Mir liegen für die zweite Run de bisher zwei Wortmeldungen vor. Zunächst darf ich für die SPD-Fraktion Herrn Abg. Florian Wahl ans Redepult bitten.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Das ist jetzt eine Situation, die wir immer wie der in Debatten erleben. Der Minister fängt sehr vernünftig, sehr planvoll an, und am Schluss eskaliert es dann ein biss chen.
Denn eines muss man schon sagen – deswegen habe ich mich zu Wort gemeldet –: Wenn ein Ministerium anfängt, sich zu beschweren, dass eine Opposition fragt, wie die Situation in Pflegeheimen während der Pandemie in den Landkreisen ist, das als Copy-and-paste-Anträge diffamiert und es als schlech tes demokratisches Verständnis abtut, dann muss man fragen: Welches Demokratieverständnis haben Sie eigentlich, Herr Lucha?
Unser Kritikpunkt – das haben Sie gespürt; diesen Satz muss ich jetzt noch sagen, Herr Präsident – ist: Sie schieben Ihre Mitarbeiter praktisch als Schutzschirm vor, um sich gegen Kritik zu immunisieren. In unserer Kritik ging es um die Füh rung. Es ging nicht um die Leute an der Front. Es ging nicht um die, die das die ganze Zeit machen. Vielmehr geht es um Sie und um die Landesregierung, die da wirkliche Versäum nisse haben, die wir vorhin benannt haben.
demie auch gelernt, dass es Ausnahmen gibt, in denen eine noch so gute Regel und Verordnung lokal nicht adäquat um gesetzt wird. Es ist unstrittig, dass das Fehlverhalten einzel ner Einrichtungen aufgearbeitet und bestraft werden muss. Aber die Pflegeeinrichtungen in unserem Land, die in der ab soluten Mehrzahl eine sehr gute Arbeit machen, unter den Ge neralverdacht von schlechter Hygiene und fehlender Impfmo tivation zu stellen, ist mehr als unanständig, liebe Kollegin nen und Kollegen von der SPD.
In meinem Heimatlandkreis – das ergibt eine der vielen, vie len Anfragen zum Thema, die Sie, lieber Kollege Ranger, ge stellt haben – sind 92 % der Bewohner vollständig geimpft, und aktuell haben 83 % eine Auffrischungsimpfung erhalten.
Bezug nehmend auf unsere 19. Sitzung vom 11. November, in der der Kollege Dr. Weirauch die toten Menschen in einem Mannheimer Pflegeheim thematisiert hat, kann ich nur emp fehlen: Sprechen Sie in diesen Fällen erst einmal mit den Ver antwortlichen vor Ort und den örtlich zuständigen Aufsichts behörden. Das ist eigentlich die Aufgabe eines Wahlkreisab geordneten, bevor er Anträge in großer Vielzahl produziert und einzelne Kreise erarbeitet.
Erlauben Sie mir zum Schluss noch einen Nebensatz: Eine einrichtungsbezogene Impfpflicht wird im weiteren Verlauf – Stand heute – an dieser Pandemie nichts ändern.
Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und Punkt 3 der Tagesordnung er ledigt.
Wir treten damit in eine 60-minütige Mittagspause ein. Das bedeutet, dass wir uns um 14:55 Uhr wieder hier zu Tagesord nungspunkt 4 treffen. Ganz herzlichen Dank.
K r i e g i n d e r U k r a i n e – s i c h e r e E r n ä h r u n g s v e r s o r g u n g i n B a d e n - W ü r t t e m b e r g
Herr Präsident, meine sehr verehr ten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen feststellen, dass die Ukraine-Krise jetzt auch die Ge treidelieferungen zum Erliegen kommen lässt. Weltweit wa ren Russland für 10 % und die Ukraine für 4 % der Weizen produktion verantwortlich. Zwei Kornkammern liefern künf tig nicht mehr; das können wir auf absehbare Zeit so sehen.
Grundsätzlich sollten wir aufgrund dieser Gegebenheiten die vorhandenen Ziele überprüfen. Mit der neuen Reform der Ge meinsamen Agrarpolitik müssen Landwirte ab 2023 verpflich tend mindestens 4 % der Ackerflächen stilllegen, wenn sie Di rektzahlungen erhalten wollen.
Mit Blick auf die Handelsbeziehungen im Ernährungssektor zwischen der EU, der Ukraine und Russland frage ich:
Wie schätzt die Landesregierung die Situation der Lebensmit telversorgung in Baden-Württemberg ein? Wie kann die Er nährungsversorgung in Baden-Württemberg dauerhaft gesi chert werden? Ist aufgrund der stark gestiegenen Energie kosten mit Preissteigerungen im Agrarsektor und bei Dünge mitteln zu rechnen? Werden diese Preissteigerungen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern an der Supermarktkasse ankommen?
Herr Kollege, ich danke Ih nen ganz herzlich. – Ich darf Herrn Minister Hauk um die Ant wort der Landesregierung bitten.
Herr Präsident, meine sehr verehr ten Damen und Herren! Der Angriff Putins auf die Ukraine stellt, glaube ich, die gesamte Welt vor neue Herausforderun gen. Sie fragen, Herr Kollege Burger, ganz konkret nach der Ernährungssituation, der Versorgungssituation der Bevölke rung in Baden-Württemberg. Da kann man, Gott sei Dank, Entwarnung geben.
Wir leben noch immer in einer gemäßigten, humiden Zone, also in einer landwirtschaftlichen Zone, die von Natur aus mit hohen Erträgen gesegnet ist. Deshalb erwarten wir jetzt kei ne Einbrüche in der Versorgung.
