Protocol of the Session on May 20, 2020

Wir haben es heute Vormittag auch schon gehört: Wir haben gestern Abend ein Notprogramm Kultur beschlossen. 40 Mil

lionen € für die Kultur, das ist ein wesentlicher Schritt, ein starkes, wichtiges Signal an die Kulturszene.

Wir unterstützen darüber hinaus aber auch noch die Vereine, also die ehrenamtliche Arbeit – Herr Haußmann, das war auch Ihnen wichtig. Ich glaube, wir alle in diesem Haus haben hier durchaus die gemeinsame Linie, dass das Ehrenamt unterstützt werden muss; denn auch dieses leidet unter der derzeitigen Situation. Daher ist es wichtig, das auch noch einmal zu er wähnen.

(Zuruf)

Ich habe nicht mehr viel Redezeit. Deswegen komme ich jetzt auch zum Schluss.

(Vereinzelt Beifall)

Ersparen Sie sich das Geklatsche auf der rechten Seite.

(Vereinzelt Lachen – Zuruf)

Dass Kultur in solchen Situationen ganz wichtige Reflexions orte sind, um gesellschaftliche Erlebnisse zu bündeln, wird klar, wenn man sich die Namen der Werke aus Zeiten frühe rer Pandemien in unserem kulturellen Gedächtnis anschaut. Um nur ein Beispiel von vielen zu nennen: Denken Sie an das „Decamerone“, die Novellensammlung des italienischen Schrift stellers Boccaccio, der dieses Werk vor dem Hintergrund der Pestepidemie 1348 geschrieben hat. Es handelt davon, wie sich in Isolation befindliche Menschen in einem kleinen Kreis die Zeit vertreiben. Dieses Werk ist 700 Jahre alt, aber mei nes Erachtens brandaktuell, und es zeigt auch, wie Kultur Menschen zusammenbringt.

Um es noch einmal aufzugreifen: Ich habe entsprechende Zu schriften erhalten, und es gab auch Zeitungsmeldungen, die die Überschrift trugen: „Wenn ich Künstler wäre, würde ich in Baden-Württemberg wohnen wollen“. Das ist, glaube ich, ein Signal dafür, dass Baden-Württemberg ein Wunschwohn ort für Künstlerinnen und Künstler ist.

(Beifall)

Das haben wir uns im Übrigen gemeinsam erarbeitet, weil die Kunstkonzeption gemeinsam von diesem Haus verabschiedet worden ist. Wir sollten dies auch gemeinsam bekräftigen. Des wegen habe ich auch nicht gesagt, dass es in irgendeiner Art und Weise ein Verdienst von einer bestimmten Fraktion oder einer bestimmten Regierung sei.

Wir müssen – um das noch mal abschließend zu sagen; ich glaube, das ist die wichtigste Quintessenz des heutigen Tages – Kunst und Kultur bei allen kommenden Entscheidungen weiter vorn und vor allem zentral mitdenken. Wir müssen Möglichkeiten schaffen, dass Kultur trotz Abstand stattfinden kann, und dafür sorgen, dass in der Zeit nach Corona – die hoffentlich bald beginnen wird – ein starker, resilienter Kul turbereich vorhanden ist, der sich weiter tragen kann.

Zum Schluss das Wichtigste: Unsere Kultur ist relevant, un sere Kultur ist für uns – um es mit einem aktuellen Begriff zum Ausdruck zu bringen – systemrelevant.

Vielen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank. – Für die CDUFraktion erteile ich das Wort Frau Abg. Philippi.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Aktuell sehen wir im Bereich des Fußballs, was möglich ist, wenn sich die verantwortlichen Akteure eng miteinander austauschen und sich gemeinsam ei nig sind, dass eine Wiederaufnahme des Betriebs nötig ist, um eine Branche zu retten. Auch wenn man geteilter Meinung sein kann, ob die Wiederaufnahme der Bundesliga wirklich notwendig war: Das Feedback der internationalen und der na tionalen Presse zur Umsetzung der Hygienemaßnahmen war im Großen und Ganzen positiv. Die genaue Einhaltung aller Regeln klappt noch nicht zu 100 %, aber der Wille, daran zu arbeiten, ist da.

