Protocol of the Session on October 10, 2013

Wir Liberalen haben aus diesem Grund auch sehr intensiv da rüber diskutiert, inwiefern das damalige Universitätsmedizin gesetz dazu geeignet war, diesem unternehmerischen Grund satz zu genügen. Wir sind damals zu dem Schluss gelangt, dass mit dem Gesetz das Prinzip Verantwortung überwiegend gestärkt worden wäre. Wir hätten uns seinerzeit als Alternati ve zur Gewährträgerversammlung die Stärkung der Aufsichts möglichkeiten des Landes in den örtlichen Aufsichtsräten durchaus vorstellen können.

Herr Staatssekretär, das Gesetz einfach zu kippen und dann halbherzig einen Dialog anzukündigen und nach der Halbzeit der Legislaturperiode – das wurde heute schon mehrfach ge nannt – immer noch keine Novellierungsabsicht erkennen zu lassen, riecht stark nach Rosstäuscherei.

Sagen Sie hier und heute klipp und klar, ob Sie einen Gesetz entwurf vorlegen wollen oder nicht und, wenn ja, bis wann Sie den Entwurf vorlegen wollen und welche Eckpunkte er enthalten soll.

Unabhängig davon, meine Damen und Herren, wie eine etwa ige Neuordnung der Unikliniklandschaft von Grün-Rot aus sieht: Wir Liberalen werden dafür streiten, dass die Belei hungsregel im Sinne der Zukunftsfähigkeit unserer Uniklini ken in jedem Fall bewahrt wird.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatssekretär Walter das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf den Universitätsklinika in Deutschland lastet wie auf den übrigen Krankenhäusern ein enormer Kostendruck. Wir haben es mit einer Scherenproble matik zu tun: Die laufenden Betriebs- und Personalkosten stei gen an, und gleichzeitig bleibt die Erstattung durch die Kos tenträger hinter den Erwartungen zurück. Die Zahl der Uni versitätsklinika mit Fehlbeträgen bei den Jahresergebnissen nimmt laut einer Umfrage des Verbands der Universitätskli nika Deutschlands stark zu. Zu erkennen ist ein deutlicher Rückgang der Jahresergebnisse, insbesondere seit dem Jahr 2010.

Wie verhält es sich in Baden-Württemberg? Hier gibt es zu nächst viele positive Botschaften. Die baden-württembergi schen Uniklinika befinden sich im nationalen Vergleich mehr heitlich in der absoluten Spitzengruppe. Sie bieten Kranken versorgung und medizinische Wissenschaft auf höchstem Ni veau an. Zum Teil besitzen sie europa- und weltweit Allein stellungsmerkmale. Als ein Beispiel sei das Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum erwähnt.

Diese Spitzenposition, meine Damen und Herren, gilt es zu halten. Die Aufgabe des Landes ist es daher, die erforderli chen Strukturen zu schaffen.

Daneben sind die baden-württembergischen Universitätskli nika bedeutende Wirtschaftsfaktoren in ihrer jeweiligen Re gion und zum Teil der größte Arbeitgeber am Ort. Kollegin Stolz hat schon darauf hingewiesen.

Eine auf der Datengrundlage 2011 kürzlich fertiggestellte Wertschöpfungsanalyse zum Universitätsklinikum Heidelberg belegt, dass durch die direkte Wertschöpfung des Universi tätsklinikums in seinen Leistungsbereichen, aber auch durch Lieferbeziehungen für ganz Baden-Württemberg eine Gesamt wertschöpfung in Höhe von rund 1 Milliarde € entsteht. Mit den vom Land für die Universitätsmedizin Heidelberg im Jahr 2011 eingesetzten Mitteln in Höhe von rund 170 Millionen € wird also ein Vielfaches an Wert geschöpft.

Die baden-württembergischen Universitätsklinika haben im nationalen Vergleich bislang stabil gewirtschaftet. Aber auch sie haben unter den zunehmend schwieriger werdenden Be dingungen auf dem Krankenversorgungsmarkt zu leiden. Am Universitätsklinikum Ulm ist dies seit Kurzem deutlich zu spüren.

Die besonderen Erfordernisse der Hochleistungsmedizin füh ren dazu, dass exzellentes Personal benötigt wird, was zu ent sprechenden Ausgaben auf der Personalseite führt.

Das DRG-System, das heißt ein System diagnosebezogener Fallgruppen, trägt zu dem hohen finanziellen Druck bei, der auf den Universitätsklinika lastet.

