Protocol of the Session on October 10, 2013

(Abg. Walter Heiler SPD: Ja, wenn man älter wird!)

Man träumt halt manchmal noch.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Herr Minister Gall, in Ihrem Haus gibt es also eine Arbeits gruppe. Das ist so weit in Ordnung. Ich darf für meine Frak tion auch selbst mit dabei sein. Aber diese Arbeitsgruppe ist im Grunde genommen der Beleg dafür, dass die Koalition, wenn es darum geht, in dieser Frage die kommunalen Prob leme zu lösen, bislang nicht handlungsfähig ist.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Doch! Das ist sie doch mit der Arbeitsgruppe!)

Aber die Lösung wäre einfach – sie liegt schon längst auf dem Tisch; vielleicht kommt sie auch am Ende dabei heraus –, wür de man das in die Verantwortung der Kommunen geben. Da mit die Kommunen dies durch Satzung regeln könnten, wäre nur eine Rechtsgrundlage nötig. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Die CDU ist geschlossen dazu bereit.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Warum haben Sie es früher nicht mit dem Kollegen Rech gemacht? Da mals hättet ihr es doch machen können! Bereit sein reicht nicht!)

Der Ministerpräsident will es auch. Der Herr Innenminister und, soviel ich weiß, zumindest ein Teil seiner Fraktion wol len es auch. Die Grünen wollen es wohl eher nicht. Der Mi nisterpräsident will es, die Grünen ansonsten nicht.

Ich kann dazu nur sagen: Im Haus gibt es eine Mehrheit da für.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Warum haben Sie es mit Herrn Rech nicht gemacht?)

Das kann beschlossen werden. Mein Appell an Grün und teil weise an Rot lautet: Geben Sie sich einen Ruck. Den Anwoh nern von Tankstellen konnten wir bereits helfen.

(Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)

Helfen Sie auch den Menschen, die in den Innenstädten leben und einfach nur ihre Nachtruhe haben wollen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Sckerl das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, meine Damen und Herren! Wenn es denn so einfach wäre, verehrter Herr Kollege Blenke: Wir verhängen Verbo te, und damit ist die Alkoholproblematik gelöst. Leider ist es nicht so einfach. Das wissen Sie.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Eine Rechtsgrundlage, kein Verbot! Nur eine Rechtsgrundlage!)

Deswegen ist es richtig und notwendig gewesen, dass die Ko alition einen neuen Weg gegangen ist und ein ganzheitliches Konzept gegen den übermäßigen Alkoholkonsum mit seinen Auswirkungen im öffentlichen Raum entwickelt. Die Arbeits gruppe ist auf einem guten Weg. Sie arbeitet intensiv und zum ersten Mal auch an der kommunalen Basis orientiert. Dies ge schieht in einem Modell breiter Beteiligung. Sie sind dabei. Die Opposition sitzt wieder einmal mit am Tisch. Ich möch te an dieser Stelle festhalten, dass wir unsere Zusage der Be teiligung auch insoweit eingelöst haben. Die Kommunen sit zen mit am Tisch, die Wissenschaft sitzt mit am Tisch, die Po lizei sitzt mit am Tisch. Wir gehen davon aus, dass am Ende dieses Prozesses – Ende dieses Jahres – ein Gesamtkonzept steht, in dem die Prävention auch eine wichtige Rolle spielt und mit dem überprüft wird, welches Maßnahmenbündel wir brauchen, um das Ziel zu erreichen, das wir uns vorgenom men haben, nämlich die Erhaltung lebenswerter öffentlicher Räume.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Herr Blenke, eines ist sicher: Einseitig mit Verboten werden wir das nicht erreichen. Wir müssen alle Elemente einbezie hen. Das vermisse ich immer in Ihrer Argumentation.

Zur Evaluation der Regelungen zum Alkoholverkaufsverbot: Ihre Aussage über die uneingeschränkte Wirkung dieser Re gelungen trifft auf die Tankstellen zu. Auch wir begrüßen, dass die angespannte Situation an 63 Tankstellen, an denen ein nächtlicher Alkoholverkauf stattgefunden hat, beseitigt wer den konnte.

