Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Einführung des Jagd- und Wildtiermanage mentgesetzes – Drucksache 15/5789
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz – Drucksache 15/6048
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Am 1. September 1948 trat der Parla mentarische Rat zusammen, um über das Grundgesetz zu be raten. Am 23. Mai 1949 wurde selbiges verabschiedet – neun Monate später. Am 22. Juni 2012 traten die Regierungsfrak tionen zur ersten Sitzung mit den Nutzerverbänden zur Bera tung dieses Gesetzentwurfs zusammen. Heute erhält das ge plante Gesetz die letzte Ölung – 29 Monate später. Nun könn te man sagen, unsere parlamentarischen Vorfahren hätten ei ne schludrige Arbeit abgegeben. Die Frage ist aber auch: Hat ten diese eventuell einen Plan im Sack? Hatten sie einen Kom pass?
Denn uns hat überrascht, dass trotz der 29 Monate in der Nacht vor der letzten Beratung im Ausschuss sechs Ände rungsanträge zu diesem Gesetzentwurf eingebracht wurden. Diese stammten aber alle von den Regierungsfraktionen; kein einziger davon kam von der Opposition. Da fragen wir uns natürlich schon: Ist dies ein Misstrauensvotum gegen die ei gene Regierung, oder woher rührt denn das?
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Das ist für uns Ausdruck konzeptionsloser Flickschusterei. Wir wären froh gewesen, wenn zumindest diese 29 Monate ausgereicht hätten.
Der erste Entwurf wurde von den Nutzerverbänden komplett verrissen. Dann wurde nachgebessert. Der zweite Entwurf reicht ihnen ebenfalls nicht aus. Der Landesjagdverband er wägt sogar einen Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Die Natur- und Tierschützer haben uns jüngst dokumentiert, dass sie von diesem Entwurf gar nichts halten. Deshalb lehnen wir auch diesen zweiten Entwurf komplett ab.
Es gab nur kosmetische Änderungen, um die Kritiker milde zu stimmen. Die Änderungen führen jedoch lediglich zu ei ner zusätzlichen Verkomplizierung dieses ohnehin völlig über frachteten Gesetzeswerks.
Dieser Entwurf reiht sich allerdings ein in eine Reihe von Ge setzen, wie wir sie von dieser Landesregierung kennen, die zu einer Ökologisierung weiter Teile unseres gesellschaftlichen Lebens führen
und die durch eine vollständige Überreglementierung die in dividuelle Freiheit bei uns deutlich einengen und beschrän ken. Das tragen wir nicht mit.
Die Bedeutung der Jagd wird in diesem Gesetz völlig über höht – zumindest in ihrer Wirkung auf die Biodiversität und den Erhalt von angepassten, stabilen und gesunden Wildtier populationen. Das führt bewusst zu falschen Schlussfolgerun gen. Die bedeutende Rolle des Tourismus sowie die Rolle ei ner extensiven Zersiedelung unseres Landes sowie einer ex zessiven Freizeit- und Landnutzung werden hier faktisch aus geklammert. Hier liegen jedoch die wahren Ursachen für die Missstände in unseren Naturräumen und für das Artensterben. Die Ursachen liegen nicht bei den Jägern – so, wie es von Ih nen immer wieder suggeriert wird.
Die Jäger werden hier gezielt diskreditiert als blindwütige Hunde- und Katzenkiller. Der Schutz wildernder Hunde und verwilderter Hauskatzen sowie der Schutz invasiver Neozo en, aber auch heimischer Raubwildarten durch eine Einschrän kung einer wirksamen jagdlichen Regulierung wird über die gesetzlichen Forderungen in Bezug auf die Biodiversität und den Artenschutz gestellt. Der Tierschutz greift hier speziell und nicht mehr generell. Er orientiert sich an dem Kuschel tier der Whiskas-Werbung. Das schafft nämlich genau die Re aktionen der Öffentlichkeit, die Sie anstreben.