Im jetzigen Entgeltsystem der starren Fallpauschalen wird die besonders intensive Krankenversorgung an den Universitäts klinika nicht ausreichend vergütet. Die Kostenrisiken in den Universitätsklinika sind durch die komplexeren Behandlungs fälle, durch die Behandlung seltener Erkrankungen und die Vorhaltekosten der kompletten Notfallversorgung höher als in der Regelversorgung eines Krankenhauses.

Wird bei einer besonderen epidemischen Viruserkrankung die Expertise der Universitätsklinika in Anspruch genommen, die ihrerseits auf eine solche Situation mit isolierten Behandlun gen der betroffenen Personen reagieren müssen, so führt das zwangsläufig zu höheren Kosten. Zusätzlich können in sol chen Situationen aufgrund der erforderlichen Isolierung der Patienten andere Betten teilweise nicht genutzt werden, was wiederum zu Umsatzausfällen führt und eine weitere finanzi elle Belastung nach sich zieht. Die Universitätsklinika sind in solchen Fällen also doppelt belastet.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Landesregierung dafür starkgemacht, dass auch die baden-württembergischen Uni versitätsklinika an dem Krankenhaushilfspaket des Bundes beteiligt werden. Dies verschafft uns kurzfristig etwas Luft für eine nachhaltige Besserstellung der Universitätsklinika. Im geltenden System reicht dies allerdings nicht aus.

Wir haben uns daher an das Bundesgesundheitsministerium gewandt und uns für eine Überarbeitung des Finanzierungs systems vor allem im Hinblick auf Extremkostenfälle einge setzt. Die Bundesregierung hat daraufhin einen Prüfauftrag erteilt, um Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Extremkos tenfälle im Entgeltsystem der Krankenhäuser entsprechend zu berücksichtigen.

Darüber hinaus hat die Kultusministerkonferenz, auch auf In itiative der Landesregierung, eine Arbeitsgruppe auf Ebene der Staatssekretäre eingerichtet. Diese verfolgt das Ziel, die finanziellen Mehrbelastungen, die den Universitätsklinika durch das Vorhalten einer 24-Stunden-Notfallversorgung, durch ihr weit überdurchschnittliches Engagement in der ärzt lichen Aus- und Weiterbildung und durch die Erforschung so wie Behandlung seltener Krankheiten entstehen, abzufedern. Für diesen Zweck steht die Einführung eines Systemzuschlags im Raum.

Daneben besteht dringender Handlungsbedarf, was Investiti onen betrifft. Zum ersten Mal, meine Damen und Herren, wer den nun alle Daten erhoben, um die Höhe des Investitions staus einmal richtig festlegen zu können. Bereits ein Gutach

ten des Beratungsunternehmens Roland Berger aus dem Jahr 2007 kam zu dem Ergebnis, dass im Bereich der Universitäts medizin in Baden-Württemberg ein Sanierungsstau von rund 1 Milliarde € besteht. Auch hier stehen die baden-württem bergischen Universitätsklinika mit Blick auf den Rest der Re publik allerdings noch vergleichsweise gut da. Dennoch er fordert eine funktionierende Hochleistungsmedizin fortlau fende Modernisierungen, um auf stetig neue Anforderungen bei der Technik, der Sicherheit und der Hygiene reagieren zu können.

Das Land Baden-Württemberg hat in den Jahren 2002 bis 2012 aus dem Einzelplan 12 – Allgemeine Finanzverwaltung – ca. 670 Millionen € in Baumaßnahmen bei den Universi tätsklinika investiert. Auch in den Folgejahren wurde unge fähr im gleichen Kostenrahmen pro Jahr investiert. Im Dop pelhaushalt 2013/2014 beispielsweise sind allein für die neue Chirurgie in Heidelberg 80 Millionen € vorgesehen. Zusätz lich haben die Universitätsklinika im gleichen Zeitraum, also zwischen 2002 und 2011, nach eigenen Angaben ca. 300 Mil lionen € beigesteuert.

Derzeit erhebt das Finanz- und Wirtschaftsministerium – da rauf habe ich schon hingewiesen – in einer Arbeitsgruppe den genauen Sanierungsbedarf. Unter Mitwirkung der Universi tätsklinika soll dabei auch relativ schnell eine Prioritätenliste erstellt werden. Der konzertierte Abschluss der Arbeiten steht kurz bevor.

Lassen Sie mich noch etwas zum Universitätsmedizingesetz sagen, da sich Ihre Anfrage auch speziell danach richtet.

