Eine Antwort auf diese Frage ist für die Kommunen und Krei se, die derzeit sehr mit den Sozialausgaben zu kämpfen ha ben, sehr wichtig. Schließlich befürchten sie, dass neue Kos ten auf sie zukommen könnten, wenn die Standards jetzt mög licherweise neu definiert werden.
Vielen Dank. – Die Standards der Bedienung und der Qualität in der Region werden von der Region und nicht vom Land gesetzt. In den Landkreisen machen das die Landkreise natürlich selbst.
Der Streit resultierte eben daraus, dass es dort unterschiedli che Standards gab. Während ein Kreis beispielsweise festge legt hat, dass dort abends ab 22:00 Uhr keine Busse mehr fah ren, hat sich die Region entschieden, dass die S-Bahnen bis spät in die Nacht fahren, und zwar auch am Wochenende.
Um diese Angleichung der Standards geht es. Wir haben in der Moderation darauf hingewirkt, dass die Standards zusam menpassen. Die Kreise, die Landeshauptstadt und der Verband haben sich darauf verständigt, diese Standards in den nächs ten Jahren anzugleichen. Wir senken also keine Standards ab, sondern heben die Standards gemeinsam auf ein höheres Ni veau.
Jetzt zur Frage, wie man noch mehr Fahrgäste für den ÖPNV gewinnen kann, obwohl die Straßenbahnen, die S-Bahnen und die Busse schon heute übervoll sind. Gerade deswegen haben wir uns überlegt, was wir tun müssen, wenn wir zwar mehr Fahrgäste im ÖPNV wollen, diese aber nicht hineinzwängen wollen; wir wollen schließlich keine Viehwaggons aus diesen Stadtbahnen und S-Bahnen machen. So kam es zu dem zu sätzlichen Busangebot, welches weitere Kapazitäten bietet.
Sie müssen sich das einmal vor Augen halten: Wenn Sie nicht mehr mit der S-Bahn erst nach Stuttgart Hauptbahnhof müs sen, um dann wieder mit der S-Bahn aus Stuttgart herauszu fahren, sondern direkt den tangentialen Expressbus nutzen können, dann entlasten Sie die S-Bahn; denn Sie fahren tan gential im Norden, im Süden oder im Osten an Stuttgart vor bei, weil Sie eigentlich gar nicht ins Zentrum möchten.
Außerdem – das muss ich noch nachschieben – geht es nicht nur um die S-Bahnen. Vielmehr hat sich das Land im Rahmen des Zielkonzepts 2025 – das realisieren wir jetzt mit den Aus schreibungen – dazu verpflichtet, zusätzlich sogenannte Me tropolexpresszüge einzusetzen, die im Nahbereich, im Ver dichtungsbereich im Halbstundentakt und darüber hinaus im Stundentakt fahren. Metropolexpresszüge sind Züge, die auch außerhalb des S-Bahn-Netzes fahren. Die Verkehrsregion ist
ja größer als der Verband Region Stuttgart. Daher haben wir diese Metropolexpresszüge geschaffen, die z. B. bis Tübin gen, Aalen oder Heilbronn fahren. Sie haben außerhalb des S-Bahn-Netzes die gleiche Aufgabe wie die S-Bahn: Sie sol len gewissermaßen die Leute in der Region einsammeln und im S-Bahn-Bereich schnell befördern. Dann sitzen die Passa giere nicht endlos lange im Zug, sondern haben einen gewis sen Zeitgewinn und können im Nahbereich in den größeren Stationen aus- und umsteigen.
Alles in allem ist damit eine deutliche Ausweitung des Ange bots gegeben, und wenn wir das so ausweiten, dann wollen wir auch, dass mehr Fahrgäste dieses Angebot nutzen.
Herr Minister, Sie sagen immer wieder: „Wir verbessern die Standards. Wir werden ein besseres öffentliches Verkehrsangebot installieren.“ Ist auch daran gedacht, die Geldströme zu ändern? Sprich: Wird sich das Land an diesen Mehrkosten – denn es wird mit Sicherheit einiges mehr kosten – beteiligen, oder verbleiben die Mehr kosten ausschließlich auf der kommunalen Ebene?
Wir haben natürlich darüber geredet, wer was finan zieren muss. Schon heute bekommt der Verband Region Stutt gart Geld vom Land, damit er seine S-Bahnen bestellen kann. Das macht er aber in Eigenregie. Wir reden ihm nicht hinein, sondern das Geld wird pauschal überwiesen, und er entschei det, was er damit macht.
