Protocol of the Session on June 26, 2019

Damit sind wir auch bei der Inklusion. Laut Arbeitsgemein schaft Freier Schulen ist es für die freien Schulen derzeit ein

massives Verlustgeschäft, Schülerinnen und Schüler mit son derpädagogischem Förderbedarf aufzunehmen. Ist dies tat sächlich der Fall, dann reicht dieser Gesetzentwurf nicht aus, und wir müssen die bisherige Fördersystematik kritisch über prüfen, auch mit Blick auf das, was wir 2015 entschieden ha ben, nämlich die Umstellung von der Kopfsatzförderung auf eine pauschale Zuschlaglösung. Wir, die SPD, scheuen uns da auch nicht vor einer Neubewertung. Wenn dieser Ansatz tat sächlich zu erheblichen Deckungslücken führt, dann müssen wir in der Tat, Kollegin Bogner-Unden, noch einmal über die Sinnhaftigkeit nachdenken.

Für die Meinungsbildung im Rahmen des Gesetzgebungspro zesses, Herr Staatssekretär, wäre eine Bewertung, eine Rück meldung durch das Kultusministerium wichtig. Ich bitte Sie daher ausdrücklich für unsere weitere Diskussion – z. B. im Ausschuss – um eine Stellungnahme zur Modellrechnung der AGFS, die Ihnen ja auch vorliegt. Welche Gesamtkosten wür den bei Umsetzung nach Kopfsatzförderung plus Zuschuss zu den Personalkosten entstehen? Welche prinzipiellen Überle gungen sprechen Ihres Erachtens für, welche gegen eine Um stellung dieser Art?

Der in der Gesetzesbegründung erfolgte Hinweis, bisher sei en ja alle Klagen abgewiesen worden, mag vielleicht eine Aus sage zur Qualität des Gesetzes sein, was die Rechtssicherheit angeht, aber sicherlich keine inhaltliche oder politische ab schließende Bewertung. Inklusion ist ein zentrales Ziel zur Umsetzung des Auftrags der UN-Behindertenrechtskonventi on. Daher müssen wir ein kritisches Auge auf alles haben, was mögliche Restriktionen im Bildungssystem darstellt.

Die Diskussion um eine Anpassung der Kopfsätze erlaubt uns auch, einen inhaltlichen Blick auf die Effektivität der Ge schwisterregelungen vorzunehmen. Herr Staatssekretär, Sie erinnern sich: Ich hatte Sie im Rahmen einer Fragestunde da rauf angesprochen. Sie hatten uns zugesagt – –

Da ist ja die Frage: Sonderungsverbot; eine Familie darf kei ne zu hohen finanziellen Belastungen zu tragen haben. Wie sieht es denn aus, wenn diese Familie mehrere Kinder in ei ner freien Schule hat? Es wurde eine Veränderung vorgenom men; das haben Sie dankenswerterweise auch als Reaktion auf einen Hinweis der SPD gemacht. Ich hatte Sie im Herbst, so meine ich, gefragt: Können Sie bereits beurteilen, ob dies greift und wie effektiv es ist? Sie stellten mir damals 2019 in Aussicht. Nun wäre meine Bitte – vielleicht können Sie dies auch für unsere Ausschussdebatte mitnehmen –, uns zu sagen, ob Sie bereits absehen können, ob durch die von Ihnen vor genommene Geschwisterregelung im Sinne des Sonderungs verbots eine übermäßige Belastung von Familien ausgeschlos sen wird.

Ebenfalls auf der parlamentarischen To-do-Liste steht – es ist bereits angesprochen worden – die Frage einer angemessenen Förderung in den Bereichen Ergotherapie, Logotherapie oder auch Physiotherapie. Die aktuellen Fördersätze spiegeln mit nichten 80 % der eigentlichen Kosten der freien Träger wider, weshalb Schulstandorte in finanzielle Nöte zu geraten drohen. In diesen Gesundheitsberufen – das muss an dieser Stelle be tont werden – gibt es zumeist keine öffentliche Alternative zu den privaten Schulen. Weil wir diese Fachkräfte dringend brauchen, müssen wir im Land also mit Nachdruck für gute, bezahlbare und lebensfähige Ausbildungsstätten sorgen. Auch

hier die Frage für die Debatte im Ausschuss: Wie ist der ak tuelle Sachstand? Warum kann nicht bereits im Zuge des ge planten Gesetzgebungsverfahrens ein weiterer Schritt gegan gen werden?

Mit Blick auf die vor Kurzem erfolgte Antwort auf eine An frage des Kollegen Rainer Hinderer noch eine Bemerkung: Natürlich bedarf jedes Gesetz auch einer ordnungsgemäßen und zeitnahen Umsetzung, etwa wenn es um die Abarbeitung von Förderanträgen geht. Auch dies können wir gern im Aus schuss vertiefen.

