Protocol of the Session on October 17, 2019

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Allerdings – das will ich der Regierung insgesamt und nicht nur dem Minister sagen – merkt man beim Durchlesen des Berichts hinsichtlich der Aktivitäten in unserem Land, dass es im vierten Jahr der grün-schwarzen Regierung in der Europa politik immer noch mehr ein Nebeneinander als ein Mitein ander gibt. Aber, meine Damen und Herren, dieses Land braucht ein Miteinander in der Europapolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das dritte Quartal ist auch vorüber, und das vierte beginnt. Wir sind nicht zufrieden mit dem zähen Auslaufen der Amts zeit der alten Kommission und mit dem schwerfälligen Start der neuen Kommission. Wir wissen, dass der Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 noch immer nicht in trockenen Tüchern und die neue Kommission personell noch immer nicht komplett ist. Das ist keine gute Situation. Deswegen lau tet jetzt die Devise für Baden-Württemberg: Wir brauchen am Ende dieses Jahres mit Blick auf das neue Jahr eine Politik mit Europa; sonst werden wir erleben, dass die Kräfte, die Po litik gegen Europa machen wollen, wieder erwachen. Wir wol len eine Politik mit Europa haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der Grünen und der FDP/DVP)

Es gibt ja Themen, die die Bürger bewegen. Das wollen wir einmal festhalten, weil oftmals anders geredet wird. Es ist ein großes Thema, ob wir im Nahen Osten politischen Einfluss haben oder politisch ohnmächtig sind. Geben wir es doch zu: In den vergangenen Wochen hat sich Europa in dieser Frage nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Auch ist zu fragen, ob wir Vorreiter oder Mitläufer beim Kli maschutz sind. Natürlich müssen wir Vorreiter sein und vor allem das europäische Erbe der Technologiestärke dabei stär ker einsetzen.

Es ist zu fragen, ob wir bei Migrationsthemen agieren oder nur reagieren. Wir können nicht länger das Thema „Afrika und die Entwicklung in Afrika“ vor uns herschieben. An je dem schwäbischen Stammtisch wird schon über die chinesi sche Präsenz in Afrika geredet. Deshalb ist dies für Deutsch land wie für Europa ein Thema, dass wir Afrika als Kontinent zur Seite stehen, meine Damen und Herren.

Ich sage: Wir können alle verstehen, die vielleicht mit der Lö sung der Fragen unzufrieden sind. Aber richtig ist, dass wir zunehmend eine europäische Lebenswirklichkeit auch im po litischen Diskurs, in den politischen Debatten unserer Bevöl kerung haben. Das bringt uns dazu, dass wir, der Landtag von Baden-Württemberg, insgesamt ein Interesse an mehr Euro pa in der Politik haben.

Die Lebenswirklichkeit, über die ich gesprochen habe, ist in verschiedenen Feldern sichtbar, und dies nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen. Hierbei spreche ich vom Europa der Regionen. Dies ist die zweite Ebene, für die wir uns genauso verantwortlich fühlen sollten und auf der wir auch sehr stark mit eigenen Beiträgen vertreten sein sollten.

Wir waren – der Herr Ausschussvorsitzende hat es in seiner Bescheidenheit gar nicht erwähnt – für eine knappe Woche in Südtirol und konnten dort Erfahrungsaustausch betreiben. Wir sind sehr dankbar dafür, dass der Herr Minister mit dabei war. Die kleinen Themen können uns genauso beschäftigen. So ist z. B. interessant, was die Südtiroler zum Gaststättensterben zu sagen haben, welche eigenen Akzente sie dagegensetzen. Auch kann man gemeinsame Interessen finden, wenn es etwa darum geht, sich dafür einzusetzen, dass der Meisterbrief für mehr Gewerke verbindlich sein soll, so wie wir es Gott sei Dank in Deutschland wieder durchsetzen konnten. Insoweit besteht Erfahrungsaustausch, und insoweit geht es nicht um kleinmütige Subsidiarität, sondern darum, dass wir im Euro pa der Regionen voneinander lernen.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei den Grü nen und der CDU – Zuruf von der AfD)

Was die großen Themen angeht, will ich sagen – Herr Kolle ge Maier hat es zumindest anklingen lassen –, dass wir daran interessiert sind, bei allen Themen, was die Rechtsstaatlich keit angeht, nach vorn zu kommen. Natürlich sind wir, wenn es um Fördermittel geht, dafür, dass ihre Vergabe an die Rechts staatlichkeit geknüpft ist und sie insoweit gebunden sind, und natürlich sind wir für einen europäischen Rechnungshof, der genau hinschaut, wo es Missbrauch gibt. Das alles erwarten die Steuerzahler, und das erfordert auch unser Eintreten für ein rechtsstaatliches Europa.

