Deshalb schon die Frage: Was muten Sie eigentlich den Be schäftigten, die Sie jetzt einstellen, zu, wenn diese nicht ein mal wissen, was auf sie zukommt?
Wir wollen auch wissen: Wie verhält es sich denn nun mit dem Gesetz, das Olaf Scholz in den Bundestag eingebracht hat und das verabschiedet wurde? Denn nach dem Länderfinanzaus gleich müssen Sie wahrscheinlich, rein fiktiv, parallel berech nen, wie die Grundsteuer aussähe, wenn man sich an das Bun desgesetz hielte. Auch dazu wollen wir eine Antwort.
Im Übrigen gebe ich Ihnen den guten Rat: Wenn Sie sich in der Koalition nicht einigen, dann legen Sie einfach den Ge setzentwurf des Bundes zugrunde. Dieser regelt alles und be zieht die Kommunen und die Steuerzahler in gerechter Wei se in das Verfahren ein.
Für die Landesregierung er teile ich das Wort Frau Finanzministerin Sitzmann. – Ich bit te, die Antworten möglichst kurz, innerhalb von fünf Minu ten, vorzutragen, damit wir mehr Fragemöglichkeiten haben. Unsere Geschäftsordnung sieht dies so vor. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Stickel berger, ich kann Sie beruhigen: Das Verfahren nimmt inner halb der Koalition einen geordneten Gang,
und wir werden uns rechtzeitig für das Modell entscheiden, das wir für Baden-Württemberg für am besten halten.
ganz im Gegenteil: Wir lassen einzelne Modelle auch von Ex perten diskutieren, und wir gehen ergebnisoffen in solche Ge spräche.
Ein solches Gespräch hatten wir am vergangenen Freitag. Da bei wurde unisono das Bundesmodell heftig kritisiert. Es wur de auch von renommierten Verfassungsrechtlern angeführt, dass das Bundesmodell für nicht verfassungskonform gehal ten wird. – Übrigens ist dieser Vorwurf nicht ganz neu; denn auch Bundesfinanzminister Scholz hat bereits im vergange nen Jahr diverse Verfassungsrechtler eingeladen, die dieses Modell ebenfalls kritisch beurteilt haben.
Ja. – Es gab dann auch diverse Vorschläge vonseiten der Länderfinanzminister, das Bundesmodell weiter zu modifizie ren. Diese Vorschläge hat der Bundesfinanzminister allerdings aus nicht bekannten Gründen abgelehnt.
Tatsache ist, es wird derzeit über mehrere Modelle diskutiert. Sie haben das Bundesmodell genannt. Das ist das Modell, das gesetzlich beschlossen ist. Sollte ein Land, beispielsweise Ba den-Württemberg, von der Öffnungsklausel keinen Gebrauch machen, dann wird automatisch das Bundesmodell in Kraft treten.
In der Diskussion ist noch ein weiteres Modell, nämlich das sogenannte bayerische Modell. Auf Grundlage dieses bayeri schen Modells gibt es bislang noch keinen Gesetzentwurf, und wir gehen davon aus, dass vor der Kommunalwahl Mitte März in Bayern auch kein entsprechender Gesetzentwurf auf dem Tisch liegen wird. Dieses bayerische Modell orientiert sich nicht am Wert, am Ertrag, an der Leistungsfähigkeit, sondern hat einen komplett anderen Ansatz, nämlich, einfach die Flä che zu nehmen und sie mit einer Äquivalenzzahl zu multipli zieren. Da hat unser Expertengespräch ergeben, dass die Äqui valenzzahlen, die jetzt beim bayerischen Modell, soweit wir es kennen, vorgesehen sind, doch willkürlich erscheinen. Des halb wird nicht nur das Bundesmodell als verfassungsrecht lich kritisch eingeschätzt, sondern eben auch das bayerische Modell.
Schließlich gibt es ein drittes Modell, das sogenannte Boden wertmodell. Bei diesem Modell, zu dem wir im Finanzminis terium einen Gesetzentwurf ausgearbeitet haben, geht es da rum, die Fläche mit dem Bodenrichtwert zu multiplizieren. Das ist also ein sehr einfaches Modell: Man braucht lediglich zwei Angaben, nämlich die Fläche des Grundstücks und den jeweiligen Bodenrichtwert, dann kommt man zur Bemes sungsgrundlage. Dieses Modell wurde unisono als sehr gut bewertet, als mutig, innovativ, einfach, plausibel, nachvoll ziehbar und verfassungskonform. Es hat also eine sehr posi tive Resonanz gefunden, Herr Kollege.
