(Vereinzelt Beifall – Abg. Claus Schmiedel SPD: Es kann doch auch einer für alle Fraktionen sprechen!)
Oder es spricht ein Abgeordneter als Vertreter aller Frakti onen. Das müsste bei einem solchen Thema eigentlich mög lich sein. Die Katholiken unter Ihnen werden sowieso zustim men, weil sie keinen Krach mit der evangelischen Kirche ha ben wollen. Daher ist heute auch kein Streit hierüber zu er warten.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychi schen Krankheiten (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz – PsychKHG) – Drucksache 15/5521
Herr Präsident, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! August Pauly, ein deutscher Naturwissenschaftler des 19. Jahrhunderts, hat einmal zutreffend formuliert:
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, war es höchste Zeit, für psychisch kranke Mitbürger und Mitbürge rinnen in Baden-Württemberg ein Gesetz zu schaffen, das staatliche und soziale Hilfen bündelt und konkrete Regelun gen schafft.
Mit dem Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz bereinigt die grünrote Landesregierung ein weiteres eklatantes Defizit, das uns von der Vorgängerregierung hinterlassen wurde. Obwohl be reits 1999 unter der Federführung des Sozialministeriums Eckpunkte für ein Landespsychiatriegesetz erarbeitet wurden, hat es die Vorgängerregierung bis zum Jahr 2011 nicht ge schafft, ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen. Wir sind dieses Defizit nun entschlossen angegangen und ha ben ein zeitgemäßes Gesetz auf den Weg gebracht, das ich heute nun im Entwurf einbringe.
Wichtig war mir dabei vor allem, dass es nicht bei staatlicher Bevormundung und bloßen Eingriffsermächtigungen bleibt, sondern dass auch nicht staatliche, mittlerweile auf Gemein deebene etablierte Organisationen wie beispielsweise die so zialpsychiatrischen Dienste in das Gesetz integriert werden.
Damit werden solche Organisationen gestärkt, und sie erhal ten einen gesetzlichen Auftrag sowie eine gesetzliche Absi cherung.
Gleichzeitig wird die Rolle des bürgerschaftlichen Engage ments gestärkt. Denn manche Hilfestellung für psychisch kranke Menschen wird von Mitbürgerinnen und Mitbürgern ehrenamtlich erbracht.
In den Bereichen hingegen, in denen Professionalität durch psychiatrische Fachkräfte, Therapeuten oder Ärzte verlangt wird, eröffnet das Gesetz Möglichkeiten der Kooperation und schafft einen klaren rechtlichen Rahmen für die Einrichtun gen und die Betroffenen selbst.
Zudem werden die jetzt bereits bestehenden Formen der Fi nanzierung gesetzlich und damit auch verlässlich geregelt.
Neben diesen Hilfen, die alle psychisch kranken Menschen erreichen sollen, enthält das Gesetz aber auch Regelungen zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung bei Fremd- oder Selbst gefährdung. Daneben enthält es in seinem letzten Teil Regeln zum Maßregelvollzug, also zur Unterbringung von Straftä tern, die im Zustand der Schuldunfähigkeit aufgrund von schweren seelischen Störungen gehandelt haben. Auch dieses Thema gewinnt zunehmend an Bedeutung, wie die Diskussi onen zum Fall Mollath unlängst gezeigt haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das vorliegende Ge setz betrifft uns alle. Genauso, wie jeden von uns eine schwe re Krankheit oder ein Unfall mit schwersten Verletzungsfol gen ereilen kann, kann jeder in die Situation kommen, psy chisch zu erkranken. Die psychische Erkrankung reicht dabei in alle Lebensbereiche hinein, ob Beruf, Familie oder Freun deskreis. Wichtig war mir deshalb, das Gesetz nicht aus schließlich von Juristinnen und Juristen oder von Ärzten ge stalten zu lassen. Daher haben neben diesen Experten auch Betroffene, die selbst bereits erkrankt waren, und deren An gehörige in Arbeitsgruppen die Eckpunkte für das neue Ge setz mit erarbeitet.
Mit einbezogen waren auch Sozialverbände sowie Vertreter der Bürgerhilfe und der Leistungsträger, die ihren spezifischen Sachverstand frühzeitig einbringen konnten.
Zugrunde lag die neue Arbeitsweise eines umfassenden Dia logprozesses im Vorfeld des eigentlichen Gesetzgebungsver fahrens. Die Beteiligung zog sich bis zum Ende durch. Der Text des Gesetzentwurfs wurde bereits im Anhörungsverfah ren im Internet auf der Beteiligungsplattform der Landesre gierung und der Homepage des Ministeriums veröffentlicht. So konnten interessierte Bürgerinnen und Bürger bereits vor der endgültigen Formulierung im Gesetzentwurf ihre Meinung äußern. Vieles konnte daher also schon im Rahmen der An hörung berücksichtigt werden.
Ich sage nicht ohne Stolz, dass das Psychisch-Kranken-HilfeGesetz damit zu den allerersten Gesetzen gehört, bei denen dieser neue Weg der Bürgerbeteiligung erfolgreich beschrit ten wurde.
Ebenfalls mit Stolz sage ich, dass das dem Gesetz auch inhalt lich anzumerken ist. Das Gesetz sieht im ersten Teil Hilfen für psychisch kranke Menschen vor. Sie umfassen sowohl Ver besserungen im Hilfenetz als auch eine Stärkung der Rechts stellung psychisch Kranker und ihrer Angehörigen.
