(Abg. Winfried Mack CDU: Aber es wurde gerade doch genau das Gegenteil gesagt! – Gegenruf der Abg. Nicole Razavi CDU: Er lenkt vom Thema ab, aber wir haben das gemerkt!)
Daher, Herr Kollege Mack, müsste die heutige Aktuelle De batte vielmehr den Titel haben: „Mittelkürzung der CDU/ CSU-FDP-getragenen Bundesregierung für den Bundesfern straßenbau in Baden-Württemberg – Gefahr für Pendler, Bür ger und Mittelstand“.
(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Da ist Not am Mann, wenn er kommt! – Abg. Dr. Friedrich Bullin ger FDP/DVP: Das ist der eigentliche Verkehrsmi nister!)
Sie haben schon zitiert: Die Koalitionsfraktionen haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass es in Baden-Württemberg unter ihrer Regierungsverantwortung keine Citymaut geben wird.
Die Nähe des Themas zur OB-Wahl haben Sie selbst betont. Man konnte auch in der Zeitung lesen, dass Sie das im Vor feld der OB-Wahl noch einmal thematisieren sollten. Aber das ist natürlich ein Rohrkrepierer, weil Sie, wie gesagt, ein Ge spenst einzufangen versuchen, das keine reale Grundlage hat.
Sie haben mich zitiert: Eine Citymaut einzuführen, um damit den Straßenbau zu finanzieren, sei der allergrößtmögliche Blödsinn. Das stimmt; denn es geht in der Stadt Stuttgart nicht, dass man dem Stau, der täglich in die Stadt hinein und aus der Stadt heraus entsteht, dadurch begegnet, dass man mehr Straßen baut. Wo will man diese denn bauen? Das Pro blem besteht doch vielmehr darin, dass neben den Straßen, die verstopft sind, auch die S-Bahnen und die Busse voll sind. Das heißt, wir haben ein Kapazitätsproblem im öffentlichen Personennahverkehr.
Deshalb müssen wir darüber reden. Wenn wir über Menschen reden, die in die Stadt Stuttgart pendeln, müssen wir darüber diskutieren, wie wir die Kapazitäten des ÖPNV erhöhen und wie wir die hierzu erforderlichen Mittel bekommen. Das ist die richtige Fragestellung.
Wie ist das „Gespenst“ nun aufgetaucht? Die Verkehrsminis terkonferenz hat in Cottbus getagt. Grundlage war die Be schlussempfehlung der Kommission „Zukunft der Verkehrs infrastrukturfinanzierung“. Alle, egal ob Rote, Schwarze oder Grüne, haben die Vorschläge zur Kenntnis genommen und keinen Vorschlag verworfen, weil die Not riesengroß ist. Es wurde gesagt: Wir müssen über die Energiesteuer, die Kraft fahrzeugsteuer reden, über die Ausweitung der Lkw-Maut auf Bundesstraßen, über die Ausweitung der Maut auf alle Stra ßen; wir müssen über eine Infrastrukturabgabe für alle ande ren Kraftfahrzeuge, über eine Citymaut, über eine Nahver kehrsabgabe usw. reden. Wir müssen also über alle denkba ren Instrumente reden. Warum?
Es ist nicht nur so, dass der Bundesverkehrsminister dem Lan desverkehrsminister quasi untersagt, neue Straßenbauprojek te bzw. Bundesstraßenbauprojekte in Baden-Württemberg an zugehen. Vielmehr sagt er gleichzeitig Folgendes: Die Reali sierung der bereits begonnenen Projekte dauert noch viele Jah re länger.
Wir haben einen Bedarf in Höhe von 900 Millionen €, nur um die begonnenen Bundesfernstraßenprojekte in Baden-Würt temberg zu realisieren. Nach der alten Planung bekommen wir 450 Millionen € bis 2016. Nach der neuen Planung fallen noch einmal 120 Millionen € weg. Das heißt, bis 2016 können wir nur ein Drittel der bereits begonnenen Maßnahmen zu Ende führen. Das ist die Katastrophe schlechthin, die droht.
Die drohende Katastrophe ist nicht nur, dass keine Maßnah men mehr begonnen werden, sondern auch, dass bereits be gonnene Baustellen abgebrochen werden, weil die Bundesre gierung in Berlin die notwendigen Gelder verweigert.
