Protocol of the Session on December 14, 2022

(Abg. Sascha Binder SPD: Oijoijoi! – Abg. Dr. Bo ris Weirauch SPD: Da lacht er selbst! – Abg. Sascha Binder SPD: Da muss er selbst lachen!)

Zum Schluss möchte ich noch sagen – darauf bestehe ich auch; das werde ich so oft wiederholen, bis es vielleicht doch noch wahr wird –: Ich erwarte von der Frau Ministerin, dass sie hier eine Garantie ausspricht. Wir brauchen jetzt Rechts sicherheit für die Betriebe. Die Leute werden hier nicht mehr gründen und werden auch nicht mehr in die Branche zurück gehen, solange sie nicht wissen: Wie geht es weiter? Gibt es noch mal irgendwelche Maßnahmen? Sie brauchen jetzt Si cherheit. Rechtssicherheit ist entscheidend. Sonst wird diese

Branche allmählich immer weiter ausdünnen und nicht mehr den Wohlstand bringen, den wir eigentlich brauchen.

Deswegen sollten Sie, Frau Ministerin, ein klares Bekenntnis dafür abgeben, dass es mit Ihnen diese Maßnahmen nicht mehr geben wird, dass Sie für Rechtssicherheit stehen und Sie in dem Fall, dass solche Maßnahmen noch mal kommen, zu rücktreten. Dann wäre das wirklich glaubwürdig, und Sie hät ten ein dickes Plus bei den Verbänden und in der Wirtschaft.

(Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Boris Weirauch SPD: Das war am Schluss verwirrend!)

Es folgt die Landesregierung. Ich erteile Frau Ministerin Dr. Hoffmeister-Kraut das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Winfried Mack hat recht, wenn er Rathenau zitiert:

Die Wirtschaft ist unser Schicksal.

Mit diesem Zitat hat auch unser früherer Ministerpräsident Er win Teufel viele seiner Reden begonnen. Das war in den Neunzigerjahren, als unsere Industrie im internationalen Wett bewerb stark unter Druck stand, als massive Kostensenkun gen und die Einführung von Lean Production allenthalben an gesagt waren, als dem Strukturwandel im produzierenden Ge werbe in Baden-Württemberg innerhalb weniger Jahre 300 000 Stellen zum Opfer gefallen sind. Stellen wir uns vor, wie es wäre, wenn sich landauf, landab ein solcher Beschäftigungs abbau in dieser Größenordnung wieder realisieren würde.

Damals ging es bald wieder aufwärts, weil der Strukturwan del eben nicht zur Deindustrialisierung geführt hat, weil es die Wirtschaft einmal mehr geschafft hat, neue Stärken zu entwi ckeln und neue Wachstumsfelder zu erschließen.

Selbst im produzierenden Gewerbe im Land ist die Zahl der Arbeitsplätze in den Zehnerjahren um 200 000 auf rund zwei Millionen und damit fast wieder auf den Stand von Anfang der Neunzigerjahre gestiegen.

Was will ich damit sagen? Wir haben in Baden-Württemberg schon manchen Strukturwandel aktiv und offensiv bewältigt. Wir haben eine starke Wirtschaft, die vernetzt, flexibel und in novativ ist, mit einer gesunden Struktur aus vielen mittleren und kleinen, aber auch großen Unternehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ja, jede Krise bietet auch eine Chance. Wir haben in BadenWürttemberg schon mehrfach bewiesen, dass wir aus Krisen Chancen machen und gestärkt daraus hervorgehen.

(Beifall des Abg. Andreas Deuschle CDU – Abg. An dreas Deuschle CDU: So ist es!)

Aber wir dürfen uns natürlich auch nicht der Illusion hinge ben, dass diese digitale und ökologische Transformation für die Wirtschaft ein Selbstläufer wäre. Der aktuelle Mix aus den hohen Energiepreisen, den gestörten Lieferketten und den geo politischen Krisen hat für uns im Land ein ganz besonderes toxisches Potenzial.

(Abg. Winfried Mack CDU: So!)

Wir haben kurzfristige und langfristige Herausforderungen, und denen stellen wir uns.

