Frau Präsidentin, meine sehr ge ehrten Damen und Herren! Was unternimmt die Landesregie rung, um die Besetzung offener Lehrstellen zu unterstützen?
Ihre Antwort auf diese Frage ist das Ausbildungsbündnis. Die Ziele des Ausbildungsbündnisses sind, die Ausbildungsreife der Bewerber zu verbessern und die Attraktivität der dualen Ausbildung zu steigern, um Berufsschulunterricht in die Flä che zu bringen und die entsprechende Versorgung sicherzu stellen.
Das alles ist richtig und wichtig. Doch schmücken Sie sich nicht mit fremden Federn. Zur Erinnerung: Das Bündnis zur Stärkung der beruflichen Ausbildung geht in Baden-Württem berg auf das Jahr 2004 zurück, als Schwarz-Gelb an der Re gierung war.
In Baden-Württemberg wurde das Bündnis 2010 schon zum dritten Mal verlängert. Mich freut vor allem, dass seit 2010 auch die Gewerkschaften mit dabei sind. Damit übernimmt Baden-Württemberg eine Vorreiterrolle. Das zeigt, dass Ko operationen zwischen den verschiedenen Akteuren funktio nieren, ganz besonders hier bei uns in Baden-Württemberg.
Die Zusammenarbeit von Kammern, Wirtschaftsverbänden, Arbeitsagenturen, kommunalen Landesverbänden und Ge werkschaften mit der Politik funktioniert also. Wenn wir die Fachkräfte- und Ausbildungssituation heute und in Zukunft betrachten, dann sehen wir, dass die Einführung dieses Bünd nisses vor zehn Jahren eine weitsichtige Maßnahme war.
2014 steht die Verlängerung dieses Bündnisses an. Das begrü ßen wir, die CDU-Landtagsfraktion, ausdrücklich. Es ist für die Menschen im Land auch beruhigend, dass Sie unsere Po litik hier im Land fortsetzen. Aber: Wo bleiben Ihre Impulse? Wenn ich mir die Ziele des Ausbildungsbündnisses anschaue, frage ich mich allerdings, was die heutige Landesregierung dazu beiträgt, um diese Ziele tatsächlich zu erreichen. Ich ha be den Eindruck, dass Sie nicht für die Ziele, sondern gegen diese Ziele arbeiten.
In der Stellungnahme zum Antrag der FDP/DVP schreiben Sie, dass eine noch stärkere Aktivierung des inländischen Er werbspotenzials notwendig sei. Das bedeutet eigentlich, dass man sich verstärkt darum bemühen müsste, Jugendlichen die duale Ausbildung schmackhaft zu machen, also die gesell schaftliche Akzeptanz dieser Ausbildung zu fördern. Aber was machen Sie? Sie schreiben in Ihrem Koalitionsvertrag, dass 50 % eines Altersjahrgangs im Laufe ihres Lebens einen Hochschulabschluss erreichen sollen. Um dieses Ziel zu er reichen, schaffen Sie die verbindliche Grundschulempfehlung ab.
Damit haben Sie den Wettlauf auf die Gymnasien ausgelöst. Wir, die CDU-Fraktion, möchten aber, dass die Schüler eine Schule nicht nur besuchen, sondern sie auch erfolgreich ab schließen.
Denn Misserfolge in den Schulen und Überforderung von Schülern führen nicht zu motivierten Schulabgängern, die aber in den Betrieben dringend benötigt werden.
Auch zur Verbesserung der Ausbildungsreife trägt diese Maß nahme nicht bei. Die meisten Interessenten für eine Ausbil dung kamen bisher von Haupt-, Werkreal- und Realschulen. Erinnern Sie sich noch? Sie wollten das inländische Potenzi al aktivieren, damit mehr junge Menschen den Weg einer Be
rufsausbildung einschlagen. Was aber machen Sie? Anstatt die Realschulen zu stärken, schwächen Sie diese durch die Ge meinschaftsschulen.
Immer mehr Realschulen werden geopfert. So aktivieren Sie keine neuen Auszubildenden und führen keine Schüler zu ei ner besseren Ausbildungsreife.
Ein weiteres Ziel des Bündnisses ist ein flächendeckender Be rufsschulunterricht. Was machen Sie? Sie schließen Kleinklas sen an beruflichen Schulen. Dabei bilden diese beruflichen Schulen den Nachwuchs für kleine, aber spezialisierte Bran chen aus.
Diese dürfen nicht dem Rotstift, der einseitig angesetzt wird, zum Opfer fallen. Hier werden Klassen geschlossen und mit Klassen an weit entfernten Standorten zusammengelegt. Das ist eine schwere Belastung für die betroffenen Branchen. Ge rade in kleinen und spezialisierten Bereichen haben die Be triebe Nachwuchssorgen.