Heute geht es um die schrittweise Öffnung eines weiteren Be reichs, um einen Bereich, der laut einer Studie der Charité aus sozialmedizinischer Perspektive besonders wichtig und ge sundheitlich stabilisierend ist und der eine unverzichtbare Be deutung für die Bevölkerung hat. Im Fazit dieser Studie heißt es:

Eine Wiederaufnahme des Kunst- und Kulturbetriebes sollte daher parallel zur Wiedereröffnung von Industrie, Handel und Bildungseinrichtungen dringend angestrebt werden.

Die Museen haben bereits geöffnet, aber die Öffnung unserer Konzert- und Theaterhäuser und die Durchführung von Ver anstaltungen ganz allgemein sind mit vielen Fragen verbun den. Wie gestalten sich Abstandsregeln auf einer Bühne? Wie gestalten sie sich bei den Proben? Wie sieht es im Zuschauer raum aus?

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters, hat sich in einem Papier an die Regierung bereits für kleinformatige Darbietungen und Freiluftauffüh rungen starkgemacht. Aber das kann nur der erste Schritt sein. Es ist ein fatales Signal, wenn Theaterbühnen im Vergleich zum Fußballplatz offensichtlich nachrangig behandelt wer den.

(Beifall – Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜ NE)

Gerade in den darstellenden Künsten haben wir so viele kre ative Menschen, die in der Lage sind, Hygieneregeln einfalls reich umzusetzen und ihre Auftritte entsprechend zu adaptie ren. Geben wir ihnen die Chance, dies zu tun.

Deshalb brauchen wir dringend Perspektiven für die Künstle rinnen und Künstler in unserem Land. Verbindliche Regeln für Bühne und Saal sind dabei das eine, finanzielle Stützen, um weggebrochene Einnahmen zu kompensieren und vor al lem Wertschätzung für diese Kunstform zu zeigen, sind das andere.

Wir haben neben den großen professionellen Theatern und Opernhäusern in Baden-Württemberg unzählige Theater im Amateurbereich, viele von ihnen auch gemeinnützig. Diese müssen zielgerichtet unterstützt werden.

Neben dem Theater müssen wir auch die Musik verstärkt in den Blick nehmen. Diese Szene ist überaus vielfältig. Der ein

zelne Pianist ist nicht mit einem Symphonieorchester zu ver gleichen. Die vielen Blaskapellen und Chöre brauchen eben so eine Perspektive wie die Opernsängerinnen und -sänger am Staatstheater oder am Nationaltheater.

(Beifall)

Von Anfang an hatte unsere Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut neben den Kleinunternehmen und Solo selbstständigen auch die Künstlerinnen und Künstler und die Honorarkräfte mitgedacht und mit berücksichtigt. Denn nicht erst seit Lothar Späth wissen wir, die CDU, dass Kunst und Kultur ein Wirtschaftsfaktor sind.

Es wurde deutlich, dass wir auch den Amateurbereich ver stärkt in den Blick nehmen müssen. Einige von uns in der CDU haben ja schon in einem Schreiben an die Wissenschafts ministerin darauf Bezug genommen. Niemand verlangt, dass wir allen Freizeitchören und -orchestern ab morgen wieder grünes Licht geben, aber wir brauchen eine Perspektive, wie es für Profis und Amateure weitergehen kann und welche Re geln es geben wird, um ihnen die Ungewissheit zu nehmen.

(Beifall – Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜ NE)

Deswegen brauchen wir z. B. eine medizinische Studie über die tatsächlichen Risiken des Musizierens auf Blasinstrumen ten und des Singens. Nur dann, wenn wir umfassende Kennt nisse haben, können wir in Absprache mit den Betroffenen entscheiden, was schon machbar ist und was noch warten muss.

Baden-Württemberg zeichnet sich durch eine vielfältige Kul turlandschaft aus, die es zu schützen gilt. Neben den bereits erwähnten darstellenden Künsten sind das vor allem die Mu seen, darunter prominent unsere baden-württembergischen Welterbestätten. Sie alle sind in der momentanen Lage vom Ausbleiben der Besucher betroffen. Wir, das Land, haben hier in besonderer Weise eine Verpflichtung, unseren Leuchttür men mit überregionaler Bedeutung das Fortbestehen zu si chern. Dazu sollten wir uns klar bekennen und die nötigen Zu sagen machen.

(Beifall)

Nur dann haben die Verantwortlichen Planungssicherheit und können das Fortbestehen der historischen Stätten garantieren.

