Protocol of the Session on October 10, 2012

Die Pendler würden belastet.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Der Handwer ker, der in die Stadt fährt!)

Es gibt hier nicht, so wie es in London der Fall ist, einen Ring um Stuttgart oder um Tübingen. Es gibt hier eine Belastung für den Mittelstand, für das Handwerk. Ich habe es einmal überschlagen: Wenn es so kommen würde, wie es der Ver kehrsminister gern hätte – – Wir wollen ja im nächsten und im übernächsten Jahr den Landtag sanieren. Die Handwerker bringen ihr Material wahrscheinlich nicht mit dem ÖPNV her bei,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Pferdekar ren!)

sondern mit dem Pkw oder dem Lkw. Wenn Sie das einmal hochrechnen, würden Sie für die Sanierung des Landtags auf eine Citymaut von etwa 50 000 bis 100 000 € für die Hand werksunternehmen kommen. Da, denke ich, wird es dem Mit telstandsbeauftragten der Landesregierung die Schweißperlen auf die hohe Stirn treiben.

(Abg. Winfried Mack CDU: Und dem Präsidenten! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Der lehnt auch Werbeschauen ab!)

Das heißt, eine Citymaut ist für den Wirtschaftsstandort Ba den-Württemberg in höchstem Maß gefährlich. Ich bitte, dass auch der Verkehrsminister hier noch einmal klarstellt, dass die Citymaut für Baden-Württemberg kein Thema ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Im Übrigen sollte man vielleicht auch einmal dazusagen, was in Baden-Württemberg in vielen Bereichen ohnehin schon an Solidarbeitrag geleistet wird. Ich nenne nur den Länderfinanz ausgleich, aber auch die Umsatzsteuer- und die Gewerbesteu eranteile sowie die Sozialversicherungssysteme. Die Autofah rer erbringen bundesweit inzwischen 57 Milliarden € an Steu ern für die Bereitstellung im Haushalt. Inzwischen hat man das Gefühl, dass die Städte und Gemeinden schon eine heim liche Citymaut in Form der Radarfallen

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

und der Tempowarner einführen. Wenn man liest, was es an Millioneneinnahmen in diesem Bereich gibt, hat man schon das Gefühl: Da wird die Citymaut sozusagen mobil eingeführt.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: So viel zu TOP 1!)

Ich glaube, dass wir mit dieser Politik und überhaupt der Dis kussion über eine Citymaut das nachhaltige Vertrauen auch in die Politik stören. Deswegen sage ich: Hände weg von die sem Thema, Hände weg von dieser Verkehrspolitik. Andern falls wird die Verkehrspolitik, wird diese Verkehrsinfrastruk tur ihr Waterloo erleben und möglicherweise unser Verkehrs minister ins Exil nach Tübingen kommen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Hans- Ulrich Sckerl GRÜNE: Meine Güte! – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Für die Landesregierung spricht Herr Verkehrsminister Winfried Hermann.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ein Red nerpult ohne Maut!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her ren! Liebe Frau Razavi, selten so viel Honig aus Ihrem Topf.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Kann ich!)

Mein Mund klebt schier, um darauf zu antworten.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das war vergif teter Honig! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Von der Villa Reitzenstein!)

Aber Sie haben ja sehr deutlich gemacht, dass es das Anlie gen Ihrer Aktuellen Debatte war, einen Beitrag zur OB-Wahl zu leisten. Den haben Sie geleistet. Danke schön! Aber die an deren Rednerinnen und Redner haben Gott sei Dank das The ma, das Sie eigentlich angeschnitten haben, ernst genommen. Ich finde, das Thema als solches ist ernst zu nehmen.

Weil Sie mich noch einmal ausdrücklich angesprochen haben und sogar für meine Geradlinigkeit und Aufrichtigkeit gelobt haben,

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Auch das war vergiftet!)

will ich Sie noch einmal daran erinnern: Ich habe schon vor einem halben Jahr gesagt: Wir Grünen haben positives Ver ständnis für das Instrument der Citymaut. Aber wir haben uns im Rahmen der Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, dass dies nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen wird. Die SPD war da anderer Meinung, und deswegen steht es auch nicht drin.