Die kurzfristigen heißen: Wie kommen wir durch den Winter? Hier sind die Weichen gestellt. Der Bund hat Programme auf den Weg gebracht, und auch wir, das Land, haben mit den Be raterprogrammen, mit dem zinsverbilligten Liquiditätskredit und auch mit dem Tilgungszuschuss – wir geben in dieser schwierigen Zeit den Unternehmen in unserem Land einen Zuschuss von bis zu 300 000 € – Hilfspakete auf den Weg ge bracht, um die Wirtschaft in unserem Land in dieser schwie rigen Phase zu begleiten und ihr Stabilität zu geben.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Und den langfristigen Herausforderungen stellen wir uns eben falls. Wie erhalten wir unsere internationale Wettbewerbsfä higkeit? Wie erhalten wir in Anbetracht des demografischen Wandels und des Arbeitskräftemangels die Leistungs- und In novationsfähigkeit der baden-württembergischen Wirtschaft? Und wie unterstützen wir die Unternehmen in unserem Land bei den immensen Investitionen? Die Antwort muss doch lau ten: indem wir wirtschaftliche Betätigung und namentlich auch unternehmerische Betätigung in Baden-Württemberg er leichtern, indem wir überflüssige Bürokratie abbauen, Rah menbedingungen verbessern, gezielt beraten und unterstützen sowie die Innovationskraft der Unternehmen in unserem Land fördern. Das ist die Wirtschaftspolitik, die wir in Baden-Würt temberg betreiben.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, die starke Ex portorientierung, die in guten Zeiten der Motor unseres Er folgs ist, ist derzeit eine unserer Achillesfersen. Gerade für die Herausforderungen des Klimaschutzes und der Transformati on brauchen wir auch in Zukunft eine funktionierende globa le Vernetzung. Die Unternehmen in unserem Land haben gro ße Kompetenzen, gerade auch im Bereich Green Tech. Aber allein kann Baden-Württemberg in Deutschland keine Was serstoffwirtschaft aufbauen. Wir werden weiter in hohem Maß auf Partnerländer angewiesen sein, aber wir müssen die Glo balisierung – ich denke, das ist unbestritten; das bezeichnet auch der Begriff „Zeitenwende“ – anders denken und weiter entwickeln.

Unsere Außenwirtschaftsförderung ist darauf ausgerichtet, insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen im Land auf dem Weg der Internationalisierung zu unterstützen. Dazu zählen Informationen aus erster Hand von unseren Wirtschafts repräsentanten und Innovationsscouts, die weltweit dem Mit telstand zur Seite stehen. Dazu zählen das Angebot von Mes sebeteiligungen auf internationalen Leitmessen, GlobalCon nect, ein bundesweit beachtetes großes Forum für Export und Internationalisierung, und die thematisch ausgerichteten De legationsreisen ins Ausland, die genau diese Zukunftsthemen adressieren und hier Türöffner und Brückenbauer für die Wirt schaft in Baden-Württemberg sind.

Mit unserem Standortmarketing

(Abg. Emil Sänze AfD: „THE LÄND“!)

verfolgen wir das Ziel, sowohl Investitionen aus dem In- und Ausland als auch Erweiterungen von Unternehmen nach Ba den-Württemberg zu holen und in Baden-Württemberg zu er möglichen, aber auch weltweite Kooperationen auszubauen und anzubahnen.

Baden-Württemberg International ist unsere zentrale Stand ortfördergesellschaft, und das schon seit Jahrzehnten. Wir, das Land, unterstützen sie mit einem Zuschuss von über 5 Milli onen € pro Jahr. Baden-Württemberg International wird im Rahmen der Ansiedlungsstrategie, die wir gemeinsam entwi ckelt haben, stufenweise zu einer zentralen One-Stop-Agen cy ausgebaut, um schnell und professionell auf Anfragen je der Art reagieren zu können. Auch damit stärken wir unsere langfristigen Entwicklungschancen und erhöhen die Attrakti vität unseres Wirtschaftsstandorts.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Ich glaube, in der Debatte ist es bisher etwas zu kurz gekom men: Wir haben eine hohe Exportorientierung. Für die Unter nehmen in unserem Land ist das eine Schicksalsfrage und des halb auch von großer Bedeutung.

(Abg. Winfried Mack CDU: Sehr richtig!)

Auf europäischer Ebene verstärken wir unsere Präsenz und setzen uns in Brüssel nach Kräften für ein wirtschaftsfreund lich ausgestaltetes Regelwerk ein, das insbesondere die Inte ressen der kleinen und mittleren Unternehmen in unserem Land berücksichtigt.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns schon überlegen, wo die großen Hebel sind, mit denen wir in Baden-Württemberg trumpfen können. Wie können wir we sentlich zu der Zeitenwende, zu diesem Wandel, beitragen? Die Antwort lautet für mich: durch Innovation.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Erik Schwei ckert FDP/DVP)

Nur so können wir die Herausforderungen der Digitalisierung, der Dekarbonisierung und des demografischen Wandels er folgreich zu unseren Chancen machen. Für mehr Resilienz, größere Unabhängigkeit gerade auch bei der Energieversor gung, aber auch in anderen Bereichen – Rohstoffe, Vorpro dukte, Komponenten, Teile – brauchen wir, auch im Rahmen der Transformation in Richtung Klimaneutralität, ein Feuer werk wirtschaftlich-technischer Innovation.

