Protocol of the Session on December 12, 2014

Aber auch sonst: Freies WLAN bleibt ein unerfüllter Wunsch. Die elektronische Signatur fristet ein Mauerblümchendasein. Die elektronische Gesundheitskarte wird bekämpft. Virenge fahren ohne Ende bei ELSTER. Die E-Vergabe senkt die Qua lität der Ausschreibung. Statt sexueller Vielfalt sollte Infor matik als Pflichtfach in den Bildungsplan.

Das sind nur Bausteine und ein paar Beispiele dafür, dass die se Regierung die Chancen der digitalen Zukunft verpennt.

Der Haushaltsplan des Wirtschaftsministeriums ist angemes sen, ausgewogen und solide – für Andorra, aber hausbacken für Baden-Württemberg

(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es! – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Die Regierung zaudert und bleibt weit hinter ihren Möglich keiten zurück, und zwar ohne klare Linie. Nehmen Sie nur das Beispiel unserer klassischen, energieintensiv produzierenden Industrie. Sie ersetzt ihre abgeschriebenen Maschinen und An lagen nicht mehr. Sie desinvestiert.

Die Energiekosten werden zum Standortfaktor. Schon jetzt sind die Energiekosten bei uns dreimal so hoch wie im euro päischen Ausland. In den USA purzeln wegen Frackings die Energiepreise.

(Zurufe der Abg. Manfred Lucha und Manfred Kern GRÜNE)

Ein Abwandern der energieintensiv produzierenden Unterneh men aus unserem Land ist zwangsläufig. Was höre ich von Ih nen dazu, Herr Minister? Das Geräusch einer wachsenden Mohrrübe!

Der Haushalt muss die dynamischen Entwicklungen der Wirt schaft fördern, aber nicht bräsig den Status quo bedienen. Es fehlt an Drive und Dynamik. Anderes ist auch nicht zu erwar ten, da der Doppelminister sich nur zwischen „Tagesschau“ und Wetterkarte um die Wirtschaft kümmern kann.

Noch geht es unserer Wirtschaft gut. Das ist eine Erblast von 58 Jahren CDU-geführter Regierung.

(Abg. Wolfgang Raufelder GRÜNE: Genau!)

Die öffentliche Hand profitiert davon. In den Büchern des Lan des stehen Rekordeinnahmen von fast 43 Milliarden €. Es ist aber wie im biblischen Ägypten: Auf sieben fette Jahre folgen sieben magere Jahre. Dafür müssen wir gerüstet sein, schon we gen der grauen Wolken am Konjunkturhimmel wie die Krise in der Ukraine, das De-facto-Embargo gegenüber Russland, die gewaltsamen Konflikte im Nahen und im Mittleren Osten, Wachstumsdefizite in der Europäischen Union und die hohe Ju gendarbeitslosigkeit in vielen europäischen Ländern. Hinzu kommt, dass durch die Geldpolitik der Europäischen Zentral bank bislang noch keine nachhaltigen Verbesserungen bei der Schulden- und Eurokrise erreicht wurden.

Unser Land sei „die innovativste Region Europas“ und „die in dustrielle Herzkammer Deutschlands“, sagte der Wirtschafts minister bei der Einbringung des Doppelhaushalts. Frau Nach barin, das Fläschchen! Herztropfen haben Konjunktur. Das Ta riftreuegesetz, das Bildungszeitgesetz, die neue Landesbau ordnung, die höhere Steuerbelastung beim Grundstückserwerb und höhere Abgaben, weil die öffentliche Hand die Zahl der Personalräte erhöht hat, kosten Wirtschaft und Verbraucher schlichtweg Geld – Geld, das für notwendige Investitionen bitter fehlt. An Investitionen in FuE wird im Land gespart. Das ist ein Alarmzeichen. Ein großer Automobilzulieferer in Stuttgart will zurück zur 40-Stunden-Woche, weil die Produk

tivität sinkt. Die Pläne zur Änderung des Gemeindewirt schaftsrechts sind eine Kriegserklärung für unser Handwerk und den Mittelstand.

(Abg. Walter Heiler SPD: Jetzt aber! – Abg. Andre as Schwarz GRÜNE: Was soll denn da geändert wer den, Herr Kollege?)

Das ist Ihre Wirtschaftspolitik, Herr Minister.

