Erleichtert sind wir über den Wahlausgang in Frankreich, wo in der zweiten Runde der Regionalwahlen die Republikaner von Expräsident Nicolas Sarkozy die rechtsextreme Partei Front National geschlagen haben, auch wenn sie – auch aus meiner Sicht – viel zu viele Stimmen bekommen haben. Aber es wurde noch einmal verhindert, dass eine Region vom Front National gewonnen wurde. Auch in der Region Elsass-Cham pagne-Ardennen-Lothringen haben die Republikaner gewon nen. Für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit gerade mit der neuen Großregion ist das ein gutes Zeichen.
Alexis Tsipras bleibt seiner Linie des Täuschens, Tricksens und Tarnens treu. Anders kann man die Äußerung, dass sein Land weniger Geld brauche und entsprechend auf die Mittel des IWF verzichten könnte, nicht werten. Der griechische Pre mier wirft dem IWF vor, dass die Forderungen nach Refor men und Sparmaßnahmen nicht konstruktiv seien. Tsipras’ Äußerungen untergraben die Umsetzung des Hilfspakets in Griechenland. Wir erwarten von ihm jedoch die vollständige Umsetzung des Spar- und Reformprogramms. In Wahrheit ge währen wir auch keine Hilfskredite, sondern leisten wir Trans ferzahlungen. Aus der Sicht der Freien Demokraten bleibt ein Mitwirken des Internationalen Währungsfonds an der Stabi lisierung Griechenlands unerlässlich.
Wenn sich der IWF im Januar gegen eine Beteiligung an den Hilfen entscheidet, entzieht das dem dritten Hilfspaket die Ge schäftsgrundlage. Dann muss auch in Deutschland neu über die Hilfen für Griechenland diskutiert werden.
Zum Abschluss noch zu der Situation in Burundi. Auch diese ist besorgniserregend. Dass sich Nkurunziza dieses Jahr ent gegen der Verfassung zu seiner dritten Amtszeit wiederwäh len ließ, hat das Land an den Rand eines neuen Bürgerkriegs geführt, von dem viele Beobachter fürchten, er könne in ei nen Völkermord abgleiten. Es ist gut und richtig, dass Bund und Land die Zahlungen eingestellt haben. Jetzt geht es dar um, die verbliebenen Hilfsorganisationen zu identifizieren und finanziell zu unterstützen, solange sie in Burundi noch arbei ten können.
Bevor nun Minister Friedrich seine Rede zu den aktuellen eu ropapolitischen Themen hält, möchte ich Ihnen zwar noch kei nen weihnachtlichen Gruß senden – das mache ich morgen –, aber denjenigen, die mit Minister Gall einen Glühwein trin
ken, viel Spaß, denjenigen, die ins Stadion gehen, viel Erfolg für den VfB und uns anderen einen schönen Feierabend wün schen.
Frau Präsidentin, liebe Abge ordnete, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Ta ge müssen wir den Gegensatz feststellen: Je mehr wir wissen, dass es angesichts der Herausforderungen nur gemeinsame europäische Lösungen geben kann, desto mehr erleben wir, dass nationalistische, rechtsextreme Parteien Zulauf haben. Das haben wir in Polen gesehen, wir haben es übrigens auch in der Schweiz gesehen, und wir haben es jetzt auch bei den Regionalwahlen in Frankreich gesehen.
So gern ich von dieser Stelle aus Philippe Richert zu seiner Wahl zum Regionalpräsidenten der neuen Großregion ACAL gratuliere, ist es doch für uns, glaube ich, schwer erträglich, dass in einer Region, die das gesamte Grenzgebiet Frankreichs zu Deutschland abbildet, der Front National im zweiten Wahl gang immerhin noch 36 % bekommen hat,
und das in einer Region, die in besonderer Weise darauf an gewiesen ist, dass die deutsch-französische Zusammenarbeit, dass Europa gelingt. Denn nirgendwo sonst gibt es so viel funktionierendes Europa wie an der deutsch-französischen Grenze, sei es am Oberrhein, sei es in der Pfalz, im Saarland oder in Lothringen.
