Protocol of the Session on May 22, 2014

Gesamtförder- und Gesamtinvestitionsvolumen im Bereich Marktstrukturverbesserung wie lange anhängig?

b) Welche Hinderungsgründe stehen einer dem Vernehmen

nach in einer Vielzahl von Fällen aktuell ausstehenden zeit nahen Sachentscheidung entgegen?

Für die Landesregierung darf ich Frau Staatssekretärin Dr. Splett ans Rednerpult bit ten.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abg. Locherer, ich freue mich immer wieder, wenn ich eine Anfrage zum Thema Land wirtschaft beantworten darf.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Haben Sie eine Affinität zur Landwirtschaft?)

Ja, mit meinen Bienen habe ich sogar einen landwirtschaft lichen Betrieb, der registriert ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Paul Locherer CDU: Und ich, liebe Frau Staatssekretärin, habe eine Blumenwiese!)

Bei den Regierungspräsidien liegen derzeit zehn Förderanträ ge auf Investitionsförderung im Bereich Marktstrukturverbes serung vor. Das kann man, meine ich, nicht als Antragsstau bezeichnen. Hinter diesen Anträgen steht ein Gesamtförder

volumen von 4 Millionen €. Das entsprechende Gesamtinves titionsvolumen beläuft sich auf rund 20 Millionen €. Nach dem Kenntnisstand des Landwirtschaftsministeriums wurde der am längsten anhängige Förderantrag im Januar 2014 ein gereicht.

Zur Frage, warum diese Anträge da liegen: Die Bewilligung der Förderanträge setzt das Vorliegen einer mit den bestehen den Rechtsgrundlagen konformen Förderrichtlinie sowie ent sprechender Bewilligungsmittel voraus. Dazu ist zu sagen: Die Verwendung von EU-Geldern erfordert die Umsetzung der Vorgaben der Europäischen Union bezüglich Förderver fahren und deren Kontrolle. Diese Vorgaben für die neue För derperiode 2014 bis 2020 standen in Teilen erst im Dezember 2013 zur Verfügung. Zu etlichen Punkten fehlen derzeit noch immer die endgültigen Vorgaben. Das hat den Hintergrund, dass die alte ELER-Förderperiode 2013 ausgelaufen ist und jetzt eine neue Förderperiode begonnen hat. ELER steht im Übrigen für „Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Ent wicklung des ländlichen Raums“.

Nächster Punkt: Die Marktstrukturförderung wird neben Mit teln der EU auch mit Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes – ab gekürzt GAK – finanziert. Voraussetzung für die Bereitstel lung der Bewilligungsmittel ist, dass ein Erstattungsbescheid des Bundesministeriums vorliegt. Aufgrund der Dauer der Re gierungsbildung im Bund und der daraus resultierenden Ver zögerung beim Bundeshaushalt 2014 ist damit in diesem Jahr erst zur Jahresmitte zu rechnen. Das ist eine ähnliche Proble matik wie die, über die wir gestern bei den Straßenbaumitteln diskutiert haben.

Dritter Punkt: Die Verwaltungsvorschrift für die Förderung der Marktstrukturverbesserung befindet sich derzeit in der Überarbeitung, die aufgrund von geänderten gesetzlichen Vor gaben der Europäischen Union sowie des Bundes notwendig wurde. Die dazu notwendigen Stellungnahmen liegen dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz seit dem 20. Mai vor. Mit der Ausfertigung der Richtlinie ist in den nächsten Tagen zu rechnen.

Auch der MEPL-Begleitausschuss – MEPL steht für „Maßnah men- und Entwicklungsplan Ländlicher Raum“ – wird Anfang Juni tagen. Er ist wichtig, weil er die Auswahlkriterien geneh migt. Diese Auswahlkriterien sind wiederum bedeutsam, weil die Förderanträge ein Auswahlverfahren durchlaufen müssen.

Es ist auch dem Ministerium für Ländlichen Raum bekannt, dass ein kleiner Teil der Antragsteller auf schnelle Entschei dung drängt. Die Bewilligungsstellen sind dabei, die vorlie genden Förderanträge zu bearbeiten, und werden, sobald es möglich ist und die bereits genannten Voraussetzungen vor liegen, im bewilligungsreifen Einzelfall eine Ausnahme vom ansonsten unzulässigen vorzeitigen Beginn genehmigen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sehr gut!)

