Protocol of the Session on March 11, 2020

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Das sehr rechts staatlich ist! Ich bin ein Freund der wehrhaften De mokratie und bin sehr dankbar für die Debatte heu te! Ihnen müssen die Grenzen aufgezeigt werden! – Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Nie wieder 33!)

Genau. Ich freue mich, dass wir uns hier mit Ihnen ausein andersetzen können, denn wenn die SPD ihre Karriere der letzten Jahre fortführt – – 2016 eine Halbierung der Zahl der Mandate,

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Das ist lange Ver gangenheit!)

2021 eine Halbierung der Zahl der Mandate. Genießen Sie es, dass die SPD diesem Landtag noch angehört. Das ist eine wunderschöne Sache.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Wie viel habt ihr jetzt? – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Hochmut kommt vor dem Fall!)

Interessanterweise ist es ja so, dass die Vorlage für diesen Ge setzentwurf nicht von der AfD in Bayern stammt, sondern von der CSU.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Abge schrieben auch noch!)

Man kann aus Bayern durchaus noch ein paar Sachen ler nen; das gilt vielleicht für alle Parteien hier im Landtag. – Da bei haben wir es im Grunde genommen noch etwas abgemil dert, indem wir einen Rechtsbeistand in den Gesetzentwurf eingefügt haben, der im Gesetz der CSU so nicht vorgesehen war.

Wir bitten Sie natürlich um Zustimmung zu unserem Gesetz entwurf. Wir als Rechtsstaatspartei wollen dafür sorgen, dass in unserem Land weniger Gefährder frei herumlaufen. Mög licherweise sitzen einige hier, aber das möchte ich jetzt nicht entscheiden.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Herr Räpple ist doch gar nicht da! Räpple ist nicht da! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Herr Räpple ist nicht da!)

Herr Abg. Dr. Goll, bitte, für die FDP/DVP.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Wir halten Vorschläge, den Präven tivgewahrsam auszuweiten – egal, von wem sie kommen –, für gesetzgeberischen Aktionismus. Gesetzgeberischen Akti onismus lehnen wir ab.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir haben das ja so häufig: Es wird für ein wirkliches oder manchmal auch vermeintliches Problem flugs ein neues Ge setz gemacht, ohne dass man darüber nachdenkt, ob das Ge setz überhaupt helfen kann. Das steht auch meist gar nicht im Vordergrund; im Vordergrund steht eher ein politischer Leis tungsnachweis. Es ist dann ziemlich egal, ob der Nachweis in der Praxis nützlich ist oder nicht. Deswegen wundert mich auch manches an der Aufregung.

Meine Damen und Herren, man muss sich doch nur die Er fahrungen anschauen, die die Bayern mit ihrem Gesetz ma chen. Sie haben es zwei Jahre lang evaluiert. Erstens könnte man schon sagen: Die vergleichsweise geringe Zahl der Fäl le zeigt, es ist nicht gerade ein Vorschlag, auf den die Welt ge wartet hat. Das Tollste ist, dass es von den insgesamt nur we nigen Fällen nur eine zu vernachlässigende Zahl von Fällen ist, auf die Sie mit dem Gesetz zu zielen meinen. Die erdrü ckende Mehrzahl der Fälle sind Dinge, über die man fast la chen könnte: notorische Zechpreller oder wiederholte Trunk sucht. Die findet man da.

(Heiterkeit der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Aber das passt!)

Man nimmt die vermeintlich große Kanone und schießt – „Bumm!“ – daneben. Man trifft nichts.

Jetzt aber umgekehrt: Man sieht völlig von den respektablen Möglichkeiten ab, die wir jetzt schon haben. Wir haben – auch das hat man fleißig diskutiert – den Bereich, in dem die Straf prozessordnung gilt, in dem ich jemanden in U-Haft festhal ten kann, immer weiter vorverlagert. Wenn man einmal in die §§ 129 ff. der Strafprozessordnung schaut, wie weit die Straf barkeit bereits vorgelagert ist – Bildung einer terroristischen Vereinigung –, habe ich blendende Möglichkeiten, schon im Vorfeld die Täter festzuhalten.

Das passiert auch – darüber reden wir kaum –: Jüngst sind zwölf Mitglieder einer mutmaßlich rechtsextremen Terrorzel le verhaftet und festgehalten worden, genau auf dieser Grund lage, federführend durch das LKA Baden-Württemberg.

Wie man bei der ganzen Sachlage einen Handlungsbedarf er kennen kann, ist uns ehrlich gesagt schleierhaft. Darum wer den wir den Gesetzentwurf ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP, Abgeordneten der Grünen und der CDU sowie des Abg. Rainer Stickelberger SPD)

Nun darf ich für die Re gierung Herrn Innenminister Strobl ans Redepult bitten.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Der Kollege hat wohl etwas Falsches gesagt, wenn man da drüben applau diert! – Abg. Josef Frey GRÜNE unterhält sich mit Staatssekretärin Katrin Schütz an der Regierungs bank.)

Ich weise noch einmal darauf hin, dass die von mir aus ge sehen linke Seite der Regierungsbank heute offenbar eine be sondere Attraktivität hat. Könnten Sie dort bitte die Gesprä che einstellen?

(Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf: Nicht nur heute! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Das kann man auch nicht leugnen, derartige Attraktivitäten! – Gegenruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Letz te Woche noch Weltfrauentag, jetzt schon wieder Alt herrenwitze! – Weitere Zurufe, u. a. des Abg. Rainer Stickelberger SPD)

Herr Innenminister, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin, verehrte Kol leginnen und Kollegen! Die Haltung des Innenministeriums zum Gesetzentwurf der AfD, zum sogenannten Gefährderge wahrsam, hat Herr Staatssekretär Klenk bereits in der ersten Lesung hier im Plenum des Landtags von Baden-Württem berg dargelegt. Insofern erlaube ich mir, mich heute kurzzu fassen. Um es einfach noch einmal klipp und klar zu sagen: Wir lehnen diesen wenig präzisen und wenig durchdachten Gesetzentwurf der AfD ab.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es!)

