Viele erinnern sich an die Zeit in den Neunzigerjahren, als wir Turnhallen und andere Gemeinschaftsräume nutzen mussten, um die vielen Menschen irgendwo unterzubringen.
Wir wissen, dass die Situation im Moment Probleme in den Gemeinden und in den Kreisen mit sich bringt. Aber wir kön nen doch nicht wirklich wollen, dass die Flüchtlinge abgewie sen werden, weil sie den fast ausschließlich wirtschaftlich ge prägten Vorstellungen der CDU nicht genügen können.
Sie sagen doch selbst, dass es menschliche Tragödien gibt, dass Menschen eben nicht nur aus Armutsgründen zu uns kommen, sondern um einfach nur zu überleben.
Im Jahr 2013 betrug die Zahl der Asylanträge laut dem Bun desamt für Migration und Flüchtlinge 127 023. Damit nähern sich die Antragszahlen wieder Werten an, bei denen sie vor dem Jahr 2000 lagen. Im Jahr 1999 waren es nämlich 138 319 Anträge. Nun kann man sich fragen, was die Gründe für die steigenden Flüchtlingszahlen sind, woher diese Menschen kommen und – vor allem – wie wir mit der zunehmenden Zahl von Asylsuchenden umgehen wollen.
Die Gründe, weshalb Menschen aus ihrer Heimat fliehen, sind meist Verfolgung, Vertreibung und Krieg – das wissen wir al le; das ist nichts Neues –, und das sieht man deutlich an den Herkunftsländern der Asylsuchenden. Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind die fünf zugangsstärksten Herkunftsländer in den ersten zwei Monaten des Jahres 2014 mit 15,1 % Syrien, mit 11,8 % Serbien, mit 7,6 % Afghanis tan, mit 5,5 % Albanien und mit 5,2 % Mazedonien.
Auch die extrem teure europäische Grenzsicherungsagentur Frontex, die Flüchtlinge mit Drohnen und Satelliten jagt, än dert nichts an steigenden Flüchtlingszahlen.
Selbst die in der Antwort auf diese Große Anfrage vom Mi nisterium geforderte Vorratsdatenspeicherung hat wohl noch keine echte Verbesserung der Aufklärungsquote bewirkt. Lei der wurde in der Antwort nicht darauf eingegangen, wie vie le Menschenschlepper in den Jahren 2007 bis 2010 mithilfe der Vorratsdatenspeicherung zusätzlich überführt werden konnten.
Sogar die üblen Verhältnisse in italienischen, griechischen und ungarischen Flüchtlingsaufnahmelagern, in die selbst Deutsch land keine Flüchtlinge mehr abschiebt, schrecken Flüchtlin ge nicht ab, nach Europa zu kommen und sich weiter nach Deutschland durchzuschlagen.
Was bleibt als Fazit? Können wir überhaupt verhindern, dass Flüchtlinge zu uns kommen? Vielleicht müssen wir uns ein fach damit abfinden, dass sich Flüchtlingsströme nicht so re gulieren lassen, wie manche hier im Haus das gern hätten. Vielleicht muss man sich, wenn man sich der zivilisierten Welt zurechnet, damit abfinden, dass die saubere Bearbeitung von Asylanträgen Zeit braucht – es sei denn, man möchte eine rie sige, extrem teure Aufnahme- und Abschiebeinfrastruktur auf bauen.
Vielleicht müssen wir eben akzeptieren, dass auch hier Prä vention im Sinne von Entwicklungshilfe und einer Steigerung des Wohlstands in den Herkunftsländern in Verbindung mit einer Stärkung des Rechtsstaats wahrscheinlich mehr bringt als Repression im Sinne der Verschärfung des Asylrechts oder des Errichtens noch höherer und teurerer Mauern um die „Fes tung Europa“.
Asylrecht fußt auf Humanität und eben nicht auf einer sozio ökonomischen Grundlage oder Bewertung. Wer Zuwanderung nach sozioökonomischen Gesichtspunkten will, muss also neue Wege der Zuwanderung neben der EU Blue Card eröff nen.