Deswegen muss die Antwort sein, dass wir die Zusammenar beit weiter verstärken, um auf die Fragen, die insbesondere die jungen Menschen sehr umtreiben, Antworten zu geben, sei es durch grenzübergreifende Ausbildung, durch einen funk tionierenden Arbeitsmarkt, durch Investitionen in grenzüber greifende Infrastruktur, und um deutlich zu machen: Durch Europa und durch europäische Zusammenarbeit entstehen Per spektiven, die auch gegenüber sozialen Krisen, gegenüber Be schäftigungskrisen, gegenüber wirtschaftlichen Krisen Ant worten bieten; nur mit mehr Europa kommen wir aus der wirt schaftlichen Stagnation heraus und nicht mit weniger.
Ich möchte an dieser Stelle – in der Tat ist der Berichtszeit raum das dritte Quartal; seitdem ist eine ganze Menge passiert – auf einen Umstand hinweisen, bei dem, wie ich finde, Eu ropa manchmal auch von uns glühenden Proeuropäern schlech ter geredet wird, als es ist. Vor dem Hintergrund, dass die Eu ropäische Union in der Flüchtlingsfrage in relativ kurzer Zeit eine ganze Menge auf den Weg gebracht hat, tut es mir wirk lich in der Seele weh, immer wieder erleben zu müssen, dass der Europäischen Union vorgeworfen wird, Europa würde ver sagen, obwohl wir sehen, dass es die Unfähigkeit oder zumin
dest noch nicht ausreichende Fähigkeit der nationalen Regie rungen ist, gemeinsame europäische Antworten zu finden.
Die Europäische Union und die Kommission haben eine gan ze Menge unternommen und vorangebracht, damit wir euro päische Antworten auf die Flüchtlingskrise finden. Dazu ge hört die Migrationsagenda, über die wir hier unter einem ei genen Tagesordnungspunkt schon einmal diskutiert haben. Ich gebe Herrn Abg. Reith darin recht, dass die Zahl der Flücht linge, die über das freiwillige Verteilkontingent verteilt wor den sind, bisher sehr unzureichend ist. Aber immerhin gibt es den Beschluss – da hat sich die Europäische Union als hand lungsfähig erwiesen –, dass es eine Verteilquote geben soll. Das entspricht ja keineswegs der Position von allen europäi schen Mitgliedsstaaten und Regierungen. Gleichwohl gibt es einen Beschluss auf europäischer Ebene, mit dem die Euro päische Union selbst dafür sorgt.
Dazu gehören auch die Hotspots, insbesondere in Griechen land, die inzwischen eingerichtet worden sind, um die Regis trierung von Flüchtlingen vor Ort zu ermöglichen. Dazu ge hört auch die Weiterentwicklung von Frontex, und dazu ge hören die jüngst gefassten Beschlüsse, dass wir die gemein same europäische Außengrenze auch gemeinsam europäisch sichern. Es ist ziemlich offensichtlich, dass die bisherige Ar beitsteilung, wonach die gemeinsame europäische Außengren ze allein national abgesichert wird, nicht funktioniert. Deswe gen ist es eine logische Konsequenz – ich finde es richtig, die se Schritte zu gehen –, zu sagen: Dort, wo es national nicht funktioniert, bauen wir einen EU-Grenzschutz auf. Das ist, wie ich finde, eine konsequente Weiterentwicklung der Idee der Europäischen Union, der europäischen Zusammenarbeit für den Bereich der Grenzsicherung.
Aber – darauf will ich auch hinweisen – die zweite Seite der Medaille einer gemeinsamen EU-Grenzsicherung ist, dass ein gemeinsames europäisches Asylsystem in allen Mitgliedsstaa ten funktional umgesetzt werden muss. Denn es kann nicht auf Dauer angehen, dass sich nur einige Staaten an der Auf nahme von Flüchtlingen beteiligen, während in einigen Län dern das Asylrecht so schlecht umgesetzt wird, dass wir zum Teil Flüchtlinge nicht in diese Länder entsenden können, weil dort systematische Mängel im Asylrecht bestehen.
