Protocol of the Session on May 31, 2001

(Abstimmungsliste siehe Anlage 6)

(Hofmann (CSU): Da haben wir ja heute jede Abstimmung gewonnen! – Gegenruf der Frau Abgeordneten Biedefeld (SPD): Heute schon!)

Wir fahren in der Aussprache zu dem Paket der Anträge, die ich vorhin aufgerufen habe, fort. Als Nächste hat Frau Kollegin Schmidt-Sibeth das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Bevölkerung wächst die Sorge vor möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Erkrankungen aufgrund von Elektrosmogbelastungen. Es bilden sich immer mehr Bürgerinitiativen gegen die Errichtung bzw. gegen den Betrieb von Mobilfunkantennenanlagen, während zugleich der Handyverkauf und das Funktelefo

nieren boomen. Mein Eindruck ist: Alle Welt will mit dem Handy überall telefonieren, aber niemand will den Mobilfunkmasten in der Nähe seiner Wohnung haben.

Dies stellt die Politik eigentlich vor unlösbare Probleme, die noch dazu erheblich durch die Tatsache erschwert werden, dass es zur Bewertung des Einflusses von gepulsten elektromagnetischen Feldern auf die Gesundheit sehr widersprüchliche Aussagen von Wissenschaftlern, Ärzten der Praxis und Betroffenen gibt. Über 10 000 wissenschaftlichen Studien, die die Unbedenklichkeit der heutigen Grenzwerte bescheinigen, stehen die Appelle einer kleinen Zahl von Wissenschaftlern gegenüber, die aussagen, ihre Studienergebnisse belegten den eindeutigen Zusammenhang von Strahlenbelastung durch den Mobilfunk und bestimmten gesundheitlichen Gefährdungen und Erkrankungen.

Da eine große Mehrheit der federführenden medizinischen Wissenschaftler immer wieder darstellt, nicht die Belastung selbst, sondern die Angst vor einer Belastung mache bestimmte Menschen krank, bot es sich an, vertiefende Untersuchungen an einer Spezies vorzunehmen, der man nicht Angst vor Elektrosmog vorwerfen kann: den Rindern in mobilfunkexponierten Ställen. Ich möchte mich bei allen Beteiligten dafür bedanken, dass zwei Studien auf den Weg gebracht wurden, die Gesundheit, Leistung und Verhalten von Rindern untersuchen sollten.

Die zweite Rinderstudie, die sich auf die Anträge des Kollegen Hartenstein bezieht, weist erhebliche Schwächen auf. Zum einen gibt es in Deutschland heute sicherlich keinen Stall mehr, der nicht einer Grundbelastung von künstlich erzeugten elektromagnetischen Feldern ausgesetzt ist. Wenn die Studie demnach die signifikanten Abweichungen zwischen exponierten und nicht exponierten Rindern herausarbeiten sollte, dann konnte dies nur zwischen mehr oder weniger exponierten Tieren geschehen.

Ich kann es nur bedauern, dass die Auswahl der Ställe unterschiedliche Rassen und einen unterschiedlichen Gesundheitszustand beinhaltete. Damit wurde es unmöglich, eine ausreichende Anzahl der erforderlichen signifikanten Unterschiede zur Norm entweder festzustellen oder zu verneinen.

(Hofmann (CSU): So ist es!)

Ich begrüße die Anstrengungen des Kollegen Hartenstein, die Versuchsanordnungen und die Ergebnisse intensiv hinterfragt zu haben. Ich teile jedoch seine Beurteilung nicht, die Studie und ihre Ergebnisse seien massiv manipuliert worden.

Spätestens durch die Aussprache im Umweltausschuss mit den wissenschaftlichen Erstellern der Studie konnten einige Ihrer Vorwürfe, die Ausdruck in Ihren Anträgen gefunden haben, ausgeräumt werden. Dass die anwesenden Wissenschaftler nicht eingehender befragt werden konnten, haben Sie mit Ihrem über einstündigen Redebeitrag trotz sehr begrenztem Zeitrahmen leider verhindert.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Weil die Aussprache in der verbleibenden Zeit dennoch zur Klärung beitrug

(Hofmann (CSU): Das ist das Verdienst der CSU!)

das ist immer sehr kritisch, Herr Hofmann –, hatten sich spätestens zu diesem Zeitpunkt fast alle Ihre Anträge, Herr Hartenstein, erledigt, denen wir zuvor zum großen Teil durchaus hätten zustimmen können.