Es gibt noch einige wenige offene Fragen, die zu klären sind, etwa die Frage: Kann man ohne großen Aufwand die Fläche des Gebäudes in ein solches Modell einbeziehen? Aber: Wel che Fläche nimmt man dann: Bruttofläche, Nettofläche, Wohn fläche, Nutzfläche, Innenmaße, Außenmaße? Das sind also keine ganz einfachen Fragen, mit denen wir uns jetzt noch be schäftigen werden.
Ich versichere Ihnen: Wir sind auf einem guten Weg. Das se hen auch die Koalitionsfraktionen so: Wir sind auf einem gu ten Weg. Wir werden die Ergebnisse des Expertengesprächs intensiv auswerten.
Wir alle wissen: Sollten wir die Öffnungsklausel ziehen, dann müssen wir uns zeitnah entscheiden. Wir müssen zumindest über die Eckpunkte bis Ende Februar eine Entscheidung tref fen und genauere Planungen bis Ende März anstellen. Vor der Sommerpause sollte dann ein Landesgesetz beschlossen sein. So geht es also weiter, Herr Kollege.
Die 150 Stellen sind im Haushalt für das Jahr 2021 vorgese hen. Wir orientieren uns mit diesen 150 bzw. insgesamt 500 Stellen, die modellunabhängig anfallen werden, an einer Be rechnung des Bundesfinanzministeriums. Unabhängig davon, für welches Modell man sich entscheidet, haben wir nämlich einerseits bis Ende 2024 das bisherige Modell in der Finanz verwaltung weiterhin zu bearbeiten und andererseits gleich zeitig ein neues Modell auf den Weg zu bringen.
(Abg. Peter Hofelich SPD: Der Reihenfolge nach bin ich vielleicht nicht dran! – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE meldet sich.)
Danke, Herr Kollege Schwarz, Frau Präsidentin. – Meine Frage ist zunächst einmal: Wenn man die Presselage sieht, Frau Ministerin, dann ist ja nicht so recht daran zu glauben, dass Sie auf einem guten Weg der Ei nigung sind, denn es stehen sich Meinungen gegenüber. Die se werden wohl nicht drei Wochen alt sein, sondern da müs sen neue Meinungen entstanden sein.
Deswegen könnten Sie vielleicht doch noch einmal etwas zum geordneten Gang der Dinge sagen. Was haben Sie vor? Wie wollen Sie das in den nächsten Wochen in der Regierung an gehen? Sie alle haben ja darauf gedrängt, dass der Bundesfi nanzminister bis zum Jahresende alles fertigbekommen soll. Er hat von Herrn Schäuble übrigens etwas bekommen, was sozusagen weißes Papier war. Dann kam der Druck.
Wie können Sie jetzt bitte dafür sorgen, dass wir wirklich ein zügiges Verfahren bekommen? Sie erwähnten das Wort „zeit nah“. Vielleicht sagen Sie ein paar Sätze dazu, wie man da weiterkommt.
Dann würde mich interessieren, an welchem konkreten Punkt im Modell des Bundesfinanzministeriums Sie eine Verfas sungswidrigkeit zu erkennen glauben oder wodurch Sie dar in bestärkt worden sind. Dies haben Sie bisher nur umschrie ben, aber nicht beschrieben – und schon gleich gar nicht ge sagt, worum es konkret geht. Vielleicht wollen Sie dazu einen Satz sagen.
Ich würde Ihnen aber gern ein bisschen helfen und auf den Kern meiner jetzigen Wortmeldung zu sprechen kommen, weil Sie ja jetzt Ihr eigenes – das ist vielleicht das falsche Wort, aber das von Ihnen hier eingebrachte – Modell nun ein biss chen ins Licht rücken.
Im Bund, Frau Ministerin, haben in einem langen Diskussi onsprozess, an dem Sie beteiligt waren, 15 Bundesländer ge sagt: Das ist jetzt die Richtung, die wir einschlagen wollen. Vielleicht können Sie uns sagen, ob es einen Zeitpunkt gab, an dem Sie dem, was am Tisch vorgelegen hat, zugestimmt haben, oder ob es einen Zeitpunkt gegeben hat, an dem Sie für die Interessen des Landes Baden-Württemberg interveniert haben – das wäre interessant –, oder ob Sie stille Zuhörerin waren – das würde uns nicht so gut gefallen.
Wenn es so ist, dass man sich an der Diskussion beteiligt hat, würde mich Folgendes interessieren: Der Vorschlag des Bun desfinanzministeriums enthält fünf Komponenten: Grund stücksfläche, Bodenrichtwert, Immobilienart, Alter des Ge bäudes und Mietniveaustufe. Diese fünf Komponenten, die Teil eines Prozesses sind, in dem wir – „wir“ ist das falsche Wort; die Beteiligten aus Berlin und die Landesregierungen – die Komplexität reduziert haben, bilden die Themen „Res sourcenschonung in den Böden und Flächen“ und „Soziale Gerechtigkeit“, dass also jemand nach seiner Leistungsfähig keit besteuert wird, ab. Das ist das, was geschieht.