Das ist dieser Shitstorm von selbst ernannten Tierschützern vom Wochenende. Diese Büchse der Pandora haben Sie mit dieser Diskussion über das Landesjagdgesetz eröffnet.
(Beifall bei der CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Exakt! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Absicht lich!)
Es geht hier gar nicht um ein neues Jagdgesetz. Es geht letzt lich um den Alleinvertretungsanspruch gewisser Interessen verbände in allen Angelegenheiten des Natur- und Tierschut zes.
Zahlreiche der vorgesehenen Bestimmungen sind völlig pra xisfremd und dokumentieren auch den Verhinderungswillen dieses Gesetzgebers. Ein Fütterungsverbot bzw. eine Fütte rungsmöglichkeit erst bei einer Reviergröße von 2 500 ha ist einfach nicht machbar. Die Regelung eines Abstands von 200 m bei der Bejagung von Schwarzwild in den Jagdruhezeiten ist ebenfalls nicht machbar.
Besonders gravierend sind aber die eigentumsrechtlichen Be lange. Hier müssen wir ganz deutlich sagen: Die Grundbesit zer werden hier immer unter den Generalverdacht einer völ lig exzessiven Land- und Naturnutzung gestellt. Das tragen wir ebenfalls nicht mit.
Hier wird – das wurde heute früh auch durch unseren Frakti onsvorsitzenden betont – wieder einmal eine Kultur des Miss trauens etabliert. Das kann so nicht laufen. Dies spaltet die Gesellschaft. Viele Reglementierungen in diesem Gesetz zeu gen von einer gestörten Beziehung des Gesetzgebers zum Pri vateigentum.
Der vorliegende Gesetzentwurf enthält zahlreiche Verbote, Verpflichtungen und Ermächtigungen. Dies ist eine Bevor mundung der Jäger sowie eine Reglementierung und Gänge lung selbiger. Das ist ein besonderes demokratisches Grund verständnis. Damit nimmt man den Jägern die Lust am Jagen. Somit löst sich auch das Problem in der Diskussion über die Jagd. Stellen Sie sich vor, es ist Jagd, und keiner geht hin – Halali, Jagd vorbei.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen Abgeordne ten! Als im letzten Jahr der Landtag des Saarlands ein neues Landesjagdgesetz verabschiedet hat, haben 1 000 der 3 000 im Landesjagdverband Saarland organisierten Jäger mit Tril lerpfeife, Jagdhorn, Jagdhund und Warnweste vor dem Land tag des Saarlands demonstriert.
Aus Protest. – Dieses Jagdgesetz hatte die schwarz geführ te Landesregierung des Saarlands vorgelegt.
Überträgt man diese Verhältnisse auf Baden-Württemberg, müssten heute von den 30 000 im Landesjagdverband BadenWürttemberg organisierten Jägern theoretisch 10 000 Jäger im Schlossgarten stehen.
Das hängt u. a. auch damit zusammen, dass in den zweiein halb Jahren der Gesetzeserarbeitung die Landesregierung von Baden-Württemberg die Politik des Gehörtwerdens
indem sie zweieinhalb Jahre lang alle Verbände, die mit Wild tieren zu tun haben – vom Ökologischen Jagdverband bis zum Landesjagdverband, Tierschutzverbände, Jagdgenossenschaf ten, Waldbesitzerverbände –, mit eingebunden hat, um genau die Grundstückseigentümerrechte, die Sie angeschnitten ha ben, Herr Kollege Reuther, zu wahren. Der Slogan, den ich hierzu geprägt habe, war: „Alle müssen Federn lassen, aber keinem wird das Fell über die Ohren gezogen.“
Genau deswegen protestiert jetzt niemand draußen. Denn vor Ihnen liegt der Entwurf des modernsten Landesjagdgesetzes, zu dem es bisher in ganz Deutschland keine Nachahmer gibt.
(Beifall bei den Grünen und des Abg. Claus Schmie del SPD – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Mir wä re es lieber, wir hätten das beste!)