Ich habe es hier an dieser Stelle schon einmal gesagt: Bitte machen wir nicht nur unsere Ohren und Augen auf, sondern auch unsere Herzen.
Mir scheint, uns fehlt ein tragfähiges Konzept für die Zukunft. Denn das Hauptproblem, das es zu lösen gilt, ist die Frage, wie wir dafür sorgen können, dass es erst gar nicht dazu kommt, dass Menschen aus ihrer Heimat flüchten müssen.
Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch mit dem neu en Flüchtlingsaufnahmegesetz, das noch im alten Jahr verab schiedet wurde, sind natürlich nicht die Herausforderungen zu bewältigen, die wir beim Thema Flüchtlingsströme haben. Es hat sicherlich auch niemand erwartet, dass damit alle Pro bleme gelöst werden können.
Die Zahl der Flüchtlinge steigt. Allein von 2012 bis 2013 stieg die Zahl um 75 %. Wir gehen davon aus, dass der Anstieg im Jahr 2014 noch einmal ungefähr bei diesem Wert liegen dürf te. Es wird also einen weiteren Anstieg geben.
Im Fokus steht die Landeserstaufnahmestelle in Karlsruhe. Für die FDP/DVP-Landtagsfraktion wäre es interessant, den Stand der Überlegungen zu erfahren. Denn es ist angedacht, einen zweiten Standort zu finden, damit man die Prüfungen zügiger vornehmen kann.
Man hat sich das Ziel gesetzt – so steht es auch im Koaliti onsvertrag des Bundes –, die Verfahrensprüfungen innerhalb von drei Monaten abschließen zu können. Wir bewegen uns im Augenblick bei etwa zwölf Monaten. Teilweise kommen die Flüchtlinge schon in die Kommunen, bevor das Verwal tungsverfahren und das Gerichtsverfahren abgeschlossen sind.
Die Zahlen lassen darauf schließen, dass mittelfristig eine wei tere Verlängerung der Verfahren zu erwarten ist. Denn wenn man bei diesen hohen Zahlen weiterhin mit dem gleichen Per sonalstand arbeitet, kann man davon ausgehen, dass die Ver fahren noch mehr Zeit in Anspruch nehmen.
Heute hat sich Integrationsministerin Öney dafür ausgespro chen, dass Länder wie Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herze gowina als sichere Herkunftsstaaten definiert werden. Das hät te – schauen wir uns einmal die Zahlen an – in Baden-Würt temberg im Jahr 2012 75 % der Flüchtlinge aus Europa und etwa 30 % aller Flüchtlinge betroffen. Das heißt, schon allein dadurch könnte man erhebliche Einsparungen erzielen, um den Menschen, die tatsächlich Hilfe benötigen, Unterstützung zukommen zu lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Baden-Württemberg ist die Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen, groß. Es ist wirk lich beeindruckend, wie viele Ehrenamtliche sich dafür ein setzen, ankommende Flüchtlinge in den Kommunen in Ba den-Württemberg willkommen zu heißen. Ich möchte an die ser Stelle einmal ausdrücklich allen in der Flüchtlingsarbeit hauptamtlich und vor allem auch den ehrenamtlich Engagier ten danken, die sich Tag für Tag darum kümmern, dass sich die Flüchtlinge, die oft beschwerliche Wege hinter sich ge bracht haben, bei ihrem Aufenthalt hier in Baden-Württem berg wohlfühlen. Von meiner Seite hierfür herzlichen Dank.
Ein ausdrücklicher Dank auch an die Kirchen. Es war gerade zu lesen, dass die Diakonie und die Evangelische Landeskir che ab dem 1. April 2014 zwei neue Flüchtlingsdiakonate mit Sitzen in Heilbronn und Ulm geschaffen haben. Ich darf in diesem Zusammenhang den Oberkirchenrat Dieter Kaufmann zitieren; er sagt namens der Evangelischen Landeskirche:
Unsere Aufgabe ist es, mitzuhelfen, dass Asylsuchende ih re Potenziale in Deutschland einbringen können.
