Protocol of the Session on April 10, 2013

Ich rufe das nächste Thema auf:

U n t e r r i c h t s v e r s o r g u n g

Dieses Thema hat die CDU-Fraktion benannt.

Ich erteile Herrn Abg. Wacker das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine zentrale Aufgabe der Bildungspolitik ist es, dafür zu sorgen, dass die Schulen in Baden-Württemberg eine hervorragende Qualitätsentwicklung nehmen. Denn hier werden die Belange der Kinder und Ju gendlichen unmittelbar berührt. Ein zentraler Bedingungsfak tor für eine Qualitätsentwicklung an unseren Schulen ist na türlich eine gute Unterrichtsversorgung. Wir wissen, dass dies im Allgemeinen erreicht wird durch die Einstellung der erfor derlichen Lehrkräfte, um die Unterrichtsversorgung nach der Stundentafel sicherzustellen, und durch die Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel, um Lücken zu schließen, die durch Unterrichtsausfall entstehen.

Gleichzeitig erleben wir, dass der Beruf des Lehrers immer anspruchsvoller und anstrengender wird. Gerade durch die zu nehmende Heterogenität der Schülerschaft in allen Schular ten ist diese Entwicklung deutlich erkennbar. Deswegen darf die Unterrichtsversorgung nicht dazu führen, dass Lehrkräfte dadurch in ihrer Arbeitszeit oder persönlich zusätzlich belas tet werden.

Außerdem ist der Ergänzungsbereich sicherzustellen. Es darf nicht dazu kommen, dass der Ergänzungsbereich, der wichti ge pädagogische Angebote beinhaltet, sozusagen als Puffer für den Unterrichtsausfall genutzt wird.

Die Lehrkräfte bekommen, Herr Minister, für ihre Tätigkei ten, die sie über den Unterricht hinaus erbringen, für die be sonderen Aufgaben, die sie wahrnehmen, eine Unterstützung aus dem allgemeinen Entlastungskontingent, das vom Kultus ministerium seit vielen Jahren zur Verfügung gestellt wird. Hierfür organisieren die Lehrkräfte z. B. Arbeitsgemeinschaf ten, Projekte, Präventionsarbeit, aber auch die Leitung von Fachschaften – also alles Aufgaben, die für die Qualitätsent wicklung an Schulen wichtig sind. Ich betone: Dieses allge meine Entlastungskontingent beinhaltet keine Freistunden, wie dieser Begriff irreführenderweise durchaus suggerieren könnte, sondern es geht um wichtige Unterstützungsmaßnah men, um die Qualität an unseren Schulen weiterzuentwickeln.

Herr Minister, ich frage Sie vor diesem Hintergrund: Ist be absichtigt, das allgemeine Entlastungskontingent für die Lehr kräfte an allen Schularten in Baden-Württemberg zu kürzen,

wenn ja, in welchem Umfang? Werden dadurch nicht gerade die engagierten Lehrkräfte bestraft, die sich bereit erklären, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen? Ist eine Kürzung nicht gleichzeitig auch eine Maßnahme zur Sicherstellung der Un terrichtsversorgung durch die Hintertür? Denn die Stunden, die aus dem allgemeinen Entlastungskontingent wegfallen, müssen ja von den Lehrkräften zusätzlich im Unterricht ge leistet werden. Werden dann diese Aufgaben überhaupt noch wahrgenommen? Wenn ja, wer soll diese Aufgaben wahrneh men?

Die weiteren Fragen, die ich habe: Welche weiteren Kürzun gen stehen im Lehrerbereich an? Steht beispielsweise die Hausaufgabenbetreuung an den Gymnasien oder stehen die Betreuungsstunden für die Referendare an den Ausbildungs schulen auf dem Spiel? Dazu bitte ich Sie um konkrete Aus künfte.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herzlichen Dank. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Stoch das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr ge ehrter Herr Wacker! Zu den Fragen des Herrn Abg. Wacker nehme ich für die Landesregierung wie folgt Stellung:

Es trifft zu, dass für die Qualität von Bildung in unserem Schulsystem die Unterrichtsversorgung von zentraler Bedeu tung ist. Es trifft außerdem zu, dass es für uns eine zentrale Aufgabe ist, die Unterrichtsversorgung zunächst im Bereich des Pflichtunterrichts, sodann aber auch im Bereich des Er gänzungsunterrichts zu gewährleisten.