Die Universitätsklinika erlangten ihre rechtliche Selbststän digkeit durch das 1998 in Kraft getretene UniversitätsklinikaGesetz. Unsere Vorgänger im Amt wollten mit ihrem von al len Experten kritisierten Universitätsmedizingesetz Anfang 2011 der baden-württembergischen Universitätsmedizin ur sprünglich zu mehr Freiheit verhelfen, hatten aber im Endef fekt einengende Strukturen geschaffen. Wir haben das Uni versitätsmedizingesetz daher rückabgewickelt, was von allen Experten und Betroffenen begrüßt wurde – im Übrigen auch von denen, die dieses Gesetz im Ministerium gezwungener maßen hatten schreiben müssen.

Herr Kollege Birk, für Durchpeitschen, für wenig Anhören der Betroffenen und wenig Dialog mit ihnen ist dieses Gesetz, das Sie damals vorgelegt haben, geradezu ein Musterbeispiel.

(Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)

Deswegen werden wir einen umfassenden Dialogprozess mit den Beteiligten führen, um eine Optimierung der rechtlichen Bedingungen für die Universitätsmedizin zu erreichen. Hier zu haben wir Ende 2012 in Ulm ein erstes Symposium veran staltet.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Oktober 2012! Ein Jahr!)

Ja. Beim Nationalpark waren zwei Jahre ein Schnellschuss. Jetzt ist hier ein Jahr gar nichts.

(Zuruf des Abg. Klaus Herrmann CDU)

Egal, wie man es macht, Ihnen passt es nie. Das muss man einmal feststellen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Dabei, meine Damen und Herren, haben sich folgende The menkomplexe als besonders wichtig herausgestellt: das Er weitern der – –

(Glocke der Präsidentin)

Herr Staatssekretär, ge statten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Birk?

Wir müssen jetzt nicht über Zeiträume streiten. Sie können aber gern eine Zwischenfrage dazu stellen.

Herr Kollege Walter, man kann hinsichtlich der Frage, wie das letzte Universitätsmedizinge setz zustande gekommen ist, unterschiedlicher Auffassung sein. Man kann auch unterschiedlicher Auffassung darüber sein, was in der Zukunft kommen soll.

Der Dialogprozess begann vor einem Jahr. Es fand eine um fassende Anhörung in Ulm statt, bei der auch mehrere Kolle ginnen und Kollegen anwesend waren und teilgenommen ha ben. Warum schafft es die Landesregierung nicht, uns auf ei ne Große Anfrage eine Antwort in Form von Zwischenergeb nissen zu den dort begonnenen Workshops zu geben? Was sprach denn aus Ihrer Sicht dagegen, uns diese Antwort zu ge ben, eine Antwort, die natürlich auch in die weitere Diskussi on gehen muss? Das ist uns nicht klar. Darauf hätten wir heu te eigentlich eine Antwort erwartet, haben bislang aber nichts gehört.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Ja, manchmal ist Geduld eben eine Tugend. Darauf komme ich noch zurück.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Da bin ich gespannt!)

Bei diesem Symposium haben sich, meine Damen und Her ren, folgende Themenkomplexe als besonders wichtig heraus gestellt: das Erweitern der finanziellen Handlungsspielräume, das Gewinnen und Halten hoch qualifizierter Mitarbeiter, das Stärken der Strategiefähigkeit der Universitätsmedizin und das Schaffen zukunftsfähiger Leistungsstrukturen. Einigkeit bestand darin, dass nicht alle Lösungen für diese Herausfor derungen in einem Universitätsklinika-Gesetz geregelt wer den können.

Jetzt, Herr Kollege Birk: Bislang hat sich im Dialog aber auch gezeigt, dass die an der baden-württembergischen Universi tätsmedizin Beteiligten mit den organisationsrechtlichen Strukturen weitgehend zufrieden sind und auch die Hand lungsspielräume für die Universitätsmedizin grundsätzlich für angemessen halten.

Warum geben wir jetzt keine Zwischenergebnisse bekannt? Wir wollen dem weiteren Dialog, den weiteren Diskussionen nicht vorgreifen. Diese sollen vielmehr ergebnisoffen geführt werden.

(Lachen des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)

Machen wir das nicht und kommen wir mit Vorgaben, höre ich schon Ihre Kritik: „Ihr schreibt den Leuten vor, wie es wei tergeht.“

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sie müssen endlich einmal etwas machen!)

Es wird diesmal sorgfältig, richtig und gut gemacht, und es werden hinterher – –

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sie machen nichts! Da ist keine politische Führung!)