Protocol of the Session on July 19, 2018

Ich frage also konkret:

a) Wie beurteilt die Landesregierung die negativen Aussagen

der bei der jüngsten Sitzung des Murrtal Verkehrsverbands – das war in der letzten Woche – in Oberrot anwesenden Staatssekretäre und Bahnvertreter insbesondere zu einem zeitnahen zweigleisigen Ausbau der Murrbahn sowie die Absage an ein IC-Angebot?

b) Wie beurteilt sie den Vorschlag des Staatssekretärs Wilfried

Klenk – er war dort anwesend –, der eine langjährige For derung des Fragestellers aufgreift, den betreffenden Stre ckenabschnitt stufenweise durch die Installierung einer so genannten Doppelspurinsel mit Mitteln aus dem Förder programm zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG-Bundesprogramm) zu ertüchtigen, um damit zu mindest eine in gewissem Umfang spürbare fahrplantech nische Verbesserung zu erzielen?

Vielen Dank. – Für die Lan desregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Hermann.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Abg. Bullinger, für die se Frage. Es ist Ihre letzte in Ihrem jetzigen Amt –

(Abg. Andreas Stoch SPD: Abwarten! Nicht zu früh freuen! – Allgemeine Heiterkeit)

jedenfalls in einer Fragestunde. Ich will Ihnen sagen, ich freue mich und fühle mich geehrt, dass ich derjenige bin, der Ihre letzte Frage hier im Parlament beantworten darf.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Geburts tagsgeschenk ist Geburtstagsgeschenk!)

Genau. Ich sage schon jetzt: Ich werde Sie vermissen. Ich hoffe, Sie haben einen Nachfolger.

Jetzt aber zur tatsächlich gestellten Frage. Grundsätzlich will ich sagen: Der Zug ist nicht abgefahren, sondern es kommen immer wieder welche.

(Heiterkeit – Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Zü ge! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Dampf züge!)

Zum Sachstand: Wir haben den Ausbau der Rems- und der Murrbahn zum Bundesverkehrswegeplan angemeldet, weil das für uns wichtige regionale Achsen sind, die mit überregi onaler Bedeutung auch aufgewertet sind und heute nicht an gemessen bedient werden – weder technisch noch von der In frastruktur her noch von den Fahrzeugen her. Deswegen ha ben wir sie angemeldet. Leider konnte sich der Bund nicht da zu durchringen, diese Strecke in den Vordringlichen Bedarf zu setzen.

Es gibt aber einen Hoffnungsweg. Der heißt: Der Bund hat diese Maßnahme in den sogenannten Potenziellen Bedarf ge setzt und will noch einmal genauer prüfen, ob diese Maßnah me wirklich ein günstiges Nutzen-Kosten-Verhältnis hat. Wenn das so ist, dann kommt sie automatisch in den Vordring lichen Bedarf. Darauf setzt das Land. Ich glaube, dass es gu te Anzeichen dafür gibt, dass wir damit erfolgreich sind.

Deswegen diskutieren wir im Moment auch nicht aktuell und intensiv, ob das jetzt über Neigetechnik oder über den Ausbau von Doppelspurinseln oder wie auch immer bewerkstelligt wird, sondern wollen erst einmal abwarten. Wir setzen dar auf, dass das Etikett „Vordringlicher Bedarf“ vergeben wird. Dann sehen wir weiter.

Das zweite Element Ihrer Frage war: Warum fährt da kein IC? Da waren wir, wie Sie wissen, mit der Bahn mehrfach im Ge spräch.

Vielleicht für Nichtverkehrspolitiker und Nichtverkehrspoli tikerinnen: Intercityzüge gehören zum Fernverkehr, und der Fernverkehr findet in eigenwirtschaftlicher Verantwortung der Bahnen statt. Sie können also nicht vom Land – auch nicht vom Bund – bestellt werden. Vielmehr fahren sie, wenn es sich rechnet, wenn es wirtschaftlich ist.

Die DB hatte eine Zeit lang diese Absicht. Dann haben sie es überprüft und festgestellt: Es rechnet sich doch nicht. Sie ha ben daher davon Abstand genommen.

