Protocol of the Session on December 18, 2013

Zum Thema Nachbarschaftsrecht möchte ich mit der Bemer kung eines Kabarettisten einsteigen, der einmal gesagt hat: Die Deutschen haben drei Hobbys: Fußball schauen, Urlaub machen und Nachbarn verklagen.

(Heiterkeit)

Nun, tatsächlich geht es um ein Gesetz, auf das die Formulie rung „Kleine Ursache, große Wirkung“ zutrifft. Die häufigs ten Streitfälle in der Justiz betreffen das Mietrecht, das Ar beitsrecht und das Nachbarschaftsrecht,

(Abg. Manfred Hollenbach CDU: So ist es!)

und dieses Nachbarschaftsrecht in Baden-Württemberg stammt von 1959. Es wurde 1996 und 2004 geändert. Die Ab stände sind also kürzer geworden, und insofern ist es logisch, dass es auch zu der nun vorgesehenen Änderung kommt. Denn wenn man über das Nachbarschaftsrecht redet, kommt einem auch der Satz in den Sinn: „Es kann der Bravste nicht in Frie den leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Und wenn man es ein bisschen auf das heutige Thema abwandelt, müsste es heißen: „Es kann der Bravste nicht im Warmen le ben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“

Es geht darum, Schatten zu vermeiden, und Schatten ist schon immer ein großer Streitpunkt gewesen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Es gibt auch Leute, die einen Schatten haben!)

Auch aufgrund der Erfordernisse der Solaranlagen ist es nö tig, das Nachbarschaftsrecht heute zu ändern.

Immerhin ist die Duldung mit einigen Hürden verbunden. Es besteht eine Duldungspflicht, aber die Beeinträchtigung des Nachbarn durch die Benutzung seines Grundstücks – um das geht es: um den Eingriff in das Eigentum – muss geringfügig sein, und die Beeinträchtigung muss durch die nachträgliche technische Verbesserung in Form der Wärmedämmung des Gebäudes begründet werden können. Diese darf auch nicht die Nutzung des daneben liegenden Grundstücks beeinträch tigen und behindern.

In diesem Zusammenhang stehen auch die alten Streitfälle über Schatten im Garten durch Bäume usw. Das kennen wir aus dem Garten, und das hört beim Friedhof nicht auf.

(Heiterkeit bei der SPD)

Auch dort gibt es furchtbaren Streit, wenn Laub und Bäume Schatten werfen und man selbst diesen Schatten nicht mag. Deswegen ist es in vielen Fällen ein Problem, wenn die Ge setzeslage nicht geändert wird. Meiner Meinung nach ist die Änderung, die wir vornehmen möchten, gut. Es geht schließ lich darum, den Überbau zu dulden, sowie um die Vergröße rung des Mindestgrenzabstands und die Verlängerung der Ver jährungsfrist. Meine Vorredner sind auf die Einzelheiten ein gegangen. Ich will das jetzt nicht mehr wiederholen.

Es gibt allerdings noch einen wichtigen Punkt. Es kann nicht jeder sagen, dass er das Grundstück seines Nachbars wegen

eines zusätzlichen Dämmaufbaus nutzen möchte, wenn er selbst fahrlässig darauf verzichtet hat, diese Dämmung zu dem Zeitpunkt zu installieren, als es schon möglich und üblich war. Es geht also nicht, dass jemand bis an die Grenze neu baut und eine Woche später das Grundstück seines Nachbarn nut zen will. So geht es nicht.

Falls durch den Überbau ein Schaden entsteht, wenn beispiels weise Platten herunterfallen, kann der Nachbar den Schaden beim Veranlasser geltend machen. Im Zweifel muss er seinem Nachbarn auch einen Ausgleich für die Nutzung von dessen Grundstück geben.

Interessant waren die Bemerkungen bei der Anhörung. Im merhin haben alle Verbände – vom Städtetag bis zur Archi tektenkammer und im Grundsatz auch die Naturschutzverbän de – das Regelwerk befürwortet. Aufgrund der Anhörung wur den zwei wesentliche Punkte korrigiert: Die Obergrenze der Überschreitung der Grenze zum Nachbargrundstück wurde von 30 auf 25 cm reduziert, und die zulässige Gesamthöhe bei Kurzumtriebsplantagen wurde von 14 auf 12 m reduziert. Auch das ist wiederum nachbarschonend.

Trotzdem ist mir etwas aufgefallen, und das möchte ich ein fach deswegen anführen, weil es in diesem Zusammenhang interessant ist. Ich meine den Kommentar der Naturschutz verbände. Sie hatten kritisiert, dass man Bäume dann nicht mehr in dem bislang zulässigen Abstand pflanzen darf bzw. nicht mehr so hoch wachsen lassen darf oder bei kleinen Grundstücken diese Bäume überhaupt nicht pflanzen darf. Sie hatten angeführt, dass Bäume CO2-senkend wären. Hierzu ist anzumerken: Bäume speichern beim Wachsen CO2, aber sie geben es auch wieder ab,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sauerstoff ge ben sie ab!)

und zwar dann, wenn sie verbrannt werden oder verrotten. Aber Solaranlagen – auch Warmwassersolaranlagen – vermei den bei der Produktion von Energie das Entstehen von CO2. Deswegen finde ich es befremdlich, wenn die Naturschutz verbände dagegen sind, dass Energie CO2-neutral produziert wird, um den Baum zu erhalten, der nicht neutral produziert, sondern nach wie vor CO2 speichert und später wieder abgibt.