Meine Damen und Herren, es liegt mir aber am Herzen, das Thema aufzugreifen, das Willi Stächele gerade angesprochen hat, nämlich die Frankreich-Konzeption. Baden-Württemberg hat die längste gemeinsame deutsch-französische Grenze. Es gibt zu dieser Frankreich-Konzeption der Landesregierung heute jedoch mehr Fragen als Antworten. Wo steht diese Kon zeption eigentlich? Wo steht sie im Kabinett? Wie sieht es mit der Finanzierung aus? Wie sieht es mit der administrativen

Bündelung aus? Wo ist sie am besten zu verorten? Inwieweit ist sie mit dem Bund abgestimmt? Was sind die konkreten Pro jekte, die hinter dieser Konzeption stehen – und was ist über haupt die Strategie dieser Regierung?

(Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: Sehr richtig!)

Ich bin der Meinung, dass wir – schauen wir hierzu auch ein mal auf eine Studie der IHK Südlicher Oberrhein – großen Handlungsbedarf haben, weil es eher einen Rückgang von grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Aktivitäten gibt. Des wegen ist es notwendig, dass wir von der Regierung erfahren, was hier eigentlich Sache ist und wie dies im Haushalt ange gangen werden soll.

(Beifall des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Da bieten wir die Hand zur Kooperation, und das tun wir gern.

Ich sage einmal eines: Wir haben einen Ministerpräsidenten, der – ich war dabei – 600 Bürgermeistern auf dem Gemein detag erklärt hat, der Hauptkonkurrent von Baden-Württem berg sei nicht Mecklenburg-Vorpommern, sondern Silicon Valley oder Shenzhen. Das hätte ich nicht gewusst; es ist ja klar, dass dies auch den Bürgermeistern erst noch beigebracht werden musste.

Aber ich sage auch: Es ist wichtig, zu betonen, dass wir auch einen Hauptkooperationspartner haben, und der heißt Elsass, er heißt Grand Est, er heißt Frankreich. Das Interesse des Lan des Baden-Württemberg muss also darauf gerichtet sein, die se Kooperation zu pflegen und sie mit allen dafür notwendi gen Ressourcen zu unterlegen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Lieber Kollege Hofelich – –

Danke schön. Ich bin mit diesem Appell am Ende angekommen, Frau Präsidentin, und ich wün sche mir, dass wir das, was uns in den letzten Jahren getragen hat – die Gemeinsamkeiten in der Europapolitik, gerade auch bei der deutsch-französischen Zusammenarbeit – weitertra gen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Nun darf ich Herrn Abg. Karrais für die FDP/DVP ans Redepult bitten.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, meine Damen und Herren! Ja, es ist leider manchmal so, dass der Bericht über aktuelle europapolitische Themen nicht mehr ganz so aktuell ist, wenn er hier zur Beratung kommt. Dennoch – das muss man hier festhalten – ist es extrem wich tig, dass wir uns mit dieser Beratungsgrundlage im Plenum beschäftigen. Denn die europäischen Themen gehen uns alle an, und sie haben erheblichen Einfluss auf das, was wir hier im Land machen können und was wir erreichen können.

Ein besonders aktuelles Thema – tagesaktuell, ja stundenak tuell, muss man sagen – ist natürlich der Brexit. Der Kollege

Maier hat es bereits angesprochen: Es ist sehr begrüßenswert, dass man da nun endlich zu einer Einigung gekommen ist. Al lerdings hieß es schon sehr oft: „Wir haben eine Einigung er reicht.“ Das stellt uns natürlich vor ein Problem, insbesonde re, wenn Boris Johnson schon per Twitter kommuniziert, er habe einen „großartigen Deal“ ausgehandelt. Diese Wortwahl erinnert doch sehr an einen anderen Staatenlenker jenseits des Atlantiks.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Das lässt leider nicht besonders Gutes erhoffen – insbesonde re auch deshalb, weil die Labour-Partei schon angekündigt hat, diesen Deal nicht mittragen zu wollen. Das Lied ist also noch lange nicht ausgesungen; es kann hier leider noch wei tergehen.

Das ist ein Riesenproblem; denn die Situation ist schon seit Monaten, ja, seit Jahren eine Hängepartie für Europa, für un sere heimische Wirtschaft und für die Gesellschaft. Die Fra gen sind schon viel zu lange offen. Vor allem kreist die EU gerade um sich selbst und blendet in der großen Diskussion leider viele, viele wichtige Themen aus.

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Genau!)

