aber auch bessere Bildungsangebote machen und spezielle Förderung, die ebenso wichtig ist wie gezielte Einwanderung und kürzere Asylverfahren.
Auch darin, dass wir an unserer Willkommenskultur arbeiten müssen, bestand in der letzten Ausschusssitzung Konsens zwi schen allen vier Fraktionen.
Wir können sagen: In diesem Sinn läuft in Baden-Württem berg schon sehr viel. So kooperiert das Land in Karlsruhe und in Stuttgart mit den türkischen Generalkonsulaten, z. B. um mehr jugendliche Türken in Ausbildung zu bringen. In den Arbeitsagenturen wurden 57 Migrationsbeauftragte eingesetzt. Wir werden die Anerkennung der im Ausland erworbenen Be rufsabschlüsse erleichtern.
Endlich; Sie haben völlig recht. Das hätte schon längst pas sieren können, aber erst seit zweieinhalb Jahren haben wir die Möglichkeit, so etwas zu verbessern.
Das Land engagiert sich bei einem Programm zur Nachqua lifizierung von un- und angelernten Beschäftigten, um einen Wiedereinstieg zu ermöglichen. Das Projekt der Kontaktstel len „Frau und Beruf“ und das erfolgreiche Projekt „ABba – Ausländische Betriebe bilden aus“ richten sich sehr stark an die Menschen mit Migrationshintergrund. Es werden Netz werke geknüpft, damit Menschen mit Migrationshintergrund mehr Anlaufstellen haben. Wir wissen, dass der Fachkräfte mangel gerade auch bei uns eklatant ist, aber auch bei Nicht akademikern wird es langsam eng. Wir müssen Wege finden, um diese Menschen in technische Berufe, im Gesundheits- und Pflegewesen, in der Hotellerie und Gastronomie einzu binden.
Wir brauchen auch gezielte Einwanderung. Die OECD emp fiehlt den Umbau unseres Systems vom jetzigen Anwerbe stopp mit Ausnahmen zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Arbeitsmigration, wenn klar definierte Bedingungen erfüllt werden.
Für eine moderne Integrationspolitik müssen auch komplexe bürokratische Verfahren vereinfacht und verschlankt werden. Ich denke, wir sind in den zweieinhalb Jahren, in denen wir in Baden-Württemberg ein Integrationsministerium haben, schon einen großen Schritt vorwärtsgekommen, aber wir sind noch längst nicht am Ziel.
Die Ministerin wird sicher auf die offenen Fragen, die durch Herrn Deuschles Beitrag entstanden sind, eingehen. Ich den ke, wenn wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, weiterhin kon struktiv und vernünftig zusammenarbeiten, wie es z. B. beim Verfassen dieser Großen Anfrage der Fall war, dann sollte es uns doch gelingen, nicht nur über Integration zu reden und sie auf andere zu beziehen, sondern auch auf uns selbst.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde schon erwähnt: An lass für diese Große Anfrage war die Reise des Integrations ausschusses nach Kanada. Wir haben dort sehr viel über Inte gration gelernt, sehr viel darüber, wie sie funktionieren kann, aber auch etwas über das eine oder andere Problem, das es dort gibt.
Ich möchte jetzt einen Dank aussprechen, den Sie so vielleicht nicht erwarten, und zwar einen Dank an Frau Grünstein, weil es ihr gelungen ist, jetzt einfach die Schärfe aus der Diskus sion herauszunehmen, die durchgeklungen ist, wenn man den ersten beiden Rednern zugehört hat, eine Schärfe, die ich an dieser Stelle eigentlich auch überhaupt nicht wollte. Auch ich möchte versuchen, das Thema etwas ruhiger anzugehen.
Denn ich hielt es schon für bemerkenswert, welche konstruk tive Atmosphäre beim Erstellen dieser Großen Anfrage ge herrscht hat. Das möchte ich an dieser Stelle hervorheben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie gut Kanada als Ziel der Informationsreise des Integrationsausschusses geeig net ist,
soll folgendes Beispiel zeigen: In Baden-Württemberg haben ca. 25 % der Einwohner einen Migrationshintergrund. Migra tionshintergrund bedeutet, dass eine Person, die in Deutsch land lebt, entweder im Ausland geboren wurde oder zumin dest einen Elternteil hat, der außerhalb Deutschlands geboren wurde. Betrachten wir einmal die Situation in einer Stadt in Kanada, in Toronto. Die Hälfte aller Menschen, die in Toron
to leben, sind außerhalb Kanadas geboren. Das heißt, man darf diese Zahlen auf gar keinen Fall miteinander vergleichen. Ich weiß nicht, ob sich schon einmal jemand die Mühe gemacht hat, auszurechen, wie viele Menschen, die in Kanada leben, nach unserer Definition einen Migrationshintergrund haben. Die Zahl wäre auf jeden Fall riesig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe es schon gesagt: Wir haben in Kanada einiges gesehen, was gut funk tioniert, haben aber auch einiges gesehen, was vielleicht nicht ganz so gut funktioniert.