Ich möchte dazu auf Ihre Bemerkung eingehen, ich hätte angekündigt, dass eine andere Auswertung dieser Studie durchgeführt werde, die zu anderen Ergebnissen führen könne. Das ist richtig. Herr Prof. Herzog saß bei der Anhörung zu nicht ionisierenden Strahlungen neben mir und sagte, er könne sich das vorstellen und er habe vor, diese Auswertung zu machen. Ich habe ihn dann befragt und bekam von seinem Team die Aussage und von ihm noch einmal persönlich bestätigt, dass diese andere Anordnung der Auswertung dennoch das gleiche Ergebnis gebracht habe. Damit kann ich keine Manipulation sehen und damit ist der Antrag, den Sie in diese Richtung stellen, für mich erledigt und darum habe ich ihn abgelehnt.

(Kaul (CSU): Das weiß auch Hartenstein, aber er nimmt es nicht zur Kenntnis!)

Ich versuche sehr sachlich zu sein. Ich bedauere das wirklich, aber ich sage noch einmal: Herr Hartenstein hat mit seinem irrsinnig langen Redebeitrag verhindert, dass wir die Wissenschaftler noch wesentlich ausführlicher befragen konnten.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Kaul (CSU): So ist es!)

Ich komme zur Studie zurück. Trotz sehr bedauerlicher erheblicher Unzulänglichkeiten warnen die Verfasser ausdrücklich davor, bezüglich der Wirkung von Mobilfunkstrahlung Entwarnung zu geben. Die Studie habe gesundheitliche Folgen aufgrund von Strahleneinwirkungen des Mobilfunks weder eindeutig bestätigen noch eindeutig widerlegen können. Wieso Umweltminister Schnappauf daraus eine Presseerklärung mit der dicken Überschrift „Entwarnung“ machen konnte, bleibt nicht nur der Landtagsopposition ein Rätsel und schmälert seine Glaubwürdigkeit beim späteren Einschwenken auf die Position seiner Fraktion.

Die Rinderstudie hat mehrfach deutliche Hinweise und ein signifikantes Ergebnis zur Beeinflussung des Verhaltens, der Gesundheit und der Leistung von Rindern gebracht. Deshalb haben die Wissenschaftler empfohlen – und das macht sie für mich weiterhin glaubwürdig –, auf der Basis des erstellten Materials bei einzelnen untersuchten Parametern eine vertiefende Forschung zu veranlassen. Das zeigt, dass die Wissenschaftler ein Interesse daran haben, dass sachlich-wissenschaftlich vertieft geforscht wird, um eventuell zu Ergebnissen zu kommen, die Hinweise geben für die Forschung zu gesundheitlichen Gefahren für den Menschen, – das ist es nämlich, was eigentlich dahinter steht.

Der einstimmig gefasste Dringlichkeitsantrag, der am Ende der Vorstellung und Aussprache zur Rinderstudie formuliert wurde, nimmt diese Anregung auf und fordert eine gemeinsame Finanzierung vertiefender Forschung aufgrund vorhandener Materialien von Bund und Ländern.

Zur Drucksache 14/5573 möchte ich noch anmerken: Das Abstimmungsergebnis der SPD-Mitglieder im federführenden Ausschuss ist nicht eindeutig. Wir sind für Ablehnung. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CSU)

Vorsorglich weise ich darauf hin, dass über die Listennummer 11 namentlich abgestimmt werden soll. Ich nahm an, das sei schon bekannt,

(Frau Schmidt-Sibeth (SPD): Nein!)

weil es bei mir schon drinsteht.

Jetzt hat Frau Kollegin Paulig das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Hiermit beantrage ich offiziell, wie bereits im Vorfeld angekündigt, über den Antrag auf Drucksache 14/5567 namentlich abzustimmen. Ich darf an den Redebeitrag meiner Vorgängerin anschließen. Wir halten die jetzt zur Abstimmung stehenden Anträge nicht für erledigt, weil viele Punkte – auch im Antrag, für den wir namentliche Abstimmung beantragen – nicht geklärt sind.