Bislang konnten wir zur Sicherung einer flächendeckenden Versorgung lediglich auf den Landespsychiatrieplan zurück greifen. Auch das ändert sich mit dem Gesetz. Der Landes psychiatrieplan wird zwar beibehalten und aktualisiert, aber durch ein ganzes Maßnahmenbündel ergänzt. So werden erst mals die sozialpsychiatrischen Dienste, die Gemeindepsych iatrischen Verbünde, die Patientenfürsprecher, komplett neue Informations-, Beratungs- und Beschwerdestellen sowie Be suchskommissionen in Unterbringungs- und Maßregelvoll zugseinrichtungen gesetzlich geregelt.
Alle Maßnahmen zusammen – das ist das Wichtige – ergeben für einen psychisch Erkrankten ein dichtes Netz an wohnort
Ein weiterer Punkt ist uns sehr wichtig: dass die Hilfen dort, wo es wichtig ist, von engagierten Bürgerinnen und Bürgern mitgetragen werden. So werden beispielsweise Patientenfür sprecher sowie Informations-, Beratungs- und Beschwerde stellen mit erfahrenen Ehrenamtlichen besetzt.
Dort aber, wo professionelle Hilfe notwendig ist, wird diese weiterhin von Fachleuten – Ärzten, Psychologinnen und Psy chologen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern sowie Kran kenpflegepersonal – geleistet.
Um eine Gemeindenähe, aber auch eine stabile Finanzierung zu gewährleisten, wurde die Kooperation der verschiedensten kommunalen Träger untereinander geregelt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein weiterer wichti ger Punkt wird das Register zur Erfassung von Zwangsmaß nahmen sein. Unser Ziel ist es, Zwangsmaßnahmen nur auf die Fälle zu beschränken, in denen sie auch wirklich unaus weichlich sind. Gerade für diesen sensiblen Bereich schafft das neue Gesetz klare Regelungen und bürgt für Transparenz, damit wir die Entwicklung von Zwangsmaßnahmen beobach ten und gegebenenfalls auch gegensteuern können.
Die öffentlich-rechtliche Unterbringung, die bislang im Un terbringungsgesetz geregelt ist, wurde in den zweiten Teil des neuen Gesetzes integriert. Hier wurden einige Änderungen zum Patientenschutz vorgenommen. Besuchskommissionen überprüfen nun, ob die mit der Unterbringung verbundenen besonderen Aufgaben sach- und patientengerecht erfüllt wer den.
Erstmals gibt es in diesem Gesetz auch umfassende Regelun gen für den Maßregelvollzug, der in der letzten Zeit verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Er wird bisher nur ganz rudimentär in einer Verweisungsvorschrift des Unter bringungsgesetzes geregelt. Jetzt erhält er einen gesonderten Teil im neuen Gesetz. Ziel ist es, die Allgemeinheit auch wei terhin optimal vor psychisch kranken Straftätern zu schützen. Zugleich muss den erkrankten Tätern aber auch eine gute The rapie zur Verfügung stehen. Deswegen haben wir ausdrück lich geregelt, dass die Therapie zügig und erfolgsorientiert durchzuführen ist. Das ist bereits gegenwärtige Praxis, und uns war es wichtig, das im Gesetz noch einmal in einem ei genen Abschnitt festzuschreiben. Nicht umsonst haben wir im Bundesvergleich eine sehr kurze Verweildauer im Maßregel vollzug.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wünsche mir, dass mit dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht nur die Rech te der Betroffenen gestärkt werden, sondern dass aufgrund des Gesetzes die genannten Hilfen für psychisch Erkrankte auch schnell und unbürokratisch ankommen. Ich glaube, mit die sem Gesetz und mit dem, womit wir das Gesetz mit Leben er füllen, kommen wir der Situation von psychisch kranken Men schen in Baden-Württemberg mit unseren Hilfesystemen weit entgegen.
Sehr geehrter Herr Präsident, ge ehrte Kolleginnen und Kollegen! Das neue Gesetz soll erst mals in zusammengeführter Form Hilfen und Schutzmaßnah men für psychisch kranke Personen gesetzlich regeln. Was ist aus unserer Sicht, aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion, wich tig? Wir gehen davon aus, dass durch die gesetzliche Festle gung von Hilfen und deren finanzieller Umsetzung – u. a. durch die verbindliche Sicherstellung der Förderung der so zialpsychiatrischen Dienste – mit einer Verbesserung der Teil habe des betroffenen Personenkreises am gesellschaftlichen Leben sowie dessen Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu rechnen ist.
Ich weise bereits an dieser Stelle darauf hin, dass mit dem Ge setz eine Aufgabenausweitung verbunden sein wird, die auch zu Kosten bei den Kommunen führen wird. Nicht nur für die Planungs- und Koordinierungsaufgaben, sondern auch nach den Aufgabenstellungen durch das Unterbringungsgesetz wer den beispielsweise im Öffentlichen Gesundheitsdienst zusätz liche personelle Kapazitäten erforderlich sein.
Auch wenn Aufgaben bereits bisher auf freiwilliger Basis von den Kommunen wahrgenommen werden, darf dies nicht zu einer finanziellen Benachteiligung führen – Stichwort Kon nexitätsprinzip.
Bezüglich der Schnittstellen zu Kinder- und Jugendpsychiat rie, Suchthilfe bzw. Pflege enthält die Gesetzesbegründung einzelne Hinweise. Eine umfassende Umklammerung ist bis her jedoch nicht erfolgt.
Die Anknüpfung an vorhandene, im Rahmen der Daseinsvor sorge entwickelte Strukturen befürworten wir, die CDU-Land tagsfraktion, ausdrücklich.
Das Gesetz ist insbesondere vor dem Hintergrund der Zunah me von psychischen Erkrankungen zu begrüßen. Die CDULandtagsfraktion wird diesen Gesetzentwurf unterstützen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, liebe Frau Ministerin, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Sozialminis terium!