Zukünftig wird der Verband, wenn er Expressbuslinien ein richtet, diese Expressbuslinien finanzieren müssen. Deshalb hat man sich darauf verständigt, dass die Verkehrsumlage da für verwendet wird. Das heißt, letztendlich bezahlen es die Landeshauptstadt und die Landkreise in der Region. Sie be kommen für ihre Bürgerinnen und Bürger aber ein besseres Angebot.
Das Land hingegen ist zuständig für den Schienenpersonen nahverkehr. Dieser wird im Moment ausgeschrieben. Wir glauben, dass wir durch den Einsatz der Mittel, die wir aus den Regionalisierungsmitteln beibringen, und durch das Aus schreibungskonzept das Angebot insgesamt finanzieren kön nen.
Im Übrigen darf ich an dieser Stelle noch einmal auf mein Mantra hinweisen: Wir brauchen auf Bundesebene endlich Klarheit, wie es mit den Regionalisierungsmitteln weitergeht, damit wir auch noch in den nächsten Jahrzehnten Schienen personennahverkehr bestellen können. Es ist immer noch so, dass die Bundesregierung und vor allem der Bundesfinanzmi nister nicht bereit sind, obwohl es schon zwei Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz und schon mehrere Beschlüs se von Verkehrsministerkonferenzen gab. Wir brauchen end lich eine Lösung, weil die bisherige Regelung Ende des Jah res ausläuft.
Es ist ein Skandal, wie ich finde, dass der Bundesfinanzminis ter gewissermaßen wie ein Pokerspieler sagt: „Ich mache da nichts. Ich will das mit allen anderen Finanzfragen verdea len.“ Das ist zum Schaden des Verkehrs und der Menschen.
Wir müssen im Grunde auf einer sehr fragilen Basis handeln, weil wir nur vermuten können, dass wir Geld bekommen. Aber wie viel genau, das wissen wir nicht. Ich kann Sie nur bitten, bei Ihrer Bundestagsfraktion und bei der Bundesregie rung, die Sie ja mit Ihrer Partei unterstützen, einmal dafür zu werben, dass es da endlich vorangeht.
Herr Minister, Sie haben sich für diese ÖPNV-Reform sehr engagiert. Deswegen mei ne erste Frage: Worin besteht konkret das Interesse des Lan des an dieser Reform?
Das Land hat ein großes Interesse daran, dass es im Ballungsraum, im Agglomerationsraum Stuttgart ein funkti onierendes Verkehrssystem gibt. Sehr viele Menschen haben hier Arbeit. In diesem Raum wird ein Großteil der Wirtschafts kraft des Landes realisiert. Er ist sozusagen das Zentrum der Exportwirtschaft in Baden-Württemberg. Es muss das Inter esse des Landes sein, dass es in diesem Raum ein funktionie rendes Verkehrssystem gibt. Wir können nicht zuschauen, dass die Busse übervoll werden und es trotzdem noch zu Staus auf der Straße kommt. Da muss man etwas tun.
Um die Verkehrsprobleme besser angehen zu können, hat man vor 20 Jahren den Verband Region Stuttgart gegründet. Aber 20 Jahre nach dieser Gründung müssen wir sagen: Er reicht nicht aus, weil die Verkehrsströme in dieser Region größer und breiter sind und mehr erfassen. Auch waren die Kompe tenzen des Verbands Region Stuttgart sehr beschränkt.
Deswegen waren übrigens auch alle in der Regionalversamm lung vertretenen Fraktionen – mit Ausnahme der Freien Wäh ler – daran interessiert und haben gesagt: „Wir brauchen drin gend mehr Kompetenzen für den Verband Region Stuttgart.“ Die Mehrheit in der Regionalversammlung hätte am liebsten sämtliche Busverkehre mit übernommen, weil man meint: Aus einem Guss wird es besser, deswegen sollte das Ganze in ei ner Hand liegen.
Das war einer der Konflikte, die wir dadurch gelöst haben, dass wir anerkannt haben: Die Landkreise und die Landes hauptstadt waren nicht bereit, das abzugeben. Dafür hatten sie auch gute Gründe. Deshalb habe ich gesagt: Daran rühren wir nicht. Aber was wir verbessern können, sind die Kooperation und die Koordination. Es darf doch nicht wahr sein, dass man in einem Raum wohnt, in dem sozusagen im Umkreis von we nigen Kilometern nach unterschiedlichen Standards und Re gimen gearbeitet wird. Auch nehmen die Menschen die Gren zen formaler Art nicht genauso wahr, wie das manchmal die Politik tut.