(Abg. Winfried Mack CDU: Das steht in Ihrer Pres semitteilung nicht drin! – Zuruf der Abg. Nicole Ra zavi CDU)

Zweitens – deswegen ist es in der Pressemitteilung noch ein mal klargestellt worden –: Eine Citymaut wird weder der Oberbürgermeister von Stuttgart noch der Oberbürgermeister von Tübingen,

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

noch der Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg und schon gar nicht dieser Landtag einführen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Denn – das ist sozusagen das kleine Einmaleins der politi schen Zuständigkeit – das kann nur der Deutsche Bundestag mit Mehrheit beschließen.

(Abg. Winfried Mack CDU: Das stimmt doch gar nicht! Ein Blick ins Grundgesetz erleichtert die Rechts findung!)

Er selbst kann auch nicht allein beschließen, ob in Stuttgart oder Geislingen oder wo auch immer eine Citymaut einge führt wird, sondern dann müsste es immer auch der jeweilige Gemeinderat mit Mehrheit beschließen. So ist das Konstrukt gedacht. Es steckt auch ein gewisser Charme darin, den Kom munen eine Möglichkeit zu geben, ihnen aber nichts überzu stülpen.

Jetzt aber zum Hintergrund der Debatte: Warum reden Sie, Herr Hauk, über die Vignette?

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Ich könnte sie auch „Hauk-Maut“ nennen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Ist die „Hauk-Maut“ kostenlos? Ist das eine Art Rückgabein strument für die armen, gebeutelten Autofahrer, durch das sie Geld vom Staat bekommen, damit sie fahren können? Oder wollen Sie nicht auch kassieren?

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Abzocke!)

Und was kostet sie denn? Wenn sie überhaupt etwas einspie len soll, müssen Sie an einen Betrag in Höhe von 50, 100 oder 200 € denken,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Es geht um die Citymaut!)

damit überhaupt ordentliche Einnahmen erzielt werden, die benötigt werden, um die großen Lücken im Verkehrsbereich zu schließen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Winfried Mack CDU: Nicht ablenken! – Abg. Claus Schmiedel SPD: „Hauk-Maut“! Mein lieber Mann!)

Warum redet Hauk über Maut? Weil Hauk zumindest erkannt hat, dass im Bereich der Verkehrsinfrastruktur eine gravieren de Unterfinanzierung besteht.

(Abg. Peter Hauk CDU: Warum redet Hermann über Maut? Das wollen wir von Ihnen wissen!)

Warum sagen die Verkehrsminister aller Bundesländer – egal, ob grün, rot, schwarz oder ganz schwarz –: „Wir blicken auf gewaltige Finanzierungslücken, sei es im Schienenverkehr, sei es im ÖPNV, sei es bei der Sanierung von Straßen, und zwar auf allen staatlichen Ebenen, bei den Kommunen und den Ländern wie beim Bund“?

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: So ist es!)

Welche Erfahrung haben alle Landesverkehrsminister seit Jah ren gemacht? Das ist die Erfahrung, dass Jahr für Jahr die Mit telausstattung des Verkehrsbereichs im Haushalt nicht wächst, sondern gedeckelt wird, wenn sie Glück haben, oder teilwei se zurückgefahren wird. Übrigens haben auch Sie in den Jah ren Ihrer Regierungszeit systematisch etwa die Sanierungs mittel im Straßenbau heruntergefahren, und zwar auf ein Maß, das dazu geführt hat, dass Ihnen der Landesrechnungshof ge sagt hat: „So findet Vermögensverzehr im Bereich der Stra ßeninfrastruktur statt. Das kann so nicht weitergehen.“

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Winfried Mack CDU: Warum wollen Sie jetzt die Citymaut?)

Wenn also die Einsicht vorhanden ist, dass es ein Finanzie rungsproblem gibt – – Übrigens gibt es nicht nur ein Finan zierungsproblem. Es gibt ja auch reale Stauprobleme in den Ballungsräumen. Es gibt jeden Morgen Staus. Hier im Groß raum Stuttgart gibt es – etwa auf der A 81 und der B 27 – re gelmäßig Staus. Wenn man erkennt, dass es solche Probleme gibt, die es zu lösen gilt, dann halte ich eine Debatte, die nach dem Motto läuft: „Immer wenn einer einen Vorschlag macht, sagen die anderen, das wäre aber Abkassieren, das wäre ganz gemein“, für nicht zielführend. Da muss ich sagen: So wer den wir nicht weiterkommen. Vielmehr müssen wir auch die

sem Problem ins Auge sehen und sagen, was wir hier tun kön nen.