In den vergangenen Jahren mussten wir aber feststellen, dass beispielsweise durch eine zu schwach ausgeprägte Krankheits vertretungsreserve bereits viele Stunden, die eigentlich für den Ergänzungsbereich gedacht waren, dazu genutzt werden mussten, Vertretung zu organisieren. Wir, die Landesregie rung, haben uns deshalb entschieden, im vergangenen Jahr und auch in diesem Jahr die Krankheitsvertretungsreserve um jeweils 200 Deputate anzuheben. Das ist nur ein Faktor, aus dem Sie ersehen können, wie wir versuchen wollen, dem Ziel einer gesicherten Unterrichtsversorgung näherzukommen.

Das Kultusressort hat, was den Haushalt 2013/2014 angeht, in der Tat die Auflage bekommen, 1 000 Lehrerstellen zu strei chen. Sie alle wissen, dass wir aufgrund des erheblichen Rück gangs der Schülerzahlen letztlich nicht darum herumkommen. Wir wissen auch, dass in den vergangenen Jahren die alte Lan desregierung häufig – nehmen wir das Beispiel Bugwelle – diese Vertretungen auch im Bereich des Pflichtunterrichts über Mehrarbeit der Lehrerinnen und Lehrer finanziert hat – letzt lich auf Kosten der Bugwelle, also der Überstunden, die von den Lehrerinnen und Lehrern geleistet wurden.

Wir halten es für korrekter, als dieses Vorgehen zu wählen, wenn wir ehrlich sind und sagen: „Wir müssen auch Einschnitte vornehmen.“ Deswegen haben wir uns zur Erfüllung dessen, was uns im Haushalt für das Jahr 2013 vorgegeben wurde, entschlossen, das allgemeine Entlastungskontingent um 14 %

zu kürzen. Ich halte diese Kürzung durchaus für schmerzhaft – Sie haben das an meinen öffentlichen Äußerungen nachvoll ziehen können –, ich halte sie aber auch für unausweichlich, wenn wir die im Staatshaushaltsplan vorgegebene Größenord nung von 1 000 Lehrerstellen erreichen wollen. 14 % über al le Schularten hinweg sind – das meinen wir, das meine ich – verkraftbar.

14 % sind im Übrigen auch eine Größe, die der Rechnungs hof einmal, bezogen auf das Entlastungskontingent der Real schulen, als zu kürzenden Prozentsatz bezeichnet hat. Wir ha ben das also nicht im Rahmen der freien Rechtsfindung ge macht, sondern uns auch an den Vorgaben des Rechnungshofs orientiert.

Wie ich bereits gesagt habe: Ich würde die Sicherung der Un terrichtsversorgung als oberstes Ziel der Landesregierung be zeichnen.

Auch was das kommende Schuljahr angeht, haben wir natür lich eine ganz erhebliche Abhängigkeit von den Prognosen der Schülerzahlen. Die Prognosen der Schülerzahlen haben uns im letzten Jahr gezeigt, dass es eben nicht immer gelingt, verlässlich vorherzusagen, wie groß die Zahl der Schüler sein wird, vor allem auch, wie stark der Schülerrückgang sein wird.

Ich kann Ihnen die Zahl für das vergangene Jahr nennen. Pro gnostiziert war vom Statistischen Landesamt ein Rückgang um 51 000 Schüler. Tatsächlich ist die Zahl der Schüler nur um 39 000 zurückgegangen. Das bedeutet schlicht und ein fach, dass wir bei dem, was wir prognostiziert haben und auch in die Bedarfsplanung, was den Unterricht angeht, eingestellt haben, feststellen mussten, dass wir eine Veränderung der Si tuation hatten. Natürlich ist es dann zwingend notwendig, dass wir entsprechend nachsteuern müssen.

Deswegen will ich im Zusammenhang mit Ihrer Frage auch zum Ausdruck bringen, dass wir natürlich gehalten sind, im mer auf der Basis der möglichst zeitnah ermittelten Istzahlen auch den tatsächlichen Bedarf zu ermitteln, um dann auch re agieren und die Unterrichtsversorgung entsprechend sichern zu können.

Sie haben darüber hinaus die Streichung angesprochen, die speziell die Gymnasien betrifft. Wir haben bei den Gymnasi en im Vergleich zu den anderen Schularten die Sondersituati on, dass wir für den Bereich der Hausaufgabenbetreuung – und zwar nicht für die Leistung, sondern für die Organisation der Hausaufgabenbetreuung – zusätzliche Stunden gewährt haben. Es trifft zu, dass nach dem Organisationserlass die ent sprechenden Stunden wegfallen. Das Gleiche gilt auch für die Anrechnungsstunden der Ausbildungslehrerinnen und -lehrer.