Ich möchte auch noch einmal in der Vordergrund stellen, dass sich die Fraktionen beim Thema Integration eigentlich näher sind als in vielen anderen Politikfeldern. Das sieht man nicht zuletzt auch an der Tatsache, dass die Integrationspolitik un ter der jetzigen Landesregierung inhaltlich doch als Fortfüh rung der Integrationspolitik von Professor Goll verstanden werden kann. Dies gilt – das möchte ich an dieser Stelle auch sagen – aber ausdrücklich für die Inhalte der Integrationspo litik, nicht für die Organisationsstruktur. Kollege Deuschle hat es vorhin angesprochen. Er hat meiner Meinung nach die rich tigen Worte gefunden. Er hat auch viel angeführt aus unserer Großen Anfrage „Integrationsministerium – zur Halbzeitbi lanz an Fakten messen“. Es war daher meiner Meinung nach schon die richtige Rede, aber ich halte den Zeitpunkt für falsch. Das werden wir noch einmal besprechen, wenn wir tat sächlich über die Große Anfrage der FDP/DVP-Fraktion zur Halbzeitbilanz des Ministeriums sprechen werden. Heute möch te ich es wirklich einmal bei den Inhalten belassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei allen Gemein samkeiten haben wir auf dieser Reise trotzdem natürlich un terschiedliche Schwerpunkte gesehen und sie auch entspre chend in die vorliegende Große Anfrage mit eingebracht. Da rin sind u. a. die Punkte „Beschäftigung und Arbeitsvermitt lung“, „Gezielte Einwanderung“, „Sprachförderung und wei terentwickelte Angebote“, „Verkürzte Asylverfahren“ und „Erarbeitung einer Willkommenskultur“ enthalten. Neben der Schaffung einer Willkommenskultur, zu der es auch schon ei nen FDP/DVP-Antrag aus dem letzten Jahr gibt – das ist uns wichtig –, waren für mich zwei der gerade aufgezählten Punk te ganz besonders wichtig, und zwar sowohl das Thema „Be schäftigung und Arbeitsvermittlung von Migranten“ als auch das Thema „Gezielte Einwanderung“. Ich möchte schon mit ein bisschen Freude und auch ein klein bisschen Stolz sagen, dass wir in der Diskussion darüber, wie diese Große Anfrage aussehen wird und in welcher Reihenfolge die Fragen gestellt werden, erreichen konnten, dass genau diese beiden Punkte am Anfang stehen, gewissermaßen als wichtigste Fragen, als Auftaktfragen. Es hat sich auch in der Beantwortung des Mi nisteriums gezeigt, dass die Fragestellungen sehr fruchtbar waren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Integration fängt schon an, bevor Menschen nach Deutschland kommen. Es stellt sich nämlich die Frage: Wem soll überhaupt ermöglicht werden, nach Deutschland zu kommen? Neben der deutschen Sprache – oder zumindest der Bereitschaft, diese zu lernen – und natürlich auch dem Bekenntnis zu unseren rechtsstaatli chen Regeln ist für mich auch ein gewisses Eigeninteresse un sererseits durchaus legitim. Es gilt zum einen im Hinblick auf die demografische Entwicklung, dass wir Zuwanderung brau
chen, auch wenn dieser Effekt vielleicht gar nicht so groß ist, denn die zweite Generation der Einwanderer hat dann bereits wieder Geburtsraten, wie sie bei uns auch vorherrschen. Aber gerade in Bezug auf die Akquise von Fachkräften spielt na türlich ein Zuzug und die Integration der Menschen eine wich tige Rolle.