Es darf also nicht nur an der Außengrenze gemeinsame Poli tik umgesetzt werden, sondern es muss auch im Inneren ge meinsame Flüchtlingspolitik umgesetzt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: „We only want to go to Germany“!)
Das stimmt so nicht. Wir müssen schon gemeinsam daran gehen, dass alle EU-Länder ihre Aufnahmebereitschaft wei terentwickeln, und dazu müssen wir sie auch verpflichten. Na türlich ist die sekundäre Migration ein Thema, das wir in Eu ropa besprechen müssen. Gleichwohl müssen wir an dieser Stelle auch in Deutschland noch einige Hausaufgaben erledi gen. Dazu gehört insbesondere das Thema Einwanderungsge setz. Zu einem gemeinsamen europäischen Asylsystem gehört auch, legale Zuwanderungswege zu ermöglichen.
Das Problem, vor dem wir in der Europäischen Union gewis sermaßen stehen, ist – das erleben wir jetzt –, dass in einer Krisensituation schnell gehandelt werden muss und es damit zu Kompetenzübertragungen an die europäische Ebene kommt. Diese Kompetenzübertragungen sind in einer Krise notwen dig. Das Problem ist nur, dass die demokratische Legitimati on für diese Kompetenzübertragungen häufig nicht gegeben ist. Es macht mitunter auch den Verlust von Vertrauen in die Europäische Union aus, dass Europa zusätzliche Kompeten zen bekommt, ohne dass je in einem demokratischen Abwä gungsprozess darüber entschieden worden wäre, ob man das eigentlich richtig findet oder nicht.
Wir haben das auch in der Finanz- und Wirtschaftskrise er lebt. Deswegen ist es konsequent, dass in dem Fünf-Präsiden ten-Bericht Vorschläge zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion gemacht wurden, wonach all die Instrumen te, die in der Finanzkrise entwickelt wurden, jetzt in reguläre Instrumente der Europäischen Union mit demokratischer Kon trolle – auch durch das Europäische Parlament – überführt werden. Darunter ist manches, was uns sehr freut. Dazu ge hört das Thema Bankenaufsicht. Dazu gehört das Thema Fi nanzmarktregulierung. Dazu gehört auch das Thema Einla gensicherung, allerdings nicht in dem Maß, wie in den Vor schlägen vorgesehen, die momentan auf dem Tisch liegen.
(Beifall der Abg. Beate Böhlen und Charlotte Schnei dewind-Hartnagel GRÜNE sowie Dr. Friedrich Bullin ger FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP: Sehr richtig!)
Wir finden es richtig, dass es ein europäisches Einlagensiche rungssystem geben soll. Denn wir wollen nicht, dass die Steu erzahler auf Dauer für schlechte Bankgeschäfte in Haftung genommen werden können. Wir wollen kein System, bei dem sozusagen die bereits erwirtschafteten Einlagen unmittelbar vergemeinschaftet werden und gewissermaßen in Europa um verteilt werden, ohne dass in den Ländern, die ein solches Sys tem bisher noch nicht haben, ein eigener Beitrag dazu geleis tet wird. Vielmehr muss in diesen Ländern zuerst ein solches System aufgebaut werden, das dann in einer Konvergenz in ein europäisches System überführt wird, bei dem auch die na tionale Bankenaufsicht bzw. die nationalen Einlagensiche rungssysteme nicht vergemeinschaftet werden, sondern letz ten Endes alle ihren Beitrag dazu leisten und die Systeme zu sammengeführt werden, dass also eine Absicherung besteht, aber ein solidarisches System geschaffen wird und nicht die Solidarität als Einbahnstraße verstanden wird.
