Sie haben doch auf der einen Seite die Forderung gestellt, wir sollten die regionale Schulentwicklungsplanung sofort ein führen,
und auf der anderen Seite treten Sie auf die Bremse, indem Sie sagen: „Aber wir dürfen dies und das nicht in Betracht zie hen“, weil Sie damals Angst gehabt haben, eine regionale Schulentwicklungsplanung einzuführen. Wir haben diese Angst nicht. Wir gehen gemeinsam mit den Kommunen in die Gespräche und werden eine regionale Schulentwicklungspla nung auf den Weg bringen.
Die Stellungnahme des Städtetags und des Gemeindetags zu der Entwicklung einer regionalen Schulentwicklungsplanung ist durchweg positiv. Auch die Stellungnahme zu dem Zwei säulenmodell in Baden-Württemberg ist durchweg positiv. Niemand spricht davon, an der Dreigliedrigkeit festhalten zu wollen – außer der CDU und der FDP in Baden-Württemberg.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Jürgen Filius und Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: In Baden-Württemberg!)
Es ist durchweg bekannt – ich sage es gern nochmals –: Die Zahlen, die die GEW 2010 – da gab es die verbindliche Grundschulempfehlung noch – bereits dargestellt hat, zeigen, dass bei einem dreigliedrigen Schulsystem drei Viertel der Schulstandorte in den kommenden Jahren sterben würden. Wir wollen das nicht. Wenn Sie das wollen, dann machen Sie so weiter.
Doch, das stimmt. Schauen Sie sich das Gutachten an, Herr Müller. – Es wird sicherlich nicht darauf hinauslaufen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir am Ende die Schul formen Realschule und Gymnasium in Baden-Württemberg haben. Denn dann haben wir kein Angebot für diejenigen, die sich in den Realschulen und den Gymnasien schwertun. Dann haben wir kein Angebot, mit dem wir alle Schülerinnen und Schüler integrativ beschulen können.
Das ist der Weg, den wir gehen wollen. Daher wollen wir mit der regionalen Schulentwicklungsplanung in Baden-Württem berg den Weg zu einem Zweisäulenmodell gehen.
Ich glaube, Ihr Hauptprob lem ist, dass Sie, Kolleginnen und Kollegen der Opposition, tatsächlich irritiert sind, dass wir erst einmal mit den Betei ligten reden werden.
(Abg. Peter Hauk CDU: Nein! Sie reden ja gerade nicht! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Die Be teiligten sind irritiert, weil nicht mit ihnen geredet wird!)
Wir werden keine finalen Vorgaben von oben machen, son dern gehen den Weg der Beteiligung und der Analyse und set zen dann planvoll um. Das ist Ihnen fremd, Herr Hauk; das weiß ich. Aber das werden wir tun. Ich sage es noch einmal – man soll die Hoffnung nicht aufgeben –: Die Gemeinschafts schule ist wirklich kein Zwang, sondern sie ist in Anbetracht des demografischen Wandels tatsächlich eine Reformperspek tive.
Herr Wacker, wir waren ja selbst etwas unsicher, wie die ers te Tranche ankommt. Aber Tatsache ist doch: Wir sind mit ei ner ganzen Reihe von Schulen hineingegangen, die einzügig waren, viele stabil zweizügig.
Fragen Sie doch einmal bei Ihren Kollegen in Mannheim nach. Wir haben beispielsweise vor Kurzem eine Umfrage un ter den Eltern, die in der Stadt Mannheim wohnen, präsentiert bekommen. Darin zeigt sich, dass 67 % aller Eltern von Kin dern mit Realschulempfehlung – das ist ein großer Erfolg – sagen: „Ja, ich kann mir vorstellen, mein Kind auf eine Ge meinschaftsschule zu schicken.“ Übrigens gilt dies auch für 44 % aller Eltern von Kindern mit Gymnasialempfehlung. Für eine Schulart, die in Mannheim noch gar nicht auf dem Markt ist, ist das ein fantastischer Vorschuss, was das Vertrauen an geht.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD zu Abg. Georg Wacker CDU: In der Stadt, Herr Wacker, nicht auf dem Dorf!)