Im Land hält der Minister den bedingungslosen Mindestlohn für unverzichtbar. Als wir beide in Myanmar einen schwäbi schen Textilunternehmer besuchten, der mit einer örtlichen Nähfabrik zusammenarbeitet, die Hunderte von Näherinnen beschäftigt und ihnen 33 Cent die Stunde zahlt, setzte sich der Minister an eine Nähmaschine und fand die Entlohnung an gemessen, in Ordnung. Christliche Politik der Union ist nicht, dass baden-württembergische Unternehmen beim Ausbeu tungswettbewerb die Nase vorn haben, sondern dass sie ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Innovation, Kreativität und tech nische Exzellenz beweisen.

Wenn jetzt noch SPD-Minister Gabriel eine Mitgliederbefra gung zum Freihandelsabkommen TTIP durchführen will, wird die Exportstärke unseres Mittelstands abhängig vom Bauch grimmen linker Genossen. So geht es bergab.

Minister Schmid beklatscht die Wirtschaftspolitik von Frau Nahles im Bund. Die Rente mit 63 kostet 1,5 Milliarden € al lein in diesem Jahr.

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Was sagt die Bun deskanzlerin dazu? Hat sie den Mist beschlossen? – Zuruf des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE)

Flexible Beschäftigungen bei Werkverträgen und bei Arbeit nehmerüberlassung werden mit Kontrollen und Vergütungs pflichten verhindert. Ein Gesetz gegen Stress am Arbeitsplatz ist in Vorbereitung.

Machen wir uns nichts vor: Die Konjunktur trübt allmählich ein. Weitere Belastungen der Wirtschaft verbieten sich von selbst. Für soziale Wellnessprogramme ist kein Platz mehr.

Es ist geradezu aberwitzig, dass Sie für das Bildungszeitge setz drei zusätzliche Planstellen brauchen. Ihre Wirtschafts politik, Herr Minister, ist eine Gebärmaschine für Bürokratie.

(Zuruf von den Grünen: Ach!)

„Die besten Zeiten unseres Landes liegen noch vor uns“, hat der Minister in seiner Haushaltsrede gesagt. Zurück in die Zu kunft! Mit Ihrem mutlosen und zaghaften Wirtschaftsplan ver passen Sie die Chancen, die Forschung und Unternehmen in unserem Land in den Händen haben. Verantwortung überneh men für ein starkes Baden-Württemberg sieht anders aus.

Dennoch mein Respekt: Das Ziel, das sich diese Regierung gegeben hat – „Gemeinsam weniger erreichen“ –, ist erfüllt. Frohe Weihnachten!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Abg. Walter Heiler SPD: Wie so hat der immer die falsche Rede dabei?)

Das Wort für die Frak tion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Lindlohr.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Wirtschaft ist ein dynamischer Pro zess. Neue Ideen, neue Technologien, neue Märkte, auf all das müssen sich die Unternehmerinnen und Unternehmer und die Beschäftigten ständig neu einstellen.

Innovation wird bei uns in Baden-Württemberg großgeschrie ben, und das von den Unternehmen, von den Forschenden und von der Politik. Gestern wurde der neue Innovationsindex vor gestellt. Dort werden 87 europäische Regionen verglichen. Baden-Württemberg ist wieder auf Platz 1. Das ist ganz her vorragend.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Aber man muss natürlich genau hinschauen. Denn andere Re gionen in Europa holen auf. Das ist auch verständlich. Sie star ten auf einem niedrigeren Niveau der wirtschaftlichen Ent wicklung und sind jetzt voller Tatendrang.

Darum stoßen wir von Grün-Rot immer wieder neue Innova tionen an. Wir stellen uns den großen Veränderungen, die un sere wirtschaftlichen Akteure und uns, die Gesellschaft, be gleiten: der demografische Wandel, der Klimawandel und die Digitalisierung. Wir verbessern mit diesem Haushalt die Be dingungen dafür, dass die Unternehmen im Land diese Dyna mik mitgestalten können. Das gilt hier für den Einzelplan 07 und für die Initiativen unseres Finanz- und Wirtschaftsminis ters insgesamt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Das gilt auch für die ganze Landesregierung, weil wir in der Lage sind, Wirtschaftspolitik querzudenken und in allen Res sorts die Stellschrauben zu sehen, die unseren Unternehmen und unserem Wirtschaftsstandort nützen.