Das ist doch eine schöne Antwort, oder?

Vielen Dank. – Es liegen keine weiteren Zusatzfragen vor. Damit sind die Beantwor tung der Mündlichen Anfrage unter Ziffer 7 und somit auch Tagesordnungspunkt 6 – Fragestunde – beendet.

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft – Was un ternimmt die Landesregierung, um die Besetzung offener Lehrstellen zu unterstützen? – Drucksache 15/4386 (Ge änderte Fassung)

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Für die Begründung erteile ich Herrn Abg. Grimm das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Debatte über die Besetzung der Lehrstellen in Baden-Württemberg und über die Maßnahmen zur Gewinnung von Auszubildenden für of fene Lehrstellen sprechen wir über ein Thema, das seit dem Antrag von Ende November und der Mitte März ergangenen Stellungnahme nichts an Dringlichkeit verloren hat. Ich möch te aber darauf hinweisen, dass die „Südwest Presse“ heute auf der Titelseite einen Artikel mit der Überschrift „So wenige Lehrlinge wie noch nie“ veröffentlicht hat.

(Der Redner hält die aktuelle Ausgabe der „Südwest Presse“ hoch.)

Ein zweiter Artikel im Wirtschaftsteil der „Südwest Presse“ trägt den Titel: „Duale Ausbildung in der Krise“.

(Der Redner hält den Wirtschaftsteil dieser Ausgabe hoch.)

Interessant ist, was der Journalist in diesem Artikel schreibt – ich darf zitieren –:

In Sonntagsreden wird die duale Berufsausbildung gerne als Stärke des deutschen Wirtschaftssystems gepriesen. Doch sie steckt in der Krise, weil immer weniger junge Menschen sich für eine Lehre entscheiden.

Mehr noch, während dieser Zeit hat das Thema eine weitere Verschärfung erfahren. Auch das können wir der Presse ent nehmen. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden schlägt ebenfalls Alarm: Bundesweit ging die Zahl der Ausbildungs verträge 2013 um 4,3 % zurück. Im Handwerk betrug der Rückgang bundesweit sogar 5 %.

Wir erleben momentan den Schwung einer beneidenswert gu ten Konjunktur. Es gilt jetzt, diesen Schwung zu nutzen, wenn wir den Wirtschaftsstandort halten wollen. Das ist natürlich eine Frage der Infrastruktur, Straßen, Brücken, Energieversor gung und Internetverbindungen. Aber nicht minder wichtig für die Zukunft ist die Frage, wie wir gut ausgebildete Nach wuchskräfte in allen Bereichen der Wirtschaft bekommen. Das Handwerk spielt hierbei eine zentrale Rolle.

Wenn Lehrstellen dauerhaft unbesetzt bleiben, weil sich kei ne geeigneten Bewerberinnen und Bewerber finden, wird dies auf Dauer zu einer schleichenden Schwächung unser Wirt schaftsstruktur führen. Die Ausbildungsbetriebe werden nicht sofort zusammenbrechen, sondern einfach nicht mehr ausbil den. In der Praxis bedeutet dies aber, dass mit der Zeit viel Kompetenz in der Ausbildung junger Menschen verschwin den wird. Dieser Effekt wird ausgesprochen schwer wieder

auszugleichen sein. Gerade in diesem Bereich ist das Ausru hen im derzeitigen konjunkturellen Sonnenschein falsch. Die Herausforderung besteht jetzt. Jetzt müssen wir uns Gedan ken machen, und zwar gemeinsam auf allen Ebenen: Bund, Länder, Kommunen, Schulen und Wirtschaft.

Die Finanz- und Wirtschaftskrisen in den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass der Standort Deutschland mit einem star ken produzierenden Gewerbe krisenfester ist als die anderen Länder. Diese Struktur, gepaart mit Innovation und Effizienz, kann aber nur bestehen bleiben, wenn wir den Level auch mor gen noch halten können. Grundlage für die Besetzung offener Lehrstellen ist eine ausreichende Anzahl von bildungsmoti vierten Jugendlichen mit Spaß an praktischen Tätigkeitsfel dern. Dass es dabei in erster Linie um die schulische Bildung geht, wird hier wohl niemand bestreiten.