Wenn Sie noch Bedarf haben, können wir in der zweiten Run de darüber reden, welchen Schaden der weitere Ausbau des ÖPNV dadurch nimmt, dass auch die Mittel nach dem Ge meindeverkehrsfinanzierungsgesetz rückläufig sind, dass Un
sicherheit besteht, ob man überhaupt noch Projekte beginnen kann, weil nicht sicher ist, ob man auch bis 2019 fertig ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wenn Sie Ih re Verantwortung für die Verkehrsinfrastruktur in Baden-Würt temberg ernst nehmen würden, dann müssten Sie sich an un sere gemeinsame Resolution erinnern, die wir einstimmig im Landtag beschlossen haben. Wir brauchen mehr Geld aus Ber lin, um unseren Aufgaben gerecht zu werden. Sie ducken sich jedoch weg.
Wenn jetzt aber weniger kommt, müssen wir auf die Barrika den gehen und losmarschieren. Ein Brüller nach Berlin: „So geht es nicht!“ Dann sind wir wieder Seite an Seite, und dann geht es auch in die richtige Richtung.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Thema verfehlt! Setzen, Sechs!)
Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man in der Ge schichte zurückschaut, dann stellt man fest, dass es die ger manischen Stämme waren, die in Europa die ersten Gebühren verlangt haben, und zwar für das Passieren von Bergpässen. Im Mittelalter waren es dann die Grundherren, die von Kauf leuten und Einwohnern einen Wegezoll für die Benutzung der Straßen verlangten.
Noch im Jahr 1806 belegte Napoleon die Querung der Main brücke zwischen Wertheim und Kreuzwertheim mit einem Wegezoll.
Herr Kollege Schwarz, jetzt lernen Sie noch etwas aus dem Geschichtsbuch. – Dies geschah, bevor Wertheim dem Groß herzogtum Baden einverleibt wurde.
weil man festgestellt hat, dass die wirtschaftliche Entwick lung durch Wegezölle nachhaltig gestört wird.
Im 21. Jahrhundert hat die grüne Partei in Baden-Württem berg dies auf Seite 92 ihres Wahlprogramms für die Landtags wahl 2011 wieder aufgegriffen.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das war das Kleinge druckte! – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Wir ha ben gehofft, das liest niemand! Aber er liest es tat sächlich! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rül ke FDP/DVP: Er ist der Einzige!)
Insofern haben wir – Herr Kollege Schwarz, Sie haben es dan kenswerterweise angesprochen – gleich im Juli 2011 einen Antrag gestellt und nachgefragt: Wie sieht es denn mit der Citymaut aus? Verkehrsminister Hermann hat die Antwort ge geben – Sie haben es gesagt –: „Die Citymaut ist kein Thema der grün-roten Koalition.“ Wir waren ausdrücklich dankbar, Herr Kollege Schmiedel, dass Ministerpräsident Kretschmann am 17. April in der „Süddeutschen Zeitung“ mit der Aussage zitiert wurde,
(Lachen der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Ein Radfahrer ist das! – Gegenruf des Abg. Heribert Rech CDU: Rad fahrer, ja!)
Insofern haben wir gedacht, das Thema sei an und für sich er ledigt. Nun hat aber unser Verkehrsminister bei der Verkehrs ministerkonferenz in der letzten Woche in Cottbus sozusagen in „Robin-Hood-Wegezollmanier“ die Citymaut wieder aus gepackt und zum Thema gemacht. Das hat uns insofern ge wundert, als gesagt wurde, das Thema sei an und für sich er ledigt. Kollege Schmiedel und Kollegin Sitzmann haben in der gestrigen Presseerklärung betont, in Baden-Württemberg gebe es keine Citymaut. Insofern sind wir tatsächlich ge spannt, was der Verkehrsminister bei der Tübinger Veranstal tung zum Thema „Kostenlose Busbenutzung, Finanzierung durch eine Citymaut“ sagt. Vielleicht werden wir heute in die sem Hohen Haus entsprechend aufgeklärt.
Wir haben das Thema deswegen gewählt, weil wir auch nicht verstehen, dass hier ein Hin und Her kommt. Uns von der Op position könnte das zunächst egal sein. Aber wir sehen das Ganze eben mit Sorge, weil eine Citymaut den Wirtschafts standort Baden-Württemberg massiv belasten würde. Sie wür de den Einzelhandel belasten.