Da wünsche ich mir, dass Naturschutzverbände bei solchen Themen nicht nur Biologen anstellen, sondern durchaus auch einmal einen Physiker. Denn Energie hat etwas mit Physik zu tun.

(Die Abgeordneten aller Fraktionen spenden stehend anhaltenden Beifall.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf davon ausgehen – das hat man jetzt gehört –, dass Sie mein großes Bedauern teilen, dass das jetzt die letz te Rede unseres sehr geschätzten Kollegen Alfred Winkler hier in diesem Hohen Hause war. Er hat nämlich beschlossen, den Landtag zu verlassen.

Ich glaube, dass ich mich an dieser Stelle im Namen aller bei dir, Alfred, für die konstruktive, rauchige Art, die du an dir hast, bedanken darf.

(Heiterkeit)

Ich wünsche dir für die Zukunft alles, alles Gute.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Jetzt erteile ich Herrn Abg. Dr. Goll für die FDP/DVP-Frak tion das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Es könnte schon sein, dass das Be merkenswerteste an dieser Debatte die Abschiedsrede des Kol legen Winkler war.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Ist das Selbstkritik?)

Ich weiß mich auch einzuschätzen. – Vor allem ist es so – dazu will ich einen etwas älteren Komiker zitieren, lieber Herr Winkler –: Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.

Ich werde deshalb sicherlich nicht auf alle Argumente einge hen.

Was passiert eigentlich? Der Gesetzentwurf beinhaltet einen Eingriff ins Eigentum; das muss man schon sagen. Eigentü merrechte werden tangiert, aber zu einem nachvollziehbaren Zweck. Denn die Verbesserung der Dämmung und der Ein satz von thermischen Solaranlagen sind nachvollziehbare Zwecke, und auch die Vergrößerung von Abständen in Inner ortslagen kann generell zur Streitvermeidung beitragen. Was unsere Fraktion anbelangt, so sind wir bereit, diesem Weg zu folgen.

Noch eine Anregung: Ich habe vorhin zur Kenntnis genom men, dass man, was den Überbau angeht, die Grenze, ab der eine unzumutbare Beeinträchtigung vorliegt, von 30 auf 25 cm abgesenkt hat. Man muss sich aber auch einmal eine Däm mung von 25 cm bildlich vorstellen.

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Das ist schon eine gewaltige Schicht. Wahrscheinlich wird vernünftigerweise niemand eine solch dicke Schicht an sei nem Haus anbringen, weil dann gar keine Luft mehr irgend wo eindringen kann.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Schwarzer Schimmel!)

Insofern könnte man noch einmal darüber diskutieren, ob statt 25 cm nicht auch 20 cm gereicht hätten. Aber das ist sicher nicht der wesentliche Punkt, an dem sich die Zustimmung oder Ablehnung entscheiden wird.

Insgesamt enthält der Gesetzentwurf Verbesserungen im De tail im Nachbarschaftsrecht, die auch nach unserer Auffassung richtig und sinnvoll sind.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU, der Grünen und der SPD)

Meine Damen und Her ren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Ausspra che ist damit beendet.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/4384 zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu überwei sen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so be schlossen.

Punkt 9 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Mi nisteriums für Integration – Förderung von Integrations arbeit in den Kommunen – Drucksache 15/3293

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort zur Begründung erteile ich Frau Abg. Grünstein.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Viele von Ihnen wissen es vielleicht gar nicht: Der heutige Tag ist der im Jahr 2000 von der UNO pro klamierte Internationale Tag der Migranten. Dazu passt unser Thema, denke ich, sehr gut.

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Das gilt auch für Ba den-Württemberg, das inzwischen für viele ausländische Fachkräfte, z. B. im Pflegebereich oder in Ingenieurberufen, attraktiv geworden ist. Immer mehr Menschen – in den letz ten Monaten verstärkt auch viele Flüchtlinge – kommen zu uns. Dies stellt das Land und die Kommunen vor immer grö ßere Herausforderungen.

Im Jahr 2012 lebten in Baden-Württemberg rund 2,9 Millio nen Menschen mit Migrationshintergrund. Diese Personen gruppe setzt sich aus rund 1,3 Millionen Ausländern und rund 1,6 Millionen Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit zu sammen. Der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshinter grund liegt bei 26,7 % und damit deutlich über dem Bundes durchschnitt von 20 %. Diese Entwicklung ist ein wichtiger gesellschaftspolitischer Indikator.

Die Landesregierung hat die Zeichen der Zeit erkannt und ent sprechend reagiert. Sie hat Zuständigkeiten gebündelt und Fördermittel konzentriert.