Können Sie bitte sagen, welche dieser fünf Komponenten Sie für verzichtbar halten, wenn Sie jetzt plötzlich das Modell des BMF, das auf diesen fünf Säulen beruht, infrage stellen? Das ist meine Frage.
Dann noch eine Frage zu dem Punkt, zu dem Sie hier gerade eine Antwort schuldig geblieben sind. Welche der neuen Stel len in Baden-Württemberg sind temporär und welche sind dauerhaft angelegt? Hier geht es ja um eine erhebliche An zahl.
Abschließend noch folgende Frage: Es gibt modellunabhän gige Stellen. Gibt es auch modellabhängige zusätzliche Stel len? Auch das wäre interessant.
Ich fange mal mit dem Thema Stellen an. Wir haben in Baden-Württemberg 5,6 Millionen sogenannte wirtschaftliche Einheiten, die neu be wertet werden müssen. Bei allen diesen wirtschaftlichen Ein heiten gibt es eine Änderung. Bislang wurde der Grundsteu ermessbescheid nur anlassbezogen verändert, also dann, wenn etwa eine Fläche oder eine wirtschaftliche Einheit gekauft, verkauft, vererbt oder verschenkt worden ist oder wenn die Kommune den kommunalen Hebesatz verändert hat. Dann gab es einen neuen Bescheid. Ansonsten hatte der alte Be scheid weiterhin Gültigkeit.
An dieser Stelle will ich einfügen: Wir diskutieren hier ledig lich über die Bemessungsgrundlage. Über die Höhe der Grundsteuer entscheidet am Ende jede Kommune durch das Hebesatzrecht selbst. Die Bemessungsgrundlage wird mit dem kommunalen Hebesatz multipliziert, und daraus ergibt sich die Höhe der Grundsteuer. Das heißt, die Kommunen haben einen ganz wichtigen Anteil daran, ob das gelingt, was wir uns fest vorgenommen haben, nämlich die Steuer als Ganzes auf kommensneutral zu gestalten. Die Reform soll also nicht zu Mehreinnahmen der Kommunen bzw. insgesamt zu Mehrbe lastungen bei den Steuerpflichtigen führen. Das entscheidet sich im Wesentlichen am kommunalen Hebesatz.
Wir brauchen 150 Stellen ab 2021 und voraussichtlich jeweils weitere 175 Stellen in den beiden Folgejahren. Das liegt dar an, dass zunächst einmal die Eigentümer dieser 5,6 Millionen wirtschaftlichen Einheiten ermittelt werden müssen. Diese müssen dann jeweils angeschrieben werden. Sie müssen dann je nach Modell fünf, drei oder zwei Angaben machen. Diese Angaben müssen in die Steuer-IT eingepflegt werden, und dann muss eine entsprechende Berechnung durchgeführt wer den. Ab Juli 2022 gehen die Steuermessbescheide dann an die Kommunen. Diese können auf der Grundlage dieser Zahlen berechnen, wie sie ihren kommunalen Hebesatz verändern müssen, damit das Steueraufkommen aufkommensneutral bleibt.
Die Finanzverwaltung muss also zwei Verfahren – das jetzi ge und das neue – parallel bearbeiten, und sie muss für 5,6 Millionen Einheiten die Grundlagen für eine Neuberechnung schaffen.
Es kann sehr gut sein – das wäre auch mein großes Interesse als Finanzministerin –, dass ein Teil der Stellen nach diesem Umstellungsprozess auch wieder wegfallen kann. Dann hat der Haushaltsgesetzgeber darüber zu entscheiden, ob diese Stellen innerhalb der Finanzverwaltung für andere Aufgaben
verbleiben sollen oder ob sie insgesamt wegfallen. Ich kann nur daran erinnern: Die SPD hatte im Haushaltsverfahren 300 zusätzliche Stellen für die Finanzverwaltung gefordert.
Jetzt ist die Frage, wie es denn mit den einzelnen Bewertun gen verfassungsrechtlicher Art ist. Dazu empfehle ich Ihnen die Stellungnahme von Frau Professorin Dr. Johanna Hey in der öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss des Bundes tags am 11. September 2019. Darin heißt es in der Zusammen fassung:
Der Entwurf eines Grundsteuer-Reformgesetzes ist nicht in der Lage, den im Grundsteuerurteil vom 10. April 2018 aufgestellten Reformauftrag des Bundesverfassungsge richts zu erfüllen.