Zusammenfassend: Durch die Regierungsübernahme 2011 und die nachfolgenden Maßnahmen konnte ein lang andau ernder Streit mit den freien Schulen über die Finanzierung spürbar entschärft werden. Wir sind weiterhin auf einem gu ten Weg. Aber bei den Themen Inklusion, Geschwisterrege lung und „Ausstattung der Schulen für Gesundheitsberufe“ stehen noch einige Fragen im Raum, die beantwortet werden sollten.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Kern.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Jetzt kommt die Kernaussage!)

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Freien Demokraten sind sehr gro ße Fans der Schulen in freier Trägerschaft. Für uns sind die se Schulen unverzichtbarer Bestandteil eines vielfältigen, aus differenzierten und leistungsorientierten Schulsystems.

Sehr geehrte Kollegin Bogner-Unden, ich habe mit sehr gro ßem Interesse vernommen, dass auch Sie als Grüne sich für ein ausdifferenziertes, vielfältiges Bildungssystem einsetzen. Bis vor Kurzem haben die Grünen sehr viel Energie dafür ein gesetzt, aus einem vielfältigen Bildungssystem ein Zweisäu lensystem zu machen. Wenn bei Ihnen jetzt bildungspolitische Vernunft eingekehrt ist, gratuliere ich dazu ausdrücklich.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Andrea Bogner-Unden GRÜNE)

Aus diesem Grund ist es aus meiner Sicht auch durchaus an gemessen, zu Beginn ein paar grundsätzliche Überlegungen anzustellen. Denn leider gibt es noch immer zwei große ideo logische Vorurteile gegenüber den Privatschulen. Das erste Vorurteil lautet: Der Staat soll sich zuerst um seine eigenen staatlichen Bildungsangebote kümmern, bevor er sich den Lu xus leistet, auch noch die Privatschulen finanziell zu unter stützen. Das zweite Vorurteil: Die Bildungsangebote der Pri vatschulen sind vor allem etwas für diejenigen Kinder, deren Eltern den entsprechend dicken Geldbeutel haben.

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Beide Auffassungen sind natürlich falsch; beide haben herz lich wenig mit der baden-württembergischen Realität zu tun.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

Beim ersten Vorurteil wird übersehen, dass freie Schulen den Staatshaushalt nicht mehr kosten, sondern ihn entlasten. Denn selbst, wenn man Zuschüsse zur Deckung von 80 % der Kos ten gewährt, liegt die Belastung ja immer noch um 20 % un ter dem, was für einen Schüler in einer staatlichen Schule auf gebracht werden muss.

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Nur staatszentriertes Denken führt dazu, die freien Schulen als eine Art Luxus anzusehen, den man sich nur in Zeiten überbordender Kassen leisten könne.

Auch was das zweite Vorurteil betrifft, ist die Realität doch eine ganz andere. Nur wenn der Staat die freien Schulen so bezuschusst, dass sie mit einem von jedermann bezahlbaren Schulgeld wirtschaftlich auskommen, wird eine soziale Schran ke an dieser Stelle erfolgreich verhindert. Das ist das badenwürttembergische Modell der freien Schulen in sozialer Ver antwortung, zu dem wir Freien Demokraten aus tiefer Über zeugung stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Tho mas Blenke CDU: Wir auch!)

Damit keine Missverständnisse entstehen: Für uns Freie De mokraten bildet natürlich ein erstklassig finanziertes, leis tungsorientiertes staatliches Schulangebot das Fundament je der erfolgreichen Bildungspolitik. Die Schulen in freier Trä gerschaft ergänzen und erweitern aber dieses Fundament ent scheidend, damit in Gegenwart und Zukunft jeder Schüler und jede Schülerin das für ihn bzw. für sie passende Bildungsan gebot findet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, grundsätzlich unterstützt die FDP/DVP-Fraktion den Gesetzentwurf der Landesregierung.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sehr schön!)

Der grün-schwarze Gesetzentwurf hat aber auch deutliche Schwächen. Die FDP/DVP bedauert und kritisiert ausdrück lich, dass die Landesregierung die Ganztagsschulen in die Bruttokostenberechnung nicht mit einbezogen hat. Es steht zu befürchten, dass Betreuungsangebote außerhalb des Pflicht unterrichts dadurch teuer werden, sodass neue soziale Hürden beim Besuch von freien Schulen aufgebaut werden. Dies darf aus unserer Sicht nicht geschehen.

