glück.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Leider haben wir keine Redezeit mehr zur Verfügung. Die anderen Fraktionen waren nicht bereit, mir Redezeit zuzugestehen.

(Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Machen Sie das denn?)

Das ist ihr gutes Recht. Aber lassen Sie mich hinzufügen, dass es mein gutes Recht ist, künftig bei Redezeitregelungen nicht so großzügig zu sein, wie ich es wiederholt war.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war keine Erklärung zur Abstimmung, Herr Kollege Glück. Bitte, kommen Sie zur Sache.

(Widerspruch bei der CSU)

Deswegen, Herr Präsident, gebe ich meine Redenotizen zu Protokoll

(siehe Anlage 7)

und stelle zur Abstimmung fest:

Erstens. Wir lehnen die Anträge ab, da es nicht nur die Sache des Landtages nicht sein kann, über Mandate zu entscheiden, sondern es kann auch nicht Sache des Landtags sein, politische Pressionen gegenüber einem einzelnen Demokraten oder einer einzelnen Person auszuüben. Das steht dem Landtag nicht zu.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Dr. Hahnzog (SPD))

Zweitens. Zum Rechtsstaat gehört der Respekt der Demokraten vor der Rechtssituation des Einzelnen, ohne auf ihn Druck auszuüben. Der Herr Innenminister hat vorhin darauf hingewiesen. Darin sind wir völlig einig.

Drittens. Ich persönlich hätte es sehr begrüßt, wenn rechtlich der Weg des Sofortvollzugs möglich wäre, weil wir dann in einer sehr kurzen Zeit eine Klärung unter Einschaltung des Gerichts erreicht hätten. Da dies aber nach Prüfung nicht möglich ist, scheidet dieser Weg aus.

Viertens. Die Anmerkungen des Herrn Innenministers zur unterschiedlichen Rechtsauffassung bei der OBWahl führen bei mir persönlich jedenfalls zu der Erkenntnis, dass ich gut verstehen kann, wenn der Oberbürgermeister die Angelegenheit durch ein Gericht geklärt haben will.(Zeller (CSU): Richtig! – Beifall bei der CSU)

Bevor ich über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 14/10054 in namentlicher Form abstimmen lasse, stelle ich den nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 14/10061 zur Abstimmung. Wer diesem Dringlichkeitsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD und Herr Kollege Hartenstein. Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen. – Das sind die CSU-Fraktion und Frau Kollegin Grabmair. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 14/10054. Für die Stimmabgabe sind entsprechend gekennzeichnete Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne befindet sich auf der Oppositionsseite, die Nein-Urne auf der Seite der CSU-Fraktion. Die Urne für die Enthaltungen befindet sich auf dem Stenografentisch. Mit der Abstimmung kann jetzt begonnen werden.

(Namentliche Abstimmung von 18.07 bis 18.12 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Wir geben es später bekannt.

Jetzt kann ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion betreffend Bau der ICE-Trasse Nürnberg – Erfurt, Drucksache 14/10053, bekannt geben. Es gab 87 Ja-Stimmen, 13 Nein-Stimmen und 56 Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 5)