Sehr gutes Stichwort. In dem Fünf-Präsidenten-Bericht wird die Einnahmeseite der staatlichen Haushalte nicht berücksich tigt. Es gibt den erfreulichen Prozess der sogenannten BEPSInitiative, bei der es darum geht, Steuerhinterziehung und ag gressiver Steuergestaltung einen Riegel vorzuschieben. Das ist allerdings nicht Teil des Fortschrittsberichts zur Wirt schafts- und Währungsunion; denn es geschieht auf OECDEbene. Nichtsdestotrotz brauchen wir auch da – Stichwort Fi nanztransaktionssteuer, Stichwort „Bankgeheimnis in der Schweiz“, Stichwort „Gemeinsame Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftsteuer“ – noch mehr Fortschritte, als dies heute der Fall ist.
Nun zum vorletzten Punkt, den ich ansprechen möchte: Der zeit diskutieren wir insbesondere mit Großbritannien, aber auch mit der Schweiz über die Zukunft der Freizügigkeit. Die Schweiz hat auf der Ebene des neu gewählten Parlaments und der neu gewählten Schweizer Bundesregierung angekündigt, die Freizügigkeit im Zweifelsfall auch einseitig einschränken zu wollen.
Um es ganz klar, auch in Richtung Großbritannien, zu sagen: Es gibt keine Rabatte bei den europäischen Grundfreiheiten. Wir wollen, dass die europäischen Grundfreiheiten so, wie sie sind, fortbestehen. Man kann über begleitende Maßnahmen diskutieren. Das haben wir auch in Deutschland getan. Das diskutieren wir, wenn es darum geht, Zuwanderung und Frei zügigkeit zu steuern, und wenn es um den Missbrauch von Freizügigkeit geht. Wir werden aber weder mit Blick auf Großbritannien noch mit Blick auf die Schweiz einem Kom promiss zulasten der europäischen Freizügigkeit zustimmen.
Offene Grenzen sind der größte und der sichtbarste Erfolg der Europäischen Union. Wir werden das Schengen-Abkommen auch in der Flüchtlingskrise verteidigen. Es kann nicht sein, dass wir uns selbst die Freiheit nehmen, eine freie Gesellschaft zu verteidigen. Deswegen wollen wir weiterhin offene Gren zen. Das gilt auch für Großbritannien und für die Schweiz.
Nun zum letzten Punkt, auf den ich hinweisen möchte, näm lich zum Klimagipfel in Paris und zum Gipfel für nachhalti ge Entwicklung in New York. Wir haben mit dem Klimaab kommen und mit den Sustainable Development Goals, also mit den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung, eine gu te Grundlage, um diesen Planeten lebenswert zu erhalten, auch durch Partnerschaften, wie wir sie soeben mit Dohuk einge gangen sind, durch Maßnahmen, uns selbst zu verändern. Auch das gehört dazu und ist eine Veränderung gegenüber frü her: Nicht wir sagen den Entwicklungsländern, wo es lang geht, sondern wir wollen uns in Partnerschaft auch selbst wei terentwickeln und uns selbst besser auf eine nachhaltige und global gerechte Lebensweise vorbereiten und darin investie ren, sodass wir tatsächlich einen Planeten haben, auf dem wir alle miteinander gern leben.
Meine Damen und Herren, ich danke für die geduldige Auf merksamkeit. Ich bin morgen nicht mehr bei Ihnen, sondern im Bundesrat. Ich wünsche Ihnen einen guten Plenartag und schöne Weihnachten.
Deshalb kommen wir zur Abstimmung über die Beschluss empfehlung des Ausschusses für Europa und Internationales, Drucksache 15/7709.
Ich lasse zunächst über den interfraktionellen Antrag Druck sache 15/7895 abstimmen. Sind Sie damit einverstanden, über den Antrag insgesamt abzustimmen? – Das ist der Fall.
Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzei chen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dem interfraktio nellen Antrag ist einstimmig zugestimmt worden.
Die Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus schusses für Europa und Internationales erübrigt sich damit.