Die Evaluation gibt aber keinen Aufschluss – das müssen wir eingestehen – darüber, welche Auswirkungen das nächtliche Alkoholverkaufsverbot auf den Alkoholkonsum insgesamt und insbesondere auf den Alkoholkonsum junger Menschen hat. Die Evaluation lässt keine Aussagen auf die Entwicklung der damit in Zusammenhang stehenden Kriminalität zu. In der Evaluation heißt es völlig zu Recht: Eine ganze Reihe von un terschiedlichen Faktoren wirken im öffentlichen Raum darauf ein. Dem müssen wir in differenzierter Arbeit, ohne populis tische Töne Rechnung tragen.

Deswegen müssen wir hierzu gründlich ein Konzept entwi ckeln; das ist unsere Aufgabe. Wir müssen die Prävention un bedingt stärken; das ist der mit Abstand nachhaltigste Ansatz. Das gilt gerade für junge Menschen. Da sind wir über Model le, die fast schon Alibicharakter haben, noch nicht so richtig hinausgekommen. Wir müssen die Prävention breit in die Flä che des Landes, in die Kommunen tragen. Das ist ganz wich tig. Das muss eines der Ergebnisse sein.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Und wieder ist eine Freiluftsaison vorbeigegangen, ohne dass geholfen wurde!)

Die Freiluftsaison ist vorbeigegangen; ich stelle fest, dass in dieser Saison die großen Exzesse im öffentlichen Raum ausgeblieben sind. Jedenfalls waren die durch den Alkohol konsum bei Volksfesten bedingten Störungen des öffentlichen Raums in dieser Saison nach unseren Feststellungen deutlich stärker ausgeprägt als die durch sonstige Alkoholexzesse aus gelösten Störungen des öffentlichen Raums.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Das grundlegende Problem wird immer negiert und tabuisiert. Aber ich finde, das Problem des übermäßigen Alkoholkon sums in der Gesellschaft muss auf die Tagesordnung. Dann kann man bestimmte Bereiche nicht mehr tabuisieren. Es darf nicht sein, dass übermäßiger Alkoholkonsum auf Volksfesten gewünscht wird. Alkoholkonsum darf nicht in einer Weise be handelt werden, die nicht angemessen ist. Wir müssen uns, gerade im Interesse der jungen Generation, dazu durchringen, eine klare öffentliche, politische Ansage zum Thema Alkohol konsum zu machen. Sonst sind wir nicht glaubwürdig; davon bin ich überzeugt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Daran arbeiten wir. In der Arbeitsgruppe müssen die Ergeb nisse der Evaluation der Regelungen des Alkoholverkaufsver bots einfließen. Wir nehmen diese Ergebnisse ernst; das ist überhaupt keine Frage. Wir müssen uns die Instrumente der Polizei gründlich und kritisch anschauen.

Am Schluss müssen wir uns noch einen Punkt gründlich an schauen – Herr Kollege Blenke, das müssen wir wirklich am Schluss tun –: Alle Verbote, die wir verhängen, stellen Ein griffe in die persönliche Freiheit der Menschen dar, und zwar auch der Menschen, die sich z. B. friedlich im öffentlichen Raum versammeln, um an Sommerabenden gemeinsam ge mütlich ein Bierchen oder ein Glas Wein zu trinken, und von denen keine Störungen des öffentlichen Lebens ausgehen. Da her sind Verbote die Ultima Ratio;

(Abg. Thomas Blenke CDU: Sie reden immer von Verboten! Uns geht es um eine Rechtsgrundlage!)

bei Ihnen stehen diese aber immer im Zentrum Ihres politi schen Handelns. Das ist der Unterschied zwischen unserer und Ihrer Konzeption.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich Herrn Kollegen Sakellariou das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Der Alkoholkonsum stellt ein gesell schaftliches Problem und ein Problem im öffentlichen Raum dar. Hier geht es nicht nur um die – ich nenne es einmal so – Volksfestatmosphäre. Vor wenigen Tagen war ich auf dem Cannstatter Wasen. Im Zug bin ich von einer Frau angespro chen worden, die sich darüber beklagt hat, dass in der Umge bung des Volksfestgeländes wohl weiträumig harter Alkohol angeboten wird, um außerhalb des Volksfests „vorzuglühen“.

Bei den Regelungen zum Alkoholverkaufsverbot – das ist der Punkt dieser Evaluation – geht es um den Zeitraum zwischen

22:00 Uhr abends und 5:00 Uhr morgens. Das Problem geht aber über diesen Zeitraum hinaus. Das, was im Rahmen des Volksfests vor 22:00 Uhr geschieht, bekommt man mit den Regelungen zum Alkoholverkaufsverbot nicht in den Griff, schon gar nicht, wenn in diesem Rahmen keine Straftaten be gangen werden. Es bedarf auch keines Eingriffs, wenn Herr Kollege Heiler und sein Gemeinderat öffentlich ein Bierchen trinken.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das gönnen wir dem Kollegen Heiler!)

