Protocol of the Session on November 8, 2018

Wir sind spitze! Baden-Württemberg ist spitze beim aktuel len Bundesländerindex Mobilität und Umwelt, der gestern veröffentlicht wurde. Dieser wissenschaftliche Länderver gleich wurde im Auftrag der Allianz pro Schiene, des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, BUND, und des Deutschen Verkehrssicherheitsrats erstellt.

(Abg. Dr. Rainer Balzer AfD: Toll! – Abg. Anton Ba ron AfD: Kriegen die alle Mittel?)

Basis sind die mobilitätsrelevanten amtlichen Statistiken und die verkehrspolitischen Weichenstellungen aller 16 Bundes länder. Die Kernindikatoren sind Verkehrssicherheit, Lärm minderung, Flächenverbrauch, Klimaschutz und Luftqualität.

Einsame Spitze sind wir beim Lärmschutz. Kein anderes Land erreicht eine so hohe Punktzahl.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Baden-Württemberg ist neben Berlin das einzige Bundesland mit einem quantitativen Minderungsziel für die Belastung durch Verkehrslärm. Das Drängen auf die Einführung kom munaler Lärmaktionspläne und die dabei notwendige ganz heitliche Betrachtung unterschiedlicher Lärmquellen tragen erste Früchte. Wir haben bzw. hatten mit dem Abgeordneten Thomas Marwein und seiner Vorgängerin Gisela Splett kom petente und engagierte Lärmschutzbeauftragte im Land. Vie len Dank an euch beide. Dieser Spitzenplatz im Länderran king geht auch auf euch zurück.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Eine Bestnote gibt es auch beim Thema Verkehrssicherheit. Hier liegen wir knapp hinter Hessen auf Platz 2. Das Land hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 die Zahl der im Straßenver kehr Getöteten um 40 % zu reduzieren, ausgehend von den Unfallzahlen 2010.

(Abg. Anton Baron AfD: Noch eine Geschwindig keitsbeschränkung?)

Als Grundkonzeption für dieses ambitionierte Vorhaben dient das Verkehrssicherheitskonzept des Landes, ein Maßnahmen katalog aus knapp 90 Maßnahmen. Wir halten an der „Vision Zero“, also einem Verkehr ohne Tote, fest.

Weniger gut sind wir auf den Feldern Klimaschutz und Luft qualität. Da liegt Baden-Württemberg nur im Mittelfeld. Hier müssen wir noch mehr tun. Aber immerhin erreicht BadenWürttemberg in der Summe 64 von 100 möglichen Punkten, das Schlusslicht Bayern nur 38.

Wir sind spitze, weil wir einen guten Koalitionsvertrag haben und seit Jahren – früher auch mit der SPD – eine entsprechen de Verkehrspolitik betreiben.

(Zuruf von den Grünen: Hört, hört!)

Wie Sie den Stellungnahmen des Verkehrsministeriums zu un seren beiden Anträgen, die wir gerade debattieren, entnehmen können, ist Baden-Württemberg auch bei der modernen und nachhaltigen Mobilität das Innovationsland schlechthin. Wir haben die Förderung der Elektromobilität deutlich ausgewei tet – sowohl für die Fahrzeuge und die Infrastruktur als auch für elektrische Lastenräder, mit einem Spezialprogramm, wel ches innerhalb weniger Tage komplett ausgebucht war. Da ha ben wir also einen Nerv getroffen.

Ich habe bereits heute Morgen angedeutet, was wir für den ÖPNV tun. Mit dem BW-Tarif und der Tarifreform im Ver kehrsverbund Stuttgart werden die Preise im Nahverkehr erst mals sinken.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Das Landesjobticket wurde eingeführt und der Zuschussbe trag jüngst um ein Viertel erhöht. Wir haben im Vorgriff auf die Bundesregelung ein Elektrifizierungskonzept für die Schiene erstellt, obwohl dies eigentlich eine Bundesaufgabe ist. Dafür nehmen wir selbst ordentlich Geld in die Hand.

Aber auch der Brennstoffzellentechnologie stehen wir offen gegenüber. In der Ortenau soll ab 2021 ein mit Wasserstoff angetriebener Nahverkehrszug fahren.

Allein zum Radverkehr könnte ich eine Stunde reden; das wis sen Sie alle.

(Heiterkeit – Zurufe)

Sie alle wissen, dass kein Flächenstaat so viel tut und so vie le Erfolge hat wie Baden-Württemberg. Ich nenne nur die Stichworte Radstrategie, RadKULTUR, RadNETZ und jüngst Radschnellweg. Das Radleasing für die Beamtinnen und Be amten ist beschlossen.

(Abg. Anton Baron AfD: Die Beamten waren schon immer Radfahrer!)

Die zugehörige Kabinettsvorlage ist auf der Zielgeraden.

Was aber im Plenum oft zu kurz kommt, ist das Thema Fuß verkehr.

(Abg. Anton Baron AfD: Was? Fußfesseln?)

Baden-Württemberg ist eines der ersten Flächenländer, die das Thema Fußverkehr auf Ministeriumsebene bearbeiten. Mit den Fußverkehrs-Checks unterstützen wir die Kommunen bei der Identifikation von Schwachstellen vor Ort – zusammen mit Bürgerinnen und Bürgern. Die Nachfrage der Kommunen nach diesem Förderprogramm ist jedes Jahr sehr viel höher, als es Plätze gibt. Auch hier haben wir also den Nerv getrof fen. Aber ich bin überzeugt, wir müssen und wir können noch viel mehr tun. Denn der Fußverkehr ist das am meisten unter schätzte Verkehrsmittel.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Zufußgehen – hören Sie mal genau zu! – ist die Grundvoraus setzung für jegliche Mobilität. Alle Verkehrswege beginnen oder enden zu Fuß: von der Haustür zum Parkplatz, vom Landtag zum Parkplatz, vom Fahrradständer zur Buchhand lung, von der Bushaltestelle zur Schule. Gehen ist das Binde glied zwischen den Verkehrsmitteln.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Dennoch wird der Fußverkehr nicht als gleichberechtigt wahr genommen und statistisch nicht angemessen erfasst, denn beim Modal-Split wird nur das sogenannte Hauptverkehrsmit tel erfasst, also das Verkehrsmittel, mit dem man zeitlich am längsten unterwegs ist. Die anderen Etappen, zu denen immer auch das Zufußgehen gehört, fallen unter den Tisch.

Richtig gerechnet, wird die Hälfte aller Wegetappen in Deutsch land zu Fuß zurückgelegt.

(Abg. Bernd Gögel AfD: Das wird doch gar nicht er fasst!)

Aktive Mobilität wie Zufußgehen und Radfahren ist gesund, gut für die Umwelt und ein wichtiger Baustein in der Mobili tätswende.

Daher bin ich dem Umweltbundesamt dankbar, dass es jüngst mit der Studie bzw. dem Konzept „Geht doch!“ Wege auf zeigt, wie wir auch auf Bundesebene verbesserte Bedingun gen für den Fußverkehr bekommen. Denn auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt.

Wir müssen in Baden-Württemberg aber auch spitze bleiben. Wir müssen noch viel mehr tun und sind noch lange nicht am Ziel. Die klimaschädlichen Emissionen des Verkehrs in Ba den-Württemberg sinken bisher nicht; im Gegenteil.

(Abg. Anton Baron AfD: Wenn man den Diesel ver bietet!)

Wir drohen unsere selbst gesteckten Ziele, die im Klima schutzgesetz normiert sind und also Gesetzesrang haben, zu verfehlen. Vor genau einem Monat, am 8. Oktober, wurde vom Intergovernmental Panel on Climate Change ein Sonderbe richt zum 1,5-Grad-Ziel veröffentlicht. Das Fazit lautet:

Um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, bedarf es schneller, weitreichender und bisher beispiel loser Veränderungen in sämtlichen gesellschaftlichen Le bensbereichen.

Weiter heißt es:

Der politische Prozess der Transformation hin zu einer klimafreundlichen Weltgemeinschaft muss dringend be schleunigt werden.

Klimapolitik wird natürlich auf verschiedenen Ebenen gestal tet – in der EU, im Bund, im Land, in den Kreisen, in den Kommunen vor Ort. Wir als Landtag von Baden-Württem berg, wir als Abgeordnete, wir als Eltern stehen ganz wesent lich in der Verantwortung. Das sind wir den Menschen im Land und allen kommenden Generationen schuldig.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Wir müssen jetzt handeln; uns läuft die Zeit mit jedem Tag da von. Ich appelliere daher dringend an alle, das Thema endlich ernst zu nehmen.

(Abg. Anton Baron AfD: Eiszeit!)

Unterstützen Sie uns Grüne, unsere grüne Regierung dabei, die Schöpfung zu bewahren. – Dahin möchten Sie vielleicht gern zurück, in die Steinzeit.

Einer der IPCC-Autoren fasst dies als Appell an alle Verant wortlichen prägnant zusammen:

Wir müssen jetzt alle, wirklich alle Optionen zusammen ausschöpfen, wenn wir das Ziel erreichen wollen. Es gibt kein Oder, nur viele Unds.

(Zuruf des Abg. Hans Peter Stauch AfD)

Was können und was müssen wir tun, damit wir spitze blei ben? Das zeigen uns die beiden enorm wichtigen Studien „Mobiles Baden-Württemberg“ der BW Stiftung und „Ver kehrsinfrastruktur 2030: Ein Klimaschutzszenario für BadenWürttemberg“ des Ministeriums. Um die „Selbstverbrennung“ – damit greife ich einen Buchtitel von Herrn Schellnhuber auf – der Menschheit zu stoppen,

(Abg. Dr. Rainer Balzer AfD: Oje!)

um in Baden-Württemberg die Pariser Ziele zu erreichen, brau chen wir bis 2030 eine Verkehrswende hin zu klimafreundli cher Mobilität. Wir brauchen bis 2030 doppelt so viele Fahr gäste in Bus und Bahn, jedes dritte Auto klimaneutral, ein Drit tel weniger Kfz-Verkehr in den Städten.