Noch einmal: Der Verband Region Stuttgart ist, glaube ich, wirklich wichtig, was die Lösung der Verkehrsprobleme in dieser Region anlangt. Es ist höchste Zeit, dass diesem Ver band auch einige zusätzliche Kompetenzen gegeben werden. Dafür schafft das vom Kabinett auf den Weg gebrachte Ge setz eine neue Grundlage.
Herr Minister, ich be grüße es außerordentlich, dass der Regionalexpress mit den Regionalexpresszügen auch das Umland der Metropolregion erreicht.
Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag eine Aussage zur Tarif vielfalt und zu den 22 Verkehrsverbünden gemacht. Ist im nächsten Schritt jetzt angedacht, auch die Schnittstellen ein Stück weit abzugleichen, z. B. die Schnittstellen Lauffen/ Kirchheim, Kirchheim/Region Stuttgart, Lauffen/Region Heil bronn-Franken, sodass für die Nutzer eine durchaus bestehen de Schwelle gesenkt wird? Haben Sie da noch etwas vor? Das wäre, denke ich, ein gutes Mittel, um noch mehr Menschen in die Bahn zu bringen.
Vielen Dank. – Mit diesem Punkt sprechen Sie in der Tat ein richtiges Problem an, das wir in Baden-Württemberg insgesamt haben. Wir haben 22 Verbünde und deswegen auch sehr viele verbundüberschreitende Verkehre und Grenzen, die das Ganze stören. Denn man müsste theoretisch manchmal für eine Strecke von 10, 15 km drei Karten lösen. Deswegen haben die Verbünde selbst schon Anschlusstickets geschaffen. Die Verbünde sind übrigens primär zuständig – nicht das Land.
Wir, das Land, wollen das aber gern steuern und begünstigen. Denn aus meiner Sicht ist die bestehende Struktur von ges tern; sie passt nicht zur Mobilitätskultur und zu den Mobili tätsbedürfnissen der heutigen Zeit. Deswegen haben wir in den Koalitionsvertrag auch die Idee eines Landestarifs einge bracht. An ihm haben wir auch schon ziemlich lange gearbei tet. Aber ich muss sagen: Wir werden ihn in dieser Legisla turperiode nicht verwirklichen können. Wir sind da immer noch in der Vorbereitungsarbeit.
Ich sage Ihnen auch, warum. Beteiligt sind verschiedene schwie rige Partner: Die Bahn ist beteiligt, die kommunalen Landes verbände sind beteiligt; das geht weiter über die einzelnen Verbünde und reicht bis hin zu den einzelnen Unternehmen. Nicht alle leiden darunter, sondern manche profitieren auch davon. Die Schwierigkeit ist jetzt, eine Lösung zu finden, die kundengerecht ist. Das muss nämlich eine Lösung sein, die Verbundgrenzen überschreitet. Daran arbeiten wir auf jeden Fall.
Das Ziel bleibt, dass wir eine solche Lösung hinbekommen. In der Metropolregion haben wir sie erreicht. Dort gibt es ein Tagesticket für 23 €, mit dem man in der ganzen Region fah ren kann. Das ist allerdings nur mit einer Tageskarte und noch nicht mit Einzelfahrscheinen möglich.
Ich will Ihnen noch einmal verdeutlichen, warum das so schwie rig ist. Wenn Sie etwa einen Landestarif einrichten – sozusa gen verbundübergreifend –, dann muss dieser im Land an je der Bushaltestelle, in jedem Bus, in jeder S-Bahn, in jeder Stadtbahn gelten. Er muss überall gelten, durchgesetzt sein und in den Maschinen hinterlegt sein. Deswegen ist der Auf wand schon ziemlich hoch.
Wir arbeiten hart an einer solchen Vereinigung. Mein Ziel bleibt ein einziger Tarif in Baden-Württemberg, der überall
Perspektivisch möchte ich auch eine elektronische Abrech nung in dem Sinn, dass man zukünftig nur eine einzige Kar te benötigt, es dann beim Einsteigen piept und beim Ausstei gen wieder piept. Man muss dann weder Waben noch Zonen kennen noch Automaten bedienen können. Für mich ist das ein ÖPNV von gestern, der uns leider noch lange erhalten bleibt.
Sehr geehrter Herr Mi nister, in dem ÖPNV-Pakt steht das Ganze auch unter Finan zierungsvorbehalt. Wenn ich Ihre Worte jetzt richtig aufge nommen habe, dann liegt der Anteil des Landes im Bereich der Metropolexpressbahnen.