Ich denke, auch dies ist ein wichtiger Punkt, dass man die Ar beitsaufnahme erleichtert und bei dem Verfahren viel stärker prüft, welche Potenziale und Qualifikationen Flüchtlinge ha ben; das ist, denke ich, eine Chance, die wir auch für BadenWürttemberg nutzen sollten.
Kollege Pröfrock sagte es bereits: Nirgendwo werden mehr Flüchtlinge aufgenommen als in Deutschland. Im Jahr 2013 wurden 109 600 Asylanträge verzeichnet. Dies relativiert si cherlich ein Stück weit die Fehlannahme in der öffentlichen Wahrnehmung, dass nur die Mittelmeeranrainer besondere Lasten zu tragen haben. Insgesamt ist dies aber ein europäi sches Thema.
Mich würde aber noch Folgendes interessieren: Man hat sich im Rahmen des Flüchtlingsaufnahmegesetzes so positioniert, dass man, wenn ein unerwarteter Änderungsbedarf entsteht, zunächst einmal über die Größe der Wohn- und Schlaffläche je Person nachdenkt. In der Antwort auf die Große Anfrage wird ausgeführt, dass bereits jetzt eine Ausnahmesituation auf grund der Zahlen vorliegt. Da interessiert es mich schon, wie sich die Landesregierung dazu stellt, da die Kommunen na türlich auf Antworten warten, wie sich die Situation insbeson dere bezüglich der Flächen, aber auch im Hinblick auf die fi nanzielle Entschädigung darstellt.
Frau Präsidentin, werte Kol leginnen, werte Kollegen! Nach der Flüchtlingskatastrophe von Lampedusa sagte Papst Franziskus:
Die Kultur des Wohlergehens, die uns an uns selber den ken lässt, macht uns unsensibel für die Schreie der ande ren... Von dieser globalisierten Welt sind wir in die glo balisierte Gleichgültigkeit gefallen! Wir haben uns an das Leiden des Nächsten gewöhnt, es geht uns nichts an, es interessiert uns nicht, es ist nicht unsere Angelegenheit!
Ich habe das ausdrücklich vorangestellt, weil ich erfreulicher weise bei den Äußerungen und Wortmeldungen – jedenfalls bisher – gehört habe – ich gehe davon aus, dass es auch so ist –, dass wir bei diesem Thema durchaus eine gemeinsame Ba sis haben, auf der wir diskutieren und uns auseinandersetzen können, und dass wir an der einen oder anderen Stelle – so hoffe ich jedenfalls – auch gemeinsame Lösungsansätze fin den.
Ja, es ist so: Wenn tagtäglich Menschen ermordet werden, wenn allein in Syrien in den letzten drei Jahren über 140 000 Menschen dem Bürgerkrieg zum Opfer gefallen sind, wenn sich weltweit 45 Millionen Kinder, Frauen und Männer auf der Flucht befinden, dann ist dies auch unsere Angelegenheit, dann haben auch wir uns mit diesem Thema auseinanderzu setzen. Deshalb schauen wir in Deutschland und gerade auch in Baden-Württemberg nicht gleichgültig darüber hinweg, sondern handeln entsprechend.
Die Große Anfrage vom Oktober 2013 wirft nun die Frage auf, ob die Bundesrepublik insgesamt und auch wir in BadenWürttemberg unseren humanitären Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen nachkommen, ob wir aufgeschlossen sind, ob wir in der Lage sind, dem Strom der Flüchtlinge mit offenen Armen zu begegnen.
Ich denke, die Antwort fällt positiv aus; das wurde angespro chen. Die hohe Anerkennungsquote bei den Asylanträgen und den bundesweiten Resettlement-Programmen, die es seit Jah ren gibt und die wir jährlich fortschreiben und neu definieren, insbesondere was die Größenordnung betrifft, und jetzt ganz speziell auch die Syrien-Aufnahmeprogramme seitens des Bundes, aber auch das, was wir vonseiten des Landes BadenWürttemberg, der Landesregierung darüber hinaus auf den Weg gebracht haben, machen deutlich, dass wir unseren hu manitären Verpflichtungen durchaus Genüge tun.