Wir Freien Demokraten hätten den von der Landesverfassung geforderten Ausgleich für Schulgeldfreiheit auf diejenigen El tern beschränkt, die das Schulgeld auch tatsächlich nicht auf bringen können. Dadurch wären nämlich Mittel frei gewor den, um u. a. die Ganztagsbetreuung in die Berechnung der Privatschulzuschüsse mit einzubeziehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer auf der einen Seite an staatlichen Schulen die Ganztagsangebote ausweiten will, darf sich auf der anderen Seite nicht darum drücken, Ganztagsan gebote auch bei den Privatschulen mit zu finanzieren.

Die FDP/DVP-Fraktion erwartet von der grün-schwarzen Lan desregierung und ihrer Kultusministerin, natürlich auch vom Staatssekretär, dass sie die anstehenden Gespräche mit den Privatschulverbänden dazu nutzen, diese Scharte auszuwet

zen und den Ganztag mit einzubeziehen, um den freien Schu len auch tatsächlich soziale Verantwortung zu ermöglichen.

Unser bisheriges baden-württembergisches Erfolgsmodell der freien Schulen beruht darauf, dass diese wirtschaftlich arbei ten und dadurch soziale Verantwortung übernehmen können. Dieses Erfolgsmodell wollen wir Freien Demokraten jeden falls nicht gefährdet wissen. Denn für uns sind die Schulen in freier Trägerschaft, wie bereits ausgeführt, unverzichtbar für ein erstklassiges Bildungssystem im Interesse aller Schülerin nen und Schüler in unserem Land.

Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Nun erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Fiechtner.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren!

Bildung ist die mächtigste Waffe, die du verwenden kannst, um die Welt zu verändern.

Nicht nur die „Fridays for Future“-Kids sollten sich diesen Satz von Nelson Mandela zu Herzen nehmen, denn Bildung ist nicht selbstverständlich. Ich bin froh über die Änderung bzw. die Anpassung des Privatschulgesetzes; es ist ein weite rer Schritt in die richtige Richtung. Das Ziel muss eine völli ge Gleichstellung der verschiedenen Schultypen sein, sodass die Eltern wirklich die freie Wahl haben.

Noch sinnvoller wäre allerdings eine Abschaffung der Schul pflicht zugunsten einer Bildungspflicht – natürlich eine bun despolitische Angelegenheit. Dies könnte u. a. durch Bil dungsgutscheine erreicht werden. Dabei könnte man die Kern bildung auf das Trivium und Quadrivium reduzieren. Hören Sie sich eine meiner letzten Reden an; da habe ich das schon einmal gebracht.

Ergänzend kann jeder Schüler selbst nach seinen Interessen und Stärken sein Wissen erweitern. Das wäre auch eine Mög lichkeit, Kosten einzusparen, denn Bildung und Geld hängen eben nicht zwingend zusammen – was natürlich nicht zu grü nen, roten, sozialistischen Staatsbeglückungsanschauungen und Fantasien passt.

(Oh-Rufe von Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Winfried Mack CDU: Wo er recht hat, hat er recht!)

Die Schüler können dann selbst entscheiden, welche Fächer ihnen zusätzlich zu den Kernthemen zusagen. Dies wäre auch eine gute Möglichkeit, Wissen für das spätere Leben zu ver mitteln. Es ist gut, wenn unsere Kinder Gedichte interpretie ren können, aber sie sollten auch wissen, worauf sie bei Ver trägen oder der Steuer achten müssen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das heißt bei uns „Alltagskompetenz“!)

Kein Wunder, dass die Jugendverschuldung immer weiter an steigt.

Noch viel wichtiger in der heutigen Zeit ist, dass die Kinder lernen, Informationen im Zusammenhang zu sehen, einzuord nen und zu bewerten; denn wir sehen ja die Defizite allenthal ben hier im Parlament. Aber all das findet nicht statt.

(Lachen der Abg. Beate Böhlen GRÜNE – Zuruf: Unglaublich!)

Doch daran ist nicht, wie man denken mag, unsere Regierung schuld. Nein, das hat Herr Stoch ja in der Vergangenheit schon erfolgreich gewusst. Seiner Meinung nach sind die Lehrer da für verantwortlich. Denn sie können die Themen, die sie ih ren Schülern vermitteln wollen, frei aussuchen. Wohin diese Aussage führt, sieht man aktuell an der Gesamtschule Kürten, wo Schüler gezwungen werden, an der „Fridays for Future“Demonstration teilzunehmen. Schule schwänzen als Schul auftrag – absurder und grotesker geht es kaum, ganz im Stil rot-grüner Selbstvernichtung. Frau Dr. Eisenmann, treten Sie an!

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Die ist doch gar nicht da! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)