Unsere Aufgabe als Landesregierung – die übernehmen wir mit voller Verantwortung – ist es, hier bestmögliche Voraus setzungen zu schaffen. Deshalb stellen wir in den kommen den Jahren mehr als eine halbe Milliarde Euro für die Inno vationsförderung zur Verfügung und stärken damit gezielt die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Mit der „Digitalisierungsprämie Plus“ haben wir seit Beginn des Programms im Oktober 2020 ein Investitionsvolumen von über 470 Millionen € ausgelöst, und wir werden dieses erfolg reiche Programm weiter fortsetzen.

(Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: Mit wie viel Milliarden?)

Auch mit unserer einzelbetrieblichen Innovationsförderung Invest BW – wir, die Landesregierung, haben das alles auf den Weg gebracht, vorausschauend und zukunftweisend – haben wir die Innovationsbedingungen bei uns im Land nachhaltig verbessert und werden das auch weiterhin tun.

Grüner Wasserstoff wird der Schlüsselrohstoff einer klimaneu tralen Wirtschaft sein. Wir machen uns dafür stark, dass das bundesweit erste Fraunhofer-Institut für Wasserstofftechnolo gien und nachhaltige Syntheseprodukte hier bei uns in BadenWürttemberg angesiedelt wird. Dafür stellen wir bis zu 40 Millionen € bereit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Quantentechnologien der zweiten Generation – da geht es um unsere Zukunft – werden ebenfalls Schlüsseltechnologien für eine digitale, nachhaltige Wirtschaft sein. Mit dem Aufbau ei nes Quanten-Innovationsclusters werden wir unser Land als Quantentechnologie-Innovationsstandort auch international sichtbar machen.

In der Automobil- und Zulieferindustrie findet aktuell der größte Transformationsprozess in der Industriegeschichte statt. Mit Projekten im Rahmen des Strategiedialogs Automobil wirtschaft unterstützen wir die kleinen und mittleren Unter nehmen in unserem Land und nehmen sie mit in diesen Struk turwandel.

Um auch das Schlüsselthema KI bei uns im Land voranzutrei ben und möglichst viele Betriebe dabei zu unterstützen, ihre Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln, bauen wir den Inno vationspark KI in Baden-Württemberg auf, den Ipai in Heil bronn. Und wir fördern die KI-Exzellenzzentren in den Regi onen Stuttgart, Karlsruhe, Neckar-Alb, Ulm, Ostalbkreis und Freiburg und sind somit in der Fläche des Landes stark ver treten. Bei diesem Thema unterstützen und enablen wir unse re Wirtschaft, und zwar in allen Bereichen: Start-ups, kleine und große Unternehmen, unseren starken Mittelstand und weit darüber hinaus. Da passiert wirklich viel.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Natürlich: Intelligente Technologien und bahnbrechende In novationen kommen von Menschen, von klugen Köpfen, von Menschen, die hier innovieren, die vorangehen. Zur aktuellen Lage, zu dieser Knappheitslage, der wir gegenüberstehen, ge hört auch die Knappheit an Arbeitskräften, an Fachkräften. In der Arbeitsmarktpolitik liegt deshalb unser Fokus ganz klar auf der Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Über 80 Millionen € nehmen wir dafür in die Hand, und je der Euro, den wir hier investieren, ist gut investiertes Geld in unsere Zukunft. Mit unseren Kampagnen „Gut ausgebildet“ und „Ja zur Ausbildung“, mit unseren Ausbildungsbotschaf terinnen und -botschaftern zeigen wir deshalb auf, welch viel fältige Möglichkeiten eine berufliche Ausbildung für die Men schen, für die jungen Menschen bei uns im Land bietet.

Wir werden bewährte Formate beibehalten und auch neue We ge gehen. Mit unserem Landesprogramm „Neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt“ setzen wir bis Ende 2024 wichtige Zei

chen für all jene Menschen im Land, die unsere Unterstützung bei der Integration in den Arbeitsmarkt brauchen.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Aus- und Weiterbildung allein reichen aber nicht, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Wir müssen dringend die Erwerbsbeteiligung von Frauen erhöhen und die Verein barkeit von Beruf und Familie weiter verbessern. Wir müssen Un- und Angelernte qualifizieren und Personen mit Handicap sowie Langzeitarbeitslose besser in den Arbeitsmarkt integ rieren. Jede und jeder wird gebraucht. Wir alle spüren und er leben das ja auch schon direkt in unserem eigenen Umfeld.