Ich nenne beispielsweise die Syrien-Probleme, die jetzt gera de durch die Invasion der Türkei auftauchen, den Konflikt mit den USA, der immer wieder in Handelsfragen, aber auch in anderen politischen Fragen auftaucht, und allgemein natürlich die Lähmung bei Planungen und Investitionen von staatlicher Seite und von europäischer Seite. Denn wir haben einfach ei ne Ungewissheit bei der Frage: Was passiert mit Großbritan nien in unserem großen Staatenbund?

Großbritannien jedenfalls hat sich wohl nichts Gutes damit getan, ganz egal, was jetzt aus dem neuesten Deal herauskom men wird, und das Verhalten von Boris Johnson ist definitiv unsäglich.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Peter Hofelich SPD – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

Dieses große politische Thema muss an dieser Stelle ange sprochen werden.

Jetzt möchte ich aber zu einem Punkt kommen, der eher lo kal zu verorten ist. Es geht – der Kollege Hofelich ist schon darauf eingegangen – um die Frankreich-Strategie der Lan desregierung. Es ist sehr gut, dass sich die Landesregierung mit dem wichtigen Partnerland Frankreich beschäftigt, einem Land, mit dem wir sehr viel Waren- und Grenzverkehr haben. Leider ist in der Strategie aus unserer Sicht nur eine Anrei hung von Ideen enthalten; es ist eine Ideensammlung, bei der nur wenig konkret hinterlegt ist und die nicht in einem Ge samtkonzept zusammengefasst ist. Das ist sehr schade; denn wir sollten hier auf jeden Fall deutlich mehr machen.

Die Partnerschaft mit unserem französischen Nachbarn ist sehr wichtig für die Wirtschaft, für die Menschen in unserem Land, für unsere Kultur und unsere Geschichte. Hier würden wir uns mehr Einsatz wünschen. Wir danken hier ausdrück

lich und schließen uns dem Appell der Staatsrätin im Aus schuss an, dass wir mehr Herzblut in die „badisch-schwäbi schen Beziehungen“, wie sie es gesagt hat, zu Frankreich ein bringen sollten; denn das hat die Beziehung zu unserem Nach barland auf jeden Fall verdient.

Wir haben mit Frankreich noch immer sehr, sehr viele Hür den – im Grenzverkehr, im Werk- und Dienstleistungsverkehr – in Bezug auf Dokumentationspflichten, die beide Seiten be treffen, zu bewältigen. Das ist ein riesiges Problem.

Die Probleme haben sich auch gezeigt, als wir mit unserer Fraktion bei der Generaldirektion des Eurodistrikts Stras bourg-Ortenau waren. Dort haben wir uns intensiv mit den Verantwortlichen ausgetauscht. Es ist wirklich eine tolle Ar beit, die dort geleistet wird. Dort wird mit Herzblut daran ge arbeitet – genau so, wie es gefordert ist –, dass die grenzüber schreitende Zusammenarbeit funktioniert.

Es gibt aber viele Hürden. Diese liegen auf beiden Seiten. So wurde z. B. gesagt, dass eine Buslinie von Deutschland nach Frankreich und zurück eingerichtet werden sollte. Diese ist ein Riesenproblem; denn auf unserer Seite ist das Verkehrs ministerium zu unflexibel, was die Ausschreibung betrifft – das heißt, wir können das von staatlicher Seite gar nicht finan zieren, da wir ansonsten gegen unsere eigenen Regeln versto ßen –,

(Zuruf des Abg. Josef Frey GRÜNE)

und von der anderen Seite fehlt leider auch manchmal die Un terstützung. Bei ganz vielen Projekten ist es auch andersher um. Es scheitert immer mal wieder an Paris oder an Stuttgart oder an Berlin, dass wir nicht so zusammenarbeiten können und wollen und pragmatisch zusammenarbeiten können und wollen, wie wir es uns wünschen würden. Es ist also auch ein Appell an alle Behörden und Ministerien des Landes, Europa nicht nur im Justizministerium zu denken, sondern es überall zu denken, denn das ist für die Zusammenarbeit definitiv not wendig.

Zum Schluss: Die Europawahlen sind vorbei. Jetzt sollten wir aber auch hier im Landtag Europa nicht vergessen, sondern weiter Europa leben. Das gilt für jeden Einzelnen, für die Kommunen, für das Land, für den Bund.

In diesem Sinn bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Peter Ho felich und Nicolas Fink SPD)

Nun darf ich der Regie rung das Wort erteilen. Sehr geehrter Herr Minister Wolf, bit te.

Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mehrfach an geklungen: Der obligatorische Europabericht und die Debat te über ihn fallen zeitlich auseinander. Deshalb sind in der De batte häufig Themen im Vordergrund, die zum Zeitpunkt der Erstellung des Berichts in dieser Dimension, in dieser Bedeu tung nicht gegenwärtig waren.