Lassen Sie mich nochmals auf die Studie zu sprechen kommen, die erhebliche Konstruktionsmängel hat, nämlich: Warum wird eine Studie, die unabhängig sein soll, von den Betreibern mitfinanziert? Warum sind die Betreiber bei allen Besprechungen dabei? Warum haben die Betreiber ein Drittel der Höfe ausgewählt? Warum – dies ist ein grober Konstruktionsmangel – ist die Gruppeneinteilung derart festgelegt, dass beispielsweise Betriebe, die eine sehr hohe Summenexposition und eine hohe Belastung aufweisen, in Gruppen sind, die eigentlich als nicht belastet gelten, näher an der nicht belasteten Kontrollgruppe sind?

Konkret: Betrachtet man die Summenexposition von GSM, dem C-Netz, von UKW und TV, so stellt man beispielsweise fest, dass der am stärksten belastete Betrieb – dies ist natürlich der Betrieb von Herrn Altenweger – nicht der am stärksten exponierten Gruppe zugeordnet ist, sondern der zweiten Gruppe. Der zweitstärkste gesamtbelastete Betrieb ist sogar der Gruppe 3 zugeordnet, die bereits ganz nahe an der Kontrollgruppe, der so genannten nicht belasteten Gruppe, liegt. Der Betrieb mit der drittstärksten Summenexposition ist wiederum der Gruppe 2 zugeordnet.

Wenn ich diese Gruppeneinteilung vornehme und die Gruppen, die in der Summe sehr stark belastet sind, nahe an die Kontrollgruppe lege, verwische ich die Signifikanz im Gruppenvergleich. Da ist es dringend notwendig, die Gruppeneinteilung neu zu hinterfragen und die

festgestellten Parameter und Messergebnisse in einer neuen Gruppeneinteilung auf Signifikanzen zu bewerten.

Ein weiterer Konstruktionsfehler ist die hohe BVD-Belastung – Viruserkrankung – in den Betrieben. Warum wähle ich diese Betriebe aus, wenn sie eine hohe Virusbelastung und Erkrankungsrate aufweisen? Hat man diese Betriebe extra ausgewählt, um dann sagen zu können, auffällige Parameter seien auf die Erkrankung zurückzuführen? Insofern hätte ich mir eine andere Betriebsauswahl gewünscht, um zu klaren Ergebnissen zu kommen.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Ergebnisse letztlich in der Bewertung der gemessenen und beobachteten Parameter in der wissenschaftlichen Studie so gut versteckt sind, dass man sich nur wundern kann. Ich habe während meiner Tätigkeit als Biologin viele wissenschaftliche Studien gelesen – jede andere Studie weist die Ergebnisse klar auf. In der Rinderstudie sind die Ergebnisse jedoch selten gut versteckt. Ich habe die Studie sehr genau gelesen und Dr. Wenzel am 15.03. dieses Jahres in der Anhörung im Umweltausschuss gut zugehört, der auf meine Frage, welche signifikanten Änderungen unter der Exposition der GSM-Felder festgestellt wurden, sehr wohl signifikante Veränderungen und insgesamt etwa acht Parameter aufgezählt hat. Ich zitiere aus dem Wortprotokoll vom 15.03. dieses Jahres: Trotz der schlechten Einteilung der nicht sachorientierten Gruppeneinteilung und der Konstruktionsfehler ergeben sich in acht Parametern signifikante Veränderungen durch Mobilfunkbelastung. „Wir haben beim Wiederkauen und beim Liegeverhalten signifikante Veränderungen auf Seiten der stärker exponierten Tiere gefunden.“ Wiederkaufrequenz und Wiederkaudauer sowie Liegeverhalten waren verringert. „Wir sehen darin Anzeichen für einen chronischen Stress bei den Tieren. Diese Feststellung wird durch unsere tendenziellen Ergebnisse beim Stresshormon Cortisol untermauert, das sich tendenziell anders verhält bei den stärker exponierten Tieren.“

Dr. Wenzel erklärt ferner: „Außerdem wurden von der Gießener Arbeitsgruppe signifikante Veränderungen bei den klinisch genetischen Parametern gefunden, und zwar insbesondere bei den Schwesterchromatidaustauschen und bei der Methaphasenkinetik.“ Es ist klar: Wir haben in den Chromosomen mehr Reparaturereignisse und eine verminderte Zellteilungsgeschwindigkeit. Das heißt, es gibt durch den Einfluss der Mobilfunkbelastung deutlich signifikante Auffälligkeiten. Man will sie jedoch nicht wahrhaben.