Darum ist es gut, dass die Unternehmen und die Beschäftig ten in Baden-Württemberg in Grün-Rot einen verlässlichen und dynamischen Partner haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Die Digitalisierung wurde vom Kollegen Löffler bereits an gesprochen. Er meinte, dass Hacker die Unternehmen im Land bedrohen. Das ist richtig. Die grün-rote Landesregierung hat dieses Problem erkannt. Die Digitalisierung ist natürlich ein Katalysator, ein Innovationstreiber und eine Querschnittstech nologie, die in den Unternehmen in Baden-Württemberg vie les verändert, die neue Geschäftsfelder hervorbringt und ganz viele Lebenswelten durchdringt.

Baden-Württemberg ist ein bedeutender IKT-Standort. Jeder fünfte der IKT-Arbeitsplätze in Deutschland liegt in BadenWürttemberg. Wir haben sehr viele Forschungseinrichtungen. Wir haben erfolgreiche Cluster, die wir beim Bund geworben haben und hinter denen erfolgreiche Unternehmen und For schungseinrichtungen stehen.

Trotzdem haben viele Maschinenbauer und Automobilzulie ferer Sorge, wie sie mit der Herausforderung der Digitalisie

rung umgehen sollen. Ganz konkret beschäftigen sie sich hof fentlich mit dem Problem der Sicherheit ihrer eigenen Daten. Das hat die Landesregierung als Problemfeld erkannt. Hier sollen kleine und mittlere Unternehmen adressiert werden, die vom Land darin unterstützt werden sollen, ihre Datensicher heit zu stärken, damit sie im Vertrauen auf mehr Datensicher heit in der Lage sind, die digitalen Prozesse anzugehen und auf dem Markt dynamisch zu bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Der Finanz- und Wirtschaftsminister hat die Allianz Industrie 4.0 gegründet. Dort geht es um neue Produktionskonzepte, um selbststeuernde Maschinen und hochintelligente IT-Ver netzung. Viele Partner aus der Wirtschaft und der Forschung sind dabei. Es gibt auch schon konkrete Projekte. Viele davon setzen wir mit unseren Partnern aus der Innovationsallianz um. Sie wissen, die Innovationsallianz umfasst die wirt schaftsnahen Forschungsinstitute, die wir, das Land, grundfi nanzieren.

Sie sehen hier im Einzelplan für den Bereich Wirtschaft, dass die Ansätze in der Titelgruppe 79 – Forschungseinrichtungen für neue Technologien und für Zwecke der wirtschaftsnahen Forschung einschließlich der technischen Entwicklung – mit Projektmitteln um satte 23 Millionen € auf 61 Millionen € im Jahr 2016 aufgestockt werden, weil wir mit diesen Partnern, die das Land ausgebildet hat und die exzellent arbeiten, die se Projekte umsetzen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Eines dieser Institute ist das Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe. Dieses soll genau die Aufgabe erfüllen, deren Erfüllung Herr Kollege Löffler, wenn ich ihn recht verstan den habe, gerade eingeklagt hat, nämlich die Gewährleistung der IT-Sicherheit für die kleinen und mittleren Unternehmen, die ich eben schon erläutert habe. Das Land und dieses Insti tut werden gemeinsame Projekte durchführen und gemeinsam mit weiteren Partnern aus der Forschung und dem Unterneh mensbereich zur Verbesserung der Datensicherheit für kleine und mittlere Unternehmen sowie zu deren Schutz vor Daten spionage und Datenmissbrauch beitragen. Das ist ein sehr gu ter Beitrag für unseren Wirtschaftsstandort.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wir denken bei der Digitalisierung aber auch quer. Deswegen sind verschiedene Ministerien des Landes mit diesem Thema beschäftigt. Sie haben das Thema Breitbandinfrastruktur an gesprochen. Dieses hat auch einen großen Anteil in der gest rigen Diskussion über den Einzelplan 08 eingenommen. Das fand ich richtig und wichtig. Denn schnelles Internet ist einer der ganz großen Standortfaktoren und wird immer wichtiger. Wir alle stehen vor dem Problem, dass der Markt allein dies offensichtlich nicht löst; damit bekommen wir keine flächen deckende Versorgung hin. Aber welcher Teilort, welcher Ort bekommt heute sonst noch ein neues Ingenieurbüro? Wo ist eine Betriebserweiterung möglich, ganz abgesehen von der Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger? Das hängt entschei dend mit der Datenautobahn, mit dem schnellen Internet zu sammen.

Wenn Sie gestern zugehört haben, haben Sie gehört: In Bay ern ist die Versorgungslage sehr viel schlechter als bei uns.

Wir setzen auf einem ganz guten Niveau im Ländervergleich auf. Aber wir müssen noch viel mehr tun.