Die CDU-Fraktion begrüßt den „Masterplan Kultur BW – Kunst trotz Abstand“. Dafür wurden gestern 40 Millionen € freigegeben. Wir gehen davon aus, dass der Landtag, insbe sondere der Wissenschaftsausschuss, bei der Ausgestaltung der Hilfen intensiver als bisher fachlich eingebunden wird. Für die CDU darf ich sagen: Wir wollen Kunst und Kultur un voreingenommen fördern, nicht selektiv, nicht zielgruppen spezifisch, nicht daran orientiert, ob uns die Inhalte zusagen.

Lassen Sie uns also gemeinsam Kunst und Kultur in BadenWürttemberg in den Fokus nehmen. Lassen Sie uns gemein sam Künstlerinnen und Künstler unterstützen, unabhängig da von, in welcher Sparte sie arbeiten, unabhängig davon, ob sie als Profi oder als Amateur tätig sind. Sobald es der Infektions schutz erlaubt, wollen wir dafür sorgen, dass Künstlerinnen und Künstler, ihr Publikum, aber genauso wir, die Gesellschaft

insgesamt, wir alle von den positiven Effekten der Kultur pro fitieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, bei der Bundesliga ging es nicht nur um die prominenten Spieler, sondern auch um die vielen Mitarbeiter und externen Dienstleister, ohne die kein Spiel stattfinden würde. In Kunst und Kultur ist es nicht viel anders. Es ist eine Branche, die viele berührt, von der aber auch viele Existenzen abhängen. Natürlich ist es ein Wunsch traum, aber dennoch wünsche ich mir für die Kunst und die Kultur die gleiche Aufmerksamkeit und Unterstützung, wie sie die Bundesliga erfahren hat.

(Beifall – Zuruf: Bravo!)

Vielen Dank. – Für die SPDFraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Rivoir.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne meine Ausführungen mit einem Zitat:

Gerade in diesen Tagen erfahren wir: Kunst und Kultur sind, in einem sehr buchstäblichen Sinn, Lebensmittel.

Dies hat unser Bundespräsident vor wenigen Tagen beim Eu ropakonzert der Berliner Philharmoniker geäußert. Er bringt es, wie so oft, auf den Punkt: Kunst und Kultur sind Lebens mittel.

Kolleginnen und Kollegen, in diesen Tagen gilt es, insbeson dere den vielen freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern, den Kulturinitiativen, der Soziokultur, den Orchestern, den Theatern – ob freie, kommunale oder staatliche Theater –, die alle von der Krise sehr stark betroffen sind, eine Perspektive aufzuzeigen. Sie alle, die ganze Szene, haben in den vergan genen Jahrzehnten mit ihrer Kreativität und Fantasie dazu bei getragen, dass unser Land so liebenswert und unsere Gesell schaft so lebendig ist, wie wir sie in den letzten Jahren vorge funden haben.

Die Kunst sowie die Künstlerinnen und Künstler sind für die gesellschaftliche Identifikation und auch für die Integration unabdingbar. Auf den Punkt gebracht – der Kollege hat das auch schon gesagt; das ist naheliegend –: Kunst ist systemre levant.

Kolleginnen und Kollegen, wir müssen jetzt alle aufpassen, dass wir in diesem in Baden-Württemberg sehr stark regional geprägten Kulturbetrieb, bei den vielen Künstlerinnen und Künstlern in den nächsten Wochen und Monaten keinen all zu erheblichen Verlust erleiden, dass uns dieses Potenzial nicht kaputtgeht. Was über Jahre hinweg gewachsen ist, darf uns jetzt nicht innerhalb von kürzester Zeit unumkehrbar verloren gehen.

(Beifall)

Kolleginnen und Kollegen, es geht aber nicht nur um schöne Theaterabende, um Schöngeistiges, um Vergnügen, vielleicht auch um etwas Bildung, darum, dass wir zusammen singen oder dass in den Theatern die Auseinandersetzung mit der Ge sellschaft stattfindet. Der Kunst- und Kulturbetrieb ist auch ein großer Wirtschaftszweig in Baden-Württemberg. Wie Sie wissen, gibt es in Baden-Württemberg im Bereich der Krea

tivwirtschaft mit der Kunst und Kultur etwa 31 000 Unterneh men. – Wenn Sie Zwischenfragen haben, nur zu. Alle lachen so nett.