(Kaul (CSU): Was Sie sagen, stimmt nicht!)

Wenzel sagt: den stärker exponierten Tieren. Ich zitiere gern weiter: „Des weiteren wurden signifikante Ergebnisse bei den hämatologischen und chemischen Parametern gefunden. Hier wurden eine Lymphopenie und eine signifikante Verminderung der Alphaglobuline gefunden, das insgesamt auf eine Immunschwäche hindeutet.“

(Kaul (CSU): Ursache?)

„Als letzten Parameter nenne ich die epidemiologischen Parameter, die Missbildungen und Aborte betrafen. Auch hier fand die Gießener Arbeitsgruppe wiederum auf einer Seite signifikante Ergebnisse, nämlich in der stärker exponierten Gruppe."

Exposition bedeutet in vielen Fällen signifikante Veränderungen. Dies haben wir aus der Studie festzustellen. Herr Kaul, selbstverständlich ist eine epidemiologische Studie keine Ursachenstudie, sondern sie arbeitet aufgrund der Wahrscheinlichkeit, und hier zeigt sich, die Veränderungen sind signifikant. Das heißt, die stärker exponierten Tiere weisen gegenüber den nicht exponierten Gruppen deutliche Veränderungen auf. Dieses ist immer die Aussage einer epidemiologischen Studie.

(Kaul (CSU): Aber es steht in keinem Satz!)

Wenn Sie dies nicht zur Kenntnis nehmen wollen, frage ich mich, warum eine epidemiologische Studie durchgeführt wurde.

(Kaul (CSU): Natürlich nehme ich das zur Kenntnis!)

Kausale Zusammenhänge sind schwer herzustellen.

(Zuruf des Abgeordneten Kaul (CSU))

Genau dies fordert Herr Hartenstein in seinem Antrag, nämlich genau zu untersuchen, wie lange die Tiere bestrahlt waren und wo im Stall gemessen wurde, um dann auf kausale Zusammenhänge schließen zu können. Genau diese Anträge haben Sie abgelehnt. Es ist klar festzustellen: Epidemiologische Studien können signifikante Einflüsse feststellen. Sie haben die Kausaluntersuchungen abgelehnt. Sie wollen es nicht wissen, weil Ihnen das Ganze politisch nicht in den Kram passt. Wenn wir die Wissenschaftler hören und die Studien lesen, müssen wir leider feststellen, dass es so ist. Wir begrüßen es trotzdem, dass auf Bundesebene weiterhin untersucht wird und dass die Untersuchungen bereits in einer Arbeitsgruppe der Strahlenschutzkommission laufen. Wir würden weitere Untersuchungen begrüßen. Sie müssen sich jedoch heute den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie zwar eine Studie in Auftrag gegeben haben, aber die Ergebnisse nicht zur Kenntnis nehmen wollen, weil es politisch nicht in Ihre weiteren Untersuchungen passt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kaul (CSU): Warum sollen wir das machen?)

Sie sagten eben, Kausaluntersuchungen hätten nicht stattgefunden. Genau diese Untersuchungen fordert Herr Hartenstein. Wenn Sie diese Untersuchungen wollen, stimmen Sie dem zu. Dann müssen bei den Kühen keine neuen Parameter festgestellt werden, sondern zum Beispiel die Inbetriebnahme der Sendeanlagen, die Zeiten der direkten Exposition und die Messstellen im Stall untersucht werden; dann können wir möglicherweise auf kausale Zusammenhänge schließen. Jetzt haben wir eine epidemiologische Studie mit signifikanten Auswirkungen. Diese zeigt, dass politischer Handlungsbedarf vorhanden ist, um hier im Sinne der Vorsorge Belastungen zu minimieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)