Aber natürlich wird es Preissteigerungen geben. Deutschland ist ja keine Insel; die Weltmärkte sind da sehr volatil. Der Wei zenpreis hat sich innerhalb weniger Tage von 250 € auf 380 € pro Tonne erhöht. Das ist nur ein Ausfluss; wie das weitergeht, ist noch unwägbar.
Man wird sich darauf einstellen müssen, dass auch Nahrungs mittel teurer werden. Was da am Ende beim Verbraucher an kommt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Natürlich werden auch die Inputkosten, also die Kosten für die Erzeugung von Nahrungsmitteln, steigen, weil Dünge- und Energiekosten steigen werden. Deshalb müssen wir alles daransetzen, dass wir das, was wir selbst aus der Tierhaltung heraus an Dünger erzeugen, am Ende bestmöglich verwerten. Das ist also nicht trivial.
Zum Zweiten: Das muss und wird natürlich auch Folgen für die Politik haben. Ich freue mich, dass die Europäische Kom mission ein Stück weit umdenkt. Auch wir im Land müssen
versuchen, in ein paar Bereichen umzudenken. Denn Fläche, auch landwirtschaftliche Produktionsfläche – das war uns schon klar, aber die Brisanz wird uns noch mal eindringlicher bewusst –, ist ein knappes Gut.
Es ist nichts mehr selbstverständlich. Auch die tägliche Ver sorgung mit Getreide, mit Fleisch etc. ist nicht selbstverständ lich. Fläche ist ein knappes Gut, und wir müssen versuchen, mit diesem knappen Gut multifunktional umzugehen. Ich bin dagegen, alle Ansätze der europäischen Agrarreform, die dem Grunde nach gut sind, in die Tonne zu werfen nach dem Mot to: „Biodiversität, Green Deal, das ist alles von gestern, und es ist aufgrund der Ukraine-Krise nicht mehr zeitgemäß.“ Nein, das ist noch zeitgemäß. Aber wir müssen die Antwor ten darauf anders geben, als wir sie noch vor 14 Tagen, drei Wochen gegeben haben. Das ist, glaube ich, die Herausforde rung.
Es muss uns klar sein: Wir können uns den Luxus, den wir uns in Deutschland über Jahre, Jahrzehnte hinweg geleistet haben – etwa, im Sinne der Biodiversität Flächen zu reservie ren, wobei die einen für den Naturschutz reserviert sind, die anderen für das Wohnen, die dritten für den Verkehr und wie der andere für landwirtschaftliche Produktion –, nicht mehr leisten. Dies müssen wir aufgeben und müssen darauf schau en, dass wir wieder mehr multifunktional bewirtschaften kön nen und dass wir produktionsintegrierte Naturschutzkompo nenten in die Flächenbewirtschaftung hineinbringen.
Deshalb macht es auf Dauer auch keinen Sinn, zu sagen: Ich lege still – und produziere nur noch Unkräuter, die ich dann im nächsten Jahr unter Umständen mit hohem Aufwand wie der beseitigen muss.
Das ist es, worum es bei diesem Umdenken geht. Es ist nicht nötig, die Ziele zu revidieren, aber die Praxis muss sich ver ändern und ebenso das, was dann daraus an behördlicher Pra xis resultiert. Da haben sich manche ideologisch etwas fest gefahren bei der Frage, wie die Praxis aussieht. Wir müssen, meine ich, alles daransetzen, dass wir wieder mehr produkti onsintegrierte Komponenten des Naturschutzes beispielswei se auch in die landwirtschaftliche Produktion hineinbekom men und dies als solches auch anerkannt wird.
Wir können uns dauerhaft nicht den Luxus leisten, dass wir ständig Flächen stilllegen – auch Ausgleichsflächen im Rah men des Naturschutzes; auch diese werden ja aus der Produk tion herausgezogen und stillgelegt –, die dann nicht mehr zur Verfügung stehen, nach dem Motto: „Uns geht es ja gut.“ Na türlich, uns geht es gut. Aber wir haben auch eine Verantwor tung für Dritte. Was aus der Ukraine nicht mehr geliefert wird, wird andernorts fehlen, beispielsweise in Tunesien. Die Hälf te dessen, was Tunesien an Getreide bezieht, stammt aus der Ukraine. Vor unserer europäischen Haustür bahnt sich für den nächsten Winter eine schon jetzt absehbare Hungersnot an. Das muss uns klar sein.
Wenn es heißt: „Eine Welt“, so ist das auch die eine Welt. Und da haben wir Verantwortung, auch mit unserer Produktion, für diese eine Welt; auch wir müssen versuchen, unseren Beitrag dazu zu leisten, statt einfach tatenlos nebendran zu stehen. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir diese Lehren auch für uns zie hen und versuchen, geeignete Komponenten einzuführen, da mit wir eine Produktivitätssteigerung erhalten – ohne Verlust
Herr Minister, vielen Dank für diese Antwort. Die Frage geht ja weiter. Es ist sozusagen die Frage von Multifunktionalität von Flächen überhaupt, die uns da praktisch brisant vor Augen geführt wird. Sie sprachen jetzt die Flächen an, die wir für Naturschutz bereitgestellt haben. Aber da müssen wir natürlich auch die Flächen ansprechen, die wir für Baugebiete und für andere Gebiete benötigen – al so nachhaltiger Umgang mit unserer Ressource Boden –, denn die sind einfach besonders knapp. Diese Frage ist zentral.
Da stellt sich für mich die Frage, die Sie im Prinzip angespro chen haben, die Frage der hybriden Landnutzung in verschie densten Formen, die in Baden-Württemberg Tradition hat, die aber ihre Zukunft sucht, weil die Flächenknappheit es von uns verlangt.
Herr Minister, welche Chancen sehen Sie in hybrider Land nutzung, wie Sie sie angesprochen haben? Wo sind Potenzia le, die wir neu erschließen müssen?