Der Geschäftsführer der IHK Stuttgart, Martin Frädrich, schlug vor einigen Tagen Alarm: Allein in der Region Stutt gart ist der Anteil der Betriebe, die nicht mehr alle angebote nen Ausbildungsplätze besetzen können, von 19 auf 25 % ge stiegen. Es liegt, wie er feststellt, keineswegs an der Bereit schaft. Allein die IHK bietet eine Fülle von Projekten an, um Auszubildende zu gewinnen und sie während der Ausbildung zu begleiten. „Die Ausbildungsreife bleibt nach wie vor ein Ausbildungshemmnis“, stellt Frädrich fest.

Hier entdecken wir, dass die Wurzel des Problems der offe nen Lehrstellen eigentlich genau in den Bildungsprinzipien liegt, mit denen Sie seit 2011 das Land beglücken. Seien Sie doch einfach einmal ehrlich, und bekennen Sie, dass die du ale Ausbildung nicht Ihre Herzensangelegenheit ist. Ich füge hinzu: Das wird auch in Zukunft nichts. Sie haben in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben:

Deswegen streben wir an, dass mittelfristig mindestens 50 % eines Altersjahrgangs im Lauf ihres Lebens ein Hochschulstudium abschließen.

Dies zeigt, wohin die Reise gehen soll.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Deshalb wundert es nicht, dass Lehrstellen nicht mehr besetzt werden können, wenn die Bildungspolitik in Baden-Württem berg das Abitur für alle in Aussicht stellt und den Schlüssel zum persönlichen Glück einzig in der akademischen Berufs laufbahn sieht. Der Trend zum Studium ist laut Statistischem Bundesamt neben dem demografischen Wandel der Haupt grund für die unbesetzten Lehrstellen.

Ich möchte hier auf einen Redebeitrag der Bundesbildungs ministerin Johanna Wanka vom vergangenen Donnerstag im Bundestag verweisen, der heute veröffentlicht wurde und demzufolge die Zahl der Ausbildungsverträge auf dem nied rigsten Stand seit 1990 sei. Erstmals gebe es mehr Studienan fänger als Einsteiger in eine Berufsausbildung. Sie sagte wört lich:

Deshalb muss es ein politischer Schwerpunkt sein, die At traktivität der beruflichen Ausbildung zu stärken.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Sehr gut!)

Die Weichen in der Bildung werden durch die Landesregie rung falsch gestellt. Statt andere Möglichkeiten zum Einstieg in das Berufsleben attraktiver zu gestalten, entwerten Sie die duale Ausbildung auf unterschiedliche Weise. Ganz offen sichtlich geschieht dies durch den konsequenten Mangel an beruflichen Schulen und beruflichen Gymnasien. Das war auch in diesem Haus schon einige Male Thema.

Sie müssen mir daher nachsehen, dass ich Ihrem angekündig ten Bündnis zur Neukonzeption der Übergangszeit von der Schule in den Beruf mit einem gewissen Misstrauen begeg ne. Ihr Umgang mit der beruflichen Bildung legt nahe, dass es sich dabei um ein sportlich aufgemachtes Einsparmodell handeln könnte. Ich bin sehr gespannt auf die ersten Erfah rungsberichte.

(Zuruf des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE)

Die Schwächung findet auch in anderen Bereichen statt. Das schleppende Ende der Werkrealschulen zugunsten Ihrer Lieb lingskinder, der Gemeinschaftsschulen, ist ein gutes Beispiel.

(Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Die Ausrichtung der Werkrealschulen ist ganz eindeutig be rufsorientiert. Ihr Schwerpunkt liegt in der Vorbereitung auf eine Ausbildung und auf die Berufspraxis. Da ist die über frachtete Gemeinschaftsschule wohl kein Ersatz. Denn ein Schwerpunkt bei dieser Schulidee kann gar nicht erkannt wer den.

In der heutigen Zeit, in der angesichts der Lage auf dem Aus bildungsmarkt die gezielte Förderung und Berufsorientierung angesagt ist wie nie zuvor, gehen Sie, die Landesregierung, genau in die entgegengesetzte Richtung – als ob es den Be darf an Auszubildenden und die daraus folgenden Konsequen zen nicht gäbe.

Der Antrag unserer Fraktion musste leider vor dem Hinter grund eines Bildungssystems mit falschen Anreizen gestellt werden. Umso wichtiger ist es, dass Sie jetzt bei diesem An trag beweisen, was Sie, die Landesregierung, leisten können.

Vielen Dank.