Freilich: Eine Erweiterung des Präventivgewahrsams kann meines Erachtens durchaus einen Beitrag für die innere Si cherheit darstellen. Aber eine solche Erweiterung muss dann maßvoll und in sehr engen Grenzen geschehen. Es handelt sich hierbei um einen tiefgreifenden Eingriff in die grundge setzlich verbürgte Freiheit eines jeden Einzelnen.

Was die einzelnen Gründe sind, warum der Gesetzentwurf der AfD nicht trifft, hat, wie gesagt, Herr Staatssekretär Klenk be reits in der letzten Sitzung, als hierüber im Landtag diskutiert wurde, dargelegt.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ich auch! Ich habe es auch dargelegt!)

Deswegen ist auch von den Koalitionsfraktionen heute erneut durch den Kollegen Zimmermann und den Kollegen Sckerl klargemacht worden, warum wir diesen Gesetzentwurf nicht brauchen.

Im Übrigen bin ich froh und dankbar, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir Ihnen stattdessen demnächst einen Ent wurf der Landesregierung zur Änderung des Polizeigesetzes vorlegen können, der die Polizeiarbeit und die Sicherheitsla ge in diesem Land wirklich substanziell positiv weiterentwi ckelt.

(Abg. Thomas Blenke CDU: So sieht es aus!)

Die Einigung, die wir hierzu in der Koalition nun erzielt ha ben, ist ein weiterer Meilenstein für die Polizistinnen und Po lizisten in Baden-Württemberg. Dafür herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Sandra Boser GRÜNE – Abg. Anton Baron AfD: Stellen Sie doch einen Änderungsantrag!)

Dieser Gesetzentwurf, verehrte Kolleginnen und Kollegen, den ich gestern in den Ministerrat eingebracht habe und den wir nunmehr durch Kabinettsbeschluss zur Anhörung freige geben haben, bringt eine Verbesserung der Sicherheit der Bür gerinnen und Bürger in unserem Land, aber er bringt auch mehr Sicherheit für unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibe amten.

Eine wichtige neue Befugnis ist der Einsatz der Bodycam auch in Wohnungen sowie in Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräu men. Das dient neben dem Eigenschutz der Polizistinnen und Polizisten insbesondere auch dem Schutz von Frauen und Kin dern, wenn Sie etwa an das Thema „Häusliche Gewalt“ den ken.

Deswegen bin ich froh, dass die Bodycam in Baden-Württem berg in der Fläche inzwischen so häufig wie in keinem ande ren Land der Bundesrepublik Deutschland zum Einsatz kommt und dass wir sie zudem nunmehr auch innerhalb geschlosse ner Räume zum Einsatz bringen können.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Ganz wichtig!)

Denn Kriminalität findet bekanntlich nicht nur im Freien, son dern auch in geschlossenen Räumen statt.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Ebenso wichtig ist die Befugnis, Personenkontrollen bei Groß veranstaltungen und Ansammlungen durchzuführen, die ein besonderes Gefährdungsrisiko aufweisen. Die Stärkung un serer Polizei bei solchen Veranstaltungen dient ganz wesent lich der Gewährleistung der Sicherheit im öffentlichen Raum.

Wir haben uns für dieses Jahr 2020 vorgenommen, uns beson ders um die Sicherheitslage im öffentlichen Raum zu küm mern. Dazu ist diese Gesetzesänderung ein wesentlicher und wichtiger Beitrag. Ich danke den Koalitionsfraktionen sehr, dass wir uns auf diese Gesetzesmodernisierung einigen konn ten.

Die Anwendung dieser Befugnisse werden wir evaluieren und somit stets im Blick behalten.

Neben der Einführung dieser zentralen und wichtigen Befug nisse für unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten wer den mit unserem Entwurf die Umsetzung der EU-Datenschutz richtlinie für Polizei und Justiz sowie die Umsetzung der Ur teile des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeskriminalamt gesetz und zu automatischen Kennzeichenlesesystemen erfol gen. Das ist ebenfalls eine wichtige Anpassung des Polizeige setzes.

Nun hat der Kollege Stickelberger angesprochen, dass wir im Gesetzesvollzug irgendwie ein bisschen hinterher seien. Ich habe gelesen, dass der Kollege Binder in der Ersten Beratung den Vorwurf an das Innenministerium erhoben hat, wir wür den das Polizeigesetz zwar ständig verschärfen, die Befugnis se dann aber doch nicht anwenden.

Hierzu möchte ich Ihnen einfach noch einmal generell sagen: Ja, das ist richtig; wir haben die polizeilichen Eingriffsbefug nisse erweitert, um möglichst schon im Vorfeld die Verhinde rung konkreter Straftaten angehen zu können. Klar war aber auch, dass dies an enge Vorgaben und an hohe Anforderungs voraussetzungen geknüpft ist.

Ich habe etwa in Fragen der Telekommunikationsüberwa chung immer gesagt, dass wir diese selbstverständlich nicht massenhaft anwenden wollen und werden. Uns geht es beilei be nicht darum, massenhaft Bürgerinnen und Bürger zu be lauschen und auszuspähen. Vielmehr brauchen wir diese Ins trumente zur Verhinderung schwerer und schwerster Strafta ten. Ich hoffe selbst, dass die Zahl der Fälle, in denen wir das entsprechende Instrumentarium zum Einsatz bringen müssen, sehr gering bleiben wird.