Jetzt gibt es auch Stimmen, die sagen, das Land feiere sich mit dem ÖPNV-Pakt, trage aber im Grunde selbst keine gro ßen Anteile an der Finanzierung. Die zusätzlichen Kosten ent stehen in erster Linie zunächst einmal durch die Expressbus se. Diesbezüglich kann man in gewisser Weise sagen, dass sie auch die Bahnen entlasten, indem man Querachsen herstellen kann.
Insofern würde mich interessieren: Wie hoch schätzen Sie den Finanzierungsbeitrag, den das Land durch diese Anteile mit einbringt?
Ich stecke mir da keine Federn an, die mir nicht zuste hen. Ich will Ihnen einmal die Ausgangsvoraussetzung nen nen. Die Ausgangsvoraussetzung war, dass der Verband Re gion Stuttgart etwas wollte und die Landkreise etwas verhin dert haben. Wir, das Land, hätten uns eigentlich zurücklehnen und sagen können: „Das ist euer Bier. Warum streitet ihr euch wie Kinder und einigt euch nicht?“ Das hat nicht stattgefun den.
Weil schließlich beide Seiten – sowohl die Landkreise als auch der Verband Region Stuttgart – mich gebeten haben, den Pro zess zu moderieren, habe ich diese Aufgabe überhaupt ange nommen. Wir sind dann im Verlauf der Diskussion dazu ge kommen, dass wir gesagt haben: Eigentlich muss man das Ganze ein bisschen größer denken. Wir vonseiten des Landes haben nicht einfach gesagt: „Wir können das moderieren, und ihr zahlt.“ Vielmehr bieten auch wir einen Beitrag. Wir sehen, dass die Verkehrsregion größer ist als der Verband Region Stuttgart, und unser Beitrag sind diese Expresszüge.
Ich kann das gar nicht genau etatisieren. Denn wir schreiben das gerade erst aus. Somit wissen wir noch gar nicht genau, was wir dafür bezahlen. Aber im Großen und Ganzen würde ich sagen: Der größte finanzielle Beitrag wird eher vom Land kommen. Denn wir bezahlen die Expresszüge. Die Express buslinien in der Region zahlt der Verband per Umlage. Das sind zunächst einmal wenige, und die werden dann umgelegt.
Herr Minister, ich bin Ih nen dankbar, dass Sie noch einmal dargelegt haben, dass sich das Land mit den Expresszügen auch finanziell beteiligen wird. Das ist ja ein Teil des Pakts. So habe ich Sie verstanden.
Können Sie etwas darüber sagen, inwieweit das in den Aus schreibungen im Schienenpersonennahverkehr eine Rolle spielt? Können Sie etwas dazu sagen, ob wir auf den Strecken in der Region Stuttgart, auf denen immer noch die Silberlin ge unterwegs sind, besseres Wagenmaterial bekommen wer den?
Ich kann die Frage mit einer Neuigkeit beantworten. Heute sind die Ausschreibungsunterlagen zu den Stuttgarter Netzen verschickt worden. Genau diese Expresszüge sind Teil des Angebots, das dann zu erbringen ist. Wir haben darin au ßerdem vorgeschrieben, welche Fahrzeuge dort fahren sollen. Dort werden auf jeden Fall keine Silberlinge fahren, sondern überwiegend neue Fahrzeuge. Das wird den Standard insge samt natürlich erheblich anheben. Wir wollen die Qualität stei gern, denn wir sehen den ÖPNV in Konkurrenz zu dem auch immer komfortabler werdenden Automobil.
Ich möchte Ihnen einige Eckpunkte nennen. Bei der Aus schreibung wird man z. B. selbstverständlich Barrierefreiheit vorschreiben sowie das doppelte Informationssystem für Au gen und Ohren, sodass auch Menschen mit einer Behinderung bei einem dieser Sinne die Informationen wahrnehmen kön nen. Außerdem werden wir die frei nutzbaren, beweglichen Flächen in den Abteilen, sprich die Abstellmöglichkeiten für Rollstühle, Rollatoren, Kinderwagen und Fahrräder vergrö ßern und die Abteile auch mit Klappsitzen versehen, die ge nutzt werden können, wenn diese Fläche nicht für die genann ten Zwecke verwendet wird. Darüber hinaus werden wir kos tenlos WLAN anbieten und auf den langen Linien zudem auch immer Toiletten anbieten. Denn ich glaube, in einer alternden Gesellschaft kann man Züge nicht eine Stunde und länger oh ne ordentliche Toiletten fahren lassen.