Ich sage ganz ehrlich: Da können wir von Kanada lernen. Wir brauchen für bestimmte Berufsgruppen bestimmte Wichtungs faktoren, je nachdem, was man eben an Fachkräften gerade braucht. Wenn wir also in einem bestimmten Jahr Bauingeni eure brauchen, sollten diese in diesem Jahr mit einem höhe ren Wichtungsfaktor versehen werden. Sind es im nächsten Jahr Krankenschwestern, kann man diese Berufsgruppe dem entsprechend höher gewichten. Dann bin ich überzeugt da von, dass wir nicht allein Zuzug haben, sondern Zuzug von Menschen, die dann auch eine Arbeitsstelle finden. Ich bin überzeugt davon, dass eine Arbeitsstelle den besten Ort für In tegration darstellt.
Ich habe das einmal am eigenen Leib erlebt. Ich war drei Mo nate in Südafrika in einem Krankenhaus und habe in diesen drei Monaten der Arbeit nicht nur die Sprache sehr gut ge lernt, sondern auch sehr viel über Land und Leute erfahren. Deswegen: Menschen, die nach Deutschland kommen, müs sen in Arbeit kommen, weil die Arbeitsstelle ein sehr guter Ort für die Integration ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn unter schiedliche Akzente bei der Integrationspolitik bestehen, so sehe ich in erster Linie doch einen fraktionsübergreifenden Konsens. Ich möchte mich gemeinsam mit Ihnen dafür ein setzen, dass wir zukünftig klare und transparente Regelungen für Migration und Integration in Deutschland und BadenWürttemberg haben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte gern genau wie Herr Glück noch einmal auf das Thema der Großen Anfrage zu rückkommen.
Kanada gilt als vorbildliches Einwanderungsland, und oft wird gefordert, Elemente der kanadischen Zuwanderungspolitik auch hier einzuführen. Zum einen denke ich, dass der Ver gleich mit Kanada nicht ganz korrekt ist; da bin ich auch bei Ihnen, Herr Glück. Zum andern denke ich, dass wir uns in Deutschland mit unseren Ansätzen in der Integrationspolitik ebenfalls durchaus sehen lassen können.
Das zeigt auch unsere Antwort auf die Große Anfrage, die im Nachgang zur Kanadareise des Integrationsausschusses von allen Fraktionen vorbereitet wurde.
Ich möchte aus den vielen genannten Themen und Maßnah men drei wichtige Punkte herausgreifen; denn die Anfrage war eine Große Anfrage, sie war sehr umfangreich. Die Antwort
liegt Ihnen vor; deshalb nur drei wichtige Punkte, um auch ein paar Unterschiede deutlich zu machen: erstens die Neuaus richtung der baden-württembergischen Integrationsförderung – darauf komme ich gleich noch zurück –, zweitens die Zu wanderungsmodelle von Deutschland und Kanada im Ver gleich und drittens unsere Maßnahmen zur Förderung einer sogenannten Willkommenskultur.
Meine Damen und Herren, ich denke, dass sich seit dem Re gierungswechsel in Baden-Württemberg die Integrationspo litik doch verändert hat.
Wenn Sie meinen, dass Herr Goll und ich die einzigen Li beralen in diesem Haus sind, dann kann ich damit leben. Aber ich denke, dass wir die Integrationspolitik neu ausgerichtet haben. Besonders greifbar ist das bei der Integrationsförde rung.
Die Integrationsförderung der alten Landesregierung war sehr defizitorientiert, sie war sehr kleinteilig. Die Stabsstelle des Integrationsbeauftragten hatte weder die finanziellen noch die rechtlichen Mittel, das Integrationsgeschehen im Land nach haltig zu steuern, und eine Förderrichtlinie gab es leider nicht. Es blieb mehr oder weniger dem Zufall überlassen, welches Projekt überhaupt zum Zuge kam.
Ähnlich sah es bei der Förderung der kommunalen Integrati onsarbeit aus. Zwar gab es hier eine Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums. Diese war aber so weit gefasst, dass hierunter nahezu jede Maßnahme fallen konnte. Vor allem: Die Gelder wurden pauschal und ohne Antrag und somit auch ohne Kenntnis des Verwendungszwecks an die Stadt- und Landkreise verteilt. Ich glaube, das ist nicht wirklich in Ihrem Interesse – wenn ich Ihre neuen Anfragen lese.
Eine gestaltende Integrationspolitik sieht jedenfalls anders aus. Die neue Landesregierung hat den notwendigen Kurs wechsel eingeleitet, und zwar – das stimmt – verantwortungs bewusst, weil wir eben bestehende gute Projekte nicht gefähr den wollten.