Ihnen nun auch noch die betriebliche Beschulung ihrer Aus zubildenden zu entziehen, das kann für einzelne Betriebe das langsame Ende bedeuten.
Sehr geehrte Damen und Herren der Landesregierung und der Regierungsfraktionen, versuchen Sie doch endlich einmal, die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu schließen, zwi schen dem alten Wunsch, dass alle Menschen zum Abitur ge führt werden müssen,
und der neuen Wirklichkeit, dass gerade Fachkräfte mit einer Berufsausbildung hierzulande inzwischen Mangelware sind. Diese Erkenntnis müsste sich dann auch in Ihrer gesamten Schul- und Bildungspolitik widerspiegeln. Ich bin gespannt auf Ihre Initiativen in der Zukunft.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jetzt kommt der Berufer! – Gegenruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Der Berufene!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Grimm, wir wissen, dass Ihre Frak tion eigentlich niemanden mehr hat, der sich wirklich mit dem Thema „Berufliche Bildung“ auskennt. Jeder, der Frau Ber roth kennt, weiß: Es ist schon eine schmerzliche Tatsache für mich, dass ich Frau Berroth in dieser Debatte zurückwünsche.
Frau Schütz, auch Sie waren in der letzten Legislaturperiode dabei. Wir waren gemeinsam in der Enquetekommission. Auch Sie haben all die in großem Konsens gefassten Be schlüsse der Enquetekommission mitgetragen. Was wir zur beruflichen Orientierung und zur Stärkung des dualen Sys tems tun, geht auch auf Ihre Vorschläge zurück. Was Sie nun hier in dieser Debatte vorgetragen haben, ist wirklich unterir disch.
Sie haben als Argument angeführt, dass nur die Gemein schaftsschule und das im Koalitionsvertrag verankerte Ziel ei nes Hochschulstudiums für 50 % der Schulabgänger an der Situation schuld wären. Schauen Sie sich aber doch einmal die Zahlen an – Sie kennen sie doch auch –: 2008 gab es in Baden-Württemberg 82 000 Ausbildungsplätze. Schauen Sie sich einmal an, wie viele es jetzt noch gibt: Es sind noch 72 000. Das sind 10 000 Ausbildungsplätze weniger. Ist die grün-rote Landesregierung schuld daran, dass die Zahl der Ausbildungsplätze zurückgegangen ist?
Was haben Sie beim Übergangsbereich getan, um die prekä re Lage für junge Leute, die keinen passgenauen Ausbildungs platz bekommen, zu verbessern?
Sie haben nichts gemacht. Mit dem Ausbau des Übergangs bereichs haben Sie das duale System, ohne eine echte Quali fizierung auszubauen, geschwächt.
Deutschlandweit haben wir mit die geringste Übergangsquo te ins duale System direkt nach dem allgemeinbildenden Schulsystem. Das haben nicht wir zu verantworten, Frau Schütz; dafür tragen Sie die Verantwortung und nicht die Ge meinschaftsschule. Denn die Schüler der Gemeinschaftsschu le haben die Schule noch gar nicht verlassen und können des halb auch noch gar nicht auf dieser Stufe angekommen sein. Das sind Ammenmärchen, die Sie hier erzählen.
Herr Grimm, fast 5 000 Ausbildungsplätze sind nicht besetzt. So ist es. Wissen Sie, wie viele ausbildungsbereite junge Men schen Alternativen suchen müssen, weil sie keinen Platz be kommen? Es sind 8 000 junge Menschen. 23 000 junge Men schen haben sich schon im letzten Jahr um einen Ausbildungs platz beworben und keinen bekommen. Das sind ernste Pro bleme – nicht dieses Geschwafel, das Sie beim Thema „Be rufliche Bildung“ an den Tag legen.
Wir haben angefangen, den Übergangsbereich zu reformie ren. Ich sage Ihnen: Jeder, der sich an dieser Reform versün digt, versündigt sich an den jungen Menschen. Denn wenn wir die jungen Menschen nicht direkt nach der allgemeinbilden den Schulausbildung in einer dualisierten Ausbildung unter bringen können, dann verlieren viele nach ein, zwei Jahren den Anschluss in der beruflichen Ausbildung. In Baden-Würt
temberg haben 15 % der 25- bis 35-Jährigen keine anerkann te berufliche Ausbildung. Das ist so, und auch das haben Sie und nicht wir zu verantworten. Aber das ist ein Problem, dem wir uns in Baden-Württemberg natürlich stellen müssen. Und das hält man auch nicht mit verquasten Reden mit dem Tenor „50 % sollen einen Hochschulabschluss machen“ auf.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie wollen den Hauptschulabschluss abschaffen! – Zuruf der Abg. Katrin Schütz CDU)