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Frau Abg. Boser das Wort.

Frau Präsidentin! Herr Minis ter, können Sie noch etwas dazu sagen, wie sich die Situation der Krankheitsvertretung in den vergangenen Jahren entwi ckelt hat? Denn die Krankheitsvertretung bedeutet auch Un terrichtsversorgung. Wie liegt Baden-Württemberg da im bun desweiten Vergleich? Was hat die neue Landesregierung hier für bereits getan?

Danke schön.

Vielen Dank, Frau Kollegin Boser. – Für die Krankheitsver tretung hatten wir in der Vergangenheit – das hatten wir so übernommen – eine fest installierte Reserve von 1 266 Lehr kräften. Damit hatten wir im bundesweiten Vergleich die ro te Laterne. Baden-Württemberg lag, was den Anteil der Krank heitsvertretungsreserve angeht, auf dem letzten Platz.

Deswegen war es aus unserer Sicht unabdingbar, die Krank heitsvertretungsreserve in Schritten auszubauen, damit wir diese rote Laterne loswerden. Wir haben die Reserve im ver gangenen Jahr bereits um 200 Stellen aufgestockt. Wir wer den sie auch im laufenden Jahr um 200 Stellen aufstocken.

Ich nenne Ihnen die Vergleichszahl. Zu Beginn eines Schul jahrs fallen, statistisch gesehen, regelmäßig etwa 1 700 Leh rerinnen und Lehrer aufgrund von Schwangerschaft oder lang andauernder Krankheit aus. Mit den beiden von mir genann ten Ausbauschritten sind wir gerade so weit, dass wir dieses Defizit ausgleichen können. Das bedeutet, dass für den Aus gleich, für die Reaktion auf kurz- und mittelfristige Erkran kungen während des Schuljahrs aus der fest installierten Krank heitsvertretungsreserve keine Personen mehr zur Verfügung stehen.

Deswegen freut es mich auch, dass wir es geschafft haben, die finanzielle Reserve, die wir im Haushalt eingestellt haben, nun mit 65 Millionen € fest zu definieren. Erstmals haben die Re gierungspräsidien dadurch auch Planungssicherheit. Wir ha ben diese 65 Millionen € an dem bemessen, was in den ver gangenen Jahren notwendig war. Wir hoffen, durch die Erhö hung der fest installierten Krankheitsvertretungsreserve die sen Betrag nicht in voller Höhe zu brauchen, aber wir haben ihn zur Verfügung. Wir haben darüber hinaus auf Initiative der Regierungsfraktionen diesen Betrag sogar nochmals um wei tere 10 Millionen € erhöht, die gesperrt sind für die Verwen dung im Fall der Notwendigkeit.

Das heißt, wir glauben, im Bereich der Krankheitsvertretungs reserve gut in das neue Schuljahr starten zu können. Das ist für uns ein wichtiges Zeichen, was die Sicherung der Unter richtsversorgung angeht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Röhm das Wort.

Herr Minister, wir wollen noch etwas zur Altersermäßigung hören. Das ist die erste Fra ge.

Zweitens möchte ich kurz Folgendes darstellen: Eine Schule erhält bisher vier Stunden zur Ausgestaltung, zur Bewältigung der Hausaufgabenbetreuung. Damit werden von Montag bis Donnerstag jeden Tag mindestens zwei Unterrichtseinheiten Hausaufgabenbetreuung, in den Faschingsferien und in den Sommerferien eine ganze Woche Ferienschule angeboten. Die Schülermentoren werden an mehr als drei Wochenenden durch die betreffenden Personen ausgebildet. Meine Frage: Halten Sie vier bis fünf Deputatsstunden dafür als Gegenleistung für üppig oder für angemessen?

In diesem Zusammenhang noch zusätzlich die Frage betref fend die Hausaufgabenbetreuung. Es werden auch Gelder zur

Verfügung gestellt. Was haben Sie mit den Geldern vor, die bisher mit dafür verwendet werden konnten, die Hausaufga benbetreuung zu bestreiten?

Konkret – Sie können das alles gern in der Generalfrage zu sammenfassen –: Sieht individuelle Förderung auch im Gym nasium so aus, dass man sagt?: In einer immer heterogeneren Schülerschaft kommt man ohne Hausaufgabenbetreuung aus.

Herr Kollege Röhm, aus Ihrer Frage könnte der falsche Ein druck entstehen, dass mit den Stunden, die für die Hausauf gabenbetreuung gewährt werden, diese Hausaufgabenbetreu ung auch geleistet wird. Wie ich vorhin einleitend sagte, die nen die Stunden, die für die Hausaufgabenbetreuung gewährt werden, zur Organisation der Hausaufgabenbetreuung – je nach Größe der Schule sind das zwischen drei und fünf Stun den. Wir wissen durch die entsprechenden Erhebungen, dass die Stunden, die für die Hausaufgabenbetreuung gewährt wer den, teilweise auch für andere Zwecke verwendet werden.

Deswegen ist der Effekt, den Sie ansprechen, nämlich der Wegfall einer Möglichkeit der individuellen Förderung, nicht wünschenswert. Aber die drei bis fünf Stunden waren bisher – so sind die Rückmeldungen, die wir aus den Schulen und auch aus den Regierungspräsidien bekommen – teilweise für andere Zwecke eingesetzt worden.

Ich komme noch einmal auf das Entlastungskontingent zu rück, das Herr Kollege Wacker ansprach. Das allgemeine Ent lastungskontingent, das insgesamt knapp 1 600 Deputate aus macht, ist im Sinne einer Budgetierung an die Schulen gege ben worden, um dort bestmöglich eingesetzt werden zu kön nen. Das heißt, wir hatten durch das Entlastungskontingent auch schon in der Vergangenheit die Situation, dass Schullei terinnen und Schulleiter für ihre Schule definieren konnten, wie die Verwendung stattfinden soll.

Deswegen glauben wir, dass wir durch die Streichung dieser 14 % über alle Schularten hinweg den Schulleitern nicht grund sätzlich die Möglichkeit nehmen, Wichtiges vor weniger Wich tigem zu machen. Ich will damit nicht sagen, dass Unwichti ges gemacht wurde.

Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen: Dieser Tage hat sich der Schulleiter eines Gymnasiums über diese Kürzung beschwert und gesagt, er habe bisher mit dem Entlastungskontingent z. B. eine Kroatisch-AG geführt. Er hat eine Lehrkraft, die da zu passt. Er hat damit dann einen entsprechenden Zusatzun terricht angeboten.

Natürlich ist das eine Bereicherung für die Schule, und natür lich ist das auch positiv. Nur: In Zeiten, wie wir sie gegenwär tig haben, müssen wir genau schauen, wie wir die Ressourcen effektiv einsetzen, und immer auch die Frage stellen: Ist das Kern dessen, was von staatlicher Seite finanziert werden muss, oder ist das etwas, was ich gern hätte und was in dieser Situ ation vielleicht nicht mehr finanziert werden kann?

Deswegen wünsche ich mir, dass an den Schulen jeweils sehr genau darauf geachtet wird, dass nicht die wirklich wichtigen und guten Angebote gestrichen werden, sondern dort eine Ab wägung vorgenommen wird. Ich weiß von vielen Gymnasi en, dass das tatsächlich sehr verantwortlich geschieht.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Wacker das Wort.

Sehr geehrter Herr Minister, Sie sagen jetzt, dass Sie das allgemeine Entlastungskontingent um 14 % kürzen wollen. Sie erachten das für vertretbar, aber gleichzeitig für schmerzlich. Sie haben jedoch in Ihren Aus führungen dargelegt – gerade zuletzt –, dass es durchaus wich tige Aufgaben waren und sind, die die Lehrkräfte im Rahmen des allgemeinen Entlastungskontingents ausgeübt haben. Was soll mit diesen zusätzlichen Aufgaben geschehen? Sollen die se wegfallen? Oder sind das dann zusätzliche Aufwendungen, die die Lehrkräfte trotzdem übernehmen sollen, auch wenn sie hierfür zukünftig keine angemessene Erstattung mehr er halten?

Die zweite Frage, die ich noch stellen möchte, Herr Minister, ist: Wie Kollege Röhm es eben kurz angedeutet hat, hat Frau Ministerialdirigentin Windey in einem Schreiben an die Haupt personalräte in Ihrem Haus mitgeteilt, dass auch über eine mögliche Streichung der Altersermäßigung diskutiert wird. Sie wissen, dass die Altersermäßigung eine wichtige Maßnah me im Zusammenhang mit dem Gesundheits- und Arbeits schutz ist. Wir haben leider die Situation, dass ein beachtli cher Anteil der Lehrkräfte aufgrund von Dienstunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen die gesetzliche Pensionsaltersgren ze nicht erreicht. Deswegen ist die Altersermäßigung durch aus ein Instrument, um zumindest am Ende der Dienstzeit die Lehrkräfte zu entlasten und damit die Belastungen abzufe dern.