Wir haben es jetzt mit der Evaluation eines speziellen Geset zes zu tun. Vielleicht sollte man sich noch einmal den Origi naltitel dieses Gesetzes auf der Zunge zergehen lassen. Das Gesetz heißt „Gesetz zur Abwehr alkoholbeeinflusster Störun gen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung während der Nachtzeit und zum Schutz vor alkoholbedingten Gesundheits gefahren“; diese zwei Zwecke sollte das Gesetz erfüllen. Das wollten wir evaluieren.

Wenn man sich die Evaluation anschaut, kommt man zu fol gendem Ergebnis: Das Gesetz war, was die Einschränkung der Störungen zur Nachtzeit angeht, ein hundertprozentiger Erfolg. Keine der Tankstellen, die zuvor als entsprechende Brennpunkte gegolten haben, stellt noch einen Brennpunkt dar; bei den anderen sechs Tankstellen handelt es sich um Tankstellen mit einer Gaststättenkonzession. Eine Gaststät tenkonzession bedeutet, dass die Zuverlässigkeit desjenigen, der Alkohol ausschenkt, überprüft wird und auch die übrigen Regeln des Gaststättengesetzes gelten. Das ist ein völliger Un terschied zu vorher. Somit fand eine komplette Ausmerzung der Probleme, die hier bestanden hatten, statt; seinen ersten Zweck hat das Gesetz erfüllt.

Der zweite Punkt betrifft den Schutz vor alkoholbedingten Gesundheitsgefahren. Das ist natürlich ein weites Feld. Was erreicht man mit dem vorliegenden Gesetz, das den Alkohol verkauf zwischen 22:00 Uhr und 5:00 Uhr verbietet, auf die sem Feld? Da muss man rechnen. Man sieht, dass die Umsatz einbußen der Tankstellen, was die alkoholischen Getränke an geht, nach Inkrafttreten des Gesetzes erheblich waren. Damit ist zumindest eines sichergestellt: Hier ist zwischen 22:00 Uhr und 5:00 Uhr weniger Alkohol im Umlauf gewesen, was po sitive Rückschlüsse im Hinblick auf den Schutz vor Gesund heitsgefahren zulässt. Wenn man eine solche Rechnung auf machen würde, könnte man schlussfolgern, dass das Gesetz auch diesen Zweck erfüllt hat. Aber beim besten Willen: Mit solchen Rechnungen kommen wir nicht zu den gewünschten Erkenntnissen.

Jedenfalls gibt es in der Polizeiarbeit weniger Einsatzschwer punkte, und es kommt zu weniger Belästigungen. Außerdem wird an den entsprechenden Orten weniger Alkohol konsu miert. Da muss man sich jetzt anderweitig behelfen.

Die vorliegende Evaluation hat außerdem noch gezeigt, dass durch die Einrichtung von Alkoholbringdiensten versucht wird, das Alkoholverkaufsverbot zu umgehen. Dieser Punkt sollte angegangen werden, ebenso wie die Einrichtung von Warenautomaten, die zu den entsprechenden Zeiten Alkohol zur Verfügung stellen; das müssen wir auch noch in den Griff bekommen.

Alles in allem muss man sagen: Wenn es der Zweck der Eva luation ist, zu zeigen, dass die Regelungen, die hier vor drei Jahren beschlossen worden sind, sinnvoll waren, dann kann festgestellt werden: Dieses Gesetz war sinnvoll. Insofern soll te es mit leichten Verbesserungen – ich habe die Verbesse rungsmöglichkeiten angesprochen – beibehalten werden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Goll das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Vorhin habe ich überlegt, ob diese De batte im Rahmen der Sondierungsgespräche für eine Große Koalition auf Bundesebene zu sehen ist.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Keinen Neid, bitte! – Zuruf: Nur keine Panik!)

Außerdem ist mir Folgendes durch den Kopf gegangen: Jür gen Habermas, der früheren Studentengenerationen vielleicht vertrauter war als der heutigen Studentengeneration, hat von „erkenntnisleitenden Interessen“ gesprochen und damit ge meint: Auch bei einer objektiven Analyse ist das Ergebnis stark vom gewünschten Ergebnis beeinflusst.