Herr Wacker, ich bin an dieser Stelle völlig entspannt. Wir werden uns hier in zwei, drei Jahren wieder unterhalten. In Anbetracht der Entwicklung im ländlichen Raum
werden Sie sich dann bewegen müssen. Sie werden auf die Gemeinschaftsschule als anerkannte Schulart zugehen müs sen, wenn Sie überhaupt irgendwann wieder einmal eine
Machtperspektive haben werden. Da Sie das nicht schaffen, ist mir wegen 2016 auch überhaupt nicht bange.
Herr Präsident! Frau Mi nisterin, Sie singen hier vorn das Hohelied der Offenheit und der Ehrlichkeit.
Da muss ich mich schon wundern; denn die Wortakrobatik, die Sie und Grün-Rot im Bildungsbereich zum Teil an den Tag legen, ist schon bemerkenswert.
Fangen wir einmal mit dem Begriff „Gemeinschaftsschule“ an. In meinen Klassen am Gymnasium wurde gemeinschaft lich gelernt. In der Gemeinschaftsschule soll doch hoch indi vidualisiert gelernt werden. Eigentlich müsste diese Schule „Ego-Schule“ heißen und nicht Gemeinschaftsschule.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Oh mein Gott! Das ist ja Steinzeit! – Zuruf der Abg. Rita Hal ler-Haid SPD)
Der nächste Punkt: Sie sprechen von einer Fortentwicklung der Bildungspläne. Dabei geht es hier um eine Vereinheitli chung der Bildungspläne, nicht um eine Fortentwicklung der Bildungspläne.
Sie sprechen hier von einer Fortentwicklung der Lehreraus bildung, dabei wollen Sie eine Vereinheitlichung der Lehrer ausbildung.
Sie wollen einen Stufenlehrer. Dann sagen Sie auch, dass Sie diesen Stufenlehrer wollen und nicht wie bisher für das ge gliederte Bildungswesen auch unterschiedliche Lehrerausbil dungen.
Zudem vereinheitlichen Sie die Schulstruktur in einem ganz erheblichen Maß. Sie haben kein pädagogisches Konzept für die Gemeinschaftsschule, sondern ein Nötigungskonzept für die Gemeinschaftsschule.
Sie sprechen von einer Zweizügigkeit, von einem Zweisäu lenmodell. Wenn man sich dann aber klarmacht, dass Sie ei ne Vereinheitlichung der Bildungspläne wollen, dass Sie eine Vereinheitlichung der Lehrerausbildung wollen und dass dann noch ein Abschulungsverbot dazukommt, stellt man fest: Es
sind doch nur dem Namen nach zwei Säulen. In Wirklichkeit wollen Sie eine einzige Säule. Dazu könnten Sie hier heute in der zweiten Runde einmal Stellung nehmen. Wenn Sie von Ehrlichkeit sprechen, wenn Sie von Offenheit sprechen, fra ge ich: Wie steht es denn um das Abschulungsverbot?
Können Sie ausschließen, dass es kommt? Das wäre eine in teressante Frage. Ansonsten müsste man allmählich ein Wör terbuch schreiben „Grün-Rot – Deutsch/Deutsch – Grün-Rot“.
Zu Offenheit und Ehrlichkeit gehört auch, dass Sie, wenn Sie vom Zweisäulenmodell sprechen, sagen müssten: „Jawohl, wir wollen keine Hauptschulen mehr.“ Sie müssten sagen: „Ja wohl, wir wollen keine Werkrealschulen mehr.“ Und Sie müssten eigentlich auch zugeben: „Jawohl, wir wollen keine Realschulen mehr.“