Das ist der aktuelle Stand. Da ist aber wahrscheinlich noch nicht das letzte Wort gesprochen. Es gibt auch in der Bundes politik unterschiedliche Vorstellungen, wie man die Strecke bedient. Ich sehe jetzt erst einmal, dass wir das gemeinsame Ziel haben, das Angebot auf der Murrbahn und die dortige In frastruktur zu verbessern.

Zum zweiten Teil Ihrer Frage, nach welchem Programm die Finanzierung erfolgen könnte bzw. ob das Gemeindeverkehrs finanzierungsgesetz-Bundesprogramm eine Finanzierung sein könnte, will ich sagen: Zum Ersten setzen wir auf den Bun desverkehrswegeplan. Denn das heißt, dass der Bund entspre chend seiner Verpflichtung nach dem Grundgesetz, wonach er für die Eisenbahnen des Bundes zuständig ist, das auch hun dertprozentig finanzieren muss.

Wenn wir jetzt auf eine andere Finanzierung gehen müssten, weil der Bund das so nicht macht – was sein kann –, dann kommt das GVFG-Programm infrage. Das ist aber wirklich die zweitbeste Lösung. Denn das bedeutet, dass der Bund nur noch maximal 60 % bezahlt, dass das Land 20 % übernimmt und die kommunale Seite – Region, Landkreis – 20 % irgend wie zahlt. Die werden nicht gerade begeistert sein, dass sie die Aufgabe des Bundes übernehmen müssen.

Trotzdem glaube ich: Bevor wir nichts machen, würden wir diesen Weg beschreiten. Erst einmal setzen wir aber alles da ran, dass der Bund dies als Teil seiner Aufgabe ansieht, indem wir das in den Vordringlichen Bedarf bekommen. Dann schau en wir, dass wir alle weiteren Verbesserungen hinbekommen.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abg. Dr. Bullinger.

Vielen Dank, Herr Minister. – Zunächst einmal wäre es wichtig, noch einmal bei der Bahn nachzufragen, aus welcher Zeit diese Rentabilitäts berechnungen sind.

Bei der S-Bahn-Verlängerung von Nürnberg nach Crailsheim sind es, wenn ich es richtig weiß, Erhebungen aus dem Jahr 2005 oder 2008 – völlig überaltert. Bei den ICs stellt sich die se Frage auch. Die Berechnungen sind mit Sicherheit noch aus der Zeit vor Inbetriebnahme der Schnellbahntrasse nach Berlin. Das ist die kürzeste Strecke, das weiß man: zwei Stun den 48 Minuten von Nürnberg nach Berlin – man sollte se hen, ob man die blöde Übergangszeit von 50 Minuten noch ändert –, oder von Nürnberg nach München in 56 Minuten. – Es sind meines Erachtens alles Zahlen der DB, die uralt sind und die neue Entwicklung, die Attraktivität dieser Fernstre cke überhaupt nicht berücksichtigen.

Sind Sie bereit, da noch einmal nachzuhaken und das viel leicht auch im Lichte neuer Berechnungen zu sehen?

Man kann der Bahn schon den einen oder anderen Blödsinn unterstellen. Dass die Planer der Deutschen Bahn aber ein Jahr vor Inbe triebnahme dieser Neubaustrecke nicht damit gerechnet ha ben, dass diese in Betrieb genommen wird, das kann man ih nen nicht unterstellen.

Die Entscheidung ist ja erst vor zwei Jahren getroffen wor den. Da hat man gesagt: „Nein, das rechnet sich nicht“ – auch unter der Annahme, dass die Neubaustrecke kommt. Es lagen also schon aktuellere Zahlen zugrunde.

Trotzdem ist die Bahn von der Annahme dieser neuen Strecke überrascht worden. Sie hat schon mit mehr Fahrgästen gerech net, aber nicht mit so viel mehr Fahrgästen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Zusätzliche Züge einsetzen!)

Sie muss jetzt zusätzliche Züge einsetzen. Daher könnte es schon sein, dass man es vor diesem Hintergrund noch einmal neu bewertet.

Wir sehen auch, dass die Bahn gerade dabei ist, alte Pläne, frühere Planungen – sie musste z. B. im Zusammenhang mit Stuttgart 21 ein Fahrplankonzept erstellen, welche Züge wann und wo fahren – zu überdenken, weil sich die Zeiten geändert haben und sich die Mobilitätsbedürfnisse geändert haben. Das eine oder andere steht noch nicht endgültig fest. Es kann auch sein, dass ursprünglich fest eingeplante Linien verschoben werden, weil sie anders günstiger gelegt werden. Das wird al les kommen.

Ich bin gern bereit, dass wir noch einmal der Frage nachge hen, ob es aktuell Neueres dazu gibt. Dazu müssen wir ein fach noch mal nachfragen. Das schicken wir Ihnen dann per Post in den Ruhestand nach.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sie gehen von Ruhestand aus?)

Danke schön. – Es gibt eine weitere Zusatzfrage. – Herr Abg. Baron.

Vielen Dank, Herr Minister. – Sie haben ja sicherlich von dem externen Gutachten gehört, mit dem die Belastung auf der Strecke geprüft wurde. Wie schät zen Sie als Verkehrsminister dieses Gutachten ein?

Welches Gutach ten meinen Sie?

Ich meine das Gutachten des exter nen Planungsbüros, in dem festgestellt wurde, dass Neigetech nik das Mittel ist, mit dem man am schnellsten von A nach B kommt, und in dem auch die Belastbarkeit auf der Strecke ge prüft wurde.

Ich kann jetzt nicht auf Details des Gutachtens eingehen. Diese habe ich nicht so präsent. Ich will nur grundsätzlich sagen: Wir haben in der Infrastrukturpolitik oft die Situation, dass der Ausbau, der nötig ist, um schnell fahren zu können, oft sehr teuer ist, weil man dann Strecken begradigen und Tunnel sowie Brü cken bauen muss. Auf kurvenreichen Strecken ist die soge nannte Neigetechnik eine Möglichkeit, schneller zu fahren, ohne extrem teure Ausbaukosten zu haben.

Der Nachteil an dieser Geschichte ist, dass die Neigetechnik züge in den letzten Jahren häufig nicht funktioniert haben und ein Großteil der Klagen über Zugverspätungen auf diese nicht funktionierende Neigetechnik zurückgehen.

Der Vorstand der Deutschen Bahn verabschiedet sich deswe gen von dieser Technik. Wir wollen aber, dass Neigezüge z. B. auch auf der Verbindung Stuttgart–Zürich weiter fahren, weil wir glauben, dort, wo es kurvenreich ist, brauchen wir diese Züge als schnelle Züge.

Grundsätzlich sage ich: Die Neigetechnik ist in den Achtzi gerjahren entwickelt worden. Wir haben jetzt 40 Jahre Zeit gehabt. Ich bin der Meinung, dass die Bahnindustrie doch wohl in der Lage sein müsste, 40 bis 50 Jahre nach Erfindung der Neigetechnik Züge zu liefern, die funktionieren.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Überschät zen Sie das Beurteilungsvermögen der Bahn nicht!)

Ja. – Im Moment argumentiert die Bahn nur kostenorien tiert. Sie sagt: „Das ist uns zu teuer.“ Wir müssen uns in der Politik mal überlegen, ob es Sinn macht, dass man mit Milli ardenbeträgen Strecken ausbaut, oder ob man lieber etwas mehr in die Züge investiert und einen ähnlichen Effekt erzielt, der am Ende aber kostengünstiger ist.

Derzeit wird die Infrastruktur bezahlt, aber die teuren Züge nicht. Deswegen müssen wir ein Verfahren finden, das in et wa so lautet: Wenn man beim Ausbau der Infrastruktur spart, dann bekommt derjenige, der mit einer teureren Technik fährt, dafür einen gewissen Ausgleich. Das System gibt es bisher nicht. Aber in solchen Kategorien muss man denken, wenn man weiterkommen will.

(Abg. Anton Baron AfD: Vielen Dank!)

Vielen Dank. – Damit ist die Behandlung der Mündlichen Anfrage unter Ziffer 8 beendet.

Punkt 4 der Tagesordnung ist damit insgesamt erledigt.

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP/ DVP – Gesetz zur Änderung des Gesetzes für unterstüt zende Wohnformen, Teilhabe und Pflege (Wohn-, Teilha be- und